dottore
30.10.2002, 15:19 |
Metall, Macht und Eigentumsentstehung (3) Thread gesperrt |
-->Hi,
am Van-See (Ost-Anatolien) entdeckten türkische Ausgräber unter Prof. Cilingiroglu (Izmir) Spuren einer Kultur, die uns in den bekannten strittigen Fragen"Geld und Eigentum" weiterhelfen dürften.
Im Westen, auf einer Halbinsel liegt ein Hügel, der - wie so viele dieser"Hügel" bis nach Europa hinein - reiche Funde barg. Abgetragen wurde Schicht um Schicht und wie immer kommt als erstes die"Oberstadt (alias Palast, alias Tempelbezirk, alias Akropolis) zum Vorschein. Umfang immerhin 6 Hektar. Darunter die Unterstadt, die sich etwa sechs bis acht mal so weit ausbreitet. Man stelle sich das Ganze als Doublette zu den von den Tübinger Archäologen rekonstruierten Bereich Troja vor, der zuletzt in Bonn ausgestellt wurde.
Er große Vorteil der Anlage waren Schriftfunde, die Texte (Keilschrift) waren in das umlaufende Basement-Fries des zentralen Oberstadtgebäudes eingeritzt. Es handelt sich um die drittgrößte Inschrift dieser Art weltweit.
Wir lesen dort den Herrschernamen, den Namen der"Gottheit" und Details zu den Taten des ersteren. Dieser hatte sich Geiseln aus Assyrien genommen, per Krieg, und diese dort unterstädtisch angesiedelt, also der klassische Menschen- oder Sklavenraub. Gefunden wurden die bekannten"Sklavenringe" (8 cm Durchmesser), diese mit Inschrift, also dem Namen des Eigentümers.
Genannt werden auch die Namen der Länder, die der Chef sich unterworfen hatte.
Die Oberstadt war ein großes Waffenlager, sozusagen das Zeughaus oder die Waffenkammer im Zentrum. Waffen waren auch im Tempel aufgehängt, möglicherweise war dieser die besondere Waffenkammer für die Elite der Eliten, da dort die besten Stücke lagen.
Die Waffen waren standardisiert und müssen in großer Menge als gleichförmig hergestellt worden sein. Das Material war Zinn-Bronze und Eisen, allein entsprechend bestückte Lanzen (mit Keilschrifteinritzungen, möglicherweise einzelnen Namen zugeordnet) wurden in Menge 600 gefunden. Es wurden auch massenhaft Nägel gefunden, allerdings keine in Holzreste, so dass über die Funktion der Nägel neu nachgedacht werden muss (Spezialwaffen? - zumal viele Adlerköpfe tragen, was bei Nutzung per Hammerschlag keinen Sinn ergibt).
Gold wurde an Waffen als deren Schmuck verwendet (Rosetten). Es gab massenweise Helme und 36 große Bronzeschilde, die Helme mit der Inschrift"Gott Haldi", was an die 3000 Jahre späteren Koppelschlösser"Gott mit uns" u.ä. erinnert.
Geopfert wurde ebenfalls und dies von"unten", also den in der Unterstadt ansässigen Abhängigen. Die Opfertiere waren Abgaben, deren Fleisch zur Nahrung der"Oberen" diente (der Priester-Klassiker z.B. auch in Israel).
Das Metall war im Oberbezirk monopolisiert. Der Ausgräber dazu wörtlich:"People outside had no chance to share this technology". Die Technologie (Waffen-Herstellung) war oben abgelaufen, und zwar in bekannten Feuerstellen (das Schmied-Phänomen, wobei der Schmied nicht"fliehen" darf). Die Verbindung zum iranischen"Feuerkult" (Urartu, das Metallverarbeitungs-Kernland usw.) ist unübersehbar. Das Feuer, das auf den"Altären", man denke noch an die Sasaniden-Münzen flackert, ist nicht ein rätselhaftes"Opferfeuer", sondern das Feuer, das der Schmied nutzt. Es geht halt immer viel praktischer und diesseitiger zu als manche sich das so vorstellen und diese Vorstellungen dann mystifizieren.
