dottore
29.01.2002, 17:25 |
Gold, Goldmünzen, Inflation, Deflation Thread gesperrt |
Hi,
die Vorstellung, Goldmünzen bzw. deren Hortung hätten etwas mit Deflation zu tun in dem Sinne, dass es da einen Ursache-Folge-Zusammehang gibt, gehört zum festen Arsenal der Goldstandard-Kritiker.
Demnach nehmen Goldmünzen ab bzw. werden gehortet, und führen so den Zusammenbruch des Preisniveaus herbei.
Wie war es unter dem GS des Kaiserreichs?
Danach sind die Preise von 1876 bis 1879 von (1913 = 100) bei den Verbrauchern gleich geblieben, beim Großhandel von 96 auf 81 gefallen. Ein Rückgang (Deflation) um 15,6 %. Hatten das die umlaufenden Goldmünzen verursacht?
Die Summe der ausgeprägten Goldmünzen (anschließend = Umlauf) stieg</b in gleichen Zeitraum von 985 auf 1.224 Mio M. Also um 2,4 %. Sie können es prima vista nicht gewesen sein es sei denn sie wären von vorneherein massiv gehortet worden.
Das wichtigste Mittel, um zu kaufen, waren freilich nicht die Goldmünzen, sondern [b]Wechsel. Ihr Umlauf fiel im gleichen Zeitraum von 3.169 auf 2.960, also um 5,6 %.
Hatte dieser Fall des Wechselumlaufs mit dem Gold- und Devisenbestand der Reichsbank etwas zu tun? Nein, denn der stieg im gleichen Zeitraum von 211 auf 218 Mio.
Der Goldbestand der Reichsbank allein fiel zwar von 210 auf 193 Mio., was aber nicht die Ursache für den Rückgang des Wechselumlaufs (also der Schaffung von Krediten und ergo Kaufkraft ex nihilo) gewesen sein kann, da die Reichsbank die Devisen wie Gold gehalten hatte bzw. jederzeit in Gold hätte umwechseln können, sie also als Deckung dienten.
Nach 1880 nahm der Umlauf der Goldmünzen rapide ab, bis 1888 fiel ihr Umlauf (= Summe der ausgeprägten Goldmünzen überhaupt) von auf 788 Mio M. Also um 35,6 %. Die Preise im Reich fielen weiter, die VP von auf 70, die GP auf 75.
Warum ist der Umlauf der Goldmünzen gefallen? Ganz einfach, weil der Goldpreis über die Parität gestiegen war (absolut), also über die 3,98 g fein je 10 M. Wer also Goldmünzen einschmolz, machte ein müheloses Geschäft. Goldmünzen können also keineswegs gehortet worden sein. Denn man kann nicht Goldmünzen horten und sie gleichzeitig einschmelzen.
Damit scheiden gehortete Goldmünzen per se als Deflationsursache aus. Die umlaufenden Wechsel helfen auch hier als Erklärung weiter. Denn ihre Summa erreichte 1888 mit 3.124 Mio M. immer noch nicht wieder den Stand von 1876 (3.169). Die Deflation kam also nicht aus dem umlaufenden und evtl. gehorteten Goldgeld, sondern aus den Wechseln bzw. der vom privaten Publikum selbst geschaffenen mangelnden Nachfrage.
Scheiterte der Wechseldiskont evtl. am mangelhaften Goldbestand der Reichsbank, die bekanntlich auf die Dritteldeckung achten musste (sonst war Notensteuer fällig)?
Auch diese Frage ist zu verneinen. Den der Goldbestand der Reichsbank (1876 = 211) lag schon 1886 bei 407 und 1889 bei 483 Mio M. (Zahlen dazwischen fehlen leider). Die Reichsbank hätte also erheblich mehr Wechsel rediskontieren, also in Banknoten verwandeln können, wenn man sie ihr nur angedient hätte.
Die Abnahme der Goldmünzen resultierte ausschließlich aus dem Ansieg des Goldpreises über die Parität, also aus einer Goldinflation. Die Abnahme der Wechsel resultierte aus einer nicht wieder steigenden Kreditnahme-Bereitschaft der Geschäftswelt.
Und dass die Wechsel die entscheidende Rolle bei der Ermittlung der Kaufkraft insgesamt gespielt hatten, ergibt sich schon aus dem Vergleich der Wechselumlaufsumme mit der Bargeldumlaufsumme.
