Der Uno-Gipfel sollte die Wirtschaft in die Entwicklungspolitik einbinden.
(...) Seit dem 11. September ist die Entwicklungspolitik, bis dahin nur noch ein Hobby für Alt-68er und Fairer-Kaffee-Schlürfer, plötzlich wieder in. In Mexiko debattieren seit fünf Tagen Hunderte von Unternehmern, Wissenschaftlern und Lobbyisten plus rund 50 Staatschefs bis hin zu US-Präsident Bush auf einer gigantischen Uno-Konferenz, wie die Hilfe künftig finanziert werden kann. Und ein Ziel kristallisiert sich in der neuen Eine-Welt-Debatte immer weiter heraus: Die klammen Politiker wollen die billionenschweren Unternehmer ins Boot holen. (...)
Die UFE Solar ist das Vorzeigeprojekt der neuen Entwicklungspolitik unter Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die Sozialdemokratin hat seit ihrer Amtsübernahme vor allem auf eins gesetzt: neuartige Public Private Partnerships (PPP) mit Unternehmern wie Reinhold Weiser. Der wollte seine unter anderem mit dem Innovationspreis"Berlin-Brandenburg" ausgezeichneten Solarzellen exportieren."Da bot sich das sonnenüberflutete Ghana an", sagt Weiser. Heute steht in der Hauptstadt Accra auf dem Dach eines Konferenzzentrums das erste Solarmodell aus der brandenburgischen Provinz und versorgt die Gäste mit Warmwasser - dank der großzügigen Spende von Wieczorek-Zeul: Ihr Haus hat die Investition mit einer viertel Million Mark bezuschusst. (...)
Nein, Zwischentöne waren ihre Sache nie. Wenn Heidemarie Wieczorek-Zeul etwas so findet, dann ist das so. Heute findet sie:"Public Private Partnerships, das ist eine Win-Win-Situation für alle!" Ihr PPP-Programm setzt auf gemeinsame Projekte mit deutschen Unternehmern, die aus dem Etat des Entwicklungshilfeministeriums bezuschusst werden. Voraussetzung: Sie sollen Gutes tun. Und das am besten im Kampf gegen den Terror:"Wir werden als Folge aus dem 11. September das PPP-Programm ausbauen", sagt Wieczorek-Zeul und fängt das Schwärmen an:"Über 3 Mrd. DM fließen durch PPP bereits in den Süden, in über 800 Projekte, in über 40 Länder!" (...)
Ob DaimlerChrysler oder Deichmann-Schuhe, Hipp oder Holsten, Karstadt oder Kraft, Mannesmann oder Mars Deutschland, Schering oder Siemens: Sie alle durften schon mal in den PPP-Topf greifen für Investitionen von der Türkei bis Südafrika, von Argentinien bis Vietnam. (...)
Manch Vorteil der Kooperation liegt auf der Hand:"Die Firmen kennen sich in ihrem Metier bestens aus und sie suchen sich sehr kompetente Partner", lobt Albrecht Graf von Hardenberg, der das eigens eingerichtete PPP-Büro leitet,"schließlich müssen sie ja auch mindestens 50 Prozent der Kosten selbst tragen". (...)
Weniger klar erscheint indes, was mit den Firmen erreicht wird. Etwa mit der Gütermann AG aus dem Breisgau, die auch in Mexiko eine Garnfabrik stehen hat - und sich jetzt ihre Klimaanlage von deutschen Steuergeldern kofinanzieren ließ.
"Die Luft war heiß und trocken, Flusen fliegen" durch die Gegend, beschreibt das Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in seinem Report die frühere Situation in der Fabrikhalle. Die Klimatisierung aber"erhöht die Luftfeuchtigkeit in den Produktionshallen und setzt die Durchschnittstemperaturen auf 25 Grad herab."
