-->Welche Rolle spielte der Glaube der Anleger beim Anstieg der Aktienmärkte in den 90-er Jahren?
Antwort:
Das Wort Glaube ist m.E. nicht der rechte Ausdruck, ist er doch die innere Berührung und Gewissheit für eine Kraft, die man nicht sieht (Paulus).
Aber Sie haben schon recht, es bestand eine wesentliche Annahme und Erwartungshaltung bei allen Anlegern, die in dem Maße wuchs, als an der Börse, insbesondere am Neuen Markt extreme Kursgewinne (Mobilcom, EMTV) erzielt wurden. Warum nicht daran teilnehmen, zumal alles: Geldzuflüsse an den Markt, Werbung (neue TV-Sendungen und Sender wie Bloomberg, n-tv, N24, Sat 1 und in den traditionellen Sendern dieses Thema aufnahmen), wirtschaftlicher Aufschwung, u.s.w. dafür sprachen. Die Erwartungshaltung („Glaube“) schnelle und müheloser Gewinne zu erzielen war deshalb nur zu gerechtfertigt und stieg mit den Kursen steil an: Die Hausse nährt die Hausse.
Wie konnte die riesige Spekulationsblase der letzten Jahre entstehen?
War es die Gier, die Hoffnung der Anleger auf schnellen Reichtum oder stecken geldpolitische Faktoren dahinter?
Antwort:
Diese Frage lässt sich, wie bei allen Prozesse im gesellschaftlichen Leben, leider nicht auf eindimensionale Faktoren zurückführen, sondern ist sehr vielgestaltig.
Sicherlich war der Faktor Gier oder hohe Gewinnerwartung anwesend, dies aber auch - wie oben beschrieben - zurecht. Hinzu kamen vor allem die hohen angesammelten Geldvermögen auf Seiten der privaten und institutionellen Anleger hinzu, die nur noch auf die am meisten „ver-sprechenden“ Marktsegmente gelenkt werden mussten. Der gesellschaftliche Wahn, in ein neues Wirtschaftszeitalter (new economy) eingetreten zu sein, wo Internet, Kommunikationsindustrie und Gentechnologie endlose Gewinne verhießen, wiewohl ein Blick in die Geschichte das Gegenteil offenbarte: Die Erfindung und der Aufbau der Eisenbahnen, der Automobilindustrie, des Radios brachten zwar das Durchsetzen der neuen Technologie, nicht jedoch nachhaltig bleibende oder gar wachsende Gewinne für die Erstinvestoren, sondern es kam zu jeweils eingreifenden Konsolidierungsprozessen, obwohl sich die neuen Techniken letztlich durchsetzten. Das Entstehen einer allgemeinen Spekulationsblase gründet somit stets auf einer allgemeinen, jeweils zeitbedingten gesellschaftlichen Illusion, die sich epidemieartig ausbreitet und immer wieder zu ihren Ursprüngen, d.h. in die Realität zurückgeführt wird.
Viele Menschen hoffen nun, dass sie ihre erlittenen Verluste ausbessern können. Sehen sie diese Hoffnung begründet?
