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02.03.2002, 16:28 |
Zuwanderung: Regierung und Opposition kämpfen um Bundesrats-Mehrheit Thread gesperrt |
<FONT SIZE="3" FACE="Arial, helvetica"><STRONG>Regierung und Opposition kämpfen um Bundesrats-Mehrheit</STRONG></FONT>
Berlin (dpa) - Nach der Zustimmung des Bundestags zum umstrittenen Zuwanderungsgesetz kämpfen Regierung und Opposition nun fieberhaft um die Ländermehrheit im Bundesrat. Finanzielle Zugeständnisse der Bundesregierung für eine Zustimmung einzelner Länder wird es nach Darstellung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) aber nicht geben.
Die Unionsführung soll Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) nach einem Bericht der «Passauer Neuen Presse» («PNP») inzwischen massiv unter Druck gesetzt haben, dem Gesetz nicht zuzustimmen.</P>
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) appellierte am Samstag in Halle an die Länderkammer, das Zuwanderungsgesetz passieren zu lassen. Es gehe nicht um einen Zweikampf zwischen ihm und dem Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU), betonte er bei einer SPD-Veranstaltung. Es gehe um die Entscheidung über ein Gesetz, das die Zuwanderung aus wirtschaftlicher Vernunft und aus humanen Gründen regele.</P>
Die Zeitung berichtete in ihrer Samstagausgabe ohne nähere Angabe von Quellen, für den Fall, dass Brandenburg das Gesetz der rot-grünen Bundesregierung billige, habe der bayerische Ministerpräsident einen Rücktritt von seiner Kanzlerkandidatur angedeutet. Schönbohm und die bayerische Staatskanzlei dementierten den Bericht. Die Bundesregierung ist bei der Abstimmung am 22. März auf Stimmen von Unions- und PDS-mitregierten Ländern angewiesen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem von SPD und CDU regierten Brandenburg zu.</P>
Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) will die Position seines Landes nicht vor dem 19. März festlegen. Schönbohm bekräftigte unterdessen seine ablehnende Haltung. «Das Gesetz ist in der gegenwärtigen Form nicht zustimmungsfähig», sagte der CDU- Landeschef in einem dpa-Gespräch.</P>
Schily sagte dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» auf die Frage, ob der Kanzler «die Kassen öffnet», um einzelne Länder zur Zustimmung zu bewegen: «Einen Basarhandel wird es nicht geben. Wir setzen auf eine Koalition der Vernunft.» Die Union habe sich «auf Stoibers Geheiß» auf eine Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat festgelegt. Dennoch zeigte sich Schily überzeugt, das Gesetz durchzubekommen: «Wir werden noch manche Überraschung erleben.» Er betonte: «Wir haben die Kernforderungen des Bundesrats allesamt erfüllt.» Veränderungen am Gesetz seien nicht mehr möglich.</P>
Der Bundestag hatte am Freitag dem Gesetz mit den Stimmen von SPD und Grünen erwartungsgemäß zugestimmt. Nach einer zum Teil hitzigen Debatte votierte das Parlament mit 320 von 586 abgegebenen Stimmen für das Gesetz. 225 Abgeordnete stimmten dagegen, 41 enthielten sich. Auch drei Abgeordnete der CDU stimmten für das Gesetz.</P>
Grünen-Parteichefin Claudia Roth warf der Union wegen ihrer mehrheitlichen Ablehnung eine Blockadehaltung vor. «Jetzt haben wir diesen Kompromiss und erleben, dass der Versuch gemacht wird, das Gesetz zum Scheitern zu bringen», sagte sie auf einem Parteitag der Thüringer Grünen in Weimar.</P>
Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) rechnet mit einem Scheitern des Gesetzes in der Länderkammer. «Ich gehe davon aus, dass es im Bundesrat keine Mehrheit findet», sagte er der dpa in Erfurt. Thüringen will das Gesetz in der jetzigen Fassung ablehnen.</P>
Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, erklärte im Sender NDR4 Info, CDU und CSU verweigerten sich aus wahltaktischen Gründen. Das DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer sagte der dpa, die CDU falle in der Debatte um die Zuwanderung hinter frühere Positionen zurück. «Sie ist von Stoiber jetzt auf den Ablehnungskurs gezwungen worden.»</P>
Quelle
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terminus
02.03.2002, 16:32
@ terminus
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Hintergrund: Die Eckpunkte der neuen Regelung |
<FONT SIZE="3" FACE="Arial, helvetica"><STRONG>Hintergrund: Die Eckpunkte der neuen Regelung</STRONG></FONT>
Berlin (dpa) - Mit ihrem Gesetzentwurf zur Zuwanderung will die rot-grüne Koalition die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte steuern und die Zuwanderung begrenzen. Zugleich wird das Ausländerrecht in wesentlichen Punkten neu geregelt. Die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen und die Asylbedingungen werden klarer gefasst.
