Halbjahres-Mediengespräch, Genf, 14. Juni 2002
Einleitende Bemerkungen von Niklaus Blattner, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank
Goldverkäufe
Seit Mai 2000 verkauft die Nationalbank Gold, das für monetäre Ziele nicht mehr notwendig ist. Diese 1'300 Tonnen fallen in den Rahmen des Goldabkommens von 15 europäischen Zentralbanken vom 26. September 1999. Die Vereinbarung limitiert die Menge des Goldes, das von den Unterschriftspartnern bis September 2004 verkauft werden darf, auf 2000 Tonnen.
Bis heute haben wir beinahe 520 Tonnen verkauft. Das sind 40% der vorgesehenen Menge. Wie unsere periodisch veröffentlichten Notenbankausweise zeigen, führen wir die Verkäufe in einem regelmässigen Rhythmus von ungefähr einer Tonne pro Tag durch. Diese Verkaufsmethode ist flexibler, weniger kostspielig und besser den Eigenheiten des Marktes angepasst als die Durchführung von eigenen Auktionen, wie sie die Bank of England gewählt hat.
Der Durchschnittspreis unserer Verkäufe ist mittlerweile bei 279.4 USD je Unze angelangt (Stand 31. Mai 2002). Damit übersteigt er den Durchschnittskurs der Londoner Fixings, d.h. den Referenzkurs des Goldmarkts, um 2 USD. Diese Performance geht zum Teil darauf zurück, dass die Nationalbank seit September 2001 über einen etwas höheren Anteil an den jährlichen Verkäufen von total 400 Tonnen für alle Zentralbanken verfügt. Aufgrund der Hausse des Goldpreises wirkte sich das leichte Anheben unserer Verkaufsquote günstig aus. Ausgedrückt in Schweizer Franken hat sich der durchschnittliche Verkaufspreis bei über 15'140 Franken pro Kilo etabliert.
Seit dem Beginn der Verkäufe schwankte der Preis für eine Unze Gold zwischen 256 und 330 USD (siehe Grafik). In jüngster Zeit ist der Unzenpreis wieder über die Grenze von 320 USD hinaus geklettert. Solche Kursanstiege wurden in der jüngeren Vergangenheit nur während kurzer Perioden, zum Beispiel als Reaktion auf den Abschluss des Goldabkommens der Zentralbanken im September 1999, registriert. Die aktuelle Hausse erstaunt durch ihre vorläufige Persistenz. Mehrere Faktoren haben zur jüngsten Tendenz beigetragen:
Eine wichtige Ursache der Hausse ist die veränderte Absicherungspolitik der Goldminen. Um einen Teil des Preisrisikos der zukünftigen Produktion zu vermindern, können die Produzenten Goldverkäufe auf Termin oder ähnliche Absicherungsgeschäfte tätigen. Geschäftsbanken, welche als Gegenparteien dieser Transaktionen auftreten, sichern sich ihrerseits dadurch ab, dass sie sich Gold borgen, um es sofort wieder zu verkaufen. Dadurch erhöht sich die unmittelbar auf dem Markt angebotene Menge an Gold. Das durch die Geschäftsbanken geliehene Gold fliesst am Ende der Termintransaktion wieder an den Leiher zurück. Wenden sich die Minengesellschaften von derartigen Hedge-Operationen ab, bewirkt dies eine entsprechende Verminderung des Goldangebots. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre haben die Produzenten ihre Absicherungspositionen massiv erhöht, damit eine Ausweitung des Angebots verursacht und somit den Goldkurs unter Druck gesetzt. Seit dem Jahr 2000, vor allem aber in letzter Zeit, wandelte sich das Bild. Die Minen änderten ihre Strategie und reduzierten ihre Geschäfte zur Preisabsicherung. Dies erklärt sich teilweise durch positive Erwartungen hinsichtlich des Goldkurses. Seit der Goldvereinbarung der Zentralbanken fürchten die Minen keine zusätzlichen massiven Goldverkäufe mehr. Ausserdem beurteilen sie neuerdings offenbar auch die Aussichten für die private Investitionsnachfrage günstiger. Von Interesse ist die Feststellung, dass die Goldproduzenten mit Änderungen ihrer Hedge-Strategien die Marktbewegungen tendenziell beschleunigen. Erwarten sie Preissenkungen, treten diese als Folge der Absicherung rascher ein. Erwarten sie Preissteigerungen, beschleunigen sich diese als Konsequenz des Abbaus der Absicherung. Derartige Strategiewechsel, die immer das Resultat sich ändernder Markteinschätzungen sind, werden auch weiterhin zu erwarten sein.