Antwort:
Hoffnung ist bekanntlich diejenige Kraft, die den Menschen zuletzt verlässt. Und das ist gut so. Aber nur das Portfolio so zu behalten, wie es nun mal ist, dürfte eine ziemlich unintelligente Verhaltensweise sein. Es ist eine Irrlehre, dass die Märkte langfristig immer stiegen. Der Anstieg ist zwar eine durchaus lange Phase eines noch größeren Zyklus, der jedoch auch den Rückgang umfasst, wie die Jahreszeiten. Der intelligente Anleger kann und muß daher Ausschau halten, welche gesellschaftlichen Bereiche nicht einem Winter entgegengehen. Zu erwarten, dass einem dies der Bankberater oder gar das Fernsehen verrate ist gefehlt, diese wissen es - eingebunden ins tägliche Geschäft - mit Sicherheit erst im Endstadium, wenn es zu spät ist. Der kontraktive Zyklus wird sich - wenn auch keineswegs liniear, sondern mit kräftigen Markterholungen unterbrochen, von denen wir höchstwahrscheinlich noch vor Jahresende eine erwarten dürfen, noch über viele Jahre hinziehen. Als wichtigsten Rat würde ich nennen: Schulden - so irgend möglich - zu meiden, also auch unter keinen Umständen Anlagegeschäfte auf Kredit zu tätigen. Ein hohes Maß an liquiden Mitteln und erstklassigen Forderungen und bis zu 25% in Gold sowie erstklassigen Goldminen zu investieren. Die Kunst in dem seit Anfang 2000 (also keineswegs erst mit dem durch eine unaufrichtige Berichterstattung genannten 11. September 2001) begonnenen Abwärtszyklus wird sein, Vermögen zu erhalten, nicht weiter zu verlieren und gewiß nicht für die Masse der Investoren neue Vermögen zu schaffen. Letzteres geht für die Mehrzahl der institutionellen wie privaten Anleger nur in sekularen Haussezeiten.
Wiederholt sprechen Experten von einer drohenden Deflation. Was bedeutet Deflation und was hat die Psyche der Anleger und auch der Konsumenten damit zu tun?
Antwort:
Die Furcht vor einer Deflation, d.h. einem Sinken der Preise aller Güter, ist durchaus verständlich. (Der Begriff Deflation wird also NICHT an die Geldmenge geknüpft, sondern in der modernen Wirtschaftstheorie an die Preise).
Man sollte hier jedoch genauer hinsehen: Es fallen bereits die Preise derjenigen Güter, die nicht monopolartig bestimmt sind und die stark nachfragebeeinflusst sind. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin so sein. Gleichzeitig steigen jedoch Preise für hoheitlich regulierte Güter (Gebühren und Abgaben aller Art, wie Müllabfuhr, Wasser, etc.) sowie Nahrungsmittel und Energie. Der Saldo der Anstiege und Preisminderung kommt dann im Lebenshaltungskostenindex zum Ausdruck. Bei Größen um 1% und darunter darf mit Sicherheit eine kontraktive, d.h. real schrumpfende Wirtschaft angenommen werden.
Angesichts einer rückläufigen Wirtschaft und damit gefährdeter Arbeitsplätze wird die Lust auf Geldausgaben (Konsum) und Investitionen aller Art gebremst. Die Neigung der Banken und Sparkassen zur Vergabe von neuen, zusätzlichen Krediten, die durch das Basel II - Abkommen bereits reduziert ist, wird weiter gebremst, zumal ungewisser erscheint, ob sie ihr Geld wiedersehen werden.
Deshalb wird die durch die erlittenen Kurs- und Vermögensverluste bereits lädierte Psyche der privaten und institutionellen Anleger weiter belastet werden. Ein nachhaltiger Umschwung ist nicht in Sicht, zumal die öffentlichen Hände (Staat, Länder, Gemeinden) wegen der über Jahrzehnte reichenden verantwortungslosen Ausgaben = Verschwendungspolitik der Herren Politiker (Konservative wie Sozialisten) nicht in die Bresche springen können, selbst wenn sie wollten. Die Grenzen der Verschuldungsmöglichkeiten sind nämlich allenthalben bereits weitestgehend erreicht oder sogar bereits überschritten (France Telecom, Vivendi, Mobilcom etc.).
Wie schätzen sie persönlich die Entwicklung der nächsten Jahre ein?
