Projektleiter der Forschungsgruppe UMTSplus befürchtet Wettbewerbsnachteile
7 bis 9 Pfennig pro Gesprächsminute allein für Lizenzkosten
Einer der führenden Experten für den Mobilfunk der dritten Generation hat der Industrie vorgeworfen, durch ruinöse Preistreiberei die Chancen für einen Durchbruch des UMTS-Standards gravierend verschlechtert zu haben.
jgo DÜSSELDORF. Professor Werner Wiesbeck, Projektkoordinator der Forschungsgruppe UMTSplus, sagte gegenüber Handelsblatt.com, Deutschland drohe seinen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den USA zu verlieren. Wiesbecks Ansicht nach haben alle Anbieter zu viel für die Lizenzen bezahlt. Wiesbeck sagte, GSM werde noch für mehrere Jahre die Bedürfnisse der Nutzer befriedigen können."Die Unternehmen werden sich schwer tun, den Kunden UMTS schmackhaft zu machen. Am Ende wird die Industrie möglicherweise nicht nur auf überteuerten Lizenzkosten, sondern auch noch auf den Investitionskosten sitzen bleiben."
Allein die Telekom werde 7-9 Milliarden DM in die technische Infrastruktur investieren müssen, prognostizierte der Experte der >> Universität Karlsruhe. Nach Berechnungen der Forschungsgruppe werden 7-9 Pfennig pro Gesprächsminute im neuen UMTS-Standard allein aus den Lizenzgebühren resultieren. Diese Rechnung beruhe auf dem GSM-Gesprächsaufkommen, sagte Wiesbeck. Es sei allerdings keineswegs ausgemacht, dass UMTS tatsächlich viele Nutzer zum Umstieg bewegen könne.
Das Argument der Betreiber, das neue Netz lasse sich ebenso gut mit zwei Lizenzen anbieten, bestritt Wiesbeck."Eine Basisstation muss den gesamten Frequenzbereich von 60 Megahertz abdecken; je mehr Lizenzen ein Unternehmen zur Verfügung hat, desto besser kann es die Bandbreite ausnutzen." Nach den Worten Wiesbecks könnten die Unternehmen allerdings noch Zuflucht zu einem"Schlupfloch" nehmen."Die Betreiber können sich zum so genannten Site-Sharing zusammenschließen, also ein Netz gemeinsam aufbauen und gemeinsam nutzen." Er glaube aber nicht daran, dass es dazu kommen werde."Wenn ich mir ansehe, wie die sich hochgetrieben habe, dann halte ich das nicht für sehr realistisch."
Die Technik für UMTS ist Wiesbeck zufolge so gut wie einsatzbereit. Ende nächsten Jahres sei mit einem sanften Anlaufen zu rechnen, sagte der UMTSplus-Koordinator. Flächendeckend werde UMTS voraussichtlich in drei Jahren zur Verfügung stehen.
Das Projekt UMTSplus wird vom Bundesforschungsministerium mit 32 Mill. DM gefördert. Wiesbeck selbst sagte, er werde es sich zweimal überlegen, in Zukunft auf UMTS umzusteigen, wenn der neue Service deutlich teurer ausfallen werde.
Markus Schmitz, Hauck & Aufhäuser:
"Es wird jetzt recht viele Fragen geben. Wenn man sich diese Summe ansieht, ist meiner Meinung nach unnötig Feuer gemacht worden. Probleme könnte es insbesondere bei Telefonica und Sonera geben. Mit einem Kundenstamm (in Deutschland) nahe null und den Investitionen die noch bevorstehen können beide keine ernsthaften Konkurrenten zur Telekom werden. Das, was man jetzt bekommt, hätte man auch wesentlich billiger bekommen können."
Roland Pfänder, BHF-Bank:
"Es ist teuer geworden, aber wir haben mit dieser Höhe gerechnet. Dass die Aktien deutlich nachgeben würden, war abzusehen. Es geht nun darum zu sehen, mit welchen Partnern die Lizenznehmer kooperieren, um einen größeren Kundenstamm aufzubauen. Firmen wie Debitel oder Drillisch sind da sehr interessant. Mit solchen Kooperationen könnte es auch mit den Aktienkursen wieder bergauf gehen."
Robert Vinall, DG Bank:
"Nun ist der Markt durch sechs geteilt, der Wettbewerb wird größer als von manchem Anbieter angestrebt. Debitel war durch höhere Gebote der anderen Interessenten aus dem Rennen geworfen worden, der erhoffte Effekt der Konkurrenten ist aber nun nicht eingetreten. Die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen dürften sich kurzfristig erholen, auf lange Sicht sieht es aber eher negativ aus. Der Erlös von 98,8 Mrd. DM ist zu hoch, damit habe ich nicht gerechnet."
Thomas Hueck, HypoVereinsbank
"Das ist wesentlich mehr als wir ursprünglich erwartet hatten. Doch nachdem die Versteigerung in solch einen Rausch ausgeartet ist, war das Gesamtvolumen nicht länger erstaunlich. Für die Wirtschaft im Allgemeinen hat (das Ergebnis) keine großen Auswirkungen. Es wird keine Netto-Effekte auf die Anleihemärkte geben. Das ist lediglich eine Umverteilung der Gelder von einer Tasche in die andere. Auf den Euro wird (die Versteigerung) keine größeren Auswirkungen haben.
Eichel wird die Einkünfte dazu verwenden, Schulden abzubezahlen. Vor fünf Jahren war es unvorstellbar, dass so etwas passiert. Das könnte für den Euro positiv sein. Auf rein mikroökonomischer Basis sehe ich keine Auswirkungen auf die Preise (mit denen Telekommunikationsunternehmen die Kunden für UMTS-Benutzung belasten werden). Der Wettbewerb ist nach wie vor da, egal ob die Regierung die Lizenzen verkauft oder verschenkt hätte."
Theo Kitz, Merck Fink & Co.:
"Bei dem Preis wird es ungefähr acht Jahre dauern, bis der Cash Flow von UMTS wieder positiv ist. Die Frage ist, ob die Investoren so lange warten. Ich bezweifle das. Ich glaube die Aktienkurse der involvierten Telekomunternehmen werden darunter leiden. Ich hatte Gebote von 60 Mrd. DM erwartet. Die Investoren werden daher eher die Aktien von Zulieferen wie Ericsson und Nokia kaufen. Wir haben unser Rating für die Deutsche Telekom schon auf Market Performer herabgestuft und werden dies vielleicht auch für France Telecom tun. Hier werden wir aber zuerst noch die Halbjahresergebnisse abwarten
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