Artikel 2: Zeit-Fragen Nr. 30 vom 22. 7. 2002
von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich, Zürich
Ferdinand Lips hat in New York ein Buch mit dem Titel «Gold Wars» herausgegeben. In der Schweiz ist der Autor gut bekannt. Er war Mitbegründer und Direktor der Bank Rothschild und eine Autorität in Sachen Gold und Goldhandel. 1987 gründete er seine eigene Privatbank. Vor kurzem ist er in den Ruhestand getreten. Eine deutsche Übersetzung seines Buches ist in Vorbereitung. «Gold wars» ist zum grossen Teil ein Geschichtsbuch, das Ereignisse beleuchtet, die in den meisten Geschichtsbüchern fehlen. Es enthält eine Fülle von Informationen über das Gold und den Goldhandel, die auch in keinem Lehrbuch der Nationalökonomie zu finden sind.
Ferdinand Lips Botschaft ist klar. Heute herrschen im Finanzsystem «verrückte Zustände». Eine Krise folgt der anderen in immer kürzer werdenden Abständen: JapanKrise am Anfang der neunziger Jahre, Asien-Krise, Russland-Krise, Türkei-Krise, Argentinien-Krise und heute Krisen im Bereich der Telekom- und Technologieindustrie. Lips wiederholt immer wieder in eindrücklichen Bildern, dass die Finanzwelt aus den Fugen geraten ist. Mit seinem Buch zeigt er einen Weg auf und gibt auch Empfehlungen ab, wie die «verrückten» Zustände in der Finanzwelt nachhaltig verbessert werden könnten: Sich besinnen auf die menschliche Natur und auf das, was sich in der Kulturgeschichte der Menschheit als zuverlässigstes und sicherstes Geldsystem herausgebildet hat - nämlich das Gold als Geld. Ferdinand Lips Ausführungen sind nicht nur eine Kritik an den aktuellen Zuständen, sondern auch eine Reise durch die Geschichte des Geldes, auf der wir ihn im folgenden begleiten wollen. Sie beginnt in der Antike. Etappen auf dieser Reise werden das Mittelalter sein und der klassische Goldstandard im 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wird es um die schrittweise Lösung vom Gold gehen. Die Schlussetappe wird die Abschaffung der Golddeckung in der schweizerischen Bundesverfassung am 31.12.1999 sein.
Bedeutung des Goldes in der Kulturgeschichte der Menschheit
Schon die ersten Hochkulturen, z.B. der Ägypter und Babylonier vor 6000 Jahren, kannten das Gold und unterhielten Goldminen. Im Bereich der Religion und als Symbole politischer Macht hatte es bereits damals grosse Bedeutung. Jedermann kennt heute die goldene Totenmaske von Tutenchamun, die zahlreichen kunstvoll gefertigten Grabbeigaben aus Gold aus jener Zeit, die heute weltweit in den Museen zu bewundern sind.
Die ersten Silber- und Goldmünzen
Zum erstenmal ungefähr 500-600 v.Chr. prägten die Griechen in grossem Umfange Münzen aus Silber oder Gold, die im ganzen Mittelmeerraum zu finden waren, wobei sich allmählich das Gold als Basis gegenüber dem Silber durchsetzte, weil es für die Bezahlung hoher Beträge geeigneter war. Die erste weitverbreitete Handelsmünze der Welt war der Tetradrachmon. Die sogenannten «Eulen» aus Silber wurden von 510 v.Chr. bis 38 v.Chr. geprägt. Mit Alexander dem Grossen verbreiteten sich Goldmünzen über grosse Teile der damaligen Welt. Die Goldmünzen bewährten sich als sicheres und verlässliches Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel, das wirtschaftliche Entwicklung, Wohlstand und kulturelle Blüte über lange Zeiträume ermöglichte.
Eine weitere Etappe der Reise durch die Geldgeschichte ist der Aureus aus Gold, den Cäsar prägen liess und der für lange Zeit die monetäre Basis für eine gesunde wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung im Römischen Reich war. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass das Gold immer auch Basis war, um Kriege zu führen. Spätere Kaiser ruinierten die gesunde Währung, indem sie das Geld entwerteten und die Legierung der Münzen verschlechterten. Dies war mit ein Grund für den wirtschaftlichen Niedergang und den politischen Zerfall des Römischen Reiches um 500 n.Chr.
Das Oströmische Reich mit Konstantinopel als Hauptstadt sollte noch 1000 Jahre weiterleben. Finanzielle Grundlage war mit dem Solidus wieder eine gesunde, wertbeständige Goldwährung.
Auch im Weltreich der Araber, das sich im 6. Jahrhundert auszubreiten begann und schliesslich von Babylon bis nach Barcelona reichte, war der goldene Dinar Basis für eine beeindruckende lang andauernde Blütezeit.
Bedeutung des Goldes in Europa
In Europa war ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung erst in der Renaissance wieder zu beobachten. Auch hier waren wertstabile Goldwährungen, wie z.B. der Florin in Florenz und der Dukaten in Venedig, die Basis.
Ein eher atypisches Beispiel in der Geschichte ist das Gold, das die Spanier im 16. und 17. Jahrhundert mit Gier und beispielloser Brutalität in Mexiko und in Südamerika zusammengeraubt hatten. Irgendwie lastete auf diesem Gold ein Fluch. Das Wirtschaftsleben in Spanien wurde kaum angeregt - im Gegenteil: Das Gold wurde ausgegeben, ohne dass daraus etwas Produktives entstand. Die Unternehmer, die damals die industrielle Revolution einleiteten, waren in England, in Frankreich, Holland und in andern nördlichen Staaten zu beobachten, aber kaum in Spanien.
Im Jahr 1660 wurde in England eine Goldwährung eingerichtet. Sie war für 250 Jahre - nur unterbrochen von der napoleonischen Ära - Basis für die industrielle Revolution, für einen lang andauernden wirtschaftlichen Aufschwung und die Errichtung des British Empire, das bis in das 20. Jahrhundert dauern sollte. Der Sovereign war wohl die bedeutendste und am weitesten verbreitete Goldmünze überhaupt in der Geschichte des Geldes. Der Preise veränderten sich in dieser langen Zeit kaum. In diese Zeit fiel auch die Entstehung der Banknoten.