Der seit Ende 1999 von absehbare Umschwung schreitet allmählich voran. Er geht allerdings in der Realwirtschaft viel langsamer als im Kopf antizipiert. Aber der untere Wendepunkt dieses Zyklus wird noch viele Jahre auf sich warten lassen. Eine einfache Überlegung lässt dies erkennen: Die Summe aller Schulden in einem Land entspricht der Summe aller Guthaben, das ist zwingend. Es gibt kein Netto-Geld seit es keine goldgedeckten Währungen mehr gibt. Wenn nun aufgrund der beschriebenen Faktoren die Verschuldungsmöglichkeit und Verschuldungsbereitschaft der Staaten, der Wirtschaft wie der Privaten gesunken ist und weiter sinken wird, werden zwangsläufig auch die Guthaben stagnieren und schrumpfen müssen. Der Anfang dazu ist weltweit bereits gemacht, wenngleich der Privatinvestor unmittelbar noch wenig davon mitbekommen hat. Zumindest indirekt ist er jedoch bereits betroffen: Immer mehr Anleihen und Kredite wurden und werden weltweit notleidend. Lebensversicherungen und Pensionsfonds können deshalb Leistungszusagen in der Höhe der vorangegangenen Jahre nicht mehr aufrechterhalten. Sogar ganze Staaten werden insolvent (Argentinien). Dieser Prozess der Forderungsvernichtung infolge Schuldnerinsolvenz ist noch weit von seinem Höhepunkt entfernt. Japan kämpft bereits seit über 10 Jahren mit einem deflationären Prozess und hat noch immer nicht den Wendepunkt erreicht. Jetzt kauft die japanische Notenbank in einem Akt der Verzweiflung bereits Aktien aus den Beständen der schwer angeschlagenen Banken auf und riskiert das eigene Good Standing. Auch in den USA und Europa befinden sich die Banken (neben den Versicherungen) in einer schweren Krise, deren Höhepunkt noch längst nicht erreicht ist. So manche Bank ist bereits überschuldet und weiß es noch nicht, bzw. die politische und gesellschaftliche Ã-ffentlichkeit will es nicht wahrnehmen, sic. Berliner Bankgesellschaft.
Und vor allem der amerikanische Konsument ist als Folge des Konsumbooms auf Pump mit einer Verschuldung der Wohnimmobilien bis unter den Schornstein hochgradig verschuldet, wodurch dem bereits angeschlagenen Kreditsystem auch von dieser Seite Gefahr droht.
Die unter Politikern beliebtere Bereinigungs-Alternative durch eine beschleunigte Inflation zur Entwertung der Schulden (und damit der Guthaben) zu gelangen wird sich angesichts des bereits in Gang gekommenen gegenteiligen Prozesses nur sehr schwer durchsetzen lassen und wird bis dato überdies durch zahlreiche institutionalisierte Bremsen (Maastricht-Kriterien, Zentralbankpolitik u.a.) verhindert.
Das alles ist jedoch kein Grund zum Pessimismus. Ent-täuschungen haben stets auch ihre guten Seiten, man wird nämlich der Täuschung und lange gehegter Illusionen ledig. Die Gesellschaft wird zwar in einem teilweise schmerzlichen Prozess zu solideren finanzwirtschaftlichen Grundsätzen zurückfinden, das wird ihr aber zum Vorteil gereichen und mehr Stabilität bringen, sofern dieser Gesundungsprozess vor allem von den noch immer voller Illusionen und in Unkenntnis befangenen Politikern endlich bejaht wird. Die Fortsetzung der falschen Finanz- und Wirtschaftspolitik in Richtung weitere Bevormundung und Regulierung durch den Staat und zu lasten künftiger Generationen und das Hinüberführen der Wirtschaft in eine Staatswirtschaft wird den bereits eingesetzten Prozess allenfalls verzögern, mit Sicherheit jedoch letztlich äußerst tiefgreifend verschärfen, sodass es am Ende zu sehr unerwünschten; d.h. chaotischen Verwerfungen kommen muss.
Aktien-Anlagen zum Hinlegen wird es erst dann wieder geben, wenn das Kurs/Gewinnverhältnis für das laufende und die kommenden Jahre im Einstelligen Bereich liegen und die nachhaltige (!) Dividendenrendite über der Rendite der Sparbücher in Nähe der Kapitalmarktrendite zu liegen kommen wird. Für risikofreudige Anleger wird es während der kommenden Jahre jedoch keine Langeweile, sondern zahlreiche Gelegenheiten geben sich an den Aktienmärkte nach beiden Seiten hin zu engagieren, immer in dem Bewusstsein: die große Trendwende nach oben steht noch lange aus und deshalb wird ein sehr konsequentes Risikomanagement vorgenommenwerden müssen.
