Hi Popeye,
schönen Dank für den Hinweis, ich hatte mir dem Material schon gearbeitet.
Es kommt mir auch sehr zu pass, da es durchgehend meine These stützt, dass Herrschaft plus Abgabenzwang erst zu dem geführt haben, was wir privates Wirtschaften nennen. Stets ist eine Macht- oder Abgabenökonomie (Palastwirtschaft, Königswirtschaft, Tempelwirtschaft) Voraussetzung für Kaufleute und Geld und geht ihnen in jedem Fall zeitlich voraus.
Ich darf nur einige Beispiele nehmen:
"Moving from legend to history we find reports in ancient literary sources that Pheidon, king of Argos, introduced a silver coinage possibly as early as the eighth century."
Ob Pheidon Münzen schlagen ließ, ist umstritten, spielt aber keine Rolle. In der neuesten Würdigung dieses Tyrannen (de Libero 1995) lesen wir vom"kriegerischen Wesen dieses argivischen Aristokraten", der die kriegstechnische Neuerung der Hoplitenphalanx eingeführt hatte. Die ihm zugeschriebene (Heraklides) Opferung von Eisenspießen (obeliskoi) an Hera war mit Sicherheit keine Bratspieß-Stiftung.
Herodot und Pasusanias beschreiben Pheidon als hybrisgeleiteten Tyrannen, Ephoros und Plutarch als"eroberungswütig".
Von privaten Kaufleuten nirgends eine Spur. Pheidon selbst wird als ein"Oikosherr" bezeichnet, der in einem"noch reibungslos eingebetteten Adelssystem" eingebettet war, also in ein Herrschaftssystem. Die Oikos-Wirtschaft ist klassische Abgabenwirtschaft.
"The temple <font color="FF0000">issued</font> bits of metal, sometimes in long narrow bars and spits, like the later Greek obeliskoi, sometimes round like our modern coins. Their fineness was guaranteed by the temples, and in proof they were stamped with the head or figure of the god whose temple was the guarantor."
Dies ist genau, worum es geht: Der Tempel hat Metall ausgegeben plus dessen Feinheit garantiert. Dieses Metall kam über das Abgabensystem in den Tempel. Sämtliche Tempelabgaben waren Zwangsabgaben,"religiös überhöht" natürlich. Das hatte schon Bernhard Laum richtig gesehen in seinem vorzüglichen Buch über den religiösen Ursprung des Geldes. Die Tempel dienten später auch als Depot- (Schatz)-Häuser. Laum wird auch im Geldmuseum der Buba ausführlich dargestellt.
"In a strangely ignored note published in the 1989 issue of NABU, F. Joannès, basing himself on ARMT XXV, 815 and a letter to Zimri-Lim (A-486+), shows <font color="FF0000">that Hammurabi paid/rewarded Mari's soldiers with (mysterious) shamshâtum"sun discs", gold rings, silver of 5 or 10 shekels, and small pieces of silver impressed with a seal.</font> The key word here is kaniktum from kanâkum"to mark a seal.""
<font color="0000FF">Genau danach war zu suchen! Die Macht (Hammurabi) bezahlt fremde Truppen mit genormten ersten Geld.</font>
"Laconian cup dated to about 550 BCE. Arcesilas, king of Cyrene, receives an accounting of his goods."
Ein ebenfalls klassische Szene: Es werden Abgaben-Güter (goods) verbucht.
"It is true and unsurprising that officials of palace and temple [and aristocrats e.g., Charaxos of Lesbos, Sostratos of Aigina, Phobos of Phocaia, and Solon (?)] played major roles in the commercial life of the Mediterranean world."
So ist es. Keinerlei Überraschung, dass Palast- und Tempel-Offizielle auftreten. Sie treten bloß nicht zuerst im"commercial life" auf (sämtlich 7./8. Jh.), sondern das (private)"commercial life" hat sich immer erst aus dem (staatlichen)"commerce with troops and weaponry" entwickelt.