Anfänglich gaben Goldschmiede Noten heraus, eine Art Quittung für die Entgegennahme von Gold. Sie konnten als Zahlungsmittel verwendet und jederzeit wieder in Gold eingetauscht werden. Später folgten Banken in vielen Ländern, die nach dem gleichen Prinzip «Banknoten» herausgaben. Zentrale staatliche Notenbanken, die die Herausgabe von Banknoten vereinheitlichten, gab es erst viel später.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts übernahmen alle Industrieländer den Goldstandard - und das Gold wurde so zur Basis einer relativ freiheitlichen, globalen Wirtschafts- und Währungsordnung, die trotz nationaler Grenzen kaum Zölle kannte. Zum erstenmal seit dem Fall des Römischen Reiches erhielt die Welt auf der Basis des Goldes ein einheitliches Finanzsystem. Die Preise blieben mehr oder weniger stabil. Auch in den USA veränderte sich die Kaufkraft des Dollars kaum.
Ferdinand Lips beschreibt in seinem Buch eindrücklich die Vorteile des klassischen Goldstandards. Er betont immer wieder, dass dieser kein Produkt internationaler Abkommen sei oder von Regierungen verordnet wurde, sondern entstanden sei aus dem Bedürfnis der Völker nach einem sicheren und verlässlichen Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel und aus den praktischen Erfahrungen seit 3000 Jahren. So wurden Noten, die gegen Gold eingetauscht werden konnten, nicht von der englischen Regierung herausgegeben, sondern von Goldschmieden und später von privaten Banken. Von Regierungen sanktioniert und von zentralen Notenbanken vereinheitlicht wurde der Goldstandard erst viel später.
Klassischer Goldstandard
Das Gold dient als eigentliches Geld. Goldmünzen sind Zahlungsmittel. Banknoten können jederzeit in Gold umgetauscht werden. Jede Währung (Mark, Pfund, Franken, US-Dollar usw.) ist definiert in einer bestimmten Anzahl Gramm Gold.
Der Goldstandard war allgemein anerkannt, weil er in sich vernünftig war. Er konnte von seiten der Regierung nicht manipuliert werden. Jeder Versuch, die Kaufkraft von der Geldseite zu beeinflussen, wäre willkürlich gewesen. Er bedeutete Sicherheit und Vertrauen. Gold war als Geld wertvoll in sich selber und unabhängig von jeder Politik. Die Produktion der Goldminen war ausreichend, um die zirkulierende Geldmenge und die Wirtschaft in einem vernünftigen Masse wachsen zu lassen. Gold wurde zum Inbegriff für Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums - nicht zuletzt vor Übergriffen von seiten des Staates.
Der Sündenfall von 1914
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Goldstandard praktisch in allen Ländern mit Notrecht sistiert. Dies war auch das Ende einer freiheitlichen Welthandelsordnung, die bis heute in dieser Art nicht wiederhergestellt werden konnte. Wenn der Goldstandard im Krieg beibehalten worden wäre, wären die Feindseligkeiten nach ein paar Monaten zu Ende gewesen, und Millionen todgeweihter junger Männer hätten noch ein erfülltes Leben vor sich gehabt. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund: Die Staatskassen der kriegsführenden Länder wären leer gewesen. Der Krieg war anders als früher: Armeen von Millionen von Wehrpflichtigen standen sich an Fronten gegenüber, die über Hunderte von Kilometern quer durch ganz Europa verliefen. Neue Technik kam massiv zum Einsatz, und die Schlachten, die früher nur Tage gedauert hatten, wurden nun über Monate ausgetragen. Ein solcher Krieg wäre nicht lange zu finanzieren gewesen.
Die kriegsführenden Länder hatten aber nun - neben Steuern und Kriegsanleihen - eine neue Möglichkeit gefunden: Sie konnten die leeren Kassen immer wieder neu mit von den Notenbanken aus dem Nichts geschaffenem bzw. gedrucktem Geld auffüllen. Dies war neu in der Geschichte. Die Regierungen im 20. Jahrhundert konnten die Kriegswirtschaft künstlich über Jahre bis zur Erschöpfung ihrer Völker und der Ressourcen weiterlaufen lassen. - Die Möglichkeit, unbegrenzt Banknoten aus dem Nichts zu schaffen, sollte sich als verheerendes Instrument der Machtpolitik im 20. Jahrhundert erweisen - in seiner Wirkung vielleicht noch verheerender als die Erfindung neuer Waffen.
Noch während des Krieges, aber vor allem nach dem Krieg, spürten die Völker die Folgen dieser neuen Geldpolitik: Alle Währungen - auch der Schweizerfranken - verloren massiv an Wert. Am schlimmsten waren die Deutschen betroffen. Ihre Mark war wertlos geworden.
Aufweichung des Goldstandards nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Frieden von Versailles 1919 war die Absicht da, zum bewährten Goldstandard der Vorkriegszeit zurückzukehren. Dazu wäre aber eine massive Abwertung des englischen Pfundes notwendig gewesen, was aus politischen Gründen - England war die führende Weltmacht - nicht in Betracht gezogen wurde. Zudem hatten die Regierenden mit der Möglichkeit, Geld aus dem Nichts zu schaffen, ein Instrument der Macht- und Wirtschaftspolitik kennengelernt, auf das zu verzichten sie nicht mehr bereit waren.
1922 wurde im Abkommen von Genua beschlossen, den klassischen Goldstandard abzuschwächen und zum Gold-Exchange-Standard überzugehen. Darin hatten das englische Pfund und der amerikanische Dollar, beide noch einlösbar in Gold, eine privilegierte Stellung: Sie waren Leitwährungen und sollten andern Ländern anstelle von Gold als Reservewährung dienen. Damit bestand aber Gefahr, dass zu viele Dollars und englische Pfund in Umlauf gebracht wurden!
Himmelhochjauchzend in den 20er, zu Tode betrübt in den 30er Jahren
Die neue Währungsordnung wirkte sich vor allem in den USA verhängnisvoll aus. Die erst 1914 gegründete Notenbank der USA, das Federal Reserve Board, fuhr auch nach dem Krieg fort, die Wirtschaft grosszügig mit neu geschaffenem Geld zu versorgen. Dies und andere Gründe führten in den 20er Jahren zu einer ungesund boomenden Wirtschaft mit einer übertriebenen Leichtlebigkeit und Ausgabefreudigkeit, die mit rasant steigender Verschuldung von Privaten und des Staates einherging. Die Entwicklung führte schliesslich zu wahren Spekulationsorgien - sogar des «kleinen Mannes» - an der Wall-Street, finanziert zum grossen Teil mit gepumptem Geld. Diese ungesunde Entwicklung fand schliesslich ein Ende im Börsenzusammenbruch von 1929 und anschliessend in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre - mit zahlreichen Bankzusammenbrüchen und Arbeitslosenraten von bis zu 25%.
