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<td><font size=5>Steuerrebellion des kleinen Mannes</font>
Schwarzarbeit erscheint vielen als einziger Ausweg, den finanziellen Absturz zu verhindern
Barbara Ekamp
BERLIN, 1. März. Maria Gies* ist seit ihrer Scheidung eine viel beschäftigte Frau. Obwohl der Unterhalt ihres Mannes nicht gering ist, kann die 53-jährige Mutter zweier Töchter den gewohnten Lebensstandard nur schwer halten. Zu alt, um noch in ihrem erlernten Beruf als Chemikerin zu arbeiten, hat sie ihr Erwerbsleben selbst organisiert: In zwei Familien arbeitet sie als Haushaltshilfe, sie betreut eine alte Dame regelmäßig und hilft einige Stunden in einem Sonnenstudio aus. Keine hoch bezahlten Tätigkeiten - dafür gibt es aber Geld auf die Hand. Und nicht einen Cent davon führt sie an das Finanzamt ab. Ein schlechtes Gewissen hat Gies deshalb allerdings nicht:"Sonst würde einfach zu wenig übrig bleiben", meint sie. So aber bleiben Haus, Auto, Ausbildung und Musikunterricht der Töchter erschwinglich.
Immer beängstigendere Ausmaße
So wie Maria Gies denken inzwischen immer mehr Deutsche. Die schwache Konjunktur und die strukturellen Probleme der Wirtschaft bedrohen den Wohlstand der so genannten"Neuen Mitte" - Angehörige des Mittelstandes, Selbstständige, Angestellte und Gewerkschaftsmitglieder - auf die Gerhard Schröder zu Beginn seiner Kanzlerschaft noch so stark bauen konnte. Doch angesichts von knapp vier Millionen Arbeitslosen und einer wachsenden Angst vor Entlassung und sozialem Abstieg erscheint vielen die Schwarzarbeit als einziger Ausweg, um ihren Lebensstandard einigermaßen halten zu können.
Und das schlägt sich in den Zahlen nieder: Die Schattenwirtschaft nimmt in Deutschland inzwischen beängstigende Ausmaße an. Zwar gibt es keine offizielle Statistik, doch nach Berechnungen des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen wird die Schwarzarbeit gemessen am offiziellen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2002 einen Anteil von 16,5 Prozent erreichen. Zum Vergleich: 1975 lag die Quote noch bei lediglich 5,75 Prozent. (siehe Grafik). 16 Milliarden Euro seien im letzten Jahr allein durch Haushaltskräfte schwarz erwirtschaftet worden.
Für die steigende Attraktivität der Schattenwirtschaft macht der Linzer Professor Friedrich Schneider, Mitverfasser der Studie, vor allem die hohe Abgabenlast in Deutschland mitverantwortlich:"Schwarzarbeit", so Schneider, sei die"Steuerrebellion des kleinen Mannes". In jedem fünften Haushalt sei Schwarzarbeit ein Thema. Dass sie vor allem von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern geleistet werde, sei daher eine Legende. Zwei Drittel davon entfalle auf normale Werktätige.
So wie Michael Lock*. Der 42-jährige Elektroinstallateur würde gerne auf seine Nebenjobs verzichten und mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Doch Lock, der mit seiner Frau und drei kleinen Kindern ein Haus außerhalb Hamburgs bewohnt, kommt mit seinem Gehalt einfach nicht aus: Gerade einmal 1 400 Euro bleiben ihm nach allen Abzügen übrig. Also verdient Lock noch einmal ein gutes Drittel davon schwarz dazu. Ein Teil des Geldes wird für die Ausbildung seiner Kinder zurückgelegt. Der Großteil allerdings wird für Haushalt und Kleidung für die Kinder gebraucht."Die Kinder sollen doch nicht arm aussehen, wenn sie zur Schule gehen", begründet Lock sein Vorgehen."Vor Jahren noch glaubte ich, dass es uns immer besser gehen würde", sagt Lock,"aber mittlerweile müssen wir uns jedes Jahr stärker gegen den Abstieg stemmen."
Gisela Drunn* plagen mehr Skrupel. Jeden Dienstag- und Donnerstagabend verlässt sie ihr Reihenhaus in der Nähe von Köln und fährt in die Stadt. Jedes Mal hofft sie, dass die Nachbarn nicht fragen, wohin sie will. Es wäre ihr peinlich, zugeben zu müssen, dass sie für einige Stunden in einem Restaurant kellnern wird.
Offiziell betreibt Drunn gemeinsam mit ihrem Mann seit Jahren ein Lottogeschäft im Ort. Doch während dort die Einnahmen stagnieren, steigen die Ausgaben kontinuierlich: So macht der Sohn bald Abitur und will studieren. Das kostet Geld. Und ihre eigenen Wünsche möchten sie sich schließlich auch erfüllen."Wir wollen uns doch auch etwas leisten", rechtfertigt Gisela Drunn ihre Ausflüge, die ihr jeweils rund 90 Euro einbringen.
"Auch positive Seiten"
"Wir gehören doch alle schon lange nicht mehr zum Mittelstand", sagt ihr Mann."Aber wir tun noch so, als sei alles in Ordnung." Verraten fühlt er sich vom Bundeskanzler und von seiner Politik der"ruhigen Hand"."Aussitzen allein hilft nicht", schimpft Drunn.
Doch so großen Schaden die Schwarzarbeit anrichtet und so ungerecht sie gegenüber den ehrlichen Steuerzahlern auch ist, die Schwarzarbeit hat auch eine positive Seite - meinen zumindest Experten."Man darf nicht vergessen, dass sie die Wirtschaft ankurbelt", sagt Ã-konom Schneider, denn zwei Drittel der auf diese Weise verdienten Gelder flössen unmittelbar in den Konsum. Um die Schwarzarbeit einzudämmen, fordert Schneider kreative Lösungen wie zum Beispiel eine pauschale Abgabe auf Nebeneinkünfte statt härterer Gesetze. Denn"wenn die kämen", so Schneider,"müsste man halb Deutschland ins Gefängnis stecken."
* Namen von der Redaktion geändert
http://www.berlinonline.de/aktuelle...ung/wirtschaft/.html/122917.html
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