A.
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-->>Welche Rolle spielte der Glaube der Anleger beim Anstieg der Aktienmärkte in den 90-er Jahren?
und
>Wie konnte die riesige Spekulationsblase der letzten Jahre entstehen?
>War es die Gier, die Hoffnung der Anleger auf schnellen Reichtum oder stecken geldpolitische Faktoren dahinter?
Siehe hierzu"Jesse Livermoore, Reminiscence of a Stock Operator" - also im Gegensatz zur Medienmeinung kein einzigartiges Phänomen, sondern ein immer wiederkehrendes einfaches Muster, das unter Ausblendung des Wortes"RISIKO-Papiere" die HOFFNUNG auf schnellen Reichtum bei einer Vielzahl von noch eher unbedarften Anlegern plötzlich und am Ende einer längeren Haussephase ansteigen läßt. Erst auf die Hoffnung folgt dann ein"Glaube" - der darin besteht, daß eben nicht auf die eigenen Illusionen reingefallen ist und sich nun weigert, Konsequenzen in Form eines schnellen Ausstiegs zu ziehen. Trotz offensichtlichem Ende der Zeit der"Unendlichen Leichtigkeit des Geldanlegens" (treffender Buchtitel:-) Daß (diesmal) der Bund mit seinen Emissionen und die Massenmedien das Thema weit und reißerisch verbreiteten, wiederholt sich dabei ebenso zyklisch wie die folgende"Umschichtung" von Wertpapierbeständen (mit hohen Gewinnen) von erfahrenen hin zu unerfahrenen Anlegern - die sich damit den folgenden Verlust einhandeln. Das war schon in der Tulpenzwiebelhausse vor vielen Jahrhunderten in Holland das gleiche einfache Muster. Wer zu spät (und viel zu hoch) einsteigt, den bestraft das Leben.
Die Spekulationsblase war nicht soo riesig, wenn man Mittelwert-Momentum auf Jahresbasis vergleicht. Hinzu kam jedoch der Abschwung der Weltwirtschaft und die Veränderung bisher langfristig stabiler politischer und gesellschaftlicher Strukturen, das bekannte"Ende der Nachkriegszeit" und ihrer bisherigen Ordnung. dazu zeitweise ein Finanzminister, der das Wirtschaftsministerium zur Bedeutungslosigkeit degradiert und ein Verteidigungsminister, der schon ohne jede Feindeinwirkung vom Radl und danach direkt in den Pool fällt. Außerdem die"Gutmenschenbewegung" mit ihren vielen Lebens-Ängsten und politischen Illusionen. Insofern ist nur die Dauer der Baisse diesmal etwas länger als bisher gewohnt.
Die"New Economy" und die damit verbundenen völlig übertriebenen Illusionen stellen auch kein"neues" Phänomen dar - in regelmäßigen Abständen wiederholt sich in der Geschichte"etwas absolut völlig Neues" - was scheinbar die bisher geltenden Gesetze außer Kraft setzt. Beispiel: Dauerhaft schwankungsfreies hohes Wachstum in der New Economy". Nur die"alten Markt-Gesetze" wollen sich einfach nie dran halten - sodaß die Illusion schnell wieder zerplatzt. Total übertriebene Wachstums-Chancen mutieren schnell zur"Cash-Burning-Rate". Tücke der blanken Prozentrechnung: von 1 Cent Unternehmens-Gewinn auf deren 3 sind schwer beeindruckende 200 % Ertragswachstum - wird die See rauher, ist nicht nur der ganze Kleckerbetrag schnell weg, sondern es entstehen unbegrenzte Verluste. Und die vielen schönen BioTec-Ideen hatten auch einen dummen Nachteil: der menschliche Körper will einfach nicht so schön mitmachen, wie man sich das gedacht hatte...
>Viele Menschen hoffen nun, dass sie ihre erlittenen Verluste ausbessern können. Sehen sie diese Hoffnung begründet?