ZUZUGSBEGRENZUNG: Laut § 1 dient das Gesetz «der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern». Dabei sollen die Integrationsfähigkeit sowie die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen berücksichtigen werden. Zugleich wird aber darauf verwiesen, dass Deutschland seine humanitären Verpflichtungen erfüllt.</P>
ARBEITSMIGRATION: Vorrang vor der Anwerbung von Ausländern haben die Qualifizierung von Arbeitslosen und Ausländern, die bereits im Inland leben. Vor der Anstellung von Ausländern müssen die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt geprüft werden. Die Bundesanstalt für Arbeit kann der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zustimmen, wenn sich »nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht ergeben». Die Arbeitsgenehmigung wird zusammen mit der Aufenthaltserlaubnis erteilt. Hoch Qualifizierte können von Anfang an einen Daueraufenthalt erwerben. Ausländische Hochschulabsolventen können nach Zustimmung der Arbeitsämter anschließend auch in Deutschland arbeiten, um die Abwanderung von Fachkräften in andere Industrieländer zu verhindern.</P>
FAMILIENNACHZUG: Ausländerkinder können bis zum Alter von 18 Jahren nach Deutschland kommen, wenn sie mit den Eltern einreisen, bei denen ein Teil anerkannter Asylbewerber beziehungsweise politisch Verfolgter ist oder zur Gruppe der hoch Qualifizierten gehört. Falls die Eltern bereits in Deutschland wohnen und die Kinder ihnen allein nachfolgen sollen, müssen diese bereits deutsche Sprachkenntnisse haben - anderenfalls gilt eine Altersgrenze von 12 Jahren. Neu ist eine Ermessensregelung, wonach «dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers unter Berücksichtigung des Kindeswohls, der familiären Situation sowie der Erwartung, dass das Kind, beispielsweise wegen vorhandener Kenntnisse der deutschen Sprache, sich integrieren wird, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird».</P>
HUMANITÄRE AUFNAHME: Die Duldung, bislang häufig als «zweitklassiger Aufenthaltstitel» angesehen, wird abgeschafft. Zur Zeit gibt es knapp 250 000 Geduldete, die meist bereits vor 1997 nach Deutschland gekommen sind. Neben Bürgerkriegsflüchtlingen zählten dazu bisher auch Opfer geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung. Letztere erhalten künftig einen garantierten Abschiebeschutz, was sie bei späterer Arbeitsaufnahme deutlich besser stellt. Dabei geht der Entwurf nicht über die Genfer Flüchtlingskonvention hinaus und schafft keinen neuen Asyltatbestand.</P>
AUSREISEPFLICHT: Wer wieder ausreisen muss, kann künftig in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder sogar verpflichtet werden, sich in speziellen Ausreiseeinrichtungen aufzuhalten. Die Länder werden jedoch nicht zur Schaffung solcher Einrichtungen verpflichtet. Zur Sicherung der Identität sollen bei Visa-Beantragung durch Angehörige einzelner «Problemstaaten» Lichtbilder und Fingerabdrücke gefertigt werden können. Strafe droht künftig bei falschen Angaben über Identität und Staatsangehörigkeit.</P>
SOZIALLEISTUNGEN: Asylbewerber, die die Dauer ihres Aufenthaltes missbräuchlich in die Länge gezogen haben, sollen von den höheren Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz ausgeschlossen werden. Demgegenüber sollen humanitäre Flüchtlinge in Zukunft bereits von Anfang an den vollen Sozialhilfesatz erhalten.</P>
INTEGRATION: Im Aufenthaltsgesetz wird ein Mindestrahmen für staatliche Integrationsangebote festgesetzt. Dazu zählen Sprachkurse sowie Einführungen in Recht, Kultur und Geschichte Deutschlands. Die Kosten sollen zwischen Bund und Ländern geteilt werden. «Für die Teilnahme am Integrationskurs kann unter Berücksichtigung der Lesitungsfähigkeit ein angemessener Kostenbeitrag erhoben werden.» Nicht-Teilnahme kann zu Nachteilen bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis führen.</P>
ASYLVERFAHREN: Die aufenthaltsrechtliche Stellung von Ausländern, denen nach der Genfer Konvention Abschiebungsschutz zuerkannt wurde, wird der von Asylberechtigten angeglichen. Beide Gruppen erhalten einen befristeten Aufenthaltstitel, der nach drei Jahren zu einer «Verfestigung» führt. Inhaber des «kleinen Asyls» nach der Genfer Konvention dürfen - wie bislang nur Asylberechtigte - uneingeschränkt arbeiten. Die Asylverfahren sollen beschleunigt werden.</P>
HÄRTEFALLREGELUNG: Nach der neu eingefügten Regelung kann auf Ersuchen einer Landesregierung in Ausnahmen ein Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert werden, «wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen».</P>
Quelle
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