marsch
21.03.2002, 14:05 |
Bitter, bitter... Thread gesperrt |
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<font size=5>"Das größte Irrenhaus der Welt"</font>
ARGENTINIEN
Von Markus Deggerich
Vor den europäischen Botschaften warten die Menschen in langen Schlangen in der Hoffnung auf Ausreise in bessere Zeiten. Auch viele Deutschstämmige fürchten um ihre Zukunft in dem einstigen Einwanderungsland."Buenos Aires ist das größte Irrenhaus der Welt", sagt der letzte deutsche Buchhändler, Horst Stephan.
Markus Deggerich
Demo in Argentinien: Droht der Bürgerkrieg
Buenos Aires - Argentinien ist ein klassisches Einwanderungsland. Über 70 Prozent der Einwohner haben europäische oder asiatische Wurzeln. Doch heute kennen die Enkel der"Aufbaugeneration", die vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Glück in der Ferne suchte, nur noch ein Ziel: Raus hier.
Rund eine Million Deutsche oder Deutschstämmige leben in dem südamerikanischen Pampa-Staat, der lange ein Einwanderungsparadies war für Menschen mit Geschäftsideen, Künstler, Abenteurer.
1953 zog es auch den damals knapp zwanzigjährigen Buchhändler Horst Stephan aus Bad Kreuznach in das Tango-Land. Nach einigen Jahren als Angestellter betreibt er nun seit über 30 Jahren die mittlerweile letzte deutsche Buchhandlung Argentiniens. Die"Librerias ABC" liegt zwar mitten im vitalen Finanz- und Geschäftszentrum der Hauptstadt. Aber der große Verkaufsraum mit den alten Holzregalen und Sesseln strahlt nun die bedächtige Atmosphäre eines Museums oder einer Bibliothek aus: Die Grabesstille einer sterbenden Ã-konomie, dekoriert mit Grass, Goethe und"Deutsch für Anfänger".
"Wenn mir heute jemand den Laden abkaufte, wäre ich morgen weg", sagt Stephan und winkt gleich ab, weil in diesen Zeiten sowieso niemand investieren würde. Er hat viel gesehen in Argentinien, von Peron über die Militärdiktatur bis Menem."Das haben wir alles überlebt. Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie", bilanziert der Buchhändler.
"Hier droht Bürgerkrieg"
Bei 150 Prozent Preissteigerung in zwei Monaten haben die Menschen kein Geld mehr über für Literatur und Musik. Und Stephan, der die argentinische Mentalität in den rund 50 Jahren seines Lebens in Südamerika studiert hat, fürchtet das Schlimmste:"Hier droht Bürgerkrieg."
Markus Deggerich
Buchhändler Stephan:"So schlimm wie jetzt war es noch nie"
Die permanenten Demonstrationen, Straßensperren, Streiks, Werksbesetzungen, die das öffentliche Leben bestimmen und lähmen, seien nur ein Vorgeschmack. Die politische Klasse ist völlig diskreditiert. Abgeordnete werden in Cafés beschimpft, auf offener Straße bedroht und verprügelt, einem Politiker in einer argentinischen Provinz ist das Wohnhaus angezündet worden. Für Stephan ist Buenos Aires im Moment"das größte Irrenhaus, hier drehen langsam alle durch."
Die lange verwöhnten Argentinier, deren Mittelklasse rasant in den Bankrott rutscht und die Unterklasse, die sowieso in bitterer Armut lebt, verbünden sich. 20 Prozent Preissteigerung allein bei den Lebensmitteln in der vergangenen Woche, das machen die Menschen nicht mehr mit."Der nächste Preisschub bei Brot und Strom, und die Menschen werden überkochen", fürchtet Stephan:"Dann muss Duhalde das Militär rufen.
Das jedoch wäre der größte Affront. Seit der Militärdiktatur, unter der 30.000 Menschen"verschwunden" sind, haben die Uniformierten einen schlechten Ruf im Land und wecken böse Gefühle und Erinnerungen.
