Ich möchte Ihre Marx/Engels-Zitate über den Krieg durch einige andere Zitate ergänzen, da sie mir höchst einseitig scheinen und ein vollkommen verzerrtes Bild von der Einstellung dieser Autoren zum Krieg zeichnen. Ich zitiere nach K. Löw, Das Rotbuch der kommunistischen Ideologie. Marx&Engels - die Väter des Terrors. Einige der Zitate habe ich auch selbst im Internetz nachgelesen, unter Benutzung von Quellen, auf die Ihre www-Seite verweist. Bei den Zitaten aus Briefen ist das leider nicht möglich, denn die Korrespondenz von Marx und Engels haben die MEW-Leute (sie werden wohl wissen, weshalb) nicht ins Netz gestellt. Ich verwende NRZ für Neue Rheinische Zeitung und MEW für Marx-Engels-Werke.
Über den Bauernkrieg in Frankreich: (Engels NRZ 31. 12. 1848, MEW5, 474f.)
Das französiche Proletariat, ehe es seine Forderungen durchsetzt, wird zuerst einen allgemeinen Bauernkrieg zu unterdrücken haben...
Waren also die Bauern Unterdrücker der Proletarier? Der Krieg der Geknechteten gen die Unterdrücker soll ja für Marx/Engels der einzig gerechte Krieg sein. Zu dem besagten Krieg ist es natürlich nie gekommen & die sicherlich vielfach rückständigen Verhältnisse in der europäischen Landwirtschaft des 19. Jhdts sind dann auf ganz andere Weise modernisiert worden.
Über den Völkermord: (Engels, NRZ 13. 2. 1849, MEW6, 176)
Der nächste Weltkrieg wird nicht nur reaktionäre Klassen und Dynastien, er wird auch ganze reaktionäre Völker vom Erdboden verschwinden machen. Und das ist auch ein Fortschritt.
Über den Anschluß von Texas und Kalifornien an die USA: (Engels NRZ 14. 2. 1849, MEW6, 273f.)
Und wird Bakunin den Amerikanern einen Eroberungskrieg vorwerfen,... der aber doch einzig und allein im Interesse der Zivilisation geführt wurde? Oder ist es etwa ein Unglück, daß das herrliche Kalifornien den faulen Mexikanern entrissen wurde, die nichts damit zu machen wußten? daß die energischen Yankees... große Städte schufen,... und zum drittenmal in der Geschichte dem Welthandel eine neue Richtung geben werden?... die"Gerechtigkeit" und andere moralische Grundsätze mögen hier und da verletzt sein, aber was gilt das schon gegen solche weltgeschichtliche Tatsachen?
Von dem"Krieg der Geknechteten gegen ihre Unterdrücker" kann hier wohl keine Rede sein. Löw zitiert dazu R. Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapitals, Frankf. aM 1969, S. 219:"Die sehr umfangreiche Provinz Texas, wegen der der Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko ausbrach, etwas über 38000 weiße Einwohner, wovon die meisten Einwanderer aus den Vereinigten Staaten waren. Sie stellte also ein ausgesprochenes Kolonialgebiet dar... Noch schlimmer aber stand es in diesem Falle um die 'Zivilisation'. Die Einwanderer aus den Vereinigten Staaten, die sich 1836 in Texas gegen Mexiko erhoben, waren nämlich Pflanzer, Besitzer von Negersklaven, und der hauptsächlichste Grund ihrer Erhebung bestand darin, daß in Mexiko 1829 die Kaufsklaverei aufgehoben wurde..."
