RetterderMatrix
13.04.2002, 18:43 |
EU untersucht Wachstumsmisere in Deutschland Thread gesperrt |
EU-Wirtschaftskommissar Pedro Solbes hat es nicht leicht in diesen Tagen, es der Bundesregierung recht zu machen. Seit dem Gezerre um den blauen Brief für Deutschland fühlt sich Bundeskanzler Gerhard Schröder von Solbes und seinen Kommissarkollegen notorisch gepiesackt.Â
Nun hat der EU-Kommissar seine Experten untersuchen lassen, warum Deutschland bei Wachstum und Beschäftigung im europäischen Vergleich seit Jahren hinterherhinkt. In einer 130-seitigen Expertise - Titel:"Germany's Growth Performance in the 1990s" - kommen die EU-Beamten zu erstaunlichen Ergebnissen.Â
<img border="0" src="http://www.spiegel.de/img/0,1020,177081,00.jpg">
Danach ist die anhaltende Wachstumsschwäche Deutschlands vor allem auf die Folgen der Wiedervereinigung zurückzuführen. Strukturelle Probleme, wie zum Beispiel der starre Arbeitsmarkt oder ein undurchsichtiges Steuersystem, vor allem von deutschen Wissenschaftlern immer wieder beklagt, fallen weniger ins Gewicht als bisher angenommen.Â
Solbes' Experten haben den Rückstand Deutschlands in den Jahren 1996 bis 2000 detailliert nach seinen Ursachen aufgeschlüsselt und beziffert. So sei ein Drittel des Wachstumsverlusts auf die finanziellen Transfers in den Osten zurückzuführen.Â
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<font color="#0000FF">Eigener Kommentar: Das wäre auch eine gelungene Gelegenheit, auf die ungerechten finanziellen Transfers Deutschlands an die anderen EU-Staaten hinzuweisen! Aber das ist für eine EU-Kommission wohl zu viel verlangt.</font>Â
<img border="0" src="http://www.iw-koeln.de/IWD/I-Archiv/iwd04-99/5.gif" width="345" height="251">
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Denn drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, rund 60 Milliarden Euro, lenkt Deutschland jährlich als Aufbauhilfe in die neuen Länder. Ohne diese Aufgaben wären Steuer- und Abgabenbelastung viel niedriger.Â
Die Folge: Die Wirtschaft könnte schneller wachsen, weil die Unternehmen mehr Geld hätten, um zu investieren, und die Verbraucher mehr Geld, um zu konsumieren. Diese Sonderlast habe seit Beginn der neunziger Jahre eine"negative Auswirkung auf das Wachstum von jährlich 0,3 Prozent gehabt", schreiben die Experten des EU-Kommissars.Â
Ein weiteres Drittel der Wachstumslücke führen sie auf die Krise der Bauindustrie zurück, wiederum eine direkte Folge der Wiedervereinigung. Großzügige Abschreibungsmodelle und üppige Subventionen hatten den Bausektor nach der Wiedervereinigung vor allem im Osten künstlich aufgebläht.Â
Seit die Vergünstigungen Ende der neunziger Jahre weggefallen sind, schrumpft die Branche Jahr für Jahr. Ohne die Krise am Bau, so die EU-Expertise, würde das deutsche Wachstum jährlich um mindestens 0,3 Prozent höher ausfallen. Damit stützt die EU-Kommission eine Argumentation, die auch Finanzminister Hans Eichel bei jeder Debatte um Deutschlands Schlusslichtposition stets vorträgt.Â
Für zwei Drittel der deutschen Wachstumsschwäche ist nach Erkenntnissen der EU-Experten also hauptsächlich die Wiedervereinigung verantwortlich. Die Schröder-Regierung treffe dafür keine Schuld, heißt es in der Kommission. Mehr noch: Sie könne kurzfristig auch nichts ändern.Â