Ferdinand Lips führt eindrücklich aus, wie das Abweichen vom klassischen Goldstandard auch zu einer Veränderung der Moral geführt habe. Das Geld, das in der Druckerei oder heute im Computer ohne realen Hintergrund und ohne Anstrengung und Mühe entsteht, untergräbt nicht nur Anstand und Ehrlichkeit im Geschäftsleben, sondern verleitet auch Regierungen und Private zu masslosem Schuldenmachen und leichtfertigem Umgang mit Geld. Das Geld bekommt so leicht den Charakter von Spielgeld und wird z.B. an der Börse wie in einem Casino ausgegeben. Lips bezeichnet das Abweichen vom Goldstandard im Jahr 1914 und auch im Abkommen von Genua 1922 als eine der «grossen Katastrophen der Menschheit».
«New Deal» von Franklin D. Roosevelt
Der 1932 gewählte Roosevelt stand vor der schweren Aufgabe, die USA aus der Wirtschaftskrise herauszuführen. Sein Rezept war jedoch vorbestimmt. Es war naheliegend, dass auch er wieder von dem neu geschaffenen Instrument der Machtpolitik im 20. Jahrhundert Gebrauch machen würde: neu geschaffenes Geld in Umlauf bringen und Schulden machen («deficit spending»). Damit beabsichtigte er, neue Kaufkraft zu schaffen und die Wirtschaft wieder «zum Laufen» zu bringen.
Bevor er jedoch dieses Programm umsetzte, bereitete er einen «Handstreich» vor, den ihm viele Amerikaner bis heute nicht verzeihen: 1934 ordnete Roosevelt an, dass die Bürger der USA ihre Goldmünzen und -barren zu einem Preis von 20.67 Dollar je Unze der Regierung übergeben mussten. Daraufhin wertete er den Dollar ab, und der Preis einer Unze Gold stieg auf 35 Dollar. Gleichzeitig hob er die Pflicht der Notenbank auf, Dollars gegen Gold einzutauschen. Dies alles war ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit und eine Bevormundung der Bürger, für die der Gold-Dollar Inbegriff war für Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums - nicht zuletzt auch gegenüber der eigenen Regierung. Ferdinand Lips bezeichnet diese Aktion als «grössten Bankraub der Geschichte». US-Bürgern sollte der private Besitz von Gold bis 1974 verboten bleiben.
Damit war der Weg frei für das sogenannten «deficit spending»: Neue abgewertete Dollars sollten in Umlauf gesetzt werden und Kaufkraft schaffen. Das Programm zeigte vordergründig Wirkung. Die Arbeitslosenrate sank von 25% auf 15%, die Börsenkurse erholten sich etwas, brachen jedoch wieder ein. Wirklich behoben wurde die Wirtschaftkrise nicht. Dies geschah erst mit dem Zweiten Weltkrieg: Die Arbeitslosigkeit verschwand, weil ein grosser Teil der Männer in den Krieg eingezogen wurde und die Betriebe wieder ausgelastet waren mit Aufträgen aus dem Verteidigungsministerium. - Es erübrigt sich hier zu erwähnen, dass dieser Krieg nach dem genau gleichen Prinzip finanziert wurde wie der Erste Weltkrieg. Die leeren Kassen wurden immer wieder mit neu geschaffenem Geld aufgefüllt und der Krieg so über Jahre bis zur Erschöpfung der Bevölkerung und der Ressourcen weitergeführt.
Meinungsstreit unter Ã-konomen
Die Meinungen unter Ã-konomen, wie die grosse Depression in den 30er Jahren zu beurteilen ist, gehen heute noch auseinander. Für eher sozialistisch orientierte Ã-konomen war Roosevelt mit seiner «New Deal»-Politik der «Retter der Nation» gewesen. Für viele freiheitlich gesinnte Amerikaner, die sich den moralischen Werten der Gründerväter, wie Ehrlichkeit und Anstand, verpflichtet fühlten, war das Verhalten von Roosevelt schlichtweg eine Katastrophe. Dass er die zirkulierenden Goldmünzen mit staatlicher Gewalt «konfiszierte» und sie den Bürgern aus den Taschen zog, war ein Verbrechen. Nach ihrer Ansicht war nicht das lange Festhalten am Gold verantwortlich für die Depression (wie Sozialisten behaupten), sondern vor allem die Aufhebung des klassischen Goldstandards in den Jahren 1914 und 1922. Diese und damit das Überschwemmen der Welt mit neu geschaffenem Geld habe zur ungesunden Wirtschaftsaufblähung in den 20er Jahren («the roaring twenties»), zum Börsenzusammenbruch und schliesslich zur Wirtschaftskrise in den 30er Jahren geführt.
Währungsordnung von Bretton Woods
Noch während im Zweiten Weltkrieg die Schlachten an allen Fronten tobten, entwarfen amerikanische und englische Ã-konomen 1944 in Bretton Woods (USA) die Grundlage für eine neue Währungsordnung nach dem Krieg. Anwesend war auch der englische Ã-konom John M. Keynes, der mit seinen Theorien die «New Deal»-Politik Roosevelts vorbereitet hatte. Das Grundkonzept der neuen Ordnung war ähnlich wie im Abkommen von Genua: der Gold-Exchange-Standard. Leitwährung sollten aber nicht mehr das britische Pfund und der amerikanische Dollar sein, sondern - den neuen Machtverhältnissen entsprechend - nur noch der US-Dollar. Er sollte künftig anderen Ländern anstelle von Gold als Währungsreserve dienen. Die USA verpflichteten sich, den Wert des Dollars zu halten und unbegrenzt Gold zu 35 Dollar je Unze zu kaufen oder zu verkaufen. Diese Verpflichtung bezog sich jedoch nur auf ausländische Notenbanken und galt nicht gegenüber US-Bürgern oder anderen Privatpersonen. Gleichzeitig sollten die Wechselkurse fixiert werden. Ähnlich wie das Abkommen von Genua 1922 liess auch dieses Abkommen die Möglichkeit für die USA offen, neues Geld «aus dem Nichts» zu schaffen und damit zu investieren, zu spenden und es auszuleihen und schliesslich im Güteraustausch mit andern Ländern mehr auszugeben als einzunehmen.