Was die (angeblich)"Neuen Märkte" angeht - niemals. Und im konventionellen Bereich nur sehr sehr langsam. Die Verluste sind ja oft NICHT erlitten - sondern (angeblich) nur (!) Buchverluste. Ein Fehler nährt den nächsten. Wer nicht rechtzeitig verkauft oder schlicht und einfach abgesichert (!) hat, entwickelt eine gewisse"momentumbedingte Gewöhnung" an den katastrophalen Zustand des eigenen Depots. Dazu kommt, daß das Realisieren von Verlusten mit fallendem Kurs immer schmerzhafter wird - und am Ende in die Gefahr führt, doch zum Ende der Baisse entnervt auszusteigen. Damit wäre das"klassische Muster" des"immer Falsch-liegens" dann vollends erfüllt. Rational ist dies bekannt und überall nachzulesen - emotional ist es jedoch für viele sehr schwer zu vermeiden. Also jenseits der gängigen"Massenmeinung" selbst antizyklisch zu handeln. Oder Verluste konsequent zu vermeiden, statt aussitzenderweise auf"Entschädigung vom Markt" zu hoffen und zu warten...
Grundsätzlich steigen Aktienmärkte schon langfristig - aber eben zeitlich bei weitem nicht"immer". Das Timing ist das entscheidende - und hier liegt die weniger erfahrene Gruppe immer falsch. Die meisten Märkte laufen langfristig eher viel zeit seitwärts, nur wer die vergleichsweise kurzen Abschnitte der starken Auf- und Abwärtsbewegungen nutzt, kann überdurchschnittlich verdienen. Wer seine Informationen aus der"öffentlichen Meinung" bezieht, läuft immer den Trends hinterher und geht zum falschesten Zeitpunkt in oder aus dem verkehrten Markt. Und sitzt am Tief bestenfalls auf Aktien statt Cash - oder geht schlimmstenfalls erstmal nach Hause, um am nächsten Hoch wieder einzusteigen.
"Die Hoffnung stirbt als letztes" - erfahrenen Investoren hegen jedoch keine oder weniger Hoffnungen. In dem Sinn fehlt den Aktienmärkten immernoch der"öffentliche Pessimismus" - oder ein Sell-Off mit hohen Umsätzen. Zwar muß dieser nicht zwangsläufig oder sofort kommen, eine längere Bearmarket-Rally könnte der Hoffnung sogar weitere Nahrung geben. Letztendlich gilt aber, je stärker der Kursverfall, desto kräftiger, sicherer und länger die darauf folgende Erholung. Oder vice versa: Je mehr der markt stabilisiert wird, desto mehr verringert dies die Chancen auf einen stärkeren Wieder-Anstieg. Da Kurse nicht vom Warten und Hoffen (auf ramponierten Depots) ansteigen, sondern nur durch agressive Käufe (aus realen Cashbeständen).
>Wiederholt sprechen Experten von einer drohenden Deflation. Was bedeutet Deflation und was hat die Psyche der Anleger und auch der Konsumenten damit zu tun?
Wenn man die jahrelangen Preisverfälle vieler Güter, Dienstleistungen und Rohstoffe betrachtet, ist Deflation längst vorhanden. Mieten, Telekom, vor allem aber die Lebensmittelpreise - beim Vergleich zu der Zahl von Arbeitsminuten, die pro kg Fleisch o.ä. erbracht werden muß. Egal auch ob Waschmaschine oder PC, aus einer"ersparten (!) Anschaffung für viele Jahre" sind Mitnahme-Artikel im Supermarkt geworden, selbst gewisse"Pkw" wurden schon an der Käsetheke angeboten, was später die Gerichte beschäftigte:-)
Durch"Sondereffekte" von Ã-kosteuer über Euro-Einführung bis zur Verteuerung von Energie durch Kriegsängste (ebenso Grains, Kaffe, Kakao, Zucker) gibt sich die deflationäre Tendenz eher"verschleiert".