"In the cycle of stories about the Kings of Akkad, we find one (in an Akkadian tablet from Amarna and in Hittite fragments), called"King of Battle," in which merchants who are obviously independent, petition Sargon (2334-2279), the founder of the Dynasty, offering to pay his expenses to open the trade routes to the north and northwest."
Hier haben wir private Händler, die nicht handeln konnten, weil eine Macht ihnen die Handelswege versperrte. Woraus folgt, dass"offene" Handelswege zeitlich erst nach dem Einsatz von Macht geschaffen werden konnten.
"The evidence summarized below is derived mainly from New Kingdom sources. I have not yet found strong evidence of specialized nonroyal merchants for earlier periods. There is, however, evidence of noninstitutional commercial activity."
Im Alten Königreich Ägyptens existierten also offenbar keine"nonroyal merchants". Dass im Alten Königreich Macht und Abgaben existiert haben, kann nicht bestritten werden.
"In extolling the life of the scribe, Papyrus Lansing (4.8-10), a text dated to 1350-1200, recounts that"the merchants [shewtyew] fare downstream and upstream and are as busy as copper [see TOPIC III.4], carrying wares (from) one town to another and supplying him who has not, <font color="FF0000">although the tax-people carry (exact?) gold,</font> the most precious of all minerals" (Blackman and Peet; Caminos; Castle). [Menu has recently related shewety to shewet and translates it literally as"the one of the <font color="FF0000">lack</font>".] There is no indication whatever that the busy shewtyew are royal merchants. Moreover, if the merchants were subject to the tax-collector it is hardly possible that they were royal employees. Of course, the text does not specify that the gold"carried" by the tax-collectors was exacted from the shewtyew. But what then, in a composition dedicated to the advantages of the scribal profession, would be the point of the contrast between merchants and tax-collectors, and from whom did the tax-people obtain the gold?"
Genau diese Frage beantwortet der Kreislauf der Macht: Die Macht erklärt die ihr zu leistenden Abgaben (Gold hier) zu Geld, was an die Macht-Elite verteilt wird und von dort wieder zu den"tax-people" gelangt und von dort wieder an die Macht (wenn das Gold nicht in den Staats-Minen gefördert wird).
<font color="0000FF">Die Übersetzung der Kaufleute als Leute, die Mangel haben ("to lack") ist absolut verblüffend, nicht wahr? Sie passt perfekt in das Modell, wonach Kaufleute nicht etwa aus einer Überschuss-Lage heraus"tauschen", sondern dringend nach dem suchen, wonach Mangel herrscht - eben dem Abgabenmittel!</font>
"May we hope for a text which states <font color="FF0000">that an individual was a merchant who was NOT employed by palace (or temple) </font>and shows that he operated on a"large scale"?"
Auf diesen Text werden wir vergeblich warten. Es gibt ihn nicht.
"Mycenaean Crete and mainland Greece, which, for good reason, have become the last stronghold of the"redistributional economy" and the epitome of the palace economy. With respect to the palatial economies of the mid-second millennium, it is well to note the limitations of the evidence provided by the Linear B tablets. The main archives from Knossos and Pylos cover only one year and do not cover significant sectors of the regional economy."
Mykene und Griechenland waren in der Tat die letzten Hochburgen der Abgaben- und Palastwirtschaft, jedenfalls von Osten her gesehen (weiter westliche Abgaben- und Palastwirtschaft wie jene in Mittel- und Südamerika waren erst noch durch Kolumbus, Cortez, Pizarro & Cie. zu entdecken).
Erst nach der Beseitigung dieser Produktionsformen konnte sich im berühmtem"revolutionären Schub" (siehe ausführlich Heinsohn/Steiger) das Privateigentum (aus verteiltem Oikos-Eigentum) entwickeln.
Und dann erst konnten Kredit, Geld, Zins, Märkte, Preise usw. entstehen.
Das Material, das sich unter dem Link verbirgt, ist aller erste Klasse. Dass man den Wunsch,"irgendetwas Privates" vor der Zwangs- und Abgabenwirtschaft zu entdecken, durchgehend verspürt, tut dem Material selbst keinen Abbruch, nur seiner Interpretation. Jede Interpretation kann - zumal in diesem Fall - unschwer verbessert werden.