Nach Einschätzung von Ferdinand Lips hätte dieses System funktionieren können, wenn die USA ihre Zahlungsbilanzdefizite in Grenzen gehalten hätten. Dies war aber nicht der Fall. Vor allem in der Zeit des Vietnamkrieges unter den Präsidenten Kennedy und Johnson wurde die Welt mit Dollars geradezu überschwemmt, die aus dem Nichts geschaffen wurden und mit denen in aller Welt Güter und Dienstleistungen für den Krieg gekauft wurden. Die Verkäufer erhielten dafür Dollars, die bald einmal nur halb so viel wert sein sollten. - Es war absehbar, dass die USA über kurz oder lang ihre Verpflichtung gegenüber ausländischen Notenbanken aufheben würden, Dollars gegen Gold einzutauschen.
Direktdemokratische Auseinandersetzung um das Gold in der Schweiz
Im Buch von Ferdinand Lips ist eine Episode aus der Nachkriegsgeschichte der Schweiz nur am Rande erwähnt, die aber in der Geschichte des Goldes und des Geldes nicht fehlen darf. Ich erlaube mir ergänzend darauf einzugehen: Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Schweiz nicht Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und beabsichtigte es auch nicht zu werden. In Wahrung der Unabhängigkeit galt es, die Wirtschafts- und Währungspolitik in der Bundesverfassung auf eine neue Grundlage zu stellen. Dafür waren eine direktdemokratische Auseinandersetzung und eine Volksabstimmung nötig. Streitpunkt war das Gold. Drei Gruppierungen waren zu unterscheiden: 1. Eine starke Bewegung in der Bevölkerung wollte die Golddeckung des Schweizerfrankens als Grundsatz in der Verfassung verankert und dessen Unabhängigkeit vom Dollar gewahrt sehen. 2. Die politische Führung des Landes, d.h. Bundesrat, Nationalbank und das Parlament, wollten die Golddeckung - wie bisher - lediglich in einem Gesetz festhalten. 3. Eine starke linksliberale Bewegung, die sogenannten Freiwirtschaftler, schlugen vor, ganz auf das Gold als Währungsreserve zu verzichten. Sie wollten den Wert des Schweizerfrankens stabil halten, indem die Notenbank die Geldmenge entsprechend verändern sollte. Eine Ausweitung der zirkulierenden Geldmenge sollte der wachsenden Wirtschaft die nötigen Zahlungsmittel bereitstellen, eine Verknappung den Preisauftrieb eindämmen. Damit sollte ein Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung hergestellt werden. Sie formulierten ihren Vorschlag in einem eigenen Verfassungsartikel und sammelten fast 100000 Unterschriften für eine Volksinitiative (beinahe doppelt soviel wie damals verlangt).
Der Vorschlag des Bundesrates und des Parlamentes wurde 1949 in einer Volksabstimmung mit grosser Mehrheit abgelehnt, ebenso 1951 die Volksinitiative der Freiwirtschaftler. Der neue Währungsartikel, der schliesslich mit grosser Mehrheit angenommen wurde, enthielt die Golddeckung des Schweizerfrankens als Verfassungsgrundsatz und ging sogar noch einen Schritt weiter: das Prinzip des klassischen Goldstandards wurde in Art. 39 Absatz 6a BV mit folgender Formulierung festgehalten:
«Der Bund kann die Einlösepflicht für Banknoten [... ] nicht aufheben und die Rechtsverbindlichkeit für ihre Annahme nicht aussprechen, ausgenommen in Kriegszeiten oder in Zeiten gestörter Währungsverhältnisse.»
Das heisst nichts anderes, als dass eine Banknote aufgrund der Golddeckung zu Geld wird und nicht, weil der Staat es so verordnet. Aus den Parlamentsprotokollen geht hervor, dass mit diesem Artikel die Möglichkeit offengelassen wurde, irgendwann in der Zukunft wieder einmal zum klassischen Goldstandard aus der Zeit vor 1914 zurückzukehren. Die «Zeiten gestörter Währungsverhältnisse» sollten allerdings bis zum 31.12.1999 andauern, als dieser Artikel mit der neuen Bundesverfassung wieder aufgehoben wurde, ohne dass der Souverän, das Schweizervolk, darüber informiert wurde. - Die ganze Auseinandersetzung hat einen besonderen Stellenwert in der Geschichte des Geldes und der direkten Demokratie, weil hier das Volk 1951 nach einer längeren Auseinandersetzung über schwierige wirtschafts- und währungspolitische Fragen mit drei Volksabstimmungen und ohne sich von der Regierungsmeinung beeinflussen zu lassen eigenständig die Weichen für die nächsten Jahrzehnte gestellt hatte. (vgl. weitere Einzelheiten dazu in «Abschied vom Gold», in: Zeit-Fragen Nr. 4 vom 21. Januar)
Ende der Goldkonvertibilität des Dollars
Zurück zur Weltgeschichte: Wie es vorauszusehen war, hob der amerikanische Präsident Richard Nixon 1971 die Verpflichtung der USA gegenüber ausländischen Notenbanken vollständig auf, Dollars gegen Gold einzutauschen. Dies war das Ende des Systems von Bretton Woods. Die USA konnten nun die Welt beliebig mit Dollars überschwemmen, ohne befürchten zu müssen, dass ausländische Zentralbanken sie in Gold umtauschen wollten. Die Bindung des US-Dollar zum Gold war - nach der schrittweisen Lockerung in den Jahrzehnten nach 1914 - ganz zerbrochen. Eine neue Zeit begann, die Zeit des «fiat money», d.h. des staatlich verordneten Geldes. Ferdinand Lips wertet das Jahr 1971 als «Wasserscheide» in der Geschichte. Die Zeit der festen Wechselkurse ging zu Ende und die der flexiblen begann. 1974 erlaubte die US-Regierung ihren Bürgern nach 40 Jahren wieder, Gold zu besitzen.
