-->DOCKARBEITER-STREIK
Bushs Gefecht mit den letzten Marxisten
Von Matthias Streitz
Mit seinem Machtwort im Hafen-Arbeitskampf hat US-Präsident Bush eine der letzten starken Gewerkschaften des Landes empfindlich getroffen, die ILWU. Jahrzehntelang hat sie die absurdesten Privilegien konserviert. Nun droht ihr das Schicksal der anderen US-Gewerkschaften - die Bedeutungslosigkeit.
San Francisco: Gerichtsentscheid über Hafenstreik
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Ausgesperrter Arbeiter vor dem Hafen von Long Beach: Die 80-tägige, erzwungene"Abkühlperiode" dürfte reichen, die Gewerkschaft zu einer Einigung zu zwingen
Washington/Los Angeles - Ausgerechnet im Hafen von Los Angeles steht er, der Tempel des Sozialismus. Eine Märtyrer-Gedächtnishalle, errichtet von der Dockarbeiter-Gewerkschaft ILWU. Hier wird an den blutigen Streik des Jahres 1934 erinnert, bei dem zwei"Brüder" erschossen, vier weitere erschlagen wurden. Wer es in der Halle an Ehrfurcht mangeln lässt, der büßt dafür. 50 Dollar Strafe muss zum Beispiel jeder in die Gewerkschaftskasse geben, der sich hier mit einer Baseball-Mütze auf dem Arbeiterschädel erwischen lässt.
IN SPIEGEL ONLINE
· Milliardenschaden: Bush erzwingt Ã-ffnung der Häfen (09.10.2002)
· Milliardenverluste: Westküsten-Blockade sorgt für Panik (04.10.2002)
· US-Wirtschaft: Der milliardenteure Hafen-Stillstand (01.10.2002)
· US-Hafenblockade: Bush greift ein und droht (07.10.2002)
Seit den dreißiger Jahren, denen die Tempelwächter gedenken, wurde die"International Longshore and Warehouse Union" zu dem, was sie heute ist: Eine der eigenwilligsten und mächtigsten Gewerkschaften Amerikas. Die Rentenbezüge der Mitglieder liegen auf Rekordniveau, ähnlich die Gehälter. Mit Überstunden kommt ein"Longshoreman" auf über 100.000 Dollar im Jahr, ein Vorarbeiter kassiert Zehntausende mehr. In ILWU-Büros hängt noch immer das Foto des Gewerkschaftsgründers, Harry Bridges. Der gebürtige Australier wurde fünf Mal des Landes verwiesen, war bekennender Marxist. Trotzdem zahlen die Arbeitgeber an Bridges' Geburtstag einen 50-prozentigen Feiertagszuschlag, weil es die ILWU so will.
Kampf gegen Bush und die Zeit
Bereits in den nächsten Wochen könnte sich aber entscheiden, ob die"Brothers" und"Sisters" Abschied nehmen müssen von Privilegienkultur und anachronistischen Riten. Denn das Eingreifen des US-Präsidenten in den Dockarbeiter-Konflikt hat der ILWU einen Schlag verpasst, zu dem ihr Arbeitgeberverband PMA alleine nie fähig gewesen wäre. Der Arbeitskampf, der vom Bummelstreik zur Aussperrung eskalierte, alle 29 Häfen der US-Westküste lahm legte und die US-Wirtschaft nach Arbeitgeberangaben über zehn Milliarden Dollar kostete, ist nach anderthalb Wochen vorerst beendet. Der letzte große Streik 1971 hatte noch über 130 Tage gedauert.
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Interventionist Bush: Schon 2001 einen Streik durch präsidentielles Veto verhindert
Nicht, dass alles schon vorbei wäre. Die Intervention des Präsidenten sorgt, vorbehaltlich einer weiteren gerichtlichen Zustimmung, nur für eine 80-tägige"Abkühlpause", in der in den Häfen zwischen Seattle und San Diego wieder be- und entladen wird. Danach kann der Konflikt abermals aufflammen - und ganz unwahrscheinlich ist das nicht. Schließlich endeten monatelange Verhandlungen ergebnislos, nachdem der Tarifvertrag Anfang Juli ausgelaufen war. Doch in zwei Drittel der Fälle bringt die Anwendung des Taft-Hartley-Gesetzes, auf das sich Bush beruft, das erhoffte Ergebnis: einen Kompromiss. Der dürfte nach Meinung der meisten Beobachter in diesem Fall zu Lasten der Dockarbeiter ausfallen. Und die kämpfen nicht nur gegen die Arbeitgeber und den Präsidenten - sondern auch gegen die Zeit.