Trotz solcher Teilentlastung kommt die Studie Schröder alles andere als gelegen. Die häufig beklagten strukturellen Verwerfungen tragen, so die Solbes-Experten, zu einem - dem letzten - Drittel des Wachstumsausfalls bei. Die Gütermärkte in Deutschland funktionierten zwar vergleichsweise reibungslos, dennoch gebe es auch hier noch genügend zu tun: von der weiteren Liberalisierung auf den Märkten für Telekommunikation, Post und Energie bis hin zur Abschaffung des Ladenschlusses. Auch sollte die Kinderbetreuung besser und preiswerter werden, damit Frauen einfacher einer Arbeit nachgehen könnten.Â
Doch vor allem der deutsche Arbeitsmarkt bereitet den Solbes-Leuten Sorgen. Er zeige im europäischen Vergleich"eine schwache Entwicklung". Ursache dafür sei vor allem, dassÂ
die Löhne schneller gestiegen seien als die Produktivität, besonders im Niedriglohnbereich;Â
Lohnersatzleistungen zu hoch ausfielen und zu lang gezahlt würden, zudem die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben schon auf geringe Verdienste zu hoch seien, so dass sich für bestimmte Lohngruppen die Arbeitsaufnahme nicht mehr lohne;Â
dem deutschen Arbeitsmarkt generell Flexibilität und Mobilität fehle.Â
Weil die Regierung die Folgen der Wiedervereinigung nur hinnehmen kann und abwarten muss, bis sich die Lage am Bau wieder normalisiert hat, beschränken die Kommissionsexperten ihre Reformvorschläge darauf, die strukturellen Fehlentwicklungen zu beseitigen.Â
Ihre vordringlichste Mahnung:"Ohne weit reichende Reformen auf dem Arbeitsmarkt könnte der Wachstumsunterschied auf mittlere Sicht signifikant bleiben." Passiere nichts, werde Deutschland in den nächsten fünf Jahren nur um 2 Prozent jährlich wachsen, der Rest der Euro-Zone hingegen um 2,75 Prozent.Â
Genau diese Botschaft fürchtet Schröders Regierungsriege: Nur zu gern will sie vor der Bundestagswahl vermeiden, dass die, vor allem bei den Traditionstruppen der SPD und den Gewerkschaften, umstrittene Debatte um Reformen am Arbeitsmarkt neuen Auftrieb erhält oder die Schlusslichtdebatte wieder aufflackert.Â
Auf die empfindsamen Deutschen will Solbes, wie gewohnt, keine Rücksicht nehmen. Einen Termin für die Veröffentlichung des Berichts hat er noch nicht gefunden. Vielleicht legt er ihn schon im Sommer vor, vielleicht auch erst im Herbst - nach der Bundestagswahl.
<ul> ~ http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,191739,00.html</ul>
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Taktiker
13.04.2002, 23:46
@ RetterderMatrix
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Re: EU untersucht Wachstumsmisere in Deutschland |
Zitat:
"Strukturelle Probleme, wie zum Beispiel der starre Arbeitsmarkt oder ein undurchsichtiges Steuersystem, vor allem von deutschen Wissenschaftlern immer wieder beklagt, fallen weniger ins Gewicht als bisher angenommen."
Sehr richtig! Nur mal nebenbei steigt die Kurve des realen Wirtschaftswachstums ja im letzten Abschnitt für Deutschland wesentlich stärker als für Rest-EU, was ja aufgrund der angeblichen strukturellen Schwächen schlichtweg ausgeschlossen sein müßte. Insofern schon mal ein herber Schlag ins Kontor für die einäugigen Nörgler am deutschen Modell.
Im übrigen war die deutsche Variante der Marktwirtschaft ja z.B. in den 50er Jahren nicht gerade die Unreglementierteste. Insofern ist es verwunderlich, wie es trotzdem zu diesem Wirtschaftswunder und einer derartigen Aufbauleistung kommen konnte, die Deutschland wirtschaftlich an die Spitze Europas zurückbrachte.