Das Gold hatte - wenigstens in der Theorie - als Geld abgedankt, ausser in der Schweiz. Sie hatte als einziges Land und als Nicht-Mitglied des IWF nach wie vor eine in der Bundesverfassung und im Volk verankerte Golddeckung der Landeswährung. - Der Wechselkurs des Dollars in Schweizerfranken begann seine lange Talfahrt. Ausgehend von Fr. 4.37 sollte er unter Fr. 1.20 Boden finden. Die nach der Volksabstimmung von 1951 gebildeten Goldreserven von 2600 Tonnen sollten die Schweizerische Nationalbank vor katastrophalen Verlusten ihrer Währungsreserven bewahren.
Der Streit unter Ã-konomen um das Gold
Der Streit um das Gold war auch in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg Thema wissenschaftlicher Diskussionen. Der Schreibende hat Anfang der 70er Jahre das Studium der Nationalökonomie absolviert. Er ist dabei in einem der Lehrbücher des Amerikaners Paul Samuelson auf eine bekannte Stelle über das Gold gestossen. Dieser schreibt sinngemäss, dass es wenig Sinn habe, mit viel Anstrengung Gold aus der Erde zu graben, um es nachher wieder in den Tresoren der Notenbanken verschwinden zu lassen. Das Gold werde allmählich seine traditionelle Rolle verlieren. Vom Standpunkt der Wirtschaft, der Arbeitsplätze, der Zinsen und der Ersparnisse habe das Gold keine Bedeutung mehr. Auch Milton Friedman nahm später ähnlich Stellung. Immer wieder wird auch John Meynard Keynes zitiert, das Gold sei ein «barbarisches Relikt aus der Vergangenheit». Andere Ã-konomen dagegen wie Wilhelm Röpke und Ludwig von Mises sind überzeugte Vertreter des Goldstandards.
Eine eigentliche Ode an das Gold ist der berühmte Aufsatz des heutigen Vorsitzenden des Federal Reserve Board Alan Greenspan aus dem Jahre 1966 mit dem Titel «Gold und wirtschaftliche Freiheit». Für ihn ist das Gold Garant der Freiheit und Schutz vor staatlicher Willkür. (vgl. Ausschnitt aus diesem Aufsatz in «Abschied vom Gold», in: Zeit-Fragen Nr. 4 vom 21. Januar) Ferdinand Lips zitiert auch den langjährigen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank Fritz Leutwiler wie folgt: Der Goldstandard sei das beste Geldsystem gewesen, das die Welt je gekannt habe.
Die Diskussionen lassen sich stark vereinfacht vielleicht mit einem Bild darstellen, in dem die Wirtschaft mit einem Motor verglichen wird. Wenn er ins Stocken gerät und gar abzusterben droht, kann der Fahrer ihn mit mehr Treibstoff wieder in Schwung bringen. Wenn er zu überdrehen droht, kann die Benzinzufuhr gedrosselt werden. Das Gleiche soll mit der Wirtschaft geschehen: Wenn sie nicht mehr läuft, kann die Notenbank sie mit neuem Geld und tiefen Zinsen wieder in Schwung bringen. Droht sich die Konjunktur zu überhitzen, können der Geldumlauf verknappt und die Zinsen erhöht werden. Mit dieser Methode soll ein Gleichgewicht zwischen Vollbeschäftigung, wachsendem Wohlstand und Preisstabilität erreicht werden.
Vertreter des Goldstandards widersprechen diesem Bild. Man könne reales Benzin nicht mit dem Geld vergleichen, das Notenbanken aus dem Nichts schaffen. Dieses lasse sich höchstens mit «heisser Luft» vergleichen, womit keine Probleme nachhaltig gelöst, sondern vielmehr die Wirtschaftsabläufe in Unordnung gebracht würden.
Diese Diskussionen um das staatliche Geld und das Gold gehen zurück bis ins Altertum. Ferdinand Lips zitiert Aristoteles, den Lehrer von Alexander dem Grossen, der in seinem Weltreich eine Goldwährung eingerichtet hatte, wie folgt: «Nichts sei falsch an staatlichem Geld, vorausgesetzt wir haben eine perfekte Autorität und Könige mit gottähnlicher Intelligenz.» (S. 27)
Ferdinand Lips bezieht in seinem Buch klar Stellung: Er bezeichnet Keynes, Samuelson und Friedman als «Schule der Interventionisten», die vorgeben, mit Staatseingriffen und mit Geld, das aus dem Nichts geschaffen werde, etwas Gutes bewirken zu können. Staatseingriffe mit solchem Geld würden die Wirtschaft jedoch in Unordnung bringen, Krisen bewirken und auch zu Kriegen führen. Das Geld des freien Marktes sei dagegen das Gold und nicht das staatlich verordnete Geld, das vom Staat manipuliert werde. Die Notenbanken könnten die Geldversorgung nie so diszipliniert handhaben, wie dies im System des klassischen Goldstandards automatisch geschehen würde. In diesem System würden Konjunkturzyklen, die ganz normal seien, nie so stark ausfallen und sich über automatische Mechanismen von alleine wieder ausgleichen. Das Gold habe sich seit biblischer Zeit aus menschlichen Erfahrungen heraus mit Erfolg als Geld herausgebildet. Lange andauernde Zeitspannen mit wirtschaftlicher Entwicklung, Wohlstand und mit Preisstabilität seien der Beweis dafür.
Angriffe auf die Schweiz vorprogrammiert
Genauso wie schon viele Jahre früher absehbar war, dass das System von Bretton Woods in der geplanten Weise nicht funktionieren würde, so waren auch im neuen internationalen Finanzsystem die Angriffe auf die Schweiz vorauszusehen. Der IWF verbot 1978 seinen Mitgliedern, Währungen an das Gold zu binden. Der Übergang zum «Geld ohne Gold» verlief jedoch keinesfalls störungsfrei - das Misstrauen war gross. Die Inflationsraten in den USA stiegen auf über 15% im Jahr. Dazu kam die grosse Schuldenkrise in Südamerika. Hand in Hand mit der steigenden Angst vor dem Zusammenbruch des Bankensystems stieg der Goldpreis gegen Ende der 70er Jahre von 35 auf 850 Dollar pro Unze. Die Unsicherheit, ob sich das «fiat money», das staatlich verordnete Geld, werde halten können, war weit verbreitet.