Dass der Weltkonzern seinen Mitarbeitern in Mexiko jetzt endlich Arbeitstemperaturen gönnt, bei denen deutsche Schüler immer noch fast Hitzefrei kriegen, war dem BMZ 400.000 DM wert - denn dafür"hat die Firma auf eine teurere, solarbetriebene Anlage gesetzt", so Rolf Gerber von der ausführenden Gesellschaft DEG. Das BMZ bekennt zugleich erfrischend offen, worauf es ankommt: Die Veränderungen sollen bei"gleichbleibenden Betriebskosten" die Arbeitsbedingungen verbessern und dem Unternehmen eine"höhere Effizienz und geringere Krankenstände" verschaffen. Und überhaupt, betont Gerber:"So eine Anlage hat ja auch Signalwirkung."
Anderen Firmen finanziert das BMZ die Schulung der gewünschten Zulieferer im Ausland - wie der deutschen Grohe AG für ihre Wasserarmaturenproduktion in Thailand. Für Geschäftsführer Frank Schröder ein selbstverständlicher Vorgang:"Wir sind ja kein Sozialverein."
Bislang musste das weltweit führende Unternehmen einen Großteil seiner Komponenten teuer vom Ausland nach Thailand importieren, weil es mit den dortigen Lieferanten"häufig zu Verständigungsschwierigkeiten, Lieferverzug und Qualitätsmängeln" kam, so das BMZ. Jetzt hat Frank Schröder ein Qualifizierungsprogramm aufgelegt, mit dem Mitarbeiter von 26 Zulieferern trainiert werden sollen - und ein Drittel der Kosten von knapp 400.000 DM deckt die deutsche Entwicklungshilfe. Völlig zurecht, wie Schröder findet:"Allein hätten wir höchstens in zehn Firmen geschult", beteuert er. Und das habe ja auch"Signalwirkung".
"Signalwirkungen" allerorten
So wie das Anti-Aids-Programm von DaimlerChrysler Südafrika (DCSA)."Aids wird in den nächsten Jahren zu einem massiven Faktor für unser Unternehmen", sagt DCSA-Vorstandschef Christoph Köpke. Jährlich sterben DaimlerChrysler am Kap der guten Hoffnung 30 Mitarbeiter unter den Fingern weg. Studien zufolge ist der Anstieg der Arbeitskosten in Südafrika zu über 50 Prozent auf krankheitsbedingte Personalausfälle zurückzuführen, jede fünfte Arbeitsstunde entfällt allein, weil Mitarbeiter zu Begräbnissen müssen."Wir überlegen jede Planstelle doppelt zu besetzen, weil einer der Mitarbeiter bald ableben dürfte", sagt ein Unternehmenssprecher.
Jetzt hat DaimlerChrysler rund 130 Mitarbeiter als"Vertrauenspersonen" geschult, die nun die Kollegen über Krankheiten und Kondome aufklären, Ratschläge erteilen und Medikamente verteilen. Ausgearbeitet und aufwendig begleitet hat das zweifellos sinnvolle Programm die mit deutschen Entwicklungsgeldern finanzierte Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) - und dem Megakonzern mit einem Gesamtumsatz von 153 Mrd. Euro rund 100.000 Euro dazugegeben. Warum? Wegen der"Signalwirkung". Wie die wirkt, ist laut dem eigens von der GTZ geschaffenen"PPP-Report" ganz einfach zu errechnen:"Wussten Sie schon", heißt es da,"dass am Frühstückstisch eines Angestellten von DaimlerChrysler South Africa neun Personen sitzen? Bei 4200 Angestellten erreicht die PPP-Maßnahme damit 37.000 Menschen." (...)
Das Ministerium rechnet so: 1,3 Mrd. DM öffentliche Gelder flossen bislang in PPP-Projekte als Zuschuss für Unternehmensinvestitionen in Höhe von rund 1,7 Mrd. DM."Für jede Mark öffentliche Hilfe haben wir so mindestens eine Mark privates Kapital generiert", sagt die Ministerin. (...)
Aus: Financial Times Deutschland, 22.3.2002
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