Dieses Zentrum der Ayani (erste Monographie dazu soeben in Rom erschienen) verschwand dann allerdings buchstäblich über Nacht - und man konnte auch bestens rekonstruieren, wie und warum.
Es war eine Naturkatastrophe und zwar unbezweifelbar ein großes Erdbeben!
Dieses zerstörte die Oberstadt auf einen Schlag und die Beweisstücke blieben bis zur Ausgrabung in situ: Von den Wänden gefallene Schilde, die deutlich sichtbar unten abgeflacht sind - so wie halt ein Schild (schwer, bis 50 Kilo und 120 cm Durchmesser, und daher nicht für den Gebrauch im Feld, sondern zur Verteidigung der Oberstadt gedacht, sozusagen wie"Zinnen") ausschaut, wenn es aus etwa 5 Meter Höhe in die Tiefe kracht (die Zwischendecken dabei durchschlagend).
Die Herrscherschicht ging in der Katastrophe unter, was bedeutet: die in der Unterstadt waren mit einem Schlag"befreit".
Sie verließen nach kurzer Plünderung rasch den Ort des Schreckens und siedelten in"sicherer" Entfernung neu, wobei sie - jetzt als"zwangsherrschaftsfrei" - Felder und Weiden auf- und einteilten und ihr so gewonnenes"Eigentum" bewirtschaften konnten. Die weitere Entwicklung bis hin zu Parallelphänomenen (Prototypen die"Roma quadrata", die"Landaufteilungen" in Sparta usw.) ist allgemein bekannt: das Eigentum wird als solches von einer in der neuen Gemeinschaft entstandenen neuen Macht besichert (bei Rom denke man an das Liktorenbündel ("fasces" mit Beil in der Mitte --- >"Faschismus") als oberstem Macht- und Vollstreckungssymbol) und kann dann durch Schaffung von Titeln darauf wirtschaftlich eingesetzt werden, was zu der Phänomen-Trias"Eigentum, Zins und Geld" führt.
Dies entspricht, wie schon geschrieben, also ziemlich genau dem Heinsohn'schen Modell der Entstehung von Privateigentum nach dem Sturz der Herrschaft, die bis dahin via direkter Machtausübung das Gesamt- oder Obereigentum besaß. Heinsohn geht allerdings zunächst von"Umsturz" bzw. Revolution" aus, aber in diesem Fall und vermutlich in den weiter westlichen (Mykene, Knossos usw.) Gebilden ist die katastrophische Entstehung von völlig neuen Sozialstrukturen eindeutig.
Den Ablauf bestätigen übrigens auch die dendrochronologischen Untersuchungen von Prof. Kuniholm (Ithaca -"Dendro-Dating in Anatolia: The Second Millenium"), der anhand der Baumring-Untersuchung an zahlreichen Plätzen merkwürdige Ring-Deformationen entdecken konnte, die von ihm befragte Biologen eindeutig als durch einen kurzfristigen Klimawechsel verursacht erklärten: Es war nebeliges, nasses Wetter (für diesen Trockenzonen-Bereich ganz ungewöhnlich), das sich wiederum sehr schön durch die Folgen des explosiven Vulkanausbruchs mit Ascheregen von Thera (heute Santorin) erklären lässt und der von schweren Erderschütterungen begleitet war.
Damit haben wir also eine einleuchtende Erklärung der Entstehung von Privateigentum durch ein exogenes Ereignis (Katastrophe), die sich sozusagen"evolutorisch" in diesen Gebieten nicht ergeben hätte und das es in der oft vermuteten"Frühzeit" nur in jenen Gegenden gegeben hatte (speziell Mesopotamien mit seiner"Familienwirtschaft"), die dann von Gewaltausübern vom Norden her überrascht und zu Abgabenleistungen gezwungen wurden, wie oft genug inzwischen dargestellt.