Stephan versucht unterdessen die täglichen Probleme zu lösen. Noch hat er keinen Angestellten entlassen, weil sie sich untereinander auf eine geringere Wochenarbeitszeit einigen konnten. Sein Vermieter kommt ihm entgegen, weil der froh ist, dass er überhaupt noch Einnahmen hat. Aber ausländische Verlage liefern nur noch ungern."Argentinien vertraut keiner mehr. Jeder hat Angst, dass er niemals sein Geld sieht", erklärt Stephan.
In vier Wochen Deutsch lernen
Dabei eröffnet die Krise ironischerweise dem Buchhändler ein neues Geschäftsfeld: Die Nachfrage nach Sprach-Lehrbüchern ist rasant gewachsen."Allein im Goethe-Institut haben sich doppelt so viele Menschen wie sonst für die Deutsch-Kurse angemeldet", erzählt der Händler und schüttelt mit dem Kopf:"Hier denken viele, sie könnten mal schnell in einem vierwöchigen Intensivkurs Deutsch lernen und dann auswandern."
Markus Deggerich
Proteste der argentinischen Bevölkerung: 150 Prozent Preissteigerung in zwei Monaten
Stephan fürchtet, dass das Land in jeder Beziehung ausblutet. Wer es sich leisten kann, geht weg, wer einiges Geld retten konnte, bringt es ins Ausland. In Argentinien investiert niemand mehr:"Aber das Land verarmt auch geistig". Anders als während der Diktatur, als alle zwei Wochen in Stephans Laden Razzia war und Bücher von Brecht oder Habermas beschlagnahmt wurden, ist heute das Interesse an Bildung in der Tango-Nation schlicht eingefroren und abgewertet wie die Bankguthaben.
Verarmung der Kulturnation
Einem Buchhändler der alten Schule wie Stephan, der Bücher nicht nur verkauft, sondern liebt und viel Wert auf persönliche Beratung legt, schmerzt das doppelt. 250 Buchhandlungen haben in Buenos Aires bereits aufgegeben, eine der schönsten Spielstätten Lateinamerikas, das"Teatro Colon" musste seinen Spielplan eindampfen, internationale Gastspiele sind fast undenkbar, weil keine Künstleragentur Verträge abschließt mit einem abgewirtschafteten Land am Finanztropf.
Selbst das jüngste Buch des aktuell bekanntesten argentinischen Schriftstellers Tomás Eloy MartÃnez wurde nun in Spanien verlegt und ist in seinem Heimatland nicht zu haben, weil der europäische Verlag die Lieferung hinauszögert: Zu welchem Preis auch soll man Lieferverträge abschließen, wenn man heute nicht weiß, was der Peso morgen noch wert ist und harte Dollar nicht verfügbar sind?
Stephan sieht schwarz für Argentinien, will aber noch nicht ganz aufgeben. In ihm schlägt noch das Gründerherz des jungen Mannes, der Anfang der fünfziger Jahre in den Subkontinent aufbrach und dort unerwartete Begegnungen und Abenteuer erlebte. Regelmäßig bediente er damals den immer freundlich, gepflegt und gebildet auftretenden Dr. Gregor, der großes Interesse an Belletristik und politischen Büchern aus Deutschland hatte. Bis Dr. Gregor eines Tages spurlos verschwand und der junge Pionier aus Deutschland aus der Zeitung erfuhr, wem er da so oft die Hand geschüttelt hatte:"Mengele war mein Kunde."
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,188230,00.html
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Nephes
21.03.2002, 15:27
@ marsch
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Re: Bitter, bitter... - trifft es richtig |
Ich verstehe einfach nicht wieso der Rest der Welt nicht irgendwie interveniert, abgesehn davon das es sich finanziell bestimmt nicht lohnen würde.
Stattdessen kündigt die Weltbank nur Kredite, naja, was erwartet man auch sonst von einer Organisation die an sich Entwicklungshilfe leisten sollte, oder verwechsel ich da etwas?
