-->Gerichtsverfahren
Erben droht ein Steuer-Schock
Erben von Grundstücken, Unternehmen und landwirtschaftlichem Grund müssen mit drastischen Steuererhöhungen rechnen: Der Bundesfinanzhof hält die derzeitige Berechnung der Erbschaftssteuer für grundgesetzwidrig und hat das Verfassungsgericht angerufen.
München/Berlin - Die Prüfung vor dem höchsten deutschen Gericht droht in der SPD alte Gräben wieder aufzureißen. Bisher nämlich hat Finanzminister Hans Eichel sich gegen eine Reform der Erbschaftssteuer gesträubt. Der Zorn der Wähler schien garantiert, wenn die Steuern für bestimmte Erbgüter, vor allem Immobilien, steigen. Außerdem profitieren von der Erbschaftssteuer allein die Länder. Eichels Parteigenossin Heide Simonis, Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, hingegen will Erben von Immobilien-Großbesitz stärker zur Kasse bitten. Mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative ist sie 2001 gescheitert.
Nun aber könnte die Politik um eine Änderung des Bewertungsgesetzes für die Erbschaftssteuer nicht mehr herumkommen. Denn die derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschafts- und Schenkungssteuer könnten gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen. Das hat der Bundesfinanzhofs (BFH) in einem Beschluss befunden, über den zuerst das"Handelsblatt" berichtete und den ein BFH-Sprecher inzwischen bestätigte.
Derzeit werden Betriebs- und Grundstücksvermögen im Vergleich zu Geldvermögen bei Erbschaften und Schenkungen wesentlich niedriger besteuert. Nach BFH-Angaben werden zum Beispiel bei bebauten Grundstücken lediglich auf 60 Prozent des tatsächlichen Wertes (Verkehrswert) oder noch deutlich weniger Steuern erhoben. Diese Praxis sei nicht ganz verkehrt, da der Erhalt von Firmen und Immobilien sozial wünschenswert sei, erläuterte der BFH-Sprecher:"Die Gerechtigkeitslücke ist nach unserer Meinung aber zu groß". Auch Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftliches Vermögen werden bei der Berechnung der Erbschaftssteuer gängigerweise deutlich niedriger als der tatsächliche Marktwert bewertet.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird wohl mindestens zwei bis drei Jahre auf sich warten lassen. Bis dahin ist ein laufendes Verfahren am BFH ausgesetzt. Die Besteuerung aller Erbschaften und Schenkungen würde so lange unter den Vorbehalt einer so genannten Anwendungssperre fallen, sagte der BFH-Sprecher.
Eichel und die Mitarbeiter seines Ministeriums halten die derzeitige Praxis nach früheren Angaben aus Gründen des Gemeinwohls für gerechtfertigt. An Grundstücke und Immobilienwerte seien häufig Wohnrechte und andere soziale Verpflichtungen gekoppelt seien, die sich in der Bewertung niederschlagen sollten. Das Betriebsvermögen dürfe nicht durch das Erbschafts- und Steuerrecht gefährdet werden, da von ihm der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Existenz der Unternehmens abhängen würden.
--------------------------------------------------------------------------------
© SPIEGEL ONLINE 2002
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet AG
<ul> ~ http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,209422,00.html </ul>
|