Guten Morgen, meine Damen und Herren,
es zeichnet sich eine äußerst spannende Woche ab. Denn der Freitag hat im Verlauf eigentlich nicht befriedigt, obwohl er zum Schluß deutlich zulegte. Logischer wäre ein Shake-out mit ein oder zwei echten schwarzen Tagen. Das wäre die ideale Gelegenheit für Sie, aber auch für die Märkte, die unverändert mögliche Sommer-Rally als verspätete Frühjahrs-Rally einzuläuten.
Warum? Ed Hyman, einer der besten Ã-konomen in New York, dessen Analysen ich seit mehr als 25 Jahren kenne, skizziert es im heutigen „Wall Street Journal“. Ed ist ein fantastischer Statistiker und Ã-konom, aber kein Börsianer. Er formuliert dennoch richtig: „Entweder weiß der Markt mehr als die Zahlen wiedergeben oder aber die Zahlen/Fakten sind falsch“. Den Beweis legt er in einer Tabelle vor, die ich wahrscheinlich in der nächsten AB abbilde. Kernaussage: Seit über 60 Jahren gewinnt der Markt in den ersten fünf Monaten einer Konjunkturbelebung rd. 13,9 %. Diesmal sind es minus 5 %. Das hat es in dieser Form noch nie gegeben. Ich hatte in den letzten zwei Wochen andere Ängste formuliert, auf die ich nicht noch einmal eingehen möchte. Lesen Sie sie dennoch nach. Trifft diese Annahme aber nicht zu, so wäre eine markante Schwäche, also ein Shake-out, die einzige Möglichkeit, aus dieser markttechnischen Schieflage herauszukommen. Ergo:
Wenn es kracht, stehen Sie auf der Käuferseite. Denken Sie an den letzten September. Ohne Wenn und Aber: Kollabiert ein Markt, so hat das nichts mit fundamentalen Daten zu tun, sondern mit reiner Markttechnik. Dann wird aus dem Worst Case für Sie ein Best Case, wenn Sie es richtig machen. Die Rolle der Hedge Funds in diesem Spiel darf ich noch einmal erwähnen. Mich erinnert dieses Spiel an die Rolle der Hedge Funds am Bondmarkt 1997 bzw. 1998 (LTCM läßt grüßen). Jedenfalls gibt es fatale Ähnlichkeiten. Folge dieser Überlegungen:
Liquidität ist jetzt alles, aber woher nehmen? Ein Verkauf guter Aktienpositionen macht keinen Sinn. Die Hightechs nach 80 % Kursverlust an die Wand zu werfen, bringt ebenfalls nichts. Andererseits: Was wirkliche Verbilligungen bringen und wie man dies rechnet, erläutere ich in der nächsten AB. So manch einer wird erstaunt sein, der jetzt frustiert auf seine TELEKOM-Aktien schaut. Eine Überlegung:
Viele Fondszertifikate haben sich noch relativ gut gehalten. Vor allem breit gestreute Publikumfonds. Sie bewiesen relative Stärke in der allgemeinen Marktschwäche. Bei einer raschen Rally werden sie aber unterdurchschnittlich zulegen. Einfach deshalb, weil sie breit gestreut und deshalb in einer solchen Lage gehemmt sind. Ich würde den Weg wagen, den Ihre Bank natürlich ablehnt: Verkauf der Fonds und warten auf die eingangs erwähnten Gelegenheiten. Sie verdienen in diesen Titeln, die Sie in einem Crash kaufen, das Dreifache dessen, was ein gutes Investmentzertifikat zulegen kann. Später können Sie dieses Zertifikat immer wieder erwerben. Es läuft Ihnen in der Zwischenzeit kaum davon. Ferner:
Normale Bonds sind ebenfalls eine Liquiditätsreserve. Auch hier gilt: Ob man sie später wieder zurückkauft, lasse ich offen. Hier gilt das gleiche wie für die Investmentzertifikate.
Heikle Frage: Kredit aufnehmen? Nur unter folgender Bedingung: Nicht mehr als 30 % des Portfolios, wenn dieses wirklich solide ist und darin keine INTEL oder CISCO stecken. Dieser Kredit gilt auch nur für den Fall des Einstieges in einem Crash und wird baldmöglichst wieder aufgelöst. Denken Sie an den September: Wer im Crash kaufte, verdiente gute 40 % in den anschließenden drei Monaten. Teilweise über 100 %, was ich aber nicht als Meßlatte verwende. Also:
In dieser Woche schauen Sie auf die Märkte und nicht auf die einzelnen Informationen. Diese besagen zur Zeit gar nichts. Ich werde aber nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen: Crash ist das eine, aber Überbewertung einzelner Titel ist das andere. Es war Zufall, daß ich Ihnen die INTEL-Zahlen in der letzten AB genannt hatte. 12 Stunden später war es soweit. Wer ist der Nächste? Wohl CISCO. Andererseits: Bei einer solchen Abstufung werden auch Titel erwischt, die es eigentlich gar nicht mehr angeht. So NORTEL oder LUCENT etc. Hier wird unkritisch nach unten übertrieben, was jedoch keinen Bestand hat. Auch alle diese Titel werden in einer Rally natürlich satt zulegen. Dann kommt es auf den Exit an. Eine Art Schlußpunkt in dieser Reihe dürfte morgen NOKIA mit den 4-Monatszahlen werden. Mein fairer Preis ist inzwischen erreicht: 14 - 16 E. hatte ich genannt. Im schlechtesten Falle sind nun auch 10 E. möglich, aber dann ist diese Aktie für mich ein erster Kauf. Bitte aufpassen.
Nicht vergessen: Der NASDAQ 100 TRACKING pirschte sich an das Tief heran, hat es aber noch nicht erreicht. 28,30 $ sind noch etwa 3,50 $ über dem absoluten Tief vom September. Doch dies galt nur intraday, so daß ich fairerweise bei etwa 27/27,50 $ diesen zweiten Boden sehe. Entsprechendes gilt für die deutschen Varianten. Was im übrigen auch für die NEMAX-Zertifikate gilt, die in einigen Zeitungen am letzten Wochenende schon als „Non-valeurs“ bezeichnet wurden. Das ist natürlich Unsinn.
Die Linie für diese Woche sieht also so aus: 1. Liquidität zusammenkratzen, wo auch immer sie herkommt. 2. Sprechen Sie evtl. Kreditmöglichkeiten mit Ihrer Bank ab. 3. Schauen Sie zu und entweder heute nachmittag oder morgen entscheiden wir weiter. Dafür gilt: 4. Keine vorauseilende Tätigkeit. „Look at the market“, gilt unverändert. 5. Ich lege mich nicht auf einen Tag fest, sondern auf das, was die Märkte sagen. Erst dann wird gehandelt.
Ich wünsche Ihnen eine „kreative“ Woche und verbleibe bis morgen
herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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