Wenn man den Kritikern der historischen Form deutscher Steuer- und Wirtschaftspolitik Glauben Schenken wollte, müßte Deutschland nach den Zerstörungen durch WK2 heute weit hinter Großbritannien und den USA rangieren. Wie also war es möglich, dass trotz dieses sozial ausgerichteten marktwirtschaftlichen Systems eine derartige Aufholjagd passieren konnte, die uns in nicht wenigen volkswirtschaftlichen Indikatoren VOR die Vertreter des angloamerikanischen Modells katapultierte?
Angeblich ist in Deutschland ja alles so verkrustet und festgezogen, und zwar nicht episodisch, sondern angeblich strukturell. Nur merkwürdig, dass deutsche Produkte in vielen Bereichen trotzdem nicht nur gut, sondern auch weltweit verkaufbar sind!
Ich denke deshalb, eine erfolgreiche Volkswirtschaft läßt sich eben genauso mit sozialen Prämissen betreiben, anstelle eindimensional die Ã-konomie regieren zu lassen. Wenn wir das Soziale weiter zurückdrängen -und es ist bereits viel verloren, vor allem im allgemeinen Bewußtsein- weichen wir von einem bislang erfolgreichen Weg ab. Wir sollten uns nicht locken lassen vom amerikanischen System der Suche nach dem schnellen Return ohne Rücksicht auf Verluste. Diese -zum Glück längst diskreditierte- Shareholder-Value-Denke hat uns bereits genügend Schaden zugefügt.
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silvereagle
14.04.2002, 10:58
@ Taktiker
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Taktiker, sprich doch mal Klartext |
Was für ein Ziel verfolgst Du eigentlich? Willst Du"die Welt" verbessern, oder Deine persönliche Lage und Umgebung?
Ich interpretiere Dein Eintreten für einen starken"Staat" und strenge Regulierung folgendermassen: Dass es Dir lieber ist, wenn ein paar Wenige ("Bessere") bestimmen, wo's lang geht, während Du"Selbstorganisation freier Individuen" für eine Illusion hältst. Liege ich damit richtig?
Mal sehen, ob Du mir diesmal antwortest.
Gruß, silvereagle
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Taktiker
14.04.2002, 13:44
@ silvereagle
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Re: Taktiker, sprich doch mal Klartext |
antworte doch einfach in der Sache!
ist hier immer wieder zu beobachten, dass man auf gute Argumente überhaupt keine Antwort bekommt. So geht das nicht. Bitte gehe auf den oben beschriebenen Widerspruch ein, danach sage ich Dir, was ich"eigentlich" will. Obschon es kein EIGENTLICH gibt, denn ich sage immer offen, was ich will.
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silvereagle
14.04.2002, 14:26
@ Taktiker
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Re: Taktiker, sprich doch mal Klartext |
>antworte doch einfach in der Sache!
Sorry, aber Du scheinst meiner"eigentlichen" Frage ausweichen zu wollen. Der zitierte Bericht der EU-Kommission ist doch zu unnwichtig, als dass ich darauf meine wertvolle (sic!) Zeit verschwenden will. Da wird doch wie üblich ignoriert, dass der"Wald" aus einzelnen Bäumen besteht.
Wie soll eine"Diskussion" aus Deiner Sicht ablaufen? Indem Du die Themen vorgibst? Und wenn jemand anders eine Frage stellt, antwortest Dur nur, wenn sie zum"vorgegebenen Thema" passt?
Wir beide wissen doch zu genau, dass wir uns nicht an Studien stossen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind (gilt genauso für alles, was aus der"neoliberalen Ecke" kommt), sondern an unseren grundsätzlichen Einstellungen.
Bei aller Gegensätzlichkeit orte ich jedoch ein gewisses Missverständnispotential; dieses zu ergründen, ist der Sinn MEINER Frage. Wenn Du darauf nicht antworten willst, auch gut. Ich habe kein Recht auf Antwort, nur Hoffnung.
Gruß, silvereagle
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