Die Schweiz war in dieser Zeit des Misstrauens das einzige Land mit einer in der Verfassung und im Volk verankerten Golddeckung der Landeswährung. Der Schweizerfranken hatte eine Attraktivität, die der Dollar nicht hatte: Er war so gut wie Gold. Die Schweizer Banken mit ihrem hohen Standard waren damit prädestiniert für Anleger aus aller Welt, die für ihre Ersparnisse Vertrauen und Sicherheit suchten. - Es war schon damals klar, dass sich die Konkurrenz vor allem in den USA nicht damit abfinden würde. Angriffe waren vorprogrammiert. Und sie sollten kommen.
Betrug am Volk
Die Landesregierung ebnete den Angreifern den Weg, indem sie die Schweiz 1992 in den IWF führte. Sie überzeugte das Volk mit den bekannten Argumenten: Das Land müsse sich öffnen, könne nicht abseitsstehen und müsse in internationalen Organisationen mitreden. Mit keinem Wort erwähnte der Bundesrat jedoch in den Abstimmungsunterlagen, dass die in der Verfassung und im Volk verankerte Golddeckung des Schweizerfrankens im Widerspruch stand zu den Statuten des IWF, der seinen Mitgliedern die Bindung ihrer Landeswährung an das Gold verbot. Korrekt wäre gewesen, die Bundesverfassung vor dem Beitritt entsprechend zu ändern. Dies geschah nicht. 1996 folgten die hinlänglich bekannten Angriffe und Entschädigungsforderungen wegen nachrichtenloser Konten, Goldgeschäften im Zweiten Weltkrieg usw., vorgetragen von Edgar Bronfman mit seiner berühmten Drohung mit dem «totalen Krieg», von D'Amato, Eizenstat, Fagan und anderen.
Erstaunlich war, dass zum Zeitpunkt, als die offizielle Schweiz noch gelähmt war wie das «Kaninchen vor der Schlange», in den USA bereits Zeitungsartikel erschienen, die nachwiesen, dass es gar nicht um die Holocaust-Überlebenden ging, sondern dass die Angreifer und ihre Hintermänner die Schweiz dazu bringen wollten, die Golddeckung ihrer Währung aufzuheben und die Hälfte der Goldreserven zu verkaufen. Dies geschah dann auch - aber nicht wie üblich nach einer direktdemokratischen Auseinandersetzung. Bundesrat und Parlament erledigten dies im Rahmen des Projektes der «nachgeführten Bundesverfassung». In dieser 200 Artikel umfassenden Vorlage ging es lediglich darum, wie Bundesrat Koller immer wieder betonte, das geschriebene und ungeschriebene Verfassungsrecht in moderne Sprache und in eine neue überzeugende Systematik zu fassen. Inhaltliche Neuerungen seien darin nicht enthalten. Dem war nicht so. Die Golddeckung wurde einfach herausgestrichen, ohne dass es jemand im Volk bemerkte. Das weitere ist bekannt. Das Volk stimmte der neuen Bundesverfassung zu, und das Gold wurde verkauft. Am kommenden 22. September kann das Volk lediglich noch über die Verwendung des Erlöses abstimmen. Eine grundsätzliche Diskussion über die langfristige Bedeutung der Golddeckung für die Landeswährung - wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden hatte - durfte nicht geführt werden. Ferdinand Lips bezeichnet diese merkwürdigen Vorgänge mit Recht als «Betrug am Volk».
Hintergründe
Ferdinand Lips versucht in seinem Buch die Hintergründe zu klären. Er schreibt, den Marktteilnehmern auf dem Goldmarkt sei bis heute nicht klar, warum die Schweizerische Nationalbank in unsicheren Zeiten 1300 Tonnen Gold aus dem Volksvermögen verkaufe und erst noch zu Preisen, die seit zwanzig Jahren nie mehr so tief waren wie heute. Lips geht verschiedenen Spuren nach, um Licht in das rätselhafte Geschehen zu bringen. Die Golddeckung und die grossen Goldreserven seien für den Finanzplatz vor allem psychologisch ein Konkurrenzvorteil gewesen, den es zu beseitigen galt. Die Schweizerischen Grossbanken seien mit ihrer starken Expansion ins Ausland und insbesondere in die USA zu gross und angreifbar geworden. Sie erwirtschafteten heute fast die Hälfte ihres Umsatzes in den USA. Lips schreibt weiter von Architekten einer neuen, globalen Weltordnung, eines «Märchenlandes» mit einer gemeinsamen Währung und einer Weltregierung, die nur in Washington beheimatet sein könne - für Lips eine Horrorvorstellung. Eines der Hindernisse auf diesem Weg sei der Schweizerfranken mit seiner Golddeckung und den Goldreserven, die Unabhängigkeit und Souveränität bedeuteten. Ferdinand Lips erwähnt zwei prominente Persönlichkeiten aus den USA, die mit dem Bundesrat und der Führung der Nationalbank geredet hätten. Die Aufgabe der Golddeckung der Landeswährung und der Verkauf der Hälfte der Goldreserven wäre die ideale Geste, um der Welt zu beweisen, dass die Schweiz es mit der Aufarbeitung ihrer zweifelhaften Vergangenheit («mixed past») ernst meinte. (S. 201)
Die Umstände, die zum Verkauf der Goldreserven geführt haben, sind dubios. Daran ändert nichts, dass das Volk am kommenden 22. September über die Verteilung des Erlöses abstimmen kann. Die Arbeit von Ferdinand Lips ist meines Wissens das erste Buch, das Licht in diese sehr mysteriöse Angelegenheit bringt.
Schrittweiser Abbau des Goldstandards
In seiner Reise durch die Geldgeschichte des 20. Jahrhunderts führt Ferdinand Lips den Leser von einer Etappe zur nächsten, an der der Goldstandard jeweils wieder ein Stück weiter abgebaut wurde. Damit sei jedes Mal auch ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums verlorengegangen. Mit der Abschaffung der Golddeckung des Schweizerfrankens an der Wende zum dritten Jahrtausend sei die letzte Bastion des Goldes gefallen.
Insgesamt ist das 20. Jahrhundert in der Geschichte des Geldes eine Katastrophe. Der amerikanische Dollar hat seit 1913 99% an Wert verloren. Ein Dollar im Jahr 1945 ist heute noch 8 Cent wert. Seit 1987 hat er weitere 46% an Wert verloren. Diese abstrakten Zahlen kann man sich am besten vorstellen, wenn man einen amerikanischen Western ansieht, der vielleicht um 1890 spielt. Da kann es vorkommen, dass ein Pferd oder eine Kuh für 4 oder 5 Dollar oder eine kleine Farm für 100 Dollar verkauft werden.
