rodex
22.05.2002, 15:51 |
Israel: FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung unter Antisemitismusverdacht! Thread gesperrt |
Der FDP stehe ich schon lange nicht mehr nahe, und ich war nie ein Freund von Moellemann. Zudem habe ich nie was mit 'Antisemitismus' am Hut gehabt, bin durchaus der Meinung, dass wir Deutschen fuer den Holocaust noch heute die Verantwortung (wenn auch nicht Schuld, das waren unsere Eltern & Grosseltern) tragen. Aber was da momentan gegen die FDP fuer Geschuetze aufgefahren werden, das kann ich einfach nicht verstehen. Moellemann hat ganz recht, dass durch Friedmann und Co. sowie Aktionen wie unten vorsichtig formuliert erst Vorurteile entstehen.
Rodex
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Leiter der Naumann-Stiftung in Israel vernommen
Antisemitismus-Vorwurf nach Hausdurchsuchung fallen gelassen
Jerusalem/Berlin (AP) Die israelische Polizei hat den Leiter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem unter dem Vorwurf des Antisemitismus vernommen und seine Privatwohnung durchsucht. Die Aktion löste diplomatische Kontakte auf höchster Ebene aus, wie am Mittwoch bekannt wurde. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, die israelischen Ermittler hätten den Verdacht inzwischen wieder fallen gelassen. Der israelische Außenminister Schimon Peres habe seinem deutschen Kollegen Joschka Fischer telefonisch mitgeteilt,"der Fall" werde als erledigt angesehen.
Die israelische Polizei hatte den Leiter der Stiftung, Burckhard Blanke, nach deutschen Angaben am Montag eine Stunde lang vernommen. Ihm sei zur Last gelegt worden,"sich in seiner Haltung gegen die Interessen Israels gerichtet zu haben". Am Dienstag habe Peres Fischer erklärt, es würden keine weiteren Schritte gegen Blanke unternommen, er könne seine Tätigkeit in der Stiftung wieder aufnehmen. Eine israelische Polizeisprecherin bestätigte dies. Die aus Blankes Haus entfernten Gegenstände - zumeist Presseartikel - würden zurückgegeben.
Auf die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der Vernehmung Blankes und der Debatte um israel-kritische Stimmen in der FDP gebe, sagte Fischers Sprecher Andreas Michaelis, er habe keinerlei Hinweise darauf."Insofern verbietet sich jeder Kommentar." Fischer habe kein Interesse, in die innenpolitische Diskussion einzusteigen.
Laut Naumann-Stiftung wurde der Durchsuchungsbefehl mit dem Verdacht begründet, Blanke besitze Kartenmaterial von Armeestützpunkten,"das zur Vorbereitung von Anschlägen dienen könnte". Beweise für diesen Verdacht sei nicht vorgelegt worden. Der inzwischen"über die israelische Presse lancierte Vorwurf antisemitischer Äußerungen" sei weder Gegenstand der Hausdurchsuchung noch der polizeilichen Vernehmung gewesen, erklärte die Stiftung in Potsdam. Die Vorwürfe seien vollkommen unbegründet.
Stiftung zeigt sich empört
Blanke war zu dem Verhör von einem deutschen Diplomaten begleitet worden. Laut Michaelis beruhte die Durchsuchung der Privaträume Blankes auf einem richterlichen Beschluss. In Blankes Haus"könnten sich Materialien befinden, die nicht legal sind", habe es geheißen. Ein Sprecher der deutschen Botschaft in Tel Aviv erklärte, die Polizei habe weder Beweise vorgelegt noch Einzelheiten zu den Vorwürfen genannt.
Die israelische Tageszeitung"Haaretz" berichtete, Fischer habe sich bei Peres über die Durchsuchung von Blankes Haus beschwert. Michaelis erklärte, nach Bekanntwerden des Vorgangs habe Fischer sofort Kontakt zu Peres hergestellt und seinen Kollegen auf die Bemühungen der Stiftung hingewiesen, am Friedensprozess mitzuwirken. Den Ausführungen von Peres sei zu entnehmen gewesen, dass er sich um eine schnelle Aufklärung der Sache bemühe.
Die Naumann-Stiftung bedauerte, dass zur polizeilichen Vernehmung kein Rechtsanwalt zugelassen worden sei und erst nach Intervention ein Vertreter der deutschen Botschaft habe teilnehmen dürfen. Der Vorfall sei auch deshalb bedauerlich, weil der Friedens- sowie der deutsch-israelische Versöhnungsarbeit der Stiftung"immer besondere Bedeutung zugemessen wurde". Die Einrichtung halte an ihren Projekten in Jerusalem fest.