Gruß!
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>Hallo, dottore, - nur zur Klastellung:
>In dem - für mich sehr interessanten - Disput zwischen @Galiani und Dir habe ich noch keine so überzeugenden Argumente/Tatsachen auf der einen oder anderen Seite gefunden, dass ich bezüglich der Prioritäten Stellung beziehen könnte. Der gepostete Link war nur ein Suchergebnis (von vielen nicht-geposteten), der soviel Substanz/Fakten hatte, dass er einer Diskussion/Analyse wert schien.
Dieser Link ist der beste von allen mir bekannten zu der Genese dessen, was uns heute unentwegt umtreibt - die Frage nämlich:
"Warum wird gewirtschaftet und nicht vielmehr nicht?"
>Unabhängig davon frage ich mich auch, welchen Erkenntnisgewinn die Frage der Priorität von Geld oder Macht/Abgaben für die Erklärung des einen oder des anderen bringen würde.
Der Erkenntnisgewinn liegt darin, dass eine Wirtschaft und sei sie noch so"frei" unter den Bedingungen der Macht in die Knie gezwungen wird. Galiani hat mit seinen Lobpreisungen der freien Wirtschaft völlig Recht. In diesem Thema stehe ich sogar weit"rechts" von ihm.
Nur ist mir inzwischen klar geworden, dass jede noch so freie Wirtschaft unter Staats- und Zwangsbedingungen in den Abgrund geht. Oder anders: Wer sich über"Krisen" wundert, hat nicht genau oder lange genug nachgedacht.
Dass Krisen, noch dazu schwere deflationäre Depressionen überaus ekelhaft sind, in Ablauf und Folgen, muss ich nicht hervorheben.
>Schon allein die Tatsache, dass die (Staats-)Macht das Geldwesen seit der ersten Münzstätte usurpiert und als Machtinstrument mißbraucht hat, signalisiert die Bedeutung des von Dir aufgeworfenen Themas.
Das Thema scheint zunächst rein akademischer Natur zu sein. Es betrifft aber unglückseligerweise alle Menschen, die heute leben. Das Problem ist: Die Menschen werden von der mainstream-Ã-konomie nicht über das informiert, was Sache ist.
>OT: Offenbar haben wir einen gemeinsamen Bekannten/Freund: Dr. Friedrich Th...., Bonn!?
Ja, den kenne ich bestens. Den alten"Preußen".
>Hast Du schon entschieden, was Du mit Deiner Büchersammlung machst?
Das meiste ist bereits verkauft. Wer meinen José de la Vega ("Confusion de las Confusiones", erstes Buch über die Börse, ausgestellt gewesen in Ochsenfurt) sehen will, müsste ihn jetzt über Quaritch, London kaufen (falls dort noch vorhanden). Als Preis wird im Quaritch-Katalog"On Risk" dafür ein"P.O.A." genannt. Ein Adam Smith (EA), den Quaritch anbietet, wird mit 70.000 Pfund ausgepreist.
Meine Luther- und Bauerkriegssammlung ist ebenfalls zum größten Teil verkauft. Das einzig existente Ex. der 12 Artikel, Druckort Reutlingen, ging für 24' € weg, der erste Bericht über die Enthauptung des Thomas Morus (auch nur dieses Ex.) für 14' €.
Vieles"Sammelwürdige" werde ich behalten (Autographen, seltene Drucke zum Thema Geld und Münze, frühe Mathematik in der Ã-konomie, frühe Drucke zum Thema Zins usw.). Die"große" Bibliothek selbstverständlich auch (wohl ca. noch 14.000 Titel).
>Ich überlege meine in eine Stiftung einzubringen. Wenn dies ein Thema für Dich sein könnte, laß es mich über JüKü/ELLI wissen.
Natürlich ist das ein tolles Thema! Leider habe ich keine Ahnung, was in der Sammlung alles steckt.
JüKü kann gern meine Mail-Adresse weiter reichen.
Gruß!
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