Hervorhebung in Fett wie immer von mir.
Gruß El Sheik
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Genscher: Der Euro war nicht der Preis für die Wiedervereinigung
Vor zehn Jahren fanden die Zwei-plus-vier-Verhandlungen statt - Alliierte regelten mit Bonn und Ost-Berlin die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit
Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hat der These widersprochen, der Euro sei der Preis für die Vereinigung Deutschlands gewesen."Dies ist eine andere Dolchstoßlegende", sagte Genscher in einem Gespräch über die außenpolitischen Verhandlungen vor zehn Jahren. Das Gespräch in Genschers Haus bei Bonn führte Daniel Friedrich Sturm.
DIE WELT: Wenn heute über die Zwei-plus-vier-Gespräche die Rede ist, fällt oft das Wort des"window of opportunity". Wie lange gab es Ihres Erachtens die Gelegenheit, die Vereinigung Deutschlands außenpolitisch abzusichern?
Hans-Dietrich Genscher: Mir war klar, dass dieses Fenster nicht für immer geöffnet sein würde. Die Sorge, es könnte geschlossen werden, wurde besonders groß, als der sowjetische Außenminister Schewardnadse im Dezember 1990 zurücktrat. Damals war der Vertrag in Moskau noch nicht ratifiziert. Dies geschah erst im März 1991 - und bereits im August 1991 wurde gegen Gorbatschow geputscht.
DIE WELT: Für die Vereinigung gab es kein Vorbild. Inwieweit war überhaupt das Auswärtige Amt auf diesen Fall vorbereitet?
Genscher: Ich hatte damit gerechnet, dass es zu dramatischen Entwicklungen kommen würde. Der Aufstieg Gorbatschows und mein erstes Gespräch mit ihm im Jahre 1986 führte bei mir zu der Erkenntnis: Wenn er wirklich tut, was er sagt, bedeutet dies eine reale Möglichkeit zur Überwindung der deutschen und europäischen Teilung. Das habe ich auch in einer Rede am 1. Februar 1987 in Davos zum Ausdruck gebracht. Ich habe damals gefordert, Gorbatschow ernst zu nehmen, ihn beim Wort zu nehmen und eine historische Chance nicht zu versäumen. Im September 1988 in New York habe ich Schewardnadse erklärt, ich rechnete damit, dass es im Sommer 1989 zu Volksaufständen in der DDR wie 1953 kommen würde. In allem Ernst wollte ich ihm sagen, eine Regierung, der ich angehöre, werde es nicht hinnehmen, wenn wieder, wie damals, sowjetische Panzer gegen Deutsche eingesetzt würden. Das würde die Lage in Europa grundlegend verändern. Wir waren also auf die Entwicklungen 1989 eingestellt.
DIE WELT: Aber einen Masterplan für eine deutsche Einheit gab es doch nicht.
Genscher: Das kann man so nicht sagen. Walter Scheel hatte als Außenminister mit dem Brief zur deutschen Einheit die Vereinigung zum Bestandteil der Ostverträge gemacht und die Regierung Schmidt/Genscher setzte in der Schlussakte von Helsinki, deren Annahme in Deutschland bekanntlich sehr umstritten war, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Recht zur freien Bündniswahl, durch. Besonders wichtig war für mich die friedliche Veränderbarkeit der Grenzen. Das habe ich damals als die deutsche und die europäische Option bezeichnet.
DIE WELT: Die Bundesrepublik hatte ab 1949 um ein gutes Einvernehmen, um Partnerschaft und Sympathie bei den westlichen Partnern in Europa geworben. Waren Sie nicht enttäuscht über die Skepsis und die Ablehnung, die Sie dann 1989 durch die Verbündeten, speziell Großbritannien und Frankreich, erlebt haben?
Genscher: Über die Reaktion von Frau Thatcher war ich nicht sehr erstaunt. Aber es war ja mehr ein Unbehagen, das sie geäußert hat. Ich wusste, dass sie sich am Ende der amerikanischen Linie anschließen würde. Und der Unterstützung der USA waren wir uns ganz sicher. In Frankreich bin ich auf eine solche Skepsis nicht gestoßen. Präsident Mitterrand hatte schon im Sommer 1989 für das Recht der Deutschen auf Einheit plädiert. Mir gegenüber sprach François Mitterrand von der Einheit als einer historischen Notwendigkeit. Ich weiß, worauf Sie mit Ihrer Frage anspielen: Aber in Bezug auf Mitterrand gibt es zu Unrecht eine Legendenbildung - gegen einen Mann, der tot ist und sich nicht mehr wehren kann.