Sagt doch mal irgendeiner was dazu, kann doch nicht angehn was dort passiert. Ich verstehe absolut nicht warum die Welt einfach zu sieht während ein Land untergeht...
<ul> ~ C2K.INFO - Verschwörungen, Satire und eventuel auch ne Wahrheit die keiner kennt</ul>
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Emerald
21.03.2002, 16:34
@ marsch
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Re: Bitter, bitter... |
Argentinien ist hundert x schlimmer dran als Südafrika, wer hätte das je
gedacht. Nur in Südafrika haben besonnene Menschen die Apartheid abgelöst
und die Misère bis heute staatsmännisch gemeistert, während in Argentinien
IWF und Konsorten (internat. Banken-Lobby) das Land in den Abgrund stiessen.
Auch hier werden die Geschichts-Bücher vermutlich vieles unter den Teppich
wischen, weil es nicht zur Kenntnis genommen werden darf.
Ich frage mich welches nächstes Land ein ähnliches Schicksal erleiden muss?
Emerald.
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Diogenes
21.03.2002, 16:45
@ Nephes
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Re: Bitter, bitter... - trifft es richtig |
>Ich verstehe einfach nicht wieso der Rest der Welt nicht irgendwie interveniert, abgesehn davon das es sich finanziell bestimmt nicht lohnen würde.
Sie haben doch"interveniert" und"beraten", deswegen sitzt Argentinien ja im Dreck. Gelohnt hat es sich, nur leider nicht für die Argentinier.
>Stattdessen kündigt die Weltbank nur Kredite, naja, was erwartet man auch sonst von einer Organisation die an sich Entwicklungshilfe leisten sollte, oder verwechsel ich da etwas?
Ja du verwechselst was. So ist es richtig: die Weltbank gibt Kredite an unfähige Regierungen, die sacken das Geld einund verschieben es zurück auf Konten bei den Großbanken, die UNO zahlt die Kredite dann mit unserem Geld zurück. Internationale Arbeitsteilung und Entwicklunghilfe zum Wohle der Politik und der Finanzwelt.
>Sagt doch mal irgendeiner was dazu, kann doch nicht angehn was dort passiert.
Ich verstehe absolut nicht warum die Welt einfach zu sieht während ein Land untergeht...
Argentinien geht nicht unter, keine Angst.
Gruß
Diogenes
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Wal Buchenberg
21.03.2002, 17:01
@ marsch
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Das sind doch Heuchler... |
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>Buchhändler Stephan:"So schlimm wie jetzt war es noch nie" > >
>Die permanenten Demonstrationen, Straßensperren, Streiks, Werksbesetzungen, die das öffentliche Leben bestimmen und lähmen, seien nur ein Vorgeschmack. Die politische Klasse ist völlig diskreditiert. Abgeordnete werden in Cafés beschimpft, auf offener Straße bedroht und verprügelt, einem Politiker in einer argentinischen Provinz ist das Wohnhaus angezündet worden. Für Stephan ist Buenos Aires im Moment"das größte Irrenhaus, hier drehen langsam alle durch."
>Die lange verwöhnten Argentinier, deren Mittelklasse rasant in den Bankrott rutscht und die Unterklasse, die sowieso in bitterer Armut lebt, verbünden sich. 20 Prozent Preissteigerung allein bei den Lebensmitteln in der vergangenen Woche, das machen die Menschen nicht mehr mit."Der nächste Preisschub bei Brot und Strom, und die Menschen werden überkochen", fürchtet Stephan:"Dann muss Duhalde das Militär rufen.
[b]Ist das nicht Heuchelei, wenn über den Ausverkauf und den Ruin eines Landes nur lobende Worte zu lesen waren - Argentinien war das Musterland der 'emerging markets' in Lateinamerika - dass aber dann, wenn es zu spät ist, und das Volk zu protestieren anfängt, dass dann Krokodilstränen vergessen werden und vom"Irrenhaus" geredet wird.
Die politische Klasse Argentiniens sind die Verbrecher, das Volk war und ist Opfer. Hier aber werden die Opfer als Verbrecher hingestellt.