Die Stiftung arbeitet seit 1983 in Israel und seit 1996 mit einem eigenen Palästina-Büro in Ost-Jerusalem. Hauptanliegen sei die Verstärkung des Dialogs zwischen Israelis und Palästinensern, um einen Beitrag zum Frieden zu leisten.
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silvereagle
22.05.2002, 16:07
@ rodex
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Re: gezielte Eskalation |
Man könnte sich - allein zu diesem 'Sahnestück' - seitenweise auslassen, doch ist es letztlich nur schade um die Zeit. Es mag schwierig sein, sich nicht in diesen Strudel von Emotionen hineinziehen zu lassen, dennoch ist es der einzig gangbare Weg: Kritische Distanz einnehmen und sich fragen, was das Ganze eigentlich soll (!). Die Eskalation vorüberziehen und verpuffen lassen.
Und in keine alten/neuen Kollektivismen verfallen. Dabei können alle nur verlieren.
@rodex: Was heisst,"wir haben Verantwortung"? Und wer ist"wir"?
Gruß, silvereagle
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rodex
22.05.2002, 16:32
@ silvereagle
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Re: gezielte Eskalation |
>@rodex: Was heisst,"wir haben Verantwortung"? Und wer ist"wir"?
Auch in die Diskussion sollte man sich nicht hineinziehen lassen. Ist nur Verschwendung von Zeit und Energie. ;-)
Ich meine, dass wir, die Bundesrepublik Deutschland und deren Bevoelkerung, (historische) Verantwortung fuer den Holocaust tragen. Als Konsequenz daraus akzeptiere ich Schadensersatzzahlungen an Ueberlebende des Holocaust und deren direkte Nachfahren. Ausserdem sehe ich in dieser Verantwortung eine Verpflichtung, zu erinnern und zu mahnen. Die Bundesrepublik Deutschland ist der Nachfolger des dritten Reichs, und wir sind (kollektiv) die Nachfahren der damaligen Taeter, daraus erwaechst meiner Meinung nach unsere Verantwortung.
Ganz explizit unterscheide ich aber Verantwortung von Schuld, gebrauche beide Worte nicht synonym. Ein heute 20jaehriger traegt natuerlich keinerlei (persoenliche) Schuld am Geschehen vor ueber 50 Jahren. Trotzdem steht er als Deutscher meiner Meinung nach in der oben genannten Verantwortungs-Tradition. Vergleichbar vielleicht mit einem Kind, dass seine bankrotten Eltern (neben dem Sozialamt mit-)finanzieren muss, auch wenn das Kind selbst nicht das Geld der Eltern verjubelt hat, und selbst immer sehr sparsam war.
Aber eine ausufernde Debatte zu diesem Thema ist muessig, da geniesse ich dieser Tage lieber das schoene Wetter. Mir ist vollkommen klar, dass es hier einen Haufen Leute gibt, die meine Meinung so nicht stehen lassen koennen.
Rodex
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Hirscherl
22.05.2002, 16:53
@ rodex
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Re: Israel: FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung unter Antisemitismusverdacht! |
Hallo rodex,
>Ihm sei zur Last gelegt worden,"sich in seiner Haltung gegen die Interessen Israels gerichtet zu haben".
Jetzt wird nicht mal mehr in den Medien zwischen Antisemitismus und Antizionismus unterschieden. Daß der Staat Israel diese Unterscheidung aus taktischen Gründen seit langem unterlässt ist klar. Aber da muß man nicht mitspielen.
Es ist doch einfach zu verlockend, jede (auch wenn wie in diesem Fall nur angebliche) antizionistische Betätigung als Antisemitismus zu diffamieren. Übrigens nähert sich der 35igste Jahrestag des Zwischenfalls mit der USS Liberty (Link). Die Überlebenden wurden auch als Antisemiten bezeichnet, als sie die Geschichte erzählen wollten.
Wenn du dich für die Taten im 3. Reich verantwortlich fühlst habe ich kein Problem damit. Aber hast du dir überlegt, wie du"Verantwortung" konkret definieren würdest? Denn wenn du für das 3. Reich verantwortlich, aber nicht schuldig bist, befürchte ich daß du praktisch für alles verantwortlich bist, vom Untergang des römischen Reiches angefangen. Damit ergäbe dieser Begriff keinen Sinn mehr.
Die philosophische Standarddefinition für Verantwortung lautet:
Eine Person x ist moralisch nur dann für eine Handlung h bzw. den Zustand p eines Objekts oder einer Person y verantwortlich, wenn x durch h eine kausale Wirkung auf p von y ausüben kann.