Die Wiederbelebung der privaten Investitionsnachfrage in den Industrieländern hat ebenfalls zur positiven Kursentwicklung beigetragen. Das Phänomen ist in Japan besonders markant, aber auch Europa und die Vereinigten Staaten erlebten einen «Boom» in der Goldnachfrage. Die Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung, die Zweifel, was die finanzielle Verfassung einzelner Unternehmen betrifft, die Zunahme der politischen Spannungen in verschiedenen Gebieten der Welt sowie die Attentate vom September 2001 und die damit einhergehende verhaltene Entwicklung an den Aktienmärkten veranlassten Investoren, ihren Bestand des gelben Metalls zu erhöhen. Das Gold scheint im Moment wieder einmal eine Rolle als «Safe haven» zu spielen.
Dagegen hat sich die Fabrikationsnachfrage, sowohl was die Schmuckindustrie als auch die gewerbliche Produktion betrifft, im Laufe der letzten Monate verringert. In den Industrienationen ist dieser Rückgang vor allem durch die Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums verursacht worden. In den Entwicklungsländern spielte aber auch der Preisanstieg des Goldes eine Rolle. In einem Land wie Indien, aus welchem ein Viertel der Nachfrage stammt, liegt das Motiv für den Erwerb von Gold vor allem in der Sicherung der Ersparnisse. Die Käufer setzen einen mehr oder weniger fixen Bestandteil ihres verfügbaren Einkommens für den Erwerb von Gold ein. Steigen also die Goldpreise, vermindert sich die Menge, die sie sich leisten können.
Zwei Feststellungen sind am Platz:
Die Veränderung der Nachfrage privater Anleger, die Produktionskosten der Minen sowie die grundsätzliche Haltung der Zentralbanken zu ihren Goldreserven sind die bestimmenden Elemente für die Einschätzung der langfristigen Kursentwicklung.
Kurz- und mittelfristig können durch Änderungen der Absicherungspolitik der Produzenten, durch Änderungen der Bestände der Zentralbanken und durch die Spekulationsnachfrage spürbare Goldpreisbewegungen ausgelöst werden. Die Preisausschläge können in beiden Richtungen gehen. Sie können relativ gross ausfallen, da der Goldmarkt erfahrungsgemäss eher wenig liquid ist. In dieser Perspektive wirkt das Zentralbankenabkommen vom September 1999 stabilisierend, indem es das Verhalten der Zentralbanken transparent gemacht und eine wichtige Quelle der Unsicherheit beseitigt hat.
Unsere Verkäufe werden fortgesetzt, bis das Verkaufsprogramm von 1'300 Tonnen beendet sein wird. Ich riskiere keine Voraussage über den Goldpreis, aber eines ist sicher: Der Goldpreis wird volatil bleiben.
Unsere Möglichkeiten in der aktiven Verwaltung der Goldrisiken sind durch den Vertrag vom September 1999 beschränkt. Insbesondere dürfen wir Absicherungsgeschäfte nur in der Höhe der uns für das laufende Jahr zugeteilten Verkaufsquote tätigen. Umso mehr sind wir der Überzeugung, dass unsere Strategie der regelmässigen Verkäufe angemessen ist. Unsere seit zwei Jahren geltenden Grundsätze, d.h. die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen aus dem Zentralbankenabkommen, die Transparenz in der Kommunikation und das der jeweiligen Lage angepasste Handeln im Tagesgeschäft bleiben aktuell.