Ein eigenes Kapitel wert wäre die Geschichte des deutschen und des österreichischen Volkes, die in einem Jahrhundert zweimal den vollständigen Zusammenbruch ihrer Währung erleben mussten.
Die schrittweise Abschaffung des Goldstandards ging Hand in Hand mit dem Aufbau eines gigantischen Schuldenberges - praktisch überall auf der Welt. Die USA hatten 2001 total 27 Billionen Dollar Schulden und die Welt insgesamt etwa 70 Billionen. Ein Grossteil wird nicht mehr verzinst, geschweige denn je zurückbezahlt werden.
Volksbewegung für gesundes Geld
Ferdinand Lips hat sein Buch in den USA im Rahmen einer Bewegung geschrieben, die man auf deutsch übersetzt vielleicht als «Volksbewegung für gesundes Geld» bezeichnen könnte. Diese Bewegung wird heute publizistisch getragen von Professoren, Rechtsanwälten, Bankiers, ehemaligen Mitgliedern der Notenbanken der einzelnen Bundesstaaten und von vielen Bürgern der Vereinigten Staaten, die die moralischen Grundsätze der Gründerväter pflegen. So setzen sie sich ein für Ehrlichkeit und Anstand im Umgang mit Geld, gegen massloses Schuldenmachen von Unternehmen und von Staaten. Sie wehren sich dagegen, dass das Gold auch von den Zentralbanken als «Relikt der Vergangenheit» geringgeschätzt wird.
Der heutige Vorsitzende des Federal Reserve Board, Alan Greenspan, gehört von seiner Grundüberzeugung her eigentlich auch zur «Bewegung für gesundes Geld». Ferdinand Lips ist es in den 90er Jahren gelungen, ihn persönlich auf seinen berühmten Aufsatz «Gold und wirtschaftliche Freiheit» aus dem Jahre 1966 anzusprechen. (vgl. Ausschnitt daraus in «Abschied vom Gold», in: Zeit-Fragen Nr. 4 vom 21. Januar) Er habe daraufhin nur betreten geschwiegen.
Es ist sicher kein Zufall, dass als Vorsitzender des Federal Reserve Board, der wichtigsten Notenbank, ein überzeugter Vertreter des Goldstandards gewählt wurde. Damit sollte Vertrauen geschaffen werden. Greenspan hatte im Gespräch mit Lips eingestanden, dass es schwierig sei, den Umfang der zirkulierenden Geldmenge zu erfassen, weil über die elektronischen Systeme Tag für Tag weltweit riesige Geldmengen - zum grossen Teil aus spekulativen Gründen - verschoben würden. (Der Umfang dieser Transaktionen soll täglich etwa 2000 Milliarden Dollar betragen.) Greenspan spricht in den letzten zehn Jahren auch immer wieder von den sogenannten Systemrisiken, die das ganze globale Finanzsystem in Gefahr bringen. Der menschliche Geist habe gelernt, aus den massiven Schwankungen im neuen Geldsystem ein Geschäft bzw. ein zweites «Las Vegas» zu machen. Die massive Zunahme solcher Spekulationen könnte das ganze Finanzsystem zum Einsturz bringen. Lips spricht in diesem Zusammenhang von einer «atomaren Zeitbombe».
Könnte man heute den Goldstandard wieder einführen? Ferdinand Lips hat diesbezüglich einen klaren Standpunkt: Das heutige Finanzsystem sei ein Kartenhaus, das ohne weiteres zusammenbrechen könne. Das System des «fiat money», d.h. des staatlich verordneten Geldes, könne nicht überleben, weil die menschliche Gier und das Streben nach Macht zu gross seien. Es bestünden keine Grenzen mehr für staatliche Allmacht und Staatsverschuldung. Er schlägt vor, dass die Gold produzierenden Länder sich wie die Erdölstaaten zu einer Organisation wie die OPEC zusammenschliessen und aufhören sollten, das Gold zu Dumpingpreisen zu verkaufen. Sie sollten der Welt eine Alternative zu den «verrückten Zuständen» in der heutigen Finanzwelt anbieten. Das Gold sei Bedingung für eine freiheitliche Gesellschaft. Die Zentralbanken hätten heute noch Goldreserven von insgesamt etwa 33000 Tonnen. Ein Teil der Kapazitäten der Minengesellschaften würden zusätzlich ausreichen, um eine neues stabiles Finanzsystem aufzubauen. Die neu zu gründende Organisation müsste dem methodischen und propagandistischen Schlechtmachen des Goldes etwas entgegensetzen - auch gegenüber den Zentralbanken. Diese würden mit ihren Verkäufen den Goldpreis künstlich tief halten und dazu beitragen, dass das Gold seinen Glanz verliere. Der Grund liege darin, dass sie sich vor einem Vertrauensverlust in ihr «System ohne Gold» fürchteten. - Vielleicht muss es erst zu einem «Super-Gau» in der Finanzwelt kommen, bis das Gold wieder zu seinem alten Glanz zurückfindet. Dies wäre auch eine Chance für viele arme Länder in Zentral- und im südlichen Afrika mit Goldvorkommen, die heute bei den künstlich tief gehaltenen Preisen kaum kostendeckend Gold fördern können.
Alle Auseinandersetzungen um das Geld und das Gold im 20. Jahrhundert bewegen sich im selben Spannungsfeld: Zum einen ist das Bedürfnis der Bevölkerung nach einem verlässlichen Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zu beobachten, das nicht durch einen Krieg, einen Börsenzusammenbruch oder eine Wirtschaftskrise kaputt gemacht wird. Von diesem Bedürfnis war die Volksbewegung in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg geleitet, die die Golddeckung der Landeswährung in der Verfassung verankert sehen wollte. Zum andern haben die Politiker nach 1914 weltweit das System des «fiat money», d.h. des staatlich verordneten Geldes, als Instrument der Machtpolitik entdeckt. Dieses hat im letzten Jahrhundert verheerende Spuren hinterlassen. Ob es heute wirklich gelingt, dieses System verantwortungsvoll im Interesse der Bevölkerung zu handhaben, kann mit Ferdinand Lips zum mindesten bezweifelt werden. Oder mit Aristoteles, der gefunden hatte, Voraussetzung für staatliches Geld wäre eine «perfekte Autorität und Könige mit gottähnlicher Intelligenz».