Dies scheint jedoch nur die Minimalbedingung zu sein, um moralisch haftbar zu sein. Um einer Person x normativ die Verantwortung für die Handlung h zuzuschreiben, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
a. für x muß eine subjektive und objektive Möglichkeit der Handlungsalternative bestehen
b. x muß psychisch verantwortungsfähig sein
c. h muß unter eine moralische Norm fallen, weil durch h ein Interesse von y negativ berührt wird (etwa indem p für y mit einem moralischen Recht oder Wert verbunden ist)
Um einer Person x eine moralische Schuld zuzuschreiben, muß darüber hinaus vorhersehbar oder gar beabsichtigt sein, daß durch h der Zustand p eintritt.
Grüße,
Tom
<ul> ~ USS Liberty</ul>
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silvereagle
22.05.2002, 17:04
@ rodex
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Stehen lassen |
Natürlich kann ich Deine Meinung so stehen lassen. Bleibt mir ja gar nichts anderes übrig. ;-)
Das mit dem"wir" ist halt so eine Sache, und ich denke, Du weisst schon, was ich meine. Auch wenn Du selbst eben andere Schwerpunkte legst.
Lassen WIR es halt einfach so stehen. Und möge uns auch der Abend zum Genuss gereichen!:-)
Gruß, silvereagle
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nereus
22.05.2002, 17:10
@ rodex
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Re: gezielte Eskalation - Rodex, Brief von Karsli an Möllemann |
Hallo Rodex!
Du schreibst: Mir ist vollkommen klar, dass es hier einen Haufen Leute gibt, die meine Meinung so nicht stehen lassen koennen.
Doch man kann, aber es fällt schwer. ;-)
Karsli schreibt einen Brief und fragt:"Welches ist die richtige Wortwahl?"
Der umstrittene NRW-Landtagsabgeordnete Jamal Karsli hat in einem Brief an den FDP-Landesvorsitzenden Jürgen Möllemann die Rücknahme seines FDP-Mitgliedsantrages begründet. Er schreibt:
"Sehr geehrter Herr Möllemann, mit tiefer Enttäuschung und großem Zorn erfüllt mich, was ich in diesen Tagen in den deutschen Medien an bewussten Entstellungen meiner Kritik an der Regierung Scharon aus dem Munde meiner ehemaligen grünen Parteifreunde und von allen anderen Parteien, leider auch von der FDP, hören musste.
Wie sollen junge Menschen in einem Land zu Gerechtigkeit und Toleranz erzogen werden, wenn in Wahrheit jedem jede Kritik an einer israelischen Regierung bei Strafe des Verlustes seiner öffentlichen Ehre und Würde verboten ist.
Es wird gesagt, Kritik an Ariel Scharon sei erlaubt, aber in der richtigen Wortwahl.
Welches ist die richtige Wortwahl? Damit ist offenkundig wohl gemeint, sich so schüchtern und zaghaft zu äußern, dass darüber kein deutsches Medium berichtet. Sich so Kritik vermeidend zu äußern, dass man letztlich stimmlos und ohne Gehör bleibt.
Ich habe mich für Formulierungen öffentlich entschuldigt, die nicht in Ordnung waren und die es entgegen meiner Intention leider leicht machten, mich als Antisemiten hinzustellen. Allerdings ist mir längst klar geworden, dass es gar nicht mehr um mich geht, oder darum was ich gesagt habe.
Ich bin wohl nur der willkommenen Anlass, ein Exempel zu statuieren.
Die politisch korrekte Klasse demonstriert wiederholt ihre Macht darüber, was man in Deutschland wie öffentlich zu formulieren und wozu man zu schweigen hat.
Ich habe noch mehr gelernt. Es geht nicht nur darum, was man sagen darf, sondern wer es sagen darf. Wer Mitglied der politisch korrekten Klasse ist, nimmt für sich in Anspruch, mit den Begriffen und Wendungen des Nationalsozialismus jederzeit und bei jedem Anlass um sich werfen zu dürfen.
Wenn die Richtigen den Falschen Faschismus, Nazimethoden,"Stürmer"-Manieren, Goebbels-Parolen, Antisemitismus zuschreien, ist das politisch korrekt. Nur wenn die Falschen den Mund öffnen, wird alles auf die politische korrekte Goldwaage gelegt.
Bei den Grünen war ich wohl im Urteil der politisch korrekten Klasse bei den Richtigen, auch wenn ich in ihren Augen das Falsche sagte. Solange ich Mitglied der Grünen war, hat mir dort niemand gesagt, meine Meinung zu dem, was die Regierung Scharon den Palästinensern antut, sei ungerechtfertigt. Auch die Art, wie ich mich ausdrückte, ist nicht oder nur sehr milde kritisiert worden.
