Popeye
19.02.2002, 11:06 |
Profit, Zins und Freigeldlehre Thread gesperrt |
Vielleicht hilft es der Diskussion weiter, sich klar zu machen, dass Zins und Profit die Entlohnung für im Produktionsprozess bereitgestelltes Kapital sind. (Der Gewinn als"Restgröße" [residual income und damit"at risk"] und der Zins als Vertragsbestandteil [contractual income]). Wenn diese These als richtig akzeptiert wird folgt - wer den Zins abschaffen will, fordert: Alle Produktion muss mit Eigenkapital finanziert werden.
Theoretisch ist das vielleicht möglich, denn die Summe des (zunächst) vorhandenen Kapitals würde sich ja nicht ändern. Aber ist es praktisch? Risikoneigungen und Liquiditätspräferenzen der Kapitalbesitzer sind in Praxis nicht identisch, d. h. nicht jeder will sein Kapital riskieren und nicht jeder will sein Kapital dauerhaft zur Verfügung stellen. Hieraus folgt also (von der Angebotsseite des Kapitals her gesehen) eine notwendige und sinnvolle Differenzierung zwischen einzelnen"Kapitalarten", die ihren Niederschlag ja heute auch in der EBIT -Betrachtung der Aktienanalyse gefunden hat.
Nun höre ich schon meine Kritiker: Aber der Staatskredit..., aber Verbraucherkredite..., aber die Geldschöpfung der Banken, das hat alles nichts mit der Entlohnung für bereitgestelltes Kapital zu tun! RICHTIG! Darüber müssen wir diskutieren, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Popeye
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XSurvivor
19.02.2002, 12:02
@ Popeye
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Zins - der Störfaktor in der Marktwirtschaft |
>Vielleicht hilft es der Diskussion weiter, sich klar zu machen, dass Zins und Profit die Entlohnung für im Produktionsprozess bereitgestelltes Kapital sind. (Der Gewinn als"Restgröße" [residual income und damit"at risk"] und der Zins als Vertragsbestandteil [contractual income]).
Nein, dem kann ich so nicht zustimmen. Man muß klar Zins von Gewinn unterscheiden. Zins ist das (abgesehen von der heute winzigen Eigenkapitalrendite) was der Unternehmer ohne Gegenleistung an den Geldverleiher abführen muß. Während er für den Lohn an die Angestellten tatsächlich Arbeit als Gegenleistung bekommt, erhält er für den Zins schlicht und einfach nichts.
Die Gegenleistung für den Geldverleiher ist schon dadurch gegeben, daß dieser das Geld kaufkraftstabil und ohne Risiko anlegen kann - alles was darüberhinaus geht, ist nicht legitimiert und leistungsloses Einkommen des Geldverleihers.
Etwas ganz anderes davon ist der Gewinn des Unternehmens, der erst NACH Abzug der Kapitalkosten übrigbleibt und aus der Arbeitsleistung des Unternehmers resultiert - der Unternehmerlohn!
Wenn diese These als richtig akzeptiert wird folgt - wer den Zins abschaffen will, fordert: Alle Produktion muss mit Eigenkapital finanziert werden.
Nein, weil Fremdkapital zwar im heutigen flaschen System mit Zins verbunden ist - was jedoch nicht so sein muß. Dann nämlich, wenn der Geldbesitzer dem Warenbesitzer/Arbeiter/Unternehmer gleichwertig gegenübersteht und froh ist, sein Geld freiwillig ZINSLOS investieren zu können.
>Theoretisch ist das vielleicht möglich, denn die Summe des (zunächst) vorhandenen Kapitals würde sich ja nicht ändern. Aber ist es praktisch? Risikoneigungen und Liquiditätspräferenzen der Kapitalbesitzer sind in Praxis nicht identisch, d. h. nicht jeder will sein Kapital riskieren und nicht jeder will sein Kapital dauerhaft zur Verfügung stellen. Hieraus folgt also (von der Angebotsseite des Kapitals her gesehen) eine notwendige und sinnvolle Differenzierung zwischen einzelnen"Kapitalarten", die ihren Niederschlag ja heute auch in der EBIT -Betrachtung der Aktienanalyse gefunden hat.
Aufgabe des Geldes ist es, als Tauschmittel zu fungieren. Wenn es festgehalten und gehortet wird, kann es diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Es muß also irgendwie in den Geldkreislauf gelockt werden, was heute mit Zins passiert, in einer stabilen Ordnung jedoch mit einer Umlaufsicherung geschehen wird.
Der Inflationsausgleich und der Risikoausgleich für den Kapitalbesitzer hat übrigens mit Zins nichts zu tun.
