marsch
17.04.2002, 17:26 |
Einfache Problemlösung: mehr Schulden machen! Interview mit Joseph Stiglitz Thread gesperrt |
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<tr><td><font face="Arial"><font size=5>"Deutschland leidet an Nachfragemangel"</font></font><div align="Justify">
Ã-konomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz über die Rivalität von Keynesianismus und Neoliberalismus und über den europäischen Stabilitätspakt
Joseph Stiglitz ist Ã-konomie-Professor an der Columbia University in New York. Im vergangenen Jahr erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis. Von 1993 bis 1996 beriet er die Regierung Clinton in Wirtschaftsfragen, von 1997 bis 2000 war er Chefökonom und Vizepräsident der Weltbank. Nachdem er den Internationalen Währungsfonds für sein Vorgehen in der Asien- und Russlandkrise hart kritisiert hatte, musste er auf Druck des US-Finanzministeriums die Weltbank verlassen.
Herr Professor Stiglitz, Sie wenden sich gegen das"neoliberale Dogma": Gegen die Politik von rigider Privatisierung, Deregulierung sowie unbedingter Geldwertstabilität und gegen den Markt als Allheilmittel. Nun plädieren inzwischen alle Politiker für eine stärkere Rolle des Staates und gegen den"Marktfundamentalismus". Ist der Neoliberalismus tot? Hat es ihn je gegeben?
Für eine kurze Zeit, in den 80er-Jahren, gab es unter einigen Ã-konomen den starken Glauben, dass freie, unregulierte Märkte effiziente Ergebnisse bringen. Das war die Zeit von Thatcher und Reagan. Diese Ansicht wurde auf der politischen Ebene aber nie voll geteilt. Und heute glaubt auch unter Wirtschaftswissenschaftlern kaum noch jemand an das neoliberale Dogma.
Woher kommt dann die Macht neoliberaler Argumente in der politischen Debatte?
Neoliberalismus war immer eher ein Instrument, um einzelne Interessen zu legitimieren. Die Wahrheit ist doch: Alle sind für freie Märkte, außer in ihrer Branche. Alle sind gegen Subventionen, außer für sich.
Nennen Sie ein Beispiel.
Ronald Reagan sagte, er sei für freie Märkte. Als er abtrat, waren 25 Prozent aller US-Wirtschaftssektoren vor Importen geschützt. Oder Paul O Neill: Als er noch Chef des Aluminiumkonzerns Alcoa war, verlangte er von der US-Regierung die Bildung eines globalen Kartells, um den Aluminiumpreis zu stützen. Heute als US-Finanzminister fordert er den Abbau von Handelshemmnissen - aber nach dem Motto: Freihandel ist gut, Importe sind schlecht. Sie sehen: Der Marktfundamentalismus ist ein Deckmantel, eine ideologische Maske.
Und was steckt hinter der Maske?
Die Interessen der Geldanleger, der Investmentbanken.
Wie kommen Sie darauf?
Nehmen Sie den IWF. Die Wall Street wie die Regierungen plädieren für freie Märkte. Gleichzeitig sind sie aber sehr dafür, dass der IWF Milliarden Dollar ausgibt, um die Währungsmärkte zu stabilisieren und überhöhte Wechselkurse zu stützen. In der Asienkrise ermöglichte diese Politik den Banken, ohne Verluste ihr Kapital zu retten und das Krisenland tief verschuldet zurückzulassen. Die internationalen Finanzinstitutionen geben weit mehr dafür aus, die Finanzmärkte zu stabilisieren als für soziale Programme. Gleichzeitig liberalisieren sie den Kapitalverkehr, damit das Kapital freie Fahrt hat. Die Arbeitsmärkte aber werden nicht geöffnet. Arbeitnehmer können nicht gehen, wenn es ihnen nicht mehr gefällt.
Letztlich war der IWF doch erfolgreich dabei, den asiatischen Staaten zu helfen. Heute haben sie die Krise halbwegs überstanden.
Erstens stimmt das nicht. Thailand und Indonesien stecken noch tief in der Krise. Zweitens haben Länder wie Korea und Malaysia es nicht wegen, sondern trotz der IWF-Empfehlungen geschafft, die Krise zu überwinden. Für die Krisenländer ist die Politik des IWF katastrophal. Nehmen Sie Argentinien, den ehemaligen Musterschüler des IWF. Als es Argentinien schlecht ging, verordnete der Währungsfonds dem Staat ein striktes Sparprogramm, um den Wert des Peso zu sichern. Das hat Argentinien ruiniert. Eine Wirtschaft kann man nicht beleben, indem man dem Staat sagt, dass er weniger ausgeben muss.