1888 lag die Wechselumlaufsumme bei (jahrsurchschnittlich, nicht aufaddiert!) bei 3.124 Mio M., die Bargeldumlaufsumme bei 2.829 Mio M.
Nach 1888 stieg die Summe der umlaufenden Goldmünzen stark an und lag 1913 bei 2.755 Mio M. Der Wechselumlauf stieg ebenfalls stark an, auf 8.590. Der Bargeldumlauf erreichte auch dann immer noch nicht den Wechselumlauf. Er lag 1913 bei 6.552 Mio M. Goldbestand in der Reichsbank 1913 = 1.378, also auch keinerlei Probleme; der Banknotenumlauf - Bargeld insgesamt minus Goldmünzen - lag bei 3.797, womit das Einhalten der Dritteldeckung Gold in Summa 1.266 benötigt hätte.
Letzte Frage: Warum wurden so stark zusätzliche Goldmünzen ausgeprägt? Antwort: Weil der Goldpreis nach 1888 wieder unter die Parität gefallen war, es sich also Gold auszumünzen lohnte.
Das Preisniveau wurde also von den Kreditaktivitäten bestimmt (wie auch anders) und der Bestand an Goldmünzen hing ausschließlich ab vom (letztlich internationalen) absoluten Goldpreis, der logischerweise nicht vom Goldbestand selbst beeinflusst werden konnte, sondern jeweils von der Nachfrage mit Hilfe von Krediten nach Gold (bestehendem bzw. zu förderndem).
Alles hat also bestens funktioniert und davon, dass Gold als Bestand oder als potenzielle Förderung die absoluten Preise aller Waren (Inflation oder Deflation) beeinflusst hätte, kann keine Rede sein.
Das nur mal kurz und grüßend
d.
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Holmes
29.01.2002, 21:49
@ dottore
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Re: Gold, Goldmünzen, Inflation, Deflation |
>Hi,
>die Vorstellung, Goldmünzen bzw. deren Hortung hätten etwas mit Deflation zu tun in dem Sinne, dass es da einen Ursache-Folge-Zusammehang gibt, gehört zum festen Arsenal der Goldstandard-Kritiker.
>Demnach nehmen Goldmünzen ab bzw. werden gehortet, und führen so den Zusammenbruch des Preisniveaus herbei.
>Wie war es unter dem GS des Kaiserreichs?
>Danach sind die Preise von 1876 bis 1879 von (1913 = 100) bei den Verbrauchern gleich geblieben, beim Großhandel von 96 auf 81 gefallen. Ein Rückgang (Deflation) um 15,6 %. Hatten das die umlaufenden Goldmünzen verursacht?
>Die Summe der ausgeprägten Goldmünzen (anschließend = Umlauf) stieg</b in gleichen Zeitraum von 985 auf 1.224 Mio M. Also um 2,4 %. Sie können es prima vista nicht gewesen sein es sei denn sie wären von vorneherein massiv gehortet worden.
>Das wichtigste Mittel, um zu kaufen, waren freilich nicht die Goldmünzen, sondern [b]Wechsel. Ihr Umlauf fiel im gleichen Zeitraum von 3.169 auf 2.960, also um 5,6 %.
>Hatte dieser Fall des Wechselumlaufs mit dem Gold- und Devisenbestand der Reichsbank etwas zu tun? Nein, denn der stieg im gleichen Zeitraum von 211 auf 218 Mio.
>Der Goldbestand der Reichsbank allein fiel zwar von 210 auf 193 Mio., was aber nicht die Ursache für den Rückgang des Wechselumlaufs (also der Schaffung von Krediten und ergo Kaufkraft ex nihilo) gewesen sein kann, da die Reichsbank die Devisen wie Gold gehalten hatte bzw. jederzeit in Gold hätte umwechseln können, sie also als Deckung dienten.
>Nach 1880 nahm der Umlauf der Goldmünzen rapide ab, bis 1888 fiel ihr Umlauf (= Summe der ausgeprägten Goldmünzen überhaupt) von auf 788 Mio M. Also um 35,6 %. Die Preise im Reich fielen weiter, die VP von auf 70, die GP auf 75.
>Warum ist der Umlauf der Goldmünzen gefallen? Ganz einfach, weil der Goldpreis über die Parität gestiegen war (absolut), also über die 3,98 g fein je 10 M. Wer also Goldmünzen einschmolz, machte ein müheloses Geschäft. Goldmünzen können also keineswegs gehortet worden sein. Denn man kann nicht Goldmünzen horten und sie gleichzeitig einschmelzen.
