Wal Buchenberg
07.02.2002, 09:27 |
Woher kommen die Verschwörungstheorien? Thread gesperrt |
Thesen zum Ursprung der Verschwörertheorien
1. In allen frühzeitlichen Welttheorien und Philosophien (bei den Griechen z.B. bis zu den frühen Naturphilosophen) wurde die Welt als großer, selbstregulierter, chaotischer Organismus gesehen. Die Gottheiten waren idealisierte Naturkräfte, keine Menschenkräfte. Dieses Denken entsprach der Produktionsweise von Jägern, Hirten und Bauern, die von den Veränderungen der Natur abhängig waren, selber aber wenig an dieser Naturwelt änderten.
Belege: Frühe Mythologien, Arche-Begriff der Vorsokratiker.
2. Erst durch die Entwicklung des städtischen Handwerks lernten die Menschen, zweckgerichtet und geplant auf die Natur einzuwirken. Es entstand dadurch ein neues Denkmodell, das den Arbeitsprozess als Paradigma zur Welterklärung benutzte: Am Anfang steht ein Plan, eine Idee, der Planende benutzt totes, willenloses Material und zwingt diesem Material mit seinen Werkzeugen seine Produktidee auf. Am Ende ist die Idee verwirklicht. Die äußere Natur wird als toter Stoff gesehen, als Material. Ursache der Veränderung ist der handwerkende Mensch. Die Götter erhielten Menschengestalt.
Den handwerklichen Arbeitsprozess zur Welterklärung wurde zuerst von Platon formuliert und von Aristoteles ausgearbeitet. Dieses Denken bildete die Basis der europäischen Philosophie bis Hegel.
Belege: „Im Augenblick aber müssen wir uns drei Gattungen denken: das Werdende (=Produkt), das, worin es wird (=Material), und das, woher nachgebildet das Werdende geboren wird (=Plan des Handwerkers).“ Platon, Timaios 50 d.
Die Naturphilosophen hatten gedacht, dass Ursachen der Dinge in ihnen (der Natur selbst) liege. Das Handwerkerdenken geht davon aus, dass die Dinge nur totes Material seien, die Ursachen also außerhalb von ihnen liegen:
„Ich frage dich, ob dich notwendig dünkt, dass alles Werdende kraft einer Ursache werde.... Und das Bewirkende kommt doch immer zuerst, seiner Natur nach, das Bewirkte aber folgt als Werdendes jenem.“ Platon, Philebos 26 e - 27 a.
Diese (Erst)Ursache wird als der Plan eines Handwerkers = Schöpfers gedacht. Die planende Vernunft ist die höchstenwickelte menschliche Fähigkeit: „Aber als ich einmal einen vorlesen hörte, aus einem Buche des Anaxagoras, wie er sagte, dass die Vernunft das Anordnende ist und aller Dinge Ursache, an dieser Ursache erfreute ich mich, und es schien mit auf gewissen Weise sehr richtig, dass die Vernunft von allem die Ursache ist, und ich gedachte, wenn sich dies so verhält, so werde die ordnende Vernunft auch alles ordnen und jegliches stellen, so wie es sich am besten befindet. Wenn nun einer die Ursache von jeglichem finden wollte, wie es entsteht oder vergeht oder besteht, so müsse er nur dieses daran finden...“ Platon, Phaidon 97 c - d.
3. Alles was ist, ist also nach dem Plan einer Person gemacht. Hinter der Natur und der Geschichte steht dann ebenso eine geplante Schöpfung wie hinter einem Tisch oder einem Auto.
Die Verschwörertheorien sind eine säkularisierte Religion. In der Theologie entstammt alles, was ist, dem Gedanken Gottes. In den Verschwörertheorien entstammt alles, was geschieht, dem Plan von Menschen.
Wer diese Menschen sind, weiß man ebenso wenig, wie man weiß, wer Gott ist. Aber ein Plan muss da sein, weil es ein Ergebnis gibt.
Dieses Handwerker-Denken hat eine lange und erwürdige Tradition, und auch so kluge Menschen wie Einstein hatten diese Handwerker-Philosophie. Einstein sagte: „Gott würfelt nicht!“ So denken die Verschwörungstheoretiker bei jedem Ereignis: Da muss doch ein Plan dahinterstecken!