>Nun höre ich schon meine Kritiker: Aber der Staatskredit..., aber Verbraucherkredite..., aber die Geldschöpfung der Banken, das hat alles nichts mit der Entlohnung für bereitgestelltes Kapital zu tun! RICHTIG! Darüber müssen wir diskutieren, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten.
[b]Es gilt zu unterscheiden zwischen zwei völlig gegensätzlichen Einkommensarten:
Einkommen aus Arbeit (Unternehmer, Arbeiter, Landwirt)
und Einkommen ohne eigene Leistung
Um nichts anderes geht es bei der Zinsfrage. Ist es gerechtfertigt, daß jemand durch Zins ein automatisch wachsendes Einkommen erzielen kann - nachdem der Inflationsausgleich und sein Risiko abgegolten sind?
Um nichts anderes geht es bei der Lösung der Sozialen Frage - ein jahrtausendealter Kampf um Gerchtigkeit und Frieden auf der Welt.
Gruß
XS
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Zardoz
19.02.2002, 12:22
@ XSurvivor
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Noch 'ne Frage... |
>Der Inflationsausgleich und der Risikoausgleich für den Kapitalbesitzer hat übrigens mit Zins nichts zu tun.
Sehe ich das richtig:
Heutiger Zins = Inflationsrate + Risikoausgleich +"eigentlicher" Zins?
Den Inflationsausgleich kann man ja noch benennen. Aber wie hoch soll denn Deiner Meinung nach der Risikoausgleich sein? Und wie hoch ist dann der"eigentliche" Zins, über den wir jetzt endlos streiten?
Nice day,
Zardoz
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XSurvivor
19.02.2002, 12:47
@ Zardoz
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Richtig! Risikozuschlag/Inflationszuschlag zum Zins |
>>Der Inflationsausgleich und der Risikoausgleich für den Kapitalbesitzer hat übrigens mit Zins nichts zu tun.
>Sehe ich das richtig: > Heutiger Zins = Inflationsrate + Risikoausgleich +"eigentlicher" Zins?
>Den Inflationsausgleich kann man ja noch benennen. Aber wie hoch soll denn Deiner Meinung nach der Risikoausgleich sein? Und wie hoch ist dann der"eigentliche" Zins, über den wir jetzt endlos streiten?
[b]Das siehst Du richtig. Heute liegte der Inflationsausgleich bei der Inflationsrate, der Risikoausgleich für die Bank + deren Gewinn zwischen 1 und 1,5%.
Streiten braucht man sich dabei gar nicht - alles regelt sich durch den Markt.
Also: Riskantere zeiten bedeutet höherer Risikozuschlag, ruhige Zeiten bedeutet niedriger Risikozuschlag. Das ist heute auch schon so.
Bei der Zinsdiskussion geht es NUR um den eigentlichen Zins, also das, was noch übrigbleibt und der liegt zwischen 3 und 5% = arbeitsloses, risikoloses, inflationsgeschütztes Einkommen. Nur das muß weg.
Gruß
XS
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Josef
19.02.2002, 13:04
@ XSurvivor
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@XS: Wer soll denn festlegen wann riskante und wann weniger riskante Zeiten |
sind? Jede einzelne Bank fuer sich oder die Regierung oder eine neu zu
schaffende Behoerde??
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XSurvivor
19.02.2002, 14:27
@ Josef
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Nein, der Markt! - wie heute auch. owT. |
>sind? Jede einzelne Bank fuer sich oder die Regierung oder eine neu zu
>schaffende Behoerde??
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Popeye
19.02.2002, 14:51
@ XSurvivor
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Re: Zins - der Störfaktor in der Marktwirtschaft |
Hallo XS
Du schreibst:
Man muß klar Zins von Gewinn unterscheiden. Zins ist das (abgesehen von der heute winzigen Eigenkapitalrendite) was der Unternehmer ohne Gegenleistung an den Geldverleiher abführen muß. Während er für den Lohn an die Angestellten tatsächlich Arbeit als Gegenleistung bekommt, erhält er für den Zins schlicht und einfach nichts.
Kommentar
Steht es denn nicht jedem Unternehmer frei Kredit zu nehmen? Tatsächlich verspricht sich der Unternehmer wohl einen Vorteil von der Kreditaufnahme, weil er dieses zusätzliche Kapital produktiv einzusetzen hofft. In dieser Wahl ist er jedoch frei. Niemand zwingt ihn. Er könnte auch einen weiteren (Eigenkapital-)Partner aufnehmen, mit dem er den erwarteten Gewinn teilen müsste. Wenn er also zusätzliches Kapital benötigt, steht der Unternehmer immer vor der Alternative, Gewinn zu teilen oder Zinsen zu bezahlen. Das sind die sog."Kapitalkosten". Nur scheinbar nämlich"kostet" Eigenkapital nichts. Die Kosten des Eigenkapital sind vielmehr die entgangenen Erträge aus der nächst besseren Verwendung dieses Kapitals.