In Deutschland gibt es derzeit eine ähnliche Diskussion: Obwohl die Wirtschaft lahmt, begrenzt der EU-Stabilitätspakt die staatliche Neuverschuldung auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Mit dem Stabilitätspakt hat Europa ein großes Problem. Die Geldpolitik haben die EU-Staaten bereits an die Europäische Zentralbank abgegeben, und die ist gebunden an ein Inflationsziel von zwei Prozent. Ihnen bleibt nur die Fiskalpolitik. In einer Rezession muss der Staat expansive Fiskalpolitik betreiben, also mehr ausgeben, manchmal sehr viel mehr. Mit dem Stabilitätspakt ist Europa jetzt unglücklicherweise gefesselt an etwas, das ich als fehlerhaftes ökonomisches Modell bezeichnen würde.
Der Stabilitätspakt war dafür gedacht, den Euro zu stärken, indem exzessive Verschuldung verhindert wird. Was ist daran falsch?
Wenn man in der Rezession restriktive Fiskalpolitik betreibt, dann bekommt die Wirtschaft keinen Schwung, die Steuereinnahmen sinken und der Staat muss als Reaktion darauf abermals seine Ausgaben senken. Eine Abwärtsspirale. Das kann sehr teuer für Europa werden.
Was schlagen Sie vor?
Europa braucht eine Neuinterpretation des Paktes. Das Drei-Prozent-Limit darf nicht so streng gelten. Im Rezessionsfall muss das Defizit höher liegen können, um die Wirtschaft zu stimulieren.
In Deutschland hofft man noch darauf, dass der Aufschwung in den USA die Rettung bringt.
Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass der kommende US-Aufschwung sehr moderat sein wird - und damit nicht stark genug, um Deutschland aus der Grube zu ziehen. Denn die USA haben ein doppeltes Problem: ihren Kapitalstock und die Investitionen. Im Boom hatten die US-Unternehmen zu hohe Bestände aufgebaut - Computer, Telefonanlagen, Software, Hochgeschwindigkeitsleitungen -, die vielleicht niemals benutzt werden. Diese Ausrüstungen sind in den vergangenen Monaten abgeschrieben worden und belasten nun nicht mehr die Ergebnisse. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Es gibt für die Firmen derzeit keinen Grund zu investieren. Die Kapazitäten sind nicht ausgelastet, und auch der Konsum läuft nur schleppend, weil die Arbeitslosigkeit hoch bleibt. Deutschland kann also kaum auf die USA als Retter zählen.
Was kann Deutschland tun?
Langfristig braucht Deutschland ein effizientes Steuersystem, Investitionen in Bildung und Forschung und eine Stärkung des Dienstleistungssektors. Kurzfristig kann der Staat die Kreditnachfrage steigern, beispielsweise durch eine aktive Kreditpolitik mittels Bürgschaften und Garantien. Leider will die EU aber den staatlichen Banken in Deutschland die Privilegien nehmen.
Die Gewerkschaften haben eine andere Idee: Sie fordern höhere Löhne, um die Nachfrage zu stärken. Die Unternehmer entgegnen, höhere Lohnkosten würde die Investitionen sinken lassen. Wer hat Recht?
Schwer zu sagen. Auch ich vermute, dass das Problem der deutschen Wirtschaft ein Nachfragemangel ist. Daher haben die Argumente der Gewerkschaften in der aktuellen Situation in Deutschland einiges für sich. Denn die Frage lautet: Leiden die Unternehmen nicht an hohen Zinsen oder Kreditmangel, sondern fehlen ihnen nur die Investitionsgelegenheiten, dann bringen höhere Löhne zwar geringere Gewinne. Doch die niedrigeren Gewinne führen nicht zu geringeren Investitionen. Gleichzeitig wäre die Nachfrage gestärkt, allerdings nur kurzfristig. Wenn das Problem jedoch ist, dass die Unternehmen zwar Investitionsprojekte sehen, aber zu wenig Geld haben, um die Investitionen zu finanzieren, dann sind Lohnerhöhungen Unsinn. Denn sie ziehen weiteres Geld aus den Unternehmen.
Das Gespräch führten Stephan Kaufmann und Henning Heine.
http://www.berlinonline.de/aktuelle...ung/wirtschaft/.html/135578.html
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mguder
17.04.2002, 17:45
@ marsch
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Nicht Vergessen: Der"Ã-konomie-Nobelpreis" ist überhaupt kein Nobelpreis |
Und das mit Recht, wie dieser Preisträger wieder einmal beweist. Die Mainstream-Wirtschaftswissenschaft ist genauso wissenschaftlich wie die Theologie.