4. Dass die Natur, das ganze Weltall, ein selbstregulierender „Organismus“ ist, ohne planende Außensteuerung oder Einwirkung „von Außen“, das ist die Grundannahme der modernen Naturwissenschaft.
Was ist aber mit der Menschenwelt, der Geschichte, der Gesellschaft und der Wirtschaft?
Hier agieren lauter denkende, vernunftbegabte Wesen, die zweckgerichtet und planvoll handeln. Aber ihre Pläne und Zwecke widersprechen und durchkreuzen sich. Was am Ende herauskommt, ist die Resultante des Kräftevielecks der aufeinanderwirkenden Willen. Statistisch gesehen kommt am Ende immer das heraus, was keiner gewollt hat.
5. Wer die Organisation eines großen Unternehmens kennengelernt hat, der weiß, wie chaotisch das abläuft - trotz aller Planung. Jemand mit moderner Arbeitserfahrung wird nie auf die Idee kommen, ein ganzes Land oder sogar die ganze Weltgeschichte könnte durch den Willen weniger Menschen gesteuert werden. Solche Erfahrungen in großen Unternehmen haben aber sehr viele. Daher werden die Verschwörungstheoretiker immer ein unbedeutende Minderheit bleiben - obwohl sie sich auf die Denktradition der europäischen Philosophie stützen können.
Gruß Wal Buchenberg
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JüKü
07.02.2002, 10:20
@ Wal Buchenberg
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Re: Woher kommen die Verschwörungstheorien?/Gutes Argument! |
>5. Wer die Organisation eines großen Unternehmens kennengelernt hat, der weiß, wie chaotisch das abläuft - trotz aller Planung. Jemand mit moderner Arbeitserfahrung wird nie auf die Idee kommen, ein ganzes Land oder sogar die ganze Weltgeschichte könnte durch den Willen weniger Menschen gesteuert werden. Solche Erfahrungen in großen Unternehmen haben aber sehr viele. Daher werden die Verschwörungstheoretiker immer ein unbedeutende Minderheit bleiben - obwohl sie sich auf die Denktradition der europäischen Philosophie stützen können.
>Gruß Wal Buchenberg
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Shakur
07.02.2002, 12:54
@ JüKü
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Re: Woher kommen die Ve../Schwachsinnige Aussage! Kein Argument!-owT- |
>>5. Wer die Organisation eines großen Unternehmens kennengelernt hat, der weiß, wie chaotisch das abläuft - trotz aller Planung. Jemand mit moderner Arbeitserfahrung wird nie auf die Idee kommen, ein ganzes Land oder sogar die ganze Weltgeschichte könnte durch den Willen weniger Menschen gesteuert werden. Solche Erfahrungen in großen Unternehmen haben aber sehr viele. Daher werden die Verschwörungstheoretiker immer ein unbedeutende Minderheit bleiben - obwohl sie sich auf die Denktradition der europäischen Philosophie stützen können.
>>Gruß Wal Buchenberg
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ManfredZ
07.02.2002, 13:12
@ Wal Buchenberg
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Re: Woher kommen die Verschwörungstheorien? |
Dein historischer Rückblick gefällt mir. Überhaupt ist durch die Aufklärugn der animistische Standpunkt verloren gegangen, ich persönlich traue auch Steinen und Wolken eine finale (statt einer bloß kausalen) Orientierung zu - dazu muß man aber davon ausgehen, daß auch Steine und Wolken ein Bewußtsein haben. Für mich ist das überhaupt kein Widerspruch zum Monotheismus.
Zu den Verschwörungstheorien: ich sags immer wieder, vor dem 11.9. hab ich mir auch gedacht, daß 99% aller Verschwörungstheorien Quatsch sind - aber das war ein Vorurteil und ich habe dazu gelernt. Geh zurück in die Geschichte und studiere die Fakten, dann warst Du sehen, daß das scheinbar Unmögliche doch möglich ist. Ein Grund könnte sein, daß die Akteure oft zu ALLEN Mitteln greifen (und dabei auch über Leichen gehen, wenn es sein muß), um ihre Ziele durchzusetzen - im Gegensatz zu normalen Organisationen z.B.
Manfred
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riwe
07.02.2002, 14:56
@ Shakur
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Begründe doch bitte Deinen Einwand (owT) |
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nereus
07.02.2002, 15:32
@ JüKü
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Re: Woher kommen die Verschwörungstheorien?/Gutes Argument! -?? |
Hallo!