Über den Krieg als gesundes Heilmittel gegen die bürgerliche Dekadenz: (Marx/Engels, Der langweilige Krieg, 1854, MEW10, 379)
Tatsache ist, daß das konservative Europa - das Europa"der Ordnung, des Besitzes, der Familie, der Religion" - das Europa der Monarchen, der Feudalherren, der Geldleute, wie unterschiedlich ihr Verhältnis zueinander in den einzelnen Ländern auch sein mag, wieder einmal seine äußerste Impotenz zeigt. Mag Europa verfault sein, ein Krieg hätte manche verborgenen Kräfte wecken müssen und sicherlich wäre unter 250 Millionen Menschen soviel Energie vorhanden gewesen, daß wenigstens ein ordentlicher Kampf zustande gekommen wäre, in dem beide Parteien etwas Ehre gezeigt hätten, soviel wie Mut und Tapferkeit eben auf dem Schlachtfeld zu erringen vermögen. Aber nein. Nicht nur das England der Bourgeoisie und das Frankreich der Bonaparte ist zu einem ordentlichen, frischen, kräftig ausgefochtenen Krieg untauglich geworden, sondern auch Rußland, dasjenige Land Europas, das von der entnervenden, Treue und Glauben verachtenden Zivilisation am wenigsten angekränkelt ist, bringt derartiges nicht zuwege.
Der Artikel ist in der New York Daily Tribune erschienen. Ich habe einen ganzen Abschnitt daraus zitiert. Dem Kontext nach dürfte es sich nicht um eine ironische Anspielung auf die Einstellung des"konservativen Europa" zum Krieg handeln.
Über Hungersnot: (E. an M., 24. 8. 1852, MEW28, 118)
Leider scheint die Ernte in Nordostdeutschland, Polen und Rußland passabel, stellenweise gut zu werden.
Über den Rassenkrieg: (M. an E., 12. 9. 1863, MEW30, 371)
Die interessanteste Bekanntschaft, die ich hier gemacht, ist die des Oberst Lapinski. Er ist unbedingt der geistreichste Pole - dabei homme d'action - den ich bisher kennengelernt... Statt des Nationalitätenkampfes kennt er nur den Rassenkampf. Er haßt alle Orientalen, wozu er Russen, Türken, Griechen, Armenier mit gleicher Vorliebe zählt...
Über politische Verfolgung: (M. an E., 11. 1. 1868, MEW32, 18f.)
Daß die englische Regierung den"Irishman" verfolgt, freut mich sehr.
Über den russischen Nationalcharakter und den Sex im russischen Nonnenkloster: (M and E, 7. 11. 1867, MEW31, 380)
Die Russen sind aber auch hierin plus forts. Es ist konstatiert, daß ein kerngesunder Kerl, der nur 24 Stunden in einem russischen Nonnenkloster, tot herauskam. Die Nonnen hatten ihn zu Tod geritten.
Das von Ihnen gebrachte Marx-Zitat
Der?Krieg der Geknechteten gegen ihre Unterdrücker ist der einzig rechtmäßige Krieg in der Geschichte.?
gibt also die Einstellung von Marx und Engels zum Krieg nur unvollkommen wieder. Richtiger wäre es, zu sagen, daß ihnen Krieg, politische Verfolgung und Naturkatastrophen dann recht waren, wenn dadurch 'die Verhältnisse zum Tanzen' (also der Weltrevolution näher) gebracht wurden. Bei der Einschätzung der Frage, ob ein Vorgang des Zeitgeschehens dieses Kriterium erfüllt, haben sich die Genossen Klassiker an ziemlich naiven, oft geradezu infantilen oder auch ekelerregenden Vorstellungen über den Nationalcharakter bestimmter Völker bzw. den Charakter bestimmter Klassen orientiert. Um diese Behauptung zu demonstrieren, habe ich das Marx-Zitat vom Nonnenkloster gebracht, das besonders skurril, sonst aber ein vergleichsweise harmloser Vertreter der sehr langen Liste von Zitaten ist, die ich zu diesem Zweck hätte benutzen können. Die auf solche Weise gewonnen Prognosen von Marx und Engels zum damaligen Zeitgeschehen (etwa über den Bauernkrieg in Frankreich [ 1. Zitat ] oder alle möglichen Bürgerkriege in England bzw. Deutschland) dürften mittlerweile fast ohne jede Ausnahme widerlegt sein.
