Wal Buchenberg
11.02.2002, 09:03 |
@dottore: Morgan und Greenspan als Retter der Menschheit? Thread gesperrt |
Hallo dottore,
deine Fakten sind erstens etwas unvollständig und deine Emphase ist unverständlich.
Erstens: Du berichtest, dass Morgan in einer Situation der allgemeinen Geldknappheit, zusätzliches Geld beschafft hat. Also ein früher Greenspan. So weit so gut. Aber:
Es war nicht sein Geld, was zugeschossen wurde, sondern - wie du selber sagst, Geld aus der Druckmaschine der Treasury.
Meine Frage dazu: Ist es nicht die Aufgabe eines Bankers, Kredite zur Verfügung zu stellen? Lässt er sich diese Kredite nicht gut mit Zinsen vergolden?
Alles, was Morgan vor anderen Bankern in dieser Krisen-Situation von 1907 auszeichnete, war größere Risikobereitschaft. Die anderen sahen ihre Kredite verloren, während Morgan meinte, man müsse noch Geld nachschießen, um alles zu gewinnen. Sie riskierten und haben gewonnen. Na und? Ist das ein Grund Morgan anzuhimmeln?
In einem Buch habe ich gelesen, er hätte in dieser Situation der Geldknappheit 20 % Zinsen verlangt. Stimmt das? Dottore, hier sind deine Fakten unvollständig!
Zweitens: Du sagst, Morgan habe 1907 die Trust Company vor dem Kollaps gerettet. Ich habe dazu folgendes gefunden:
“Um sich vor dem Bankrott zu bewahren brauchte die Trust Company of America sofort große Summen Bargeld. Die Bedingung, auf der Morgan bestand, war, dass die Gesellschaft ihm die Aktien der Tennessee Kohlen- und Eisengesellschaften... verkaufen sollte. Schwer bedrängt, musste die Trust Company nachgeben und die Aktien zu dem gebotenen niedrigen Preis verkaufen.“ (G. Myers, Die großen amerikanischen Vermögen, Bd. 2, 618).
Du sagst, Morgan habe den Unternehmen in der Zeit der Geldknappheit neue Kredite verschafft. Zu welchem Preis?? Darüber verlierst du kein Wort, dottore!
Nichtsdestotrotz ist deine Schilderung interessant. Aber vielleicht solltest du deinen Ton gegen Oldy & Co. Etwas mildern!
Gruß Wal Buchenberg
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nereus
11.02.2002, 09:54
@ Wal Buchenberg
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Re: Morgan als Retter..? - reine Selbstlosigkeit war es sicher nicht |
Hallo Wal!
Du fragst: Ist es nicht die Aufgabe eines Bankers, Kredite zur Verfügung zu stellen? Lässt er sich diese Kredite nicht gut mit Zinsen vergolden? Alles, was Morgan vor anderen Bankern in dieser Krisen-Situation von 1907 auszeichnete, war größere Risikobereitschaft.
Die Aufgabe Kredite zu gewähren mag ja stimmen aber sicherlich nicht zum Preise des eigenen Untergangs. Er hat offenbar ziemlich viel riskiert und am Ende gewonnen.
Diesen Tatbestand kann man doch erst mal bewundern.
Denn es stellt sich doch die Frage was passiert wäre wenn auch er alle viere von sich gestreckt hätte. Über die Zinshöhe bei der Kreditgewährung kann man sicher diskutieren und nachhaken ob jemand per Wucher eine Situation schamlos ausnutzt. Aber die Kreditgewährung stellt doch ein nicht geringes Risiko für den Gläubiger dar was die Forderung nach Zinsen durchaus berechtigt.
20 % ist schon beinhart, kein Einwand.
Warum geriet denn die Trust Company in Schwierigkeiten?
Das Morgan diese Situation ausnutzte kann man so oder so sehen.
Wenn er nachweislich, durch die entsprechende Geschäftspolitik oder das Strippenziehen im Hintergrund mitgewirkt hat, daß eine solche prekäre Situation für die Unternehmungen entstehen konnte, würde das sicherlich ein bezeichnendes Licht auf J.P.Morgan werfen.
In diesem Fall würden schon die Verschwörungslichter angehen. ;-)
Aber das er erstmal eine Besicherung seiner Kohle verlangte, kann man ihm das vorwerfen?
Hätte denn der Bänker Wal Buchenberg das Geld umsonst in den Hof der Trust Company geschüttet?
mfG
nereus
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dottore
11.02.2002, 16:05
@ Wal Buchenberg
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Re: @dottore: Morgan und Greenspan als Retter der Menschheit? |
>Hallo dottore,
>deine Fakten sind erstens etwas unvollständig und deine Emphase ist unverständlich.
>Erstens: Du berichtest, dass Morgan in einer Situation der allgemeinen Geldknappheit, zusätzliches Geld beschafft hat. Also ein früher Greenspan. So weit so gut.
Sehr richtiger Vergleich.
>Aber:
>Es war nicht sein Geld, was zugeschossen wurde, sondern - wie du selber sagst, Geld aus der Druckmaschine der Treasury.