Wal schrieb: Wer die Organisation eines großen Unternehmens kennengelernt hat, der weiß, wie chaotisch das abläuft - trotz aller Planung. Jemand mit moderner Arbeitserfahrung wird nie auf die Idee kommen, ein ganzes Land oder sogar die ganze Weltgeschichte könnte durch den Willen weniger Menschen gesteuert werden. Solche Erfahrungen in großen Unternehmen haben aber sehr viele...
Jükü fand dies wäre ein gutes Argument.
Ich finde diese Feststellung zwar im Grundsatz richtig aber noch nicht unbedingt hinreichend als Beweis für die Nichtexistenz einer Steuerungsmöglichkeit der Weltpolitik.
Die Entscheidungen in einer Firma trifft noch immer die Geschäftsleitung.
Und mit diesen Entscheidungen trägt sie ja wohl maßgeblich zum Gelingen oder Nichtgelingen bei. Eine solche Einflußnahme haben der Pförtner oder die Reinigungskraft sicherlich nicht.
Gut, wenn der Pförtner den Terroristen reinläßt oder die Putzfrau vom KGB ist und wichtige Unterlagen beschaffen kann, drehen auch sie ggf. ein größeres Rad.
Aber das ist die Ausnahme und nicht die Regel.
Nick Leeson hat eine ehrwürdige Bank gesprengt und ein paar ältere Herren haben wahrscheinlich nur zugesehen.
Selbstverständlich können die Handlungen von Wenigen an den richtigen Stellen ganz entscheidend die Lage modifizieren.
Hat nicht vor einem Jahr ein Virus aus Südostasien Millionen von Rechnern kurzzeitig platt gemacht?
Politik zu beeinflussen heißt auch nicht pausenlos jegliche Ereignisse"selbst zu machen" sondern darauf zu achten das der Drall die gewünschte Richtung einschlägt. Besondere Taten ziehen eine ganze Ereigniskette nach sich, siehe WTC, auch wenn in diesem Fall die Verschwörung noch nicht bewiesen ist.
Aber wenn es eine wäre - ob wir das jemals erfahren?- hätte sie perfekt funktioniert.
Und wenn die Schily-Gesetze nicht rückgängig gemacht werden ist es völlig egal ob der Otto im Oktober noch im Amt ist. Dann kommt eben der Beckstein und legt noch einen Scheit in's Feuer.
Jeder einigermaßen intelligente Kriminelle legt falsche Spuren und die Kripo weiß das auch. Und mancher Verbrecher-Clan hat über Generationen erpresst und genötigt um die Fäden in der Hand zu halten.
Mir scheint mit Prozessen die über lange Zeiträume laufen, haben viele Leute so ihre Probleme. Aber gerade die sind die wirklichen"Macher", sehr schön an der gaaanz langsam zuschnappenden Verschuldungszange zu studieren.
Das soll nicht heißen das ich nun unbedingt eine frühmittelalterliche Verbindung zur Neuzeit herstellen will und irgendein verblichener Graf, von sagen wir mal, St. Germain noch heute eine Rolle spielt. ;-)
mfG
nereus
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Changer
07.02.2002, 22:37
@ Wal Buchenberg
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Re: Woher kommen die Verschwörungstheorien? |
Hallo Wal,
>> Jemand mit moderner Arbeitserfahrung wird nie auf die Idee kommen, ein ganzes Land oder sogar die ganze Weltgeschichte könnte durch den Willen weniger Menschen gesteuert werden.
## Ich denke Folgendes(nach dem Prinzip von"wie im Grossen, so im Kleinen):
In der Familie ist es der Vater, im Dorf der Bürgermeister, in der Grossstadt der OB, in einem Bundesland der Ministerpräsident, in einer Nation der Regierungschef. Was denn? Na der Chef, der die Entscheidungen trifft und den Kahn steuert.
Aus welchem Grund könnte man diese Reihe jetzt nicht für einen Kontinent, bzw. sämtliche Kontinente fortsetzen?
Grüsse, CHANGER
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JeFra
08.02.2002, 04:40
@ Wal Buchenberg
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Re: Woher kommen die Verschwörungstheorien? |
Statistisch gesehen kommt am Ende immer das heraus, was keiner gewollt hat.