Schmaler Spalt zwischen Macht und Machtlosigkeit
In einem Staat, der sich spätestens seit der Reagan-Zeit zur gewerkschaftsfreien Zone wandelt, wirkt die noch mächtige ILWU wie ein Fremdkörper. Im vergangenen Jahr fiel der gewerkschaftliche Organisationsgrad auf gut 13 Prozent - ein verglichen mit Europa kümmerlicher Wert und auch in den USA der tiefste Stand seit sechs Jahrzehnten. Nur noch 16 Millionen Amerikaner sind Mitglied einer Gewerkschaft. Gerade bei Finanzfirmen und High-Tech-Konzernen, die in den letzten Jahren überproportional wuchsen, sind die Gewerkschaften fast nicht präsent. Von fast 70 Gewerkschaften im Dachverband AFL-CIO haben nur zehn keine Probleme, ausreichend neue Mitglieder zu finden. John Sweeney, Vorsitzender der AFL-CIO, warnte 2001 vor einem Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit.
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ILWU-"Bruder" im kalifornischen Oakland: Viele US-Gewerkschaften ähneln vormodernen Zünften. In der ILWU gibt es zahlreiche Mitglieder, deren Väter und Großväter bereits zur Gewerkschaft gehörten
Dass einige Elite-Gewerkschaften ihre Machtbasis trotzdem erhalten, liegt an der Institution der faktischen Zwangsmitgliedschaft. In Betrieben der USA sind entweder keine Beschäftigte Mitglieder einer Gewerkschaft - oder die überwiegende Mehrheit. Bei Abstimmungen kann sich die Belegschaft entscheiden, ob ihr Betrieb für Gewerkschafter"geöffnet" wird. In"union shops" müssen im Grundsatz sämtliche Angestellte einer Gewerkschaft beitreten. Der Konflikt in den Häfen entzündete sich vor allem an der Frage, ob neue, technische Jobs in den Machtbereich der ILWU fallen würden. Die Dockarbeiter fürchteten, dass Nicht-Gewerkschafter zu Billigtarifen angeheuert würden, um über die Computerisierung traditionelle Jobs überflüssig zu machen. Das Überleben der Gewerkschaft schien auf dem Spiel zu stehen.
25 Prozent mehr Gehalt? Kein Problem
Bisher sind die"Longshoremen" und andere Industrie-Gewerkschaften alter Schule, die viele"union shops" kontrollieren, mit dem US-System gut gefahren. So sind es in den Häfen der Westküste die Funktionäre, nicht die Arbeitgeber, die allmorgendlich in der"Anheuerhalle" die Aufträge neu verteilen. Ein archaisches Verfahren wie auf einem Markt für Tagelöhner - und schon lange ein Ärgernis für die Arbeitgeber. Wer nicht oder nicht lange genug Gewerkschaftsmitglied ist, hat keine Chance auf attraktive Jobs mit hohem Stundenlöhnen. Dank ihrer Machtbasis konnte die ILWU durchsetzen, dass in US-Häfen wegen geringer Automatisierung teils viermal mehr Personal eingesetzt wird als in modernen Häfen Europas und Asiens.
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Streik der Schauspieler in Hollywood: Nur eine verschwindend kleine Zahl von Gewerkschaften hat keine Sorgen mit dem Mitglieder-Schwund
Auch vereinzelte andere Gewerkschaften in den USA haben eine Machtposition errungen, von der europäische Kollegen träumen. Allein die Androhung eines langwierigen und kostspieligen Streiks durch die mächtige"Brotherhood of Teamsters" reichte im Sommer, um den Paketzusteller UPS zu einer Steigerung der Löhne um 25 Prozent zu bewegen. Die Autogewerkschaft UAW handelte mit Ford einen Tarifvertrag aus, der bis September 2003 läuft und es dem Konzern bis dahin untersagt, Fabriken in den USA zu schließen. Würden Arbeiter entlassen, bekämen sie bis zum Ende des Tarifvertrages 95 Prozent ihrer alten Bezüge. Die UAW ist mit daran beteiligt, dass der in amerikanischen Autofabriken wesentlich weniger Industrieroboter zum Einsatz kommen als in Deutschland.