>Damit scheiden gehortete Goldmünzen per se als Deflationsursache aus. Die umlaufenden Wechsel helfen auch hier als Erklärung weiter. Denn ihre Summa erreichte 1888 mit 3.124 Mio M. immer noch nicht wieder den Stand von 1876 (3.169). Die Deflation kam also nicht aus dem umlaufenden und evtl. gehorteten Goldgeld, sondern aus den Wechseln bzw. der vom privaten Publikum selbst geschaffenen mangelnden Nachfrage.
>Scheiterte der Wechseldiskont evtl. am mangelhaften Goldbestand der Reichsbank, die bekanntlich auf die Dritteldeckung achten musste (sonst war Notensteuer fällig)?
>Auch diese Frage ist zu verneinen. Den der Goldbestand der Reichsbank (1876 = 211) lag schon 1886 bei 407 und 1889 bei 483 Mio M. (Zahlen dazwischen fehlen leider). Die Reichsbank hätte also erheblich mehr Wechsel rediskontieren, also in Banknoten verwandeln können, wenn man sie ihr nur angedient hätte.
>Die Abnahme der Goldmünzen resultierte ausschließlich aus dem Ansieg des Goldpreises über die Parität, also aus einer Goldinflation. Die Abnahme der Wechsel resultierte aus einer nicht wieder steigenden Kreditnahme-Bereitschaft der Geschäftswelt.
>Und dass die Wechsel die entscheidende Rolle bei der Ermittlung der Kaufkraft insgesamt gespielt hatten, ergibt sich schon aus dem Vergleich der Wechselumlaufsumme mit der Bargeldumlaufsumme.
>1888 lag die Wechselumlaufsumme bei (jahrsurchschnittlich, nicht aufaddiert!) bei 3.124 Mio M., die Bargeldumlaufsumme bei 2.829 Mio M.
>Nach 1888 stieg die Summe der umlaufenden Goldmünzen stark an und lag 1913 bei 2.755 Mio M. Der Wechselumlauf stieg ebenfalls stark an, auf 8.590. Der Bargeldumlauf erreichte auch dann immer noch nicht den Wechselumlauf. Er lag 1913 bei 6.552 Mio M. Goldbestand in der Reichsbank 1913 = 1.378, also auch keinerlei Probleme; der Banknotenumlauf - Bargeld insgesamt minus Goldmünzen - lag bei 3.797, womit das Einhalten der Dritteldeckung Gold in Summa 1.266 benötigt hätte.
>Letzte Frage: Warum wurden so stark zusätzliche Goldmünzen ausgeprägt? Antwort: Weil der Goldpreis nach 1888 wieder unter die Parität gefallen war, es sich also Gold auszumünzen lohnte.
>Das Preisniveau wurde also von den Kreditaktivitäten bestimmt (wie auch anders) und der Bestand an Goldmünzen hing ausschließlich ab vom (letztlich internationalen) absoluten Goldpreis, der logischerweise nicht vom Goldbestand selbst beeinflusst werden konnte, sondern jeweils von der Nachfrage mit Hilfe von Krediten nach Gold (bestehendem bzw. zu förderndem).
>Alles hat also bestens funktioniert und davon, dass Gold als Bestand oder als potenzielle Förderung die absoluten Preise aller Waren (Inflation oder Deflation) beeinflusst hätte, kann keine Rede sein.
>Das nur mal kurz und grüßend
>d.
Hi,
jetzt mal die Gretchenfrage: wie wertvoll wird rohes Gold (das Metall, keine Münzen mit nominalem Wert) im GS. Bezogen auf jetzigen Dollarwert, etwa.
Gibt es eine Möglichkeit, im GS die weitere Goldförderung zu unterbinden oder zu begrenzen-halt nicht mehr als jetzt? Kann man eine Goldwährung nur mit dem vorhandenen Gold machen, und würde die funktionieren?
Und falls nein: wieviel Gold müsste/würde
dann jährlich neu gefördert werden? Hängt natürlich vom Preis ab.
Die Umweltschäden beim Goldabbau sind schon heute gewaltig. Ausserdem fällt nicht wenig Gold"nebenbei" bei der Kupfergewinnung an. Dafür brauchts keine Cyanid/Hg-Laugerei. MEHR Gold = Goldminen = CN/Hg-Laugerei=Umweltschäden.