Du schreibst weiter:
Die Gegenleistung für den Geldverleiher ist schon dadurch gegeben, daß dieser das Geld kaufkraftstabil und ohne Risiko anlegen kann - alles was darüberhinaus geht, ist nicht legitimiert und leistungsloses Einkommen des Geldverleihers
Kommentar:
Diese Formulierung impliziert, dass dem Kapitalgeber sehr wohl ein Inflationsausgleich und ein Entgelt für sein (Kapitalverlust-) Risiko zugestanden wird. Ohne Geldentwertung und ohne (Kapitalverlust-) Risiko stünde ihm also kein Entgelt zu. Warum eigentlich? Der Kredit setzt den Unternehmer in die Lage mehr zu verdienen. Warum soll der Kapitalgeber nicht einen fixen Anteils dieses Mehrverdienstes als Gegenleistung fordern? Wenn es keine Geldentwertung gibt, wäre sein Kapital schließlich auch"unter der Matratze" gut aufgehoben wo es auch jederzeit verfügbar ist.
Und Du schreibst:
Etwas ganz anderes davon ist der Gewinn des Unternehmens, der erst NACH Abzug der Kapitalkosten übrigbleibt und aus der Arbeitsleistung des Unternehmers resultiert - der Unternehmerlohn!
Kommentar:
Hier klingt etwas an, über das man nachdenken sollte. Steuer-systematisch werden die Zinsen beim Empfänger besteuert. Aber man kann durchaus darüber nachdenken bei Unternehmen den sog. Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) zu besteuern.
Und weiter geht's:
Nein, weil Fremdkapital zwar im heutigen flaschen System mit Zins verbunden ist - was jedoch nicht so sein muß. Dann nämlich, wenn der Geldbesitzer dem Warenbesitzer/Arbeiter/Unternehmer gleichwertig gegenübersteht und froh ist, sein Geld freiwillig ZINSLOS investieren zu können.
Kommentar:
Ob Zinsen sein müssen oder nicht, weiß ich nicht. Ein Wirtschaftssystem ohne Kredit (also nur mit Eigenkapital) ist prinzipiell vorstellbar. Sicherlich müssen wir davon ausgehen, dass Kapitalgeber freiwillig ihr Kapital eben sowenig zinslos zur Verfügung stellen wie Arbeiter und Angestellte ihre Arbeitskraft freiwillig ohne Lohn bereitstellen. Denn mit der Bereitstellung von Kapital verzichten die Kapitaleigner auf alternative Verwendungen und sei es nur die, dass sie es auf die Spielbank tragen.
Und zum Schluss:
Aufgabe des Geldes ist es, als Tauschmittel zu fungieren. Wenn es festgehalten und gehortet wird, kann es diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Es muß also irgendwie in den Geldkreislauf gelockt werden, was heute mit Zins passiert, in einer stabilen Ordnung jedoch mit einer Umlaufsicherung geschehen wird.
Kommentar:
Schon Aristoteles hat im Geld mehr gesehen als nur ein Tauschmittel. Aber hier kommen wir klar in den Bereich des Normativen. Meinerseits zugestanden wird, dass die singulären Erfahrungen mit Freigeld nicht durchweg schlecht sind. Zwei nachhaltige Probleme sehe ich: Die Kapitalbildung wird durch die Umlaufsicherung gebremst, darunter haben letztlich auch alle mir bekannten Freigeldsysteme (Schwanenkirchen, Wörgl und Alberta, Kanada) sehr gelitten. Für mich persönlich schwerer wiegt, dass die Umlaufsicherung mich in meiner persönlichen Dispositionsfreiheit einengt. Die Freigeldlehre übersieht völlig, dass es eine lebensalter-abhängige Liquiditätspräferenz gibt und, dies ist einer der Kritikpunkte von Keynes, mit der Einführung des Stempel-Geldes sehr schnell Geldsurrogate entstehen würden.
Schließlich gehört zu diesem Punkt die Einsicht, dass die laufende Geldentwertung defacto auf das geforderte Stempelgeld hinausläuft.
Zurück zum Hauptpunkt:
Um nichts anderes geht es bei der Zinsfrage. Ist es gerechtfertigt, daß jemand durch Zins ein automatisch wachsendes Einkommen erzielen kann - nachdem der Inflationsausgleich und sein Risiko abgegolten sind?
Kommentar:
Eigentlich sollte die Frage lauten: Ist es gerechtfertigt, dass jemand mit Kapital Einkommen erzielt? Der Unterschied zwischen Fremdkapital und Eigenkapital ist ein rechtlicher, kein prinzipieller.
Popeye
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