Gruß!
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-- ELLI --
30.10.2002, 15:30
@ dottore
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Re: Metall, Macht... / kommt in die dottore-Sammlung (owT) |
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Wal Buchenberg
30.10.2002, 15:54
@ dottore
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Re: Exogene Eigentumsentstehung (3) |
-->Hallo dottore,
nochmals vielen Dank, dass du deine Gedankenentwicklung mit allen im Forum teilst. Den Mut haben nur ganz wenige. Wissenschaft als öffentlicher Prozess (als"Kooperation" darf ich ja nicht sagen! ;-).
Die Beschreibung der Lokalität und die Thesen über die dortigen Vorgänge erscheinen mir auch sehr plausibel.
Was mir nicht plausibel erscheint, ist, das zersplitterte, nichtstaatliche Eigentum auf exogene Faktoren und gar auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen:
dottore: Damit haben wir also eine einleuchtende Erklärung der Entstehung von Privateigentum durch ein exogenes Ereignis (Katastrophe), die sich sozusagen"evolutorisch" in diesen Gebieten nicht ergeben hätte...
Das ist als Modell ebenso plausibel wie die Theorie die das Entstehen von Leben auf der Erde damit"erklärt", dass sie behauptet, der Keim des Lebens stamme von außerhalb - aus dem Weltraum. Damit ist halt nichts erklärt, sondern das Erklärungsproblem nur verschoben.
Wie zersplittertes"Privateigentum" im alten Griechenland entstanden ist, zeigt jede Koloniegründung:
Ausgangspunkt ist eine gemeinsame, wenn du willst"staatliche" Aktion: Der Auszug der Kolonisten und die Eroberung des neuen Landes. Dort wird der Boden auf alle Familien mehr oder minder gleichmäßig aufgeteilt. Der Theorie nach ist jeder zunächst nur Nutzer des Bodens, nicht Eigentümer. Es dauert lange, bis es in Griechenland üblich und erlaubt ist, dass Boden verkauft werden kann.
Hier entsteht das Familien- bzw. individuelle Eigentum am Boden durch Gewohnheitsrecht. Es entstammt aber einer gemeinsamen Aktion, der kriegerischen Eroberung und jeder hat nur Anteil am Boden insofern er (oder seine Vorfahren) sich an dieser gemeinsamen Eroberung beteiligt hat.
Gruß Wal Buchenberg
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Galiani
30.10.2002, 16:17
@ dottore
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Re: Metall, Macht und Eigentumsentstehung - Vielleicht dennoch 'Evolution' |
-->Hallo
Das alles ist faszinierend.
Wenn Sie schreiben:
>"Dies entspricht, wie schon geschrieben, also ziemlich genau dem Heinsohn'schen Modell der Entstehung von Privateigentum nach dem Sturz der Herrschaft, die bis dahin via direkter Machtausübung das Gesamt- oder Obereigentum besaß. Heinsohn geht allerdings zunächst von"Umsturz" bzw. Revolution" aus, aber in diesem Fall und vermutlich in den weiter westlichen (Mykene, Knossos usw.) Gebilden ist die katastrophische Entstehung von völlig neuen Sozialstrukturen eindeutig."
so erinnert das eigentlich an die Evolutions-Hypothese von Prof. J. Jaynes.