Also die beiden Flugzeuge sind im WTC gelandet, obwohl sie keiner dort haben wollte? Das Problem ist hier, daß 'Verschwörungstheorie' ein ungemein dehnbarer Begriff ist. Man kann vermutlich jede Interpretation des 11. September, die diesen nicht als Unfall betrachtet, als Verschwörungstheorie bezeichnen.
Die meisten Leute betrachten politische Entscheidungen nicht als Zufallsprodukte, sondern als Resultat der Machtverhältnisse verschiedener pressure groups. Ist es marxistisch oder vulgärmarxistisch, von den Klasseninteressen des Bürgertums zu sprechen? Daß es so etwas wie eine 'geheime Weltregierung' gibt, die aus einigen hundert Leuten besteht, ist wohl extrem unwahrscheinlich. Davon abgesehen haben die Machtverhältnisse sicher nichts mit zahlenmäßiger Stärke zu tun. Es gibt in den USA eine religöse Minderheit, die kleiner ist als die Fraktion der bibeltreuen Christen, aber trotzdem viele Millionen Menschen umfaßt, die einen erheblichen Teil der Massenmedien zu kontrollieren scheinen. Welche dieser religösen Minderheiten wird wohl die durchsetzungsfähigere sein?
Man muß auch davon ausgehen, daß nicht jede politisch relevante Gruppe ihre Ziele offen in den Tageszeitungen propagieren wird. Es kann daher sehr aufschlußreich sein, andere Quellen hinzuzuziehen, etwa religöse Schriften oder die Werke von Literaten, die von der betreffenden Religionsgemeinschaft geprägt sind. Mir scheint, daß Ihr Beitrag den Zweck verfolgt, diese durchaus sinnvolle Betrachtungsweise in die Nähe von Publikationen zu bringen, die die Protokolle der Weisen von Zion ernst nehmen oder darüber rätseln, welcher Politiker wohl welchen Freimaurergrad hat. Daß diese Möglichkeit besteht, hat ja Dottore in seinem Internet-Posting schon erwähnt.
Jemand mit moderner Arbeitserfahrung wird nie auf die Idee kommen, ein ganzes Land oder sogar die ganze Weltgeschichte könnte durch den Willen weniger Menschen gesteuert werden.
Das erinnert mich an die marxistische These von der angeblich führenden Rolle des Industrieproletariats, das als Folge der Disziplinierung durch die Fabrikarbeit irgendwie geistig besonders weit fortgeschritten ist. Selbst wenn es sich überhaupt um einen statistisch nachweisbaren Effekt handelte, würde ich es eher auf den Anpassungsdruck zurückführen. Ein Industriebetrieb trägt eben stets auch Züge des Benthamschen Panoptikons.
Ich sehe die Verbreitung von Verschwörungstheorien, die durchaus ihren rationalen Kern haben, als eine Folge des derzeitigen Mißtrauens zwischen Regierenden und Regierten an. Die einen möchten nach Möglichkeit die totale Kontrolle aller Aspekte des täglichen Lebens, die anderen glauben, daß die Regierung mit den Aliens konspiriert, die heimlich Genmanipulationen an der Bevölkerung durchführen. Dabei wird die Verbreitung besonders absurder Verschwörungstheorien von den offiziellen Medien sogar gefördert (siehe 'Akte X', sofern dies bei den Regierten das Gefühl der Ohnmacht verstärkt und im übrigen geeignet ist, jede ernsthafte Kritik an den derzeitigen politischen Verhältnissen zu diskreditieren.
Dabei ist das Phänomen vermutlich sehr alt. Kennen Sie Feuchtwangers Roman 'Jud Süß'? Da haben die Verschwörungstheoretiker (etwa der Konditormeister Benz) ihren Stammtisch im 'Blauen Bock', und der Inhalt der Gespräche wird mit dem moderner Prophezeiungsforen durchaus Ähnlichkeit haben, genau dasselbe Gemisch aus unbestreitbaren Wahrheiten (Württemberg wird durch den Finanzdirektor ökonomisch ausgeblutet) über Unwahrscheinlichkeiten (die Amis schalten jeden Morgen HAARP ein, um die Börsenkurse zu stützen) bis zu Absurditäten (die 'offizielle' Astronomie will verscheigen, daß die Marsmonde ihren Planeten verlassen haben, um Kurs auf die Erde zu nehmen). Man wird das wohl immer dann antreffen, wenn die politischen Verhältnisse ähnlich sind wie in Feuchtwangers Buch beschrieben.
MfG
JeFra
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