Gruß
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RetterderMatrix
17.04.2002, 18:37
@ mguder
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Das ist schnell gesagt..... |
>Und das mit Recht, wie dieser Preisträger wieder einmal beweist. Die Mainstream-Wirtschaftswissenschaft ist genauso wissenschaftlich wie die Theologie.
>Gruß
Moin mguder,
so schlecht finde ich es gar nicht, was der Stiglitz sagt. Um vermehrtes staatliches Schuldenmachen kann man streiten, aber, bevor Du Stiglitz mit irgendwelchen halbseidenen Theologen in einen Topf wirfst, frage ich dich, was würdest Du an seiner Stelle empfehlen, um die heutige Krise zu überwinden?
Und das heißt nicht, auf den letzten großen Krach zu warten oder in Gold investieren, das überwindet die Krise auch nicht, sondern praktikable Vorschläge unterbreiten.
Gunnar
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Zardoz
17.04.2002, 19:13
@ marsch
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Da hätte dieses Forum aber schon mehr Preise verdient. |
Nach der plakative Feststellung...
>"Deutschland leidet an Nachfragemangel"
... und vielen Meinungsäußerungen dann endlich dies...
>Schwer zu sagen. Auch ich VERMUTE, dass das Problem der deutschen Wirtschaft ein Nachfragemangel ist.
... basierend auf der sicherlich wissenschaftlich fundierten Erkenntnis:
>Denn die Frage lautet: Leiden die Unternehmen nicht an hohen Zinsen oder Kreditmangel, sondern fehlen ihnen nur die Investitionsgelegenheiten, dann bringen höhere Löhne zwar geringere Gewinne. Doch die niedrigeren Gewinne führen nicht zu geringeren Investitionen. Gleichzeitig wäre die Nachfrage gestärkt, allerdings nur kurzfristig. Wenn das Problem jedoch ist, dass die Unternehmen zwar Investitionsprojekte sehen, aber zu wenig Geld haben, um die Investitionen zu finanzieren, dann sind Lohnerhöhungen Unsinn. Denn sie ziehen weiteres Geld aus den Unternehmen.
Also entweder das Wetter ändert sich oder es bleibt wie es ist. Aber egal wie's kommt, gebt mir weiter viele Preise (und zweifellos Millionen) und ich bleib in der Sache am Ball...
Nice day,
Zardoz
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mguder
17.04.2002, 20:36
@ RetterderMatrix
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Vorschlag z.B.:"Stadtrecht bricht Landesrecht" |
>>Und das mit Recht, wie dieser Preisträger wieder einmal beweist. Die Mainstream-Wirtschaftswissenschaft ist genauso wissenschaftlich wie die Theologie.
>>Gruß
>Moin mguder,
>so schlecht finde ich es gar nicht, was der Stiglitz sagt. Um vermehrtes staatliches Schuldenmachen kann man streiten, aber, bevor Du Stiglitz mit irgendwelchen halbseidenen Theologen in einen Topf wirfst, frage ich dich, was würdest Du an seiner Stelle empfehlen, um die heutige Krise zu überwinden?
>Und das heißt nicht, auf den letzten großen Krach zu warten oder in Gold investieren, das überwindet die Krise auch nicht, sondern praktikable Vorschläge unterbreiten.
>Gunnar
Hallo Gunnar,
mein Urteil scheint auf den ersten Blick hart, aber sieh mal:echte wissenschaftliche Aussagen müssen verifizierbar sein. Bei Empfehlungen von Wirtschaftswissenschaftlern ist es aber so: Erst wird gesagt: Die Politiker müssen dies und jenes tun, um den und den Effekt hervorzurufen. Versuchen die Politiker anschliessend, den Ratschlägen zu folgen und die gewünschten Effekte treten nicht ein, behaupten die"Wissenschaftler" einfach, ihre Vorschläge seien"nicht genügend" befolgt worden. Hinzu kommt, daß von 5 verschiedenen"Wissenschaftlern" 6 verschiedene, teilweise entgegengesetzte Ratschläge kommen(die Leute selbst ändern auch alle 5 Jahre radikal ihre Meinung). Am Ende bleibt Wirtschafts-"wissenschaft" nichts als eine Glaubensangelegenheit, wobei wir wieder bei den Theologen gelandet sind.
Es mag Ausnahmen geben, aber das, was ich in der öffentlichen Diskussion erlebe, spiegelt dieses Bild wider.