In jedem Fall macht in einer Deflationären Zeit das"Abwarten" mehr Sinn als das Kaufen - jeder hat wohl selbst schon erlebt, daß Mode oder Farbfernseher 3 Monate nach dem Kauf noch viel billiger verramscht wurde. Preissenkungen und Rabatte wirken (unbewußt) sogar kaufbremsend - schließlich ist zu vermuten, daß demnächst alles noch etwas billiger zu haben sein wird. Die Konsumneigung läßt also nach, was wiederum zu hoffnungsfrohen neuen Lock-Angeboten führt und die Spirale ingang hält. Günstige Kreditkonditionen sollen den Umsatz ankurbeln, verschieben das Problem aber nur in die direkte Zukunft durch vorgezogenen Käufe auf Kredit. Der Preiskampf führt zu wirtschaftlich recht sinnlosen Aktivitäten - wie den Flugtickets für 7 (!!!) Euro - wer sich traut, kann aber seinen Spaß jetzt sehr billig haben. Nur - viele trauen sich dann eben grade nicht... z.B. den verlorenen"Restwert" eines hoffnungslosen Neuen-Markt-Engagements fröhlich zu verjubeln. Hoffnung und Angst gehen scheints oft Hand in Hand... ebenso aber Realismus und Optimismus.
Parallel dazu entdeckt der Finanzminister noch, wie man ein altes Sprichwort konterkarieren kann und startet Versuche unter dem Motto"Spare in der Not":-)
>Wie schätzen sie persönlich die Entwicklung der nächsten Jahre ein?
Die etwa 1990 begonnene Entwicklung der Auflösung der direkt nach dem Krieg entstandenen lange stabilen Strukturen hin zu einer noch nicht klar definierten Neu-Ordnung der"Weltverhältnisse" wird weiter für Spannungen und Turbulenzen sorgen - verstärkt zwischen"Alter" und"Neuer Welt". Europa hat mit den Problemen der jahrelang etablierten eigenen Ungleichgewichte reichlich zu tun und scheint die schwächeren Karten zu haben. Hinzu kommt die starre überbordende Eurobürokratie und die"depressive Verstimmung" und Angst vor Veränderungen, eine"natürliche Lähmung" durch Staatsschulden und hohen Bedarf für Osteuropa und eine schwache interessengruppendominierte Politik.
Besonders Deutschland wird sich schwertun. Der deutsche Anleger mit den Folgen des schwachsinnigen"Salto Mortale vom Bundesschatz- oder Pfandbrief direkt in den NEMAX" unter Auslassung des normalen Erfahrungswachstums. Der deutsche Bürger allgemein mit dem Ende des"verantwortungslosen Kindergartendaseins" unter alliierter Oberaufsicht. Hatte man sich doch so schön daran gewöhnt, über Jahrzehnte hauptsächlich mit dem"deutschen Problem", der eigenen Befindlichkeit und den Segnungen des Wirtschaftswunders beschäftigt sein zu dürfen - und nun plötzlich die Konfrontation mit der seit Urzeiten so unfriedlichen Realität des übrigen Weltgeschehens. Und eigene Verantwortung, gar eigene Beteiligung an diesem Weltgeschehen wird offenbar auch noch erwartet. Und die"deutsche Vergangenheit" kommt auch noch dazu und wieder hoch: Wie war das nochmal - wir waren immer die Bösen, die anderen die Guten - und heute sind wir die Guten und alle anderen planen nur Böses? Alle wollen die Macht, bloß wir nicht? Und alle spielen mit bösartigem Zeug herum, daß Deutschland selbst mal erfunden hat. Da heißt es aber, die Zipfelmütze tief über Augen und Ohren ziehen für den neuen deutschen Michel 2000...
Also sehr bedrohlich und grauslich:-) und deshalb alles eher zäh und langsam - auch mit den Aktienkursen. Wer nach"dauerhaften Sicherheiten" sucht, wird sich schwer mühen müssen - wer antizyklisch seinen Spaß haben will, findet trotzdem und erst recht reichlich Möglichkeiten...
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