Gruß Wal
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Firmian
21.03.2002, 17:10
@ Wal Buchenberg
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Dann muss Duhalde das Militär rufen |
oder, wie der unsterbliche Oliver Hardy zu Stan Laurel zu sagen pflegte:
"Nun sieh' einmal, was Du mich hast anrichten lassen"
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Euklid
21.03.2002, 17:14
@ Wal Buchenberg
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Re: Das sind doch Heuchler... |
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>>Buchhändler Stephan:"So schlimm wie jetzt war es noch nie"
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>>Die permanenten Demonstrationen, Straßensperren, Streiks, Werksbesetzungen, die das öffentliche Leben bestimmen und lähmen, seien nur ein Vorgeschmack. Die politische Klasse ist völlig diskreditiert. Abgeordnete werden in Cafés beschimpft, auf offener Straße bedroht und verprügelt, einem Politiker in einer argentinischen Provinz ist das Wohnhaus angezündet worden. Für Stephan ist Buenos Aires im Moment"das größte Irrenhaus, hier drehen langsam alle durch."
>>Die lange verwöhnten Argentinier, deren Mittelklasse rasant in den Bankrott rutscht und die Unterklasse, die sowieso in bitterer Armut lebt, verbünden sich. 20 Prozent Preissteigerung allein bei den Lebensmitteln in der vergangenen Woche, das machen die Menschen nicht mehr mit."Der nächste Preisschub bei Brot und Strom, und die Menschen werden überkochen", fürchtet Stephan:"Dann muss Duhalde das Militär rufen.
>[b]Ist das nicht Heuchelei, wenn über den Ausverkauf und den Ruin eines Landes nur lobende Worte zu lesen waren - Argentinien war das Musterland der 'emerging markets' in Lateinamerika - dass aber dann, wenn es zu spät ist, und das Volk zu protestieren anfängt, dass dann Krokodilstränen vergessen werden und vom"Irrenhaus" geredet wird.
>Die politische Klasse Argentiniens sind die Verbrecher, das Volk war und ist Opfer. Hier aber werden die Opfer als Verbrecher hingestellt.
>Gruß Wal
Die gleichen Verhältnisse wie bei uns,nur im späteren Stadium.
Zuerst verkleidete Wirtschaftsförderung der Großindustriellen bei gleichzeitigem Ausbeinen des Mittelstandes der ja so verwöhnt war!
Auch bei uns wird der Mittelstand alles andere als verwöhnt!
Die steuerliche Subvention der Multis spricht für sich.
Wer das leugnet ist ein Ignorant.
Und warum haben unsere Politiker nichts mehr übrig für die eigene Jugend?????
Scheinbar kann die Integrationspolitik nicht teuer genug sein!
Hierfür ist Geld vorhanden.Warum zahlt nicht derjenige der diese Integration will??????
Das ist Politik gegen die eigene Bevölkerung und nur einzig und allein von der Großindustrie gewollt.Sie wollen billigste Arbeitskräfte und die Kosten dafür den Bürgern wieder aufs Auge drücken!
Das Geschachere der Übernahme der Kosten für die Integration spricht Bände.Die Länder wollen das Geld vom Bund sprich Steuerzahler und lassen sich dafür Kaufen.
Wiederum eine sauber versteckte Subvention gegen die Interessen der eigenen Bürger.
Gruß EUKLID
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R.Deutsch
21.03.2002, 17:24
@ Wal Buchenberg
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Re: wie 1923 in Deutschland |
Ich möchte wetten, daß ein Brötchen Ende des Jahres in Argentinien 1 MRD. Peso kostet. In Deutschland ging das 1923 auch ganz schnell (6 Monate).
Das sind alles ganz klar Geldphänomene und zwar immer wieder das Gleiche. Kreditblase - Hyperinflation - Zusammenbruch - Neues Geld und das Ganze wieder von vorn. Im Goldstandard ist die Kreditblase nicht möglich und deshalb hat es auch nie solche extremen Entwicklungen gegeben.
Gruß
RD
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