Sie haben also, was Marxisten anscheinend oft zu tun pflegen, die exoterische Seite des Werkes von Marx und Engels herausgekehrt, die diese natürlich als Humanisten ausweist. Die esoterische Seite, also die für die Abonnenten der politischen Kampfblätter bestimmten Schriften oder der Briefwechsel zwischen Marx und Engels, sieht ganz anders aus. Siehe dazu und auch zu dem möglichen Einwand des selektiven Zitierens das Kapitel III.2 des erwähnten Buches von Löw. Mir erscheinen Marx und Engels als Autoren in dieser Hinsicht nicht besonders ehrlich, was übrigens gerade auch für den privaten Bereich gilt: Die Gräfin Hatzfeld ist einmal"Meine liebe Frau Gräfin" (M. an die Hatzfeld, Sept. 1864, MEW31:419), intern aber das Saumensch oder die"alte Hure Hatzfeld" (so M. an Kugelmann am 17. 3. 1864, MEW32:541). Grotesk ist auch die Behauptung Marxens in dem ersten dieser Briefe, daß er Lasalle persönlich liebte. Lasalle wird in der ME-Korrspondenz oft 'der jüdische Nigger Lasalle' (M an E 30. 6. 1862) oä tituliert und ist von Marx sicher nicht persönlich geliebt, sondern nur oft angepumpt worden.
Mit klassenkämpferischem Gruß
JeFra
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>Zu den prognostischen Fehlleistungen von Marx und Engels wäre noch hinzuzufügen, daß diese fast ständig irgendwelche Weltkriege, Bürgerkriege oder Weltwirtschaftskrisen im Enstehen sahen, was fast nie der Realität entsprochen hat. Hier ist natürlich in diesem Forum der Vergleich mit den Fehlleistungen der bürgerlichen Crash-Propheten naheliegend. Ich möchte darauf selber eingehen, weil es sonst eventuell von anderen Teilnehmern geschehen könnte.
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>Zu diesem Vergleich wäre zu sagen, daß die besseren unter den bürgerlichen Crash-Propheten sich zwar auch oft geirrt haben, aber normalerweise keine Perma-Bären (also unabhängig von der konkreten Situation pessimistisch) sind. Beispielsweise hat R. Prechter korrekt und auch fast sofort vorhergesagt, daß 1987 noch nicht 'the big one' war. F. Somary soll nicht nur die Weltwirtschaftskrise, sondern auch den Wiederaufschwung richtig vorhergesagt haben. Marx und Engels hingegen scheinen zur korrekten Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage normalerweise außerstande gewesen sein. PCM hat zwar eine ganze Reihe von Büchern mit Naherwartungen zum Wirtschafts-Crash geschrieben, möglicherweise mit katastrophalen Folgen für manche gutgläubigen Leser, war aber im Unterschied zu Marx sehr gut in der Lage, für sich selber zu sorgen. Daß das Ende so lange hinausgezögert werden konnten, war in der Tat nicht leicht vorhersehbar, und ein Fehler von vielleicht nur zwei Jahrzehnten ist vielleicht weniger kompromittierend als einer von 150 Jahren. Die Leistungen derjenigen Autoren, die konkrete Einschätzungen in diesem Forum publizieren, mag übrigens jeder selbst beurteilen.
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>MfG
>JeFra
...daß es so lange hinausgezögert wurde hat ganz andre Gründe, man wollte es so.Bereits 1982 (beinahe Pleite Mexicos)wurde auf dem Internationalen Investmen
tkongress in München gesagt(Schildknecht)daß es künftig keinen Kräsch mehr geben
wird und"man" jede Liquitität bereit stellen wird um einen solchen zu verhin-
dern.Bisher hat´s ja geklappt. Meiner Meinung nach will man diesmal, daß alle
Teilnehmer am weltweiten Wirtschaftsgeschehen gleichzeitig Pleite gehen und zu-
sammenbrechen, um dann den Rettungsanker zu akzeptieren der von den Mächtigen ge
worfen wird:Weltwährung;Weltregierung,Weltpolizei, also ein totalitärer Welt-
staat. Aber vorher muß das Chaos perfekt sein: Ordnung nach dem Chaos!!!
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