ENRON-SKANDAL
Wie Linda ihren Kenny-Boy (ungewollt) absägte:
Von Carsten Matthäus
Um das Ansehen ihres Mannes zu retten, stieg Linda Lay, die Frau des Ex-Enron-Chefs Kenneth Lay in den Interview-Ring - und schaffte damit den PR-GAU.
REUTERS
Geschichtsklitterung in häuslicher Atmosphäre: Linda Lay im NBC-Interview
Erst wenn man aufgibt, hat man wirklich verloren. Und Kenneth Lay wäre nicht Kenneth Lay, wenn er so schnell aufgeben würde. Nun ist der Ex-Enron-Chef im Kampf um seinen Platz in der (US-Wirtschafts-)Geschichte zurzeit ein wenig in die Defensive geraten. Kurzentschlossen hat er dieser Tage die nächste Eskalationsstufe erklommen: Er schickte seine Frau Linda ins Rennen, um an Image zu retten, was nach der größten Firmenpleite der Geschichte und angesichts mehrerer Strafverfahren noch zu retten ist.
Dass die weiblichen Wunderwaffen durchaus Schlachten wenden können, kann als bewiesen gelten. Laura Bush, Hillary Clinton und Cherie Blair haben es bereits vorgemacht. Ob es darum ging, verbale Entgleisungen, politische Fehler oder sexuelle Ausrutscher auszubügeln - es genügte ein Fernsehinterview (treuherzige Blicke inklusive) und Präsidenten und Premiers waren wieder obenauf.
Und Linda gab alles: Kenny Boy würde niemals etwas Illegales zulassen, Kenny Boy habe bis zuletzt nichts gewusst und Kenny Boy hätte sicherlich sofort gehandelt, wenn ihm etwas aufgefallen wäre. Zehn Minuten lang zog Frau Lay sämtliche Register ihrer Überzeugungskraft. Auf NBC. Zur besten Sendezeit.
Es stimmte einfach alles - vom Ambiente bis hin zu den großen Emotionen. NBC-Reporterin Lisa Myers und Linda saßen im Wohnzimmer der Lays und plauderten unter Frauen über den Skandal, den wundervollen Ehemann und den bösartigen Rest der Welt. (Im Plüschsessel wird selbst ein riesiger Wirtschaftsskandal zum Kaffeeklatsch.) Unter Tränen und mit erstickter Stimme erzählte Linda dem Publikum von einem Anruf des besten aller möglichen Ehemänner."Er sagte, er könne den Bankrott jetzt nicht mehr aufhalten. Er hat alles versucht, aber er konnte nichts mehr tun".
Zugegeben - Reporterin Myers hätte schärfer nachfragen können, schließlich ist sie für ihre aggressiven Interviews berüchtigt. Doch angesichts der Tragödie beschränkte sie sich pietätvoll aufs Stichwortgeben. (Um ganz sicher zu gehen, hatten die Lays extra noch eine befreundete Spezialistin für Public Relations eingeschaltet). Ob ihr denn die vielen Mitarbeiter nicht leid täten, die wegen des Enron-Desasters ihre Pensionsansprüche verloren hätten, gab Myers vor."Sehen sie uns an. Wir haben alles verloren. Uns bleibt nichts als das Haus, in dem wir wohnen", lamentierte Linda.
Spätestens bei diesem Stichwort wendete sich die Offensive jedoch zum PR-GAU. Die armen Lays sitzen nämlich keineswegs nur auf Millionen wertloser Enron-Aktien. Und was noch schlimmer ist: Die Ã-ffentlichkeit weiß es längst. So berichtete der Houstoner Lokalsenders KHOU, dass die Lays noch Aktienpakete von Compaq und Eli Lilly besitzen, die etwa neun Millionen Dollar wert sind. Der"Houston Chronicle" weiß von drei Villen in Aspen, die zurzeit zum Verkauf stehen - geschätzter Wert: rund 18 Millionen Dollar. Danach, so der Bericht, blieben den Lays immer noch elf Immobilien.
Allein das Penthouse, in dem das herzerweichende Interview geführt wurde, wird laut"Chronicle" mit 7,1 Millionen Dollar bewertet. Und nach texanischem Gesetz kann den Lays das Eigenheim mit sechs Schlafzimmern selbst bei einer vollständigen Bankrotterklärung nicht weggenommen werden. Zum Schluss meldete sich noch Tyson Slocum von der Bürgerinitiative Public Citizen zu Wort. Er vermutet, dass von den 200 Millionen Dollar, die Kenny Boy in den vergangenen vier Jahren bei Enron verdient hat, noch einiges übrig ist."Davon könnte noch viel Geld auf Konten auf den Cayman Inseln liegen."
Auch den Versuch, die Geschichte vom Kampf ihres Mannes gegen den Bankrott ein wenig umzuschreiben, hätte Linda besser unterlassen. Kenneth habe sich mit Sharon Watkins getroffen, die intern bereits am 15. August auf die Misstände im Konzern hingewiesen hatte, gab sie gegenüber Myers zum Besten. Sie sei sich sicher, dass ihr Mannes daraufhin völlig richtig reagiert habe:"Er schickte die Berater von Vinson & Elkin los. Die kamen zurück und sagten, dass alles in Ordnung sei." Ihr PR-Team hatte vergessen, sie darauf hinzuweisen, was längst bekannt ist. Watkins hatte den Enron-Chef gebeten, dabei gerade nicht die Dienste von Vinson & Elkin in Anspruch zu nehmen. Als Grund hatte die Enron-Mitarbeiterin Interessenkonflikte genannt.
Fast könnte man ein wenig Mitleid haben mit Linda, angesichts der öffentlichen Wirkung ihres Auftritts. Die Geschichte erinnert ein wenig an die der Saveria Benedetta Provezano. Auch sie hatte versucht, das Ansehen ihres Mannes - einer der widerwärtigsten Mafia-Chefs Süditaliens - mit einem Interview in der Zeitung"La Repubblica" zu retten. Bernardo habe sein ganzes Leben von morgens bis abends gearbeitet, hatte sie geworben:"Er war ein Bauer und hatte eine Hacke in der Hand, seit er ein Kind war". Provezano war wegen mehrfachen Mordes und einer langen Liste schlimmster Verbrechen längst verurteilt.
Quelle: spiegel.de
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