DIE WELT: Aber wie deuten Sie denn Mitterrands Staatsbesuch in Ost-Berlin im Dezember 1989, im letzten Atemzug der DDR?
Genscher: Auch der amerikanische Außenminister James Baker - wahrhaftig ein Streiter für die deutsche Einheit - hat sich Ende 1989 mit Herrn Modrow in Potsdam getroffen. Mitterrand hat sich bei seinem Besuch in der DDR in seinen Reden für die deutsche Einheit ausgesprochen. Und bedenken Sie auch, dass der Zehn-Punkte-Plan, den Helmut Kohl in seiner Eigenschaft als CDU-Vorsitzender im November 1989 vorlegte, auch noch von einem langjährigen Nebeneinander der beiden deutschen Staaten ausging! Insofern kann man Mitterrand keinen Vorwurf machen.
DIE WELT: Wie ordnen Sie die skeptische Haltung der Briten ein?
Genscher: Die Briten in ihrer Gesamtheit waren nicht skeptisch, Außenminister Hurd war ganz eindeutig für die deutsche Vereinigung. Das galt auch für die Labour-Opposition. Margaret Thatchers Haltung ist aus ihrer Generation heraus zu verstehen. Sie ist Jahrgang 1926, wuchs auf als Kind eines Weltreiches. England hat als einziges Land den Krieg gegen Hitler vom ersten bis zum letzten Tage geführt. Am Ende des Krieges musste sie feststellen, dass auch die Zeit des Kolonialismus vorbei war, dass das britische Weltreich aufgehört hatte zu existieren. Vielleicht hat sie auch dafür die Deutschen verantwortlich gemacht. Solche Emotionen haben da sicherlich eine Rolle gespielt.
DIE WELT: Anfangs meldeten auch westliche Partner ihr Mitspracherecht bei den Fragen zur Vereinigung Deutschlands an, etwa die Niederländer, die Italiener. Ihrem Amtskollegen de Michelis aus Rom haben Sie damals bedeutet:"you are not part of the game". Wie groß war Ihre Furcht, dieser Prozess könne ausufern?
Genscher: Die Frage eines Friedensvertrages war längst obsolet geworden. Wir waren Mitglied von Nato, EG, UNO, Europarat und KSZE. Ein Friedensvertrag wäre zu einer Weltkonferenz geworden. Wir hätten ja nicht auswählen können, wer kommen darf und wer nicht. In Europa befand sich Deutschland am 8. Mai 1945 mit den meisten Staaten im Kriegszustand. Mit der Zwei-plus-vier-Formel hingegen war klar umschrieben, wer beteiligt werden sollte: nämlich die beiden deutschen Staaten und die vier Staaten - nämlich USA, Frankreich, Großbritannien und Sowjetunion -, die Verantwortung für Deutschland als Ganzes trugen.
DIE WELT: Sie haben sich immer wieder gegen die Behauptung gewehrt, die europäische Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), der Euro also, sei der Preis für die deutsche Einheit gewesen.
Genscher: Das ist eine andere Dolchstoßlegende. Auch sie vergiftet das deutsch-französische Verhältnis. In Wahrheit habe ich bereits im Jahr 1988 eine Denkschrift für die WWU veröffentlicht. Ich wollte damals die zögerliche Haltung vor allem im Finanzministerium überwinden, weil wir einen neuen Integrationsschritt tun mussten. Ein europäischer Binnenmarkt ohne eine gemeinsame Währung hätte wenig Sinn gemacht. Natürlich waren auch die Franzosen daran interessiert, doch der Anstoß kam von uns.
Quelle: Die Welt
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DDR wäre ansonsten ein sozialistischer Inselstaat geworden.
Im Gegensatz zu Genscher bin ich davon überzeugt, daß auch ohne besondere Eile
die Wiedervereinigung geglückt wäre. Rußland war ohnehin ab und dran den Einfluß
zurückzuschrauben, ansonsten wären sie bereits 1988 in Polen, Tschechei und
Ungarn bereits präsent und das auch noch militant.
Vergessen wir doch nicht, daß seit 1988 Polen schon Flüchtlinge aus der DDR
aufgenommen hat, damit diese dann in den Westen die Reise beginnen dürfen.
Das gleiche war doch auch schon mit Ungarn und Tschechoslowakei ebenfalls im Gange.
Womöglich hätte es sich einwenig verzögert, aber: da die Allierten sehr
wohl die Widervereinigung befürwortet haben, nicht um Deutschlandswillen unbedingt, sondern eher um russische Präsenz in Europa zu schwächen, gäbe
es sehr wohl mehr Möglichkeiten auch später, um die Wiedervereinigung
zu vollziehen.
Gruß
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