Die Reich- und Tragweite des Tabus Juden und Israel in Deutschland habe ich erst jetzt im wahren Umfang kennen lernen müssen. Während all der Jahre, in denen ich mit Menschen in meiner Nachbarschaft und in Deutschland persönlich gesprochen habe, ist mir nie wie jetzt begegnet, dass jeder zum Antisemiten gestempelt wird, der nicht alles gut findet, was israelische Regierungen in Palästina tun.
Ich nehme mit Erstaunen und Befremden zur Kenntnis, wie man aus mir, der ich 18 Jahre lang aktive Politik gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus gemacht und mich immer für Integration, Gleichberechtigung und Menschenrechte eingesetzt habe, quasi einen antisemitisch und antijüdisch und antiisraelisch denkenden und handelenden Menschen macht. Begriffe wie Zionismus und Antisemetismus sowie die Kritik an der Regierung Scharon werden in der deutschen Medienlandschaft meiner Meinung nach nicht genügend differenziert und daher oft verwechselt, weil in Deutschland das Thema nach wie vor tabuisiert wird.
Ich frage (Außenminister) Joschka Fischer öffentlich: Warum ist das Töten von Muslimen auf dem Balkan ein Verstoß gegen die Menschenrechte, in Palästina aber eine gerechtfertigte Vergeltungsmaßnahme und eine präventive Maßnahme der Selbstverteidigung? Natürlich stehe ich völlig auf der Seite der Palästinenser. Damit bin aber auch wohl einer der wenigen, die öffentlich nicht einseitig auf Seiten Israel stehen. Das aber verlangt die politisch korrekte Klasse. Was das Volk denkt, kümmert sie nicht.
Was den Nahost-Konflikt betrifft, so wiederhole ich meinen Standpunkt, der sich überhaupt nicht vom Parteitagsbeschluss der FDP in Mannheim unterscheidet. Ich bin für die Durchsetzung der UN- Resolution, die neben dem Existenzrecht Israels in sicheren Grenzen auch einen lebensfähigen palästinensischen Staat vorsieht. Ich verurteile die Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen in der Region.
Ich wollte in der FDP mitarbeiten, weil ich ihrer Meinung in vielen Fragen mehr zustimme, als der der Grünen. Ihre Kolleginnen und Kollegen, die mich aus meiner Arbeit aus den Ausschüssen kennen, wissen dies.
Ihr (Möllemanns) persönlicher Einsatz für den eigenen Staat der Palästinenser neben dem eigenen Staat Israel war nur ein letzter Anstoß, mich für eine Mitarbeit in ihrer Fraktion und ihrer Partei zu bewerben. Was seitdem geschieht, benutzen aber alle möglichen Kräfte gegen die FDP und vor allem gegen Sie, weil Sie diesen Kräften viel zu erfolgreich sind.
Dafür möchte ich nicht weiter als willkommener Anlass ihrer politischen Gegner herhalten. Denen komme ich sehr zu pass in großer Selbstgerechtigkeit und voller Scheinheiligkeit über Sie und ihre Mitstreiter herzufallen. Wenn es um wirkliche Friedenslösungen im Nahen Osten geht, rühren diese Leute keinen Finger, sondern machen nur Show. Wo bleibt die empörte öffentliche Kritik an den Beschlüssen der Likud-Partei, einen palästinensischen Staat abzulehnen sowie die illegale Siedlungspolitik auf palästinensischem Boden weiter zu forcieren?
Hiermit ziehe ich meinen Antrag zur Aufnahme in die FDP zurück. Ich weiß, dass Sie auch weiterhin für eine wirklich gerechte Lösung im Nahen Osten, für einen gleichberechtigten Staat Palästina in Nachbarschaft mit dem Staat Israel in sicheren und anerkannten Grenzen und damit für die Verständigung zwischen Christen, Juden und Muslimen eintreten werden. Deshalb werde ich auch weiterhin alle meine arabischen und muslimischen Freunde bitten, Sie, lieber Herr Möllemann, und Ihre Politik zu unterstützen. Meine Mitarbeit in ihrer Fraktion werde ich, wie mit Ihnen besprochen, als parteiloser Abgeordneter engagiert fortsetzen."
Dem ist fast nichts hinzuzufügen.
Wenn Du zufällig gestern meine Antwort an silvereagle gelesen hast, bezüglich des Leitartikels in der Jüdischen Allgemeinen, dann müßte nicht nur der Groschen sondern das große dicke Sparschwein aus dem Regal fallen.
mfG
nereus
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