Zum 2. Punkt: unsere Krise ist eine Systemkrise und daher nur durch Systemveränderung zu lösen. Die Systemänderung ist aber ein dynamischer und gewaltsamer Prozess, der leider nicht völlig steuerbar ist. Wo wir am Ende landen werden, ist also nicht vorhersehbar.
Von daher können praktikable Vorschläge nur unter dem Motto gemacht werden: Was wäre wünschenswert?
Hier sähe ich, wie auch viele andere im Forum, vor Allem einen Rückbau des Staates. z.B. eine Rückkehr zum Prinzip"Stadtrecht bricht Landesrecht". Zentralregierungen sind heutzutage De-facto überflüssig. Gerade deshalb reissen sie sich immer mehr Macht unter den Nagel.Und dies ist eine der Hauptursachen für die Systemkrise.
Gruß
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Zardoz
17.04.2002, 21:01
@ mguder
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Gut gebrüllt Löwe... |
>Hallo Gunnar,
>mein Urteil scheint auf den ersten Blick hart, aber sieh mal:echte wissenschaftliche Aussagen müssen verifizierbar sein. Bei Empfehlungen von Wirtschaftswissenschaftlern ist es aber so: Erst wird gesagt: Die Politiker müssen dies und jenes tun, um den und den Effekt hervorzurufen. Versuchen die Politiker anschliessend, den Ratschlägen zu folgen und die gewünschten Effekte treten nicht ein, behaupten die"Wissenschaftler" einfach, ihre Vorschläge seien"nicht genügend" befolgt worden. Hinzu kommt, daß von 5 verschiedenen"Wissenschaftlern" 6 verschiedene, teilweise entgegengesetzte Ratschläge kommen(die Leute selbst ändern auch alle 5 Jahre radikal ihre Meinung). Am Ende bleibt Wirtschafts-"wissenschaft" nichts als eine Glaubensangelegenheit, wobei wir wieder bei den Theologen gelandet sind.
... und das meine ich wirklich... ;-)
>Es mag Ausnahmen geben, aber das, was ich in der öffentlichen Diskussion erlebe, spiegelt dieses Bild wider.
Ich kenne auch keine Ausnahmen. Und wäre Wirtschaftslehre (so hieß es lange Zeit einfach) eine Wissenschaft, gäbe es auch erste funktionierende Systeme.
>Zum 2. Punkt: unsere Krise ist eine Systemkrise und daher nur durch Systemveränderung zu lösen. Die Systemänderung ist aber ein dynamischer und gewaltsamer Prozess, der leider nicht völlig steuerbar ist. Wo wir am Ende landen werden, ist also nicht vorhersehbar.
Hört sich nach Hannah Arendts' politischer Philosophie an: Freiheit ist vor allem die Freiheit des Handelns. Die Möglichkeit, mit anderen etwas Neues zu beginnen. Das Resultat des Handelns ist unabsehbar; Handeln ist, im Gegensatz zum Herstellen, der Beginn einer neuen Reihe, ohne daß dessen Ende absolut vorhersehbar wäre.
>Von daher können praktikable Vorschläge nur unter dem Motto gemacht werden: Was wäre wünschenswert?
Deshalb ist das Handeln, so Arendt, nur möglich aufgrund der menschlichen Fähigkeit zu versprechen und zu verzeihen. Wenn es nicht möglich wäre, zu versprechen und zu verzeihen, könnte niemand es wagen zu handeln.
>Hier sähe ich, wie auch viele andere im Forum, vor Allem einen Rückbau des Staates. z.B. eine Rückkehr zum Prinzip"Stadtrecht bricht Landesrecht". Zentralregierungen sind heutzutage De-facto überflüssig. Gerade deshalb reissen sie sich immer mehr Macht unter den Nagel.Und dies ist eine der Hauptursachen für die Systemkrise.
Die Idee finde ich äußerst interessant. Eröffnet sie doch unter anderem die Möglichkeit der teilweisen bis völligen Sezession. Faszinierend...
Entschuldige übrigens meinen kleinen philosophischen Exkurs. Aber die Ähnlichkeit der Gedankengänge forderte es heraus... ;-)
Nice evening,
Zardoz
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RetterderMatrix
18.04.2002, 18:15
@ mguder
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Re: Vorschlag z.B.: |
>Hallo Gunnar,
>mein Urteil scheint auf den ersten Blick hart, aber sieh mal: echte wissenschaftliche Aussagen müssen verifizierbar sein. Bei Empfehlungen von Wirtschaftswissenschaftlern ist es aber so: Erst wird gesagt: Die Politiker müssen dies und jenes tun, um den und den Effekt hervorzurufen. Versuchen die Politiker anschliessend, den Ratschlägen zu folgen und die gewünschten Effekte treten nicht ein, behaupten die"Wissenschaftler" einfach, ihre Vorschläge seien"nicht genügend" befolgt worden. Hinzu kommt, daß von 5 verschiedenen"Wissenschaftlern" 6 verschiedene, teilweise entgegengesetzte Ratschläge kommen(die Leute selbst ändern auch alle 5 Jahre radikal ihre Meinung). Am Ende bleibt Wirtschafts-"wissenschaft" nichts als eine Glaubensangelegenheit, wobei wir wieder bei den Theologen gelandet sind.
