ftd.de, So, 4.8.2002, 7:00
Börsenausblick: Märkte befürchten Finanzkrise
Von T. Bartz, F. Hofmann, W. Trost, Frankfurt, C. Schwalb, New York
Die Angst vor einer Kreditverknappung wird in dieser Woche die internationalen Finanzmärkte in Atem halten. Befürchtet wird ein"Credit Crunch", bei dem die Geschäftsbanken auf Grund ihrer hohen Anzahl Not leidender Kredite selbst kaum noch Geld verleihen und so die Firmen unter Druck setzen.
"Viele Investoren sind besorgt, dass es zu einer Finanzkrise kommen könnte", sagte Nobuo Date, Bond-Stratege bei United Financial of Japan. Daher stellen sich die Marktteilnehmer an den Rentenmärkten auf weitere Renditerückgänge ein. Nach zuletzt enttäuschenden Konjunkturdaten - vor allem aus den USA - wächst die Angst, dass die Wirtschaft erneut in eine Rezession zurückfällt.
Schon in den vergangenen drei Handelstagen war die Rendite zweijähriger Bundesanleihen um 28 Basispunkte auf 3,41 Prozent abgesackt. Die Rendite zweijähriger US-Treasuries war sogar um 42 Basispunkte auf 2,0 Prozent gefallen. Im zehnjährigen Bereich gaben die Renditen ebenfalls deutlich nach.
Spekulationen über Zinssenkung
Viele Strategen schließen Zinssenkungen der Notenbanken nicht mehr aus. Goldman Sachs teilte am Freitag mit, dass die US-Notenbank die Zinsen wahrscheinlich sogar um insgesamt einen dreiviertel Prozentpunkt auf 1,0 Prozent senken werde. Die in dieser Woche anstehenden Konjunkturdaten dürften wegen der Krisenstimmung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Von Interesse ist der Monatsbericht der EZB am Donnerstag. Darin wird sie ihre Entscheidung vom vergangenen Donnerstag, den Leitzins unverändert bei 3,25 Prozent zu belassen, begründen.
Von den schlechten US-Konjunkturdaten konnte der Euro zuletzt nicht mehr profitieren."Viele Investoren sind gegenwärtig übergewichtet im Euro", sagte ein Händler. Daher dürfte es die Gemeinschaftswährung schwer haben, ihren Aufwärtstrend fortzusetzen. Hinzu käme die Krise in Lateinamerika. So seien europäische Gläubiger in Brasilien stärker engagiert als US-Gläubiger. Eine Verschärfung der Krise würde den Euro daher eher belasten.
Zunehmende Volatilität
Heftige Kursschwankungen werden an den Aktienmärkten erwartet, wo das Anlegervertrauen weiterhin schwer erschüttert ist. Auch die Volatilität nahm ab der Wochenmitte wieder zu, was die noch immer hohe Nervosität der Anleger verdeutlicht. Daran dürfte sich bis zum 14. August kaum etwas ändern. Dann müssen mehr als 900 der größten US-Unternehmen der Börsenaufsicht SEC eidesstattlich versichern, dass ihre Geschäftsabschlüsse korrekt sind.
Bis dahin sind weitere Bilanzierungsskandale wie zuletzt beim US-Telekomkonzern Qwest, der am Donnerstag Quartalszahlen vorlegt, möglich."Das Risiko ist natürlich, dass die Serie schlechter Nachrichten anhält und die Indizes weiter belastet", sagte Aktienstratege Klaus Schlote von Dresdner Kleinwort Wasserstein (DrKW)."Man hofft, dass es besser wird, aber die Hoffnungen wurden in den letzten Wochen immer wieder enttäuscht."
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