Zu einer Volksbewegung ist es seit einigen Monaten in Japan gekommen. Die Japaner werden zunehmend misstrauisch gegenüber dem Finanzsystem und haben begonnen, privat Münz- und Barrengold in grösserem Ausmasse zu kaufen. Interessant ist, dass Japan selber, das als Währungsreserven über 200 Milliarden US-Dollar besitzt, offenbar kein Gold kaufen darf. Ferdinand Lips zitiert ein Mitglied der japanischen Regierung, das sich ihm gegenüber wie folgt geäussert hat: Japan dürfe kein Gold kaufen, solange amerikanische Kriegsschiffe im Pazifik kreuzten. (S. 143). Parallelen zu den in der Schweiz auf Druck von aussen unter dubiosen Umständen verkauften Goldreserven drängen sich auf.
Schlussbetrachtung
Ist in der Schweiz eine «Bewegung für gesundes Geld» auch notwendig? Bis vor wenigen Jahren konnte diese Frage noch eindeutig mit «Nein» beantwortet werden. Der Schweizerfranken war mit Gold gedeckt und die Politik der Nationalbank konservativ und weltweit geachtet.
In den letzten Jahren hat sich manches geändert, was zu Sorgen Anlass gibt: Die Abschaffung der Golddeckung in der Bundesverfassung unter dubiosen Umständen ist das eine. Weiter kommt dazu, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) seit ungefähr 10 Jahren begonnen hat, Reserven von früheren Generationen - ohne Not und ohne das Volk zu fragen - in hohen Milliardenbeträgen in den normalen Staatshaushalt überzuleiten. Ob dies rechtlich überhaupt zulässig ist, ist umstritten. Weiter hat die SNB ihre Anlagepolitik neu ausgerichtet. Nicht mehr die Sicherheit steht im Vordergrund, sondern es sollen Zinserträge erwirtschaftet werden. Die zu erwartenden Gewinne im Milliardenbereich sollen regelmässig an den Staat überwiesen werden. (vgl. Einzelheiten im Artikel «Wer soll über die Reserven der Schweizerischen Nationalbank bestimmen?», in Zeit-Fragen Nr. 14 vom 2. April)
Was könnte man sofort tun?
Man könnte die alten und immer noch sehr modernen Grundsätze im Umgang mit Geld aus der Mottenkiste holen. Hier könnte gerade die Kriegsgeneration ihren Beitrag leisten, die den Goldstandard noch gekannt hat. Sie könnte z.B. daran erinnern, dass die hohen Kosten für die Landesverteidigung und die Überlebenssicherung im Zweiten Weltkrieg nicht einfach mit Notenbankgeld finanziert wurden, sondern dass man Anleihen herausgegeben und die Steuern erhöht hat. Jedermann war bewusst, dass der in der Not angehäufte Schuldenberg nach dem Krieg Franken für Franken wieder zurückbezahlt werden musste. Und dies ist auch geschehen. In der heutigen Politikergeneration herrscht eine ganz andere Mentalität. Sie richtet sich mehrheitlich nach dem in den USA geprägten Grundsatz «deficit without tears» (Schulden ohne Tränen). Der Schreibende hat im Laufe seiner Arbeiten mehrere tausend Seiten aus den Protokollen des National- und Ständerates der letzten fünfzig Jahre studiert. Der Unterschied zu heute ist in diesem Punkt mit Händen zu greifen.
Die Kriegsgeneration könnte auch darauf hinweisen, dass sie den Jungen ein gesundes, direktdemokratisch abgestütztes Finanzgebäude hinterlassen hat, in dem niemand auf die Idee kam, in normalen Zeiten ohne Not die leeren Staatskassen aus den Reserven der Nationalbank wieder aufzufüllen.
Weiter tut die Kriegsgeneration gut daran, sich die Mitbestimmung in Finanzangelegenheiten nicht aus den Händen nehmen zu lassen. Es ist vorgesehen, dass die Mehrheit der Mitglieder im Stiftungsrat der sogenannten Solidaritätsstiftung, die mit dem Geld aus dem Goldverkäufen jährlich ungefähr 200 bis 250 Millionen Franken zu verteilen haben wird, nicht älter als vierzig Jahre sein dürfen. Sollen auch hier wieder Zeitzeugen ausgegrenzt werden wie von der Bergier-Kommission?
Die Kriegsgeneration könnte mit Nachdruck daran erinnern, dass schliesslich sie es war, die in den fünfziger und am Anfang der sechziger Jahre dieses Gold erarbeitet hat, das nun ohne ihre Mitsprache wieder verkauft wird. Die Kriegsgeneration hat überhaupt allen Grund, sich nicht von der diffamierenden Tendenz im Bergier-Bericht einschüchtern zu lassen. Die politische Stossrichtung ist mehr als durchsichtig - viel nützlicher wäre es, selber den Mahnfinger zu erheben.
Die Kriegs- und Nachkriegsgeneration könnte auch daran erinnern, dass in jener Zeit Abstimmungskämpfe noch mit hohen moralischen Grundsätzen geführt wurden. Damals war Respekt vor dem Volk von seiten der Regierung selbstverständlich. Im Volk war eine politische Sensibilisierung und Mitverantwortung für das Geschehen im Staat zu beobachten, die heute zunehmend gefährdet ist - und zwar durch Manipulationstechniken, die von seiten der politischen Führung und der Medien immer skrupelloser eingesetzt werden.
Im Rahmen der fortschreitenden Globalisierung ist eine zunehmende politische Bevormundung der Bürger weltweit zu beobachten. Weitere Angriffe auf die Schweiz, in der die politische Selbstbestimmung und direkte Mitverantwortung des Bürgers noch leben, werden deshalb folgen - von innen und von aussen. Gerade die Kriegsgeneration, der es zu gönnen wäre die Ehre des Alters in Ruhe zu geniessen, könnte noch ein zweites Mal mithelfen, etwas Wertvolles zu erhalten, das sonst vielleicht für immer verloren geht! Das neue Buch von Ferdinand Lips ist ein Beitrag dazu.
Artikel 2: Zeit-Fragen Nr.30 vom 22. 7. 2002, letzte Änderung am 22.7. 2002
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