Verwaltung der Freien Aktiven
Das Portfolio der Freien Aktiven - entsprechend der noch zu verkaufenden Menge der 1'300 Tonnen Gold sowie dem Erlös der bisherigen Verkäufe - hatte Ende Mai einen Marktwert von 21 Milliarden Franken. Es wird getrennt von unseren anderen Reserven geführt, was die Übergabe an die zukünftigen Nutzniesser vereinfacht, wenn der gesetzliche Rahmen einmal in Kraft gesetzt ist.
Wie bereits erwähnt, sind unsere Möglichkeiten einer aktiven Verwaltung des Risikos bei einer ungünstigen Entwicklung des Goldpreises durch das Abkommen von 1999 limitiert. Die Risiken einer Dollarschwäche, welche den Wert der zukünftigen Verkäufe drücken könnte, schränken wir aber ein, indem wir 35% der zukünftigen Dollarerträge gegen Schweizer Franken absichern.
Die Erlöse aus den Goldverkäufe investieren wir in ein Obligationen-Portfolio, das anders zusammengesetzt ist als das Portfolio unserer Devisenreserven. Ungefähr 65% des Portfolios sind in Schweizerfranken-Obligationen angelegt oder gegen Wechselkursrisiken abgesichert. Der Rest ist in Euro (25%), US-Dollar (3%) und anderen Währungen (7%) investiert. Die mittlere Duration des Portfolios beträgt ungefähr 3 Jahre. Das Anlageprofil respektiert den gesetzlichen Rahmen der SNB und die Tatsache, dass die zukünftigen Nutzniesser Erträge in Schweizer Franken wünschen. Der Marktwert des Portfolios der Golderlöse beträgt etwa 8 Milliarden Franken. Seit seiner Entstehung im Mai 2000 betrug der Ertrag durchschnittlich 4.3% pro Jahr. Die Gesetzesbestimmung, welche der SNB den Kauf von Aktien bis heute untersagt, kam den Interessen der zukünftigen Nutzniesser der Freien Aktiven zugute, da die Börsenkurse seit dem Mai 2000 rückläufig sind.
Im September kann sich das Schweizer Volk zur Verwendung der Freien Aktiven äussern. Mehrere Varianten sind vorstellbar: Die Annahme der sog. Goldinitiative, die Annahme des Gegenvorschlags des Bundesrats oder die Ablehnung beider Vorschläge. Diese drei Möglichkeiten haben unterschiedliche Implikationen was das Datum des Transfers der Freien Aktiven und den Notenbankausweis der SNB betrifft.
Unabhängig vom Ausgang der Abstimmungen sind wir der Auffassung, dass das Vermögen, welches den Freien Aktiven entspricht, nicht mehr für die Führung der Geldpolitik notwendig ist. Darum muss für dieses Vermögen eine andere Verwendung gesucht werden. Sobald einer der zur Wahl stehenden Vorschläge angenommen und der operationelle Rahmen für den Transfer geschaffen wurde, kann die Nationalbank die Gelder an die zukünftigen Nutzniesser übergeben. Ein allfälliges doppeltes Nein wird von der SNB nicht als Mandat interpretiert, die Freien Aktiven wieder in die monetären Reserven zu integrieren. Vielmehr werden wir in diesem Fall die Freien Aktiven weiterhin separat führen, bis über eine neue Verwendung entschieden sein wird. Die Erträge, welche das Portfolio abwirft, werden in die ordentliche Erfolgsrechnung der SNB einfliessen und erst nach einer allfälligen Revision der Gewinnausschüttungsvereinbarung der SNB mit dem Bund ausschüttungswirksam werden und gegebenenfalls eine Erhöhung der jährlichen Ausschüttung der SNB von momentan 2,5 Milliarden Franken bewirken.
quelle:
http://www.snb.ch/d/publikationen/p...ile=referate/ref_020614_nbl.html
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