Daß in den Wirtschaftswissenschaften viel Schmu getrieben wird, darüber
brauchen wir uns nicht zu streiten. Ansonsten hätten wir nicht so einen
Blödsinn wie den Teuro. Aber auch woanders wird viel Schmu getrieben, wenn man
z.B. liest, daß es Wissenschaftler gibt, die Signale schneller als das Licht
senden können und trotzdem behauptet wird, sie Lichtmauer sei undurchdringlich.
Auch Stiglitz behauptet nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.
Aber er zeigt eindeutig, daß das neoliberale System, von wegen Globalisierung
und so, ein Dogma ist und es nicht gilt, wenn es um die eigenen Felle geht. Und
er sagt auch eindeutig, daß die Finanzierung der faktisch bankrotten Staaten
durch den IWF falsch ist und nur dazu dient, die Felle der Privatbanken auf
Kosten der Steuerzahler in den reichen Staaten, auf unsere Kosten also, ins
Trockene zu bringen.Â
Das finde ich für einen Vertreter des Establishments in USA bemerkenswert.
Er sagt also nicht, als Ausweg müssen wir immer neue Kredite in die Welt
setzen, sondern er sagt somit, die schlechten Kredite müssen auf Kosten der
ursprünglichen privaten Kreditgeber wieder ausgebucht werden und nicht
verallgemeinert werden, darauf läuft es ja hinaus. Und damit liegt er voll auf
der Linie von diesem Board.Â
Und das mit dem Nachfragemangel stimmt ja auch, wenn jeder bis über beide
Ohren verschuldet ist, kauft eben keiner mehr ein und die Nachfrage bricht
zusammen. Wie in Japan. Doch wie willst Du aus diesem Teufelskreis herauskommen?
Das ist die Frage und nicht, wie man sich schützen soll. Das ist eher die
Frage, wer schlauer als die anderen ist.Â
Kennst Du den Unterschied zwischen einem normalen Kredit und einem
Massekredit bei einer insolventen Firma? Der normale Kredit wird normal nach
Reihenfolge der Gläubiger bedient oder abgeschrieben. Der Massekredit wird, da
er erst nach dem Insolvenzantrag gegeben wurde, bevorzugt aus der noch
vorhandenen Konkursmasse bedient. Genau so sollte meiner Meinung nach ein
Konkurs eines Staates vonstatten gehen. Die alten, faulen Kredite werden
ausgebucht und neue Kredite werden bevorzugt behandelt, mit vollem Risiko der
Geldgeber.Â
>Es mag Ausnahmen geben, aber das, was ich in der öffentlichen Diskussion erlebe, spiegelt dieses Bild wider.
>Zum 2. Punkt: unsere Krise ist eine Systemkrise und daher nur durch Systemveränderung zu lösen. Die Systemänderung ist aber ein dynamischer und gewaltsamer Prozess, der leider nicht völlig steuerbar ist. Wo wir am Ende landen werden, ist also nicht vorhersehbar.
>Von daher können praktikable Vorschläge nur unter dem Motto gemacht werden: Was wäre wünschenswert?
>Hier sähe ich, wie auch viele andere im Forum, vor Allem einen Rückbau des Staates. z.B. eine Rückkehr zum Prinzip"Stadtrecht bricht Landesrecht". Zentralregierungen sind heutzutage De-facto überflüssig. Gerade deshalb reissen sie sich immer mehr Macht unter den Nagel.Und dies ist eine der Hauptursachen für die Systemkrise.
>Gruß
Waren Zentralregierungen denn früher nicht überflüssig? Damit rennst Du
bei mir offene Türen ein. Ich sehe es so, daß die Bürokratie, von Staat
möchte ich nicht sprechen, es gibt ja noch die überstaatliche EU und die UNO,
zuviel Macht an sich gerissen hat. Dort muß man meiner Meinung nach ansetzen
und die Verantwortung wieder zur Basis bringen, wo man sie auch hört und
nicht irgendwo im"Himmel" in den Raumschiffen Brüssel oder Berlin.
Gunnar
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