Bushs Rache für die Wahlkampf-Spenden
Seit langem aber erweist sich die Praxis der"Zwangsorganisation" für die Gewerkschaften häufiger als Belastung denn als Segen, selbst für die mächtigen UAW. In zahlreichen Autofabriken der Südstaaten stimmen die Arbeiter dagegen, die Betriebe für Abeitnehmervertreter zu öffnen - ein Grund, warum neue Fabriken inzwischen meist weit südlich der traditionellen Auto-Hauptstadt Detroit entstehen. Viele Industriegewerkschaften wagen es nicht mehr, in bisher nicht organisierten Unternehmen überhaupt mit der Vorbereitung für eine Abstimmung zu beginnen. In 70 Prozent der Fälle, so eine Studie, drohen die Manager einfach, die Fabrik zu schließen oder zu verlegen, wenn die Mitarbeiter sich für die Möglichkeit einer Mitgliedschaft entscheiden. So liegen höchste Macht und Machtlosigkeit für die Arbeiterfunktionäre nah beieinander.
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Demokrat und früherer Bush-Rivale Al Gore: Unterstützung von der AFL-CIO
George Bush wird wohl auch künftig ein weiteres dazu tun, die Macht Gewerkschaften zu mindern. Der Präsident, der der AFL-CIO die Unterstützung für den Rivalen Al Gore verübelte, hat gleich nach seiner Wahl gewerkschaftsfreundliche Gesetze zurückgenommen. Er lockerte Regeln für die Sicherheit am Arbeitsplatz und sorgte dafür, dass öffentliche Bauaufträge nicht mehr vorzugsweise an Unternehmen gehen, in denen die Gewerkschaftsmitgliedschaft erlaubt ist. Schon im vergangenen Jahr hat Bush einen Streik der Mechaniker bei Northwest Airlines durch sein Veto verhindert.
Die US-Gewerkschaften - sie würden schon viele neue Märtyrer brauchen, um ihre alte Machtposition zurückzuerobern.
<ul> ~ http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,217533,00.html</ul>
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-->Das witzige ist ja, dass die Anordnung von einem Gericht kommt. Jetzt muss das Gericht auch kontrollieren, ob"gebummelstreikt" wird. Die Gewerkschaft empfiehlt: Dienst nach Vorschrift!
To monitor compliance with the court order, management officials said they will monitor productivity numbers, typically how many containers each of the big ship-to-shore cranes on the docks are moving per hour, and will furnish the information to the federal judge in San Francisco who ordered to end the lockout.
The temporary restraining order issued Tuesday by U.S. District Judge William Alsup enjoins the union and management from interfering with the orderly continuation of work on the docks. The judge scheduled a hearing for Oct. 11 to decide whether to issue a permanent injunction that mandates an 80-day"cooling off" period in the dispute.
If the union is suspected of dragging its feet, it could land back in federal court having to explain to the judge why it shouldn't be held in contempt, facing potential fines and other penalties. It isn't clear whether the PMA could bring such a complaint or whether the Bush administration would have to file such an action.
Discerning the difference between a deliberate slowdown and a determination to work safely may be tricky. Longshore workers say they are pressured by employers to bypass safety rules to meet production expectations. For example, the contract sets a 10-mile-an-hour speed limit in dockyards, but workers routinely drive in excess of 30 miles an hour.
Another rule requires workers standing on top of cargo containers to wear a harness and tie onto a fixed object. Longshore workers are lifted up to a container in baskets that are attached to cranes. To save time, workers typically jump onto the container, make adjustments and get back into the basket without tying off. The process takes about 20 seconds compared with the two to three minutes it takes to abide by safety rules.
The union says the safety drive was prompted by recent deaths, including three fatalities since May. Added congestion has made working on the docks like working"in the middle of a freeway," said ILWU spokesman Tom Price. He said that last month, a longshore worker at the Port of Los Angeles was run over by a huge forklift and killed.
At the port of Oakland, Calif., dockworker Ted Campbell said he wasn't instructed to work faster by union representatives, but rather to work safely."By the book," he said."You can't work slow, you have to work safe."
According to the PMA, longshoremen who load and unload cargo receive an average of $85,952 for working 2,080 hours a year. Marine clerks, who keep track of cargo, receive $92,860 for working the same number of hours while union foremen make $104,566 for a similar amount of hours.
In San Francisco, a local union will have an official patrolling the docks in the coming weeks to ensure that the"letter of the law" is being met, said Richard Mead, president of the longshore worker's union Local 10."We're going to do everything legally," said Mr. Mead.
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