Nein, US Treasury hat nichts gedruckt, sondern aus seinen"vaults" abgegeben. Wäre so als würde heute das in Fort Knox (oder sonstwo) liegende US Treasury Gold eingesetzt werden.
>Meine Frage dazu: Ist es nicht die Aufgabe eines Bankers, Kredite zur Verfügung zu stellen? Lässt er sich diese Kredite nicht gut mit Zinsen vergolden?
Ja, das ist die Aufgabe des Bankers."Vergolden" (nebenbei: Wozu das tendenziöse Wort?) kann er sich dabei nur das, was der Markt (scharfe Konkurrenz der Banken untereinander, wie bekannt) ihm lässt. Hat er schlechte Risiken beliehen, geht er unter. Dass es Bankpleiten gegeben hat, gibt und geben wird, kann wohl nicht bestritten werden.
>Alles, was Morgan vor anderen Bankern in dieser Krisen-Situation von 1907 auszeichnete, war größere Risikobereitschaft. Die anderen sahen ihre Kredite verloren, während Morgan meinte, man müsse noch Geld nachschießen, um alles zu gewinnen. Sie riskierten und haben gewonnen. Na und? Ist das ein Grund Morgan anzuhimmeln?
Niemand himmelt jemand an. Es wurde nur dargestellt, wie und dass Morgan 1907 das US-Börsen und Finanzsystem gerettet hat. Dies kann einfach nicht bestritten werden. Greenspan wird auch"angehimmelt" ("Der Magier"), weil er die LTCM nicht untergehen ließ.
>In einem Buch habe ich gelesen, er hätte in dieser Situation der Geldknappheit 20 % Zinsen verlangt. Stimmt das? Dottore, hier sind deine Fakten unvollständig!
Die Geldmarktsätze lagen sogar noch drüber. Und jeder, der täglich fälliges Geld hatte (aktiv) konnte diese Sätze verlangen. Das war Morgan keinesfalls allein. Ein Geldmarktsatz gilt für alle und wird von allen genommen. Da gibt es keine Unterschiede im Satz, sondern nur in der Höhe der Position. Einfacher Marktvorgang.
Im übrigen waren die Scrips, die Morgan ausgegeben hatte so unverzinslich wie Banknoten selbst. Damit hatte er sich also nichts vergoldet.
>Zweitens: Du sagst, Morgan habe 1907 die Trust Company vor dem Kollaps gerettet. Ich habe dazu folgendes gefunden:
>“Um sich vor dem Bankrott zu bewahren brauchte die Trust Company of America sofort große Summen Bargeld. Die Bedingung, auf der Morgan bestand, war, dass die Gesellschaft ihm die Aktien der Tennessee Kohlen- und Eisengesellschaften... verkaufen sollte. Schwer bedrängt, musste die Trust Company nachgeben und die Aktien zu dem gebotenen niedrigen Preis verkaufen.“ (G. Myers, Die großen amerikanischen Vermögen, Bd. 2, 618).
Falsch recherchiert von Myers. Pleite waren die Trust Co und der Lincoln Trust (wie schon beschrieben), aber der Auslöser war die Illiquidität von Moore & Schley (wie ebenfalls beschrieben). So kam es zum Tennessee-Paketwechsel.
>Du sagst, Morgan habe den Unternehmen in der Zeit der Geldknappheit neue Kredite verschafft. Zu welchem Preis?? Darüber verlierst du kein Wort, dottore!
Für die Scrips: Nullzins. Für Kredite (Tagesgeld) die üblichen Sätze, die jeder andere auch kassierte. Abgesehen davon hätte Morgan doch nur kein Tagesgeld und keine Scrips vergeben, sondern bloß auf den Totel-Crash warten müssen, um sich zu noch billigeren Kursen einzudecken.
>Nichtsdestotrotz ist deine Schilderung interessant. Aber vielleicht solltest du deinen Ton gegen Oldy & Co. Etwas mildern!
Da mir die permanente Desinformation als unredlich erscheint und x-mal richtig gestellt wurde, sie aber in allen möglichen Varianten wieder und wieder auftaucht, wird der Ton vermutlich eher schärfer werden.
Zum Beispiel die Desinformation, die Reichsbank hätte 1930/31 die Krise wg."Goldabzügen" verschärfen müssen (also"Schuldiger" am Desaster = Gold).
Tatsächlich hat die Reichsbank ihre Kredite in diesem Zeitraum um ca. 60 Prozent ausgeweitet (!!!) (Zahlen gestern), während die Banken selbst, die keinerlei Gold als"Deckung" haben mussten (Gold lief auch nicht um) die Kreditgewährung scharf runtergefahren haben bzw. runterfahren mussten (Gläubiger wurden schlechter usw.).
Das 1930er Desaster war ein klassisches Kreditdesaster und dadurch, dass immer wieder die Goldwarschuld-These aufgetischt wird wird die Desinformation nicht kleiner.
Gruß
d.
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Wal Buchenberg
11.02.2002, 16:31
@ dottore
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Re: Unredliche Desinformation? Nein, 5 Blinde betasten den Elefanten ;-) (owT) |
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Jochen
11.02.2002, 17:53
@ Wal Buchenberg
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Re: Und was bedeutet die Antwort konkret? (owT) |
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