Wieviel % der wirtschaftlichen Ressourcen würden nur für die Goldgewinnung draufgehen? Friedman schätzt 5%, oder?
Gruss
Holmes
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Ecki1
29.01.2002, 22:57
@ Holmes
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Re: Übertreibung im Goldsektor denkbar? |
Wieviel % der wirtschaftlichen Ressourcen würden nur für die Goldgewinnung draufgehen? Friedman schätzt 5%, oder?
5 % wären gerade noch erträglich. Soviel wurde nämlich im 1999 in den USA allein für Courtagen im Wertpapierhandel aufgewendet.
Gruss: Ecki
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dottore
30.01.2002, 08:47
@ Holmes
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Re: Gold, Goldmünzen, Inflation, Deflation |
>Hi,
>jetzt mal die Gretchenfrage: wie wertvoll wird rohes Gold (das Metall, keine Münzen mit nominalem Wert) im GS. Bezogen auf jetzigen Dollarwert, etwa.
Wenn es keine Parität gibt, also 10 M = 3,98 g fein oder was auch immer, haben wir keinen GS, sondern ein KGS. Dann gibt es nur relative Preise der Waren untereinander, also 10 g Gold (dessen Qualität nicht definiert werden muss, sondern 999/1000 fein oder 500/1000 fein usw.) = 1 Stehlampe einer definieretn Qualität = 50 Rosen = 1 Tag Arbeit (mit bestimmten Output) = 10 Kinokarten usw.
Die Preise einzelner Waren/Dienste steigen relativ zu anderen, wenn sie mit zusätzlichen Krediten bezogen au diese Waren nachgefragt werden (Kredit reicht von Anschreiben bis Wechsel usw.). Der Kredit muss anschließend durch zusätzliche Waren bzw. Dienste abgearbeitet werden, was die Preise (da mehr Angebot der Waren oder Dienste) wieder senkt.
>Gibt es eine Möglichkeit, im GS die weitere Goldförderung zu unterbinden oder zu begrenzen-halt nicht mehr als jetzt?
Unterbinden hieße verbieten. Würde so wirken wie das Verbot der Produktion jeder anderen Ware auch. Falls dann immer noch Nachfrage, würde der Preis steigen.
>Kann man eine Goldwährung nur mit dem vorhandenen Gold machen, und würde die funktionieren?
Käme kein zusätzliches Gold mehr zu dem bereits vorhandenen und würde gleichzeitig der GS beibehalten, könnten auch die ZBs kein Gold mehr nachfragen. Sie müssten dann gar nicht stun, da ihr Goldbestand immer wertvoller würde und die Deckungsgrenze bliebe immer die gleiche.
Also:
ZB zuerst Bewertung Goldbestand = 100. Dritteldeckung = 300 Banknoten könnten gegen Einreichung von Wechseln ausgegeben werden.
ZB später Goldbestand = 200 (weil sich der Goldpreis am freien Markt ohne Zufluss von weiterem Gold erhöhren würde) = Möglichkeit 600 Banknoten gegen Wechsel auszugeben.
>Und falls nein: wieviel Gold müsste/würde > dann jährlich neu gefördert werden?
Null.
>Hängt natürlich vom Preis ab.
Der Preis, der steigt, bewertet den Goldbestand der ZB höher = sie kann mehr Wechsel rediskontieren. Es kommt beim dann ein für allemal festgelegten ZB-Goldbestand nur auf Preis mal Menge an des bei der ZB liegenden Goldes an.
>Die Umweltschäden beim Goldabbau sind schon heute gewaltig. Ausserdem fällt nicht wenig Gold"nebenbei" bei der Kupfergewinnung an. Dafür brauchts keine Cyanid/Hg-Laugerei. MEHR Gold = Goldminen = CN/Hg-Laugerei=Umweltschäden.
Wenn die Umweltschäden nicht neutralisiert werden können, dann lässt sich der Goldabbau unschwer verbieten. GS-Effekt, wie oben.
>Wieviel % der wirtschaftlichen Ressourcen würden nur für die Goldgewinnung draufgehen? Friedman schätzt 5%, oder?
5 % des BIP? Ganz ausgeschlossen. Wie wird da gerechnet? Wert des bei der Goldproduktion geförderten neuen Goldes p.a. ca. 35 Mrd €. Da absorbieren viele Autofabriken mehr Ressourcen. Der Weltfussball setzt mehr als das Dreifache davon um.
Gruß
d.
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