Ihre Annahme indes:
>"Damit haben wir also eine einleuchtende Erklärung der Entstehung von Privateigentum durch ein exogenes Ereignis (Katastrophe), die sich sozusagen"evolutorisch" in diesen Gebieten nicht ergeben hätte und das es in der oft vermuteten"Frühzeit" nur in jenen Gegenden gegeben hatte (speziell Mesopotamien mit seiner"Familienwirtschaft"), die dann von Gewaltausübern vom Norden her überrascht und zu Abgabenleistungen gezwungen wurden, wie oft genug inzwischen dargestellt."
möchte ich nicht ganz unbesehen so unterschreiben. Auch evolutorische Prozesse müssen nicht unbedingt peu à peu vor sich gehen, sondern können auch in Schüben ablaufen, wie die Kirschblüte im Frühling. Daß ein solcher Schub durch eine Katastrophe ausgelöst wurde, schließt keineswegs aus, daß es dennoch ein"evolutionärer Schub" war.
Ich behaupte nicht, daß es so war; dazu bin ich zu wenig Fachmann. Aber es könnte so gewesen sein: Gemeinschaftseigentum -> Evolution -> Auslöser (Katastrophe) -> Einzeleigentum.
Gruß
G.
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Galiani
30.10.2002, 16:23
@ Wal Buchenberg
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Vollkommen richtig, Wal - Bei allen ideologischen Unterschieden zwischen uns ;-) (owT) |
-->
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dottore
30.10.2002, 17:26
@ Galiani
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Re: Metall, Macht und Eigentumsentstehung - Vielleicht dennoch 'Evolution' |
-->>Hallo
>Das alles ist faszinierend.
>Wenn Sie schreiben:
>>"Dies entspricht, wie schon geschrieben, also ziemlich genau dem Heinsohn'schen Modell der Entstehung von Privateigentum nach dem Sturz der Herrschaft, die bis dahin via direkter Machtausübung das Gesamt- oder Obereigentum besaß. Heinsohn geht allerdings zunächst von"Umsturz" bzw. Revolution" aus, aber in diesem Fall und vermutlich in den weiter westlichen (Mykene, Knossos usw.) Gebilden ist die katastrophische Entstehung von völlig neuen Sozialstrukturen eindeutig."
>so erinnert das eigentlich an die Evolutions-Hypothese von Prof. J. Jaynes.
Gewiss. Mir haben bisher Evolutionsmodelle, die so peu à peu gelaufen sind, so nach dem Motto: über viele Millionen Jahre hin wurde dann aus der ersten Säugetier-Spitzmaus der Mensch, nicht eingeleuchtet.
>
>Ihre Annahme indes:
>>"Damit haben wir also eine einleuchtende Erklärung der Entstehung von Privateigentum durch ein exogenes Ereignis (Katastrophe), die sich sozusagen"evolutorisch" in diesen Gebieten nicht ergeben hätte und das es in der oft vermuteten"Frühzeit" nur in jenen Gegenden gegeben hatte (speziell Mesopotamien mit seiner"Familienwirtschaft"), die dann von Gewaltausübern vom Norden her überrascht und zu Abgabenleistungen gezwungen wurden, wie oft genug inzwischen dargestellt."
>möchte ich nicht ganz unbesehen so unterschreiben. Auch evolutorische Prozesse müssen nicht unbedingt peu à peu vor sich gehen, sondern können auch in Schüben ablaufen, wie die Kirschblüte im Frühling. Daß ein solcher Schub durch eine Katastrophe ausgelöst wurde, schließt keineswegs aus, daß es dennoch ein"evolutionärer Schub" war.
Es war ein Schub. Aber die Menschen, sozusagen als physische Entitäten, waren vorher und nachher gleich. Hätte es den Schub nicht gegeben, wäre sie m.M. nicht"von selbst" oder"aus sich heraus" darauf gekommen. Wozu hätten sie auch?
In Lateinamerika haben wir, speziell im Inkareich, eine klassische sozialistische Volldiktatur. Die Nicht-Inka-Menschen verfügten noch nicht mal über ihre Kleidung als gegen etwas anderes tauschbar. Aber niemand hat sich beschwert, alle waren satt, und wären Cortez, Pizarro & Co. nicht gekommen, würden sie vermutlich noch immer so leben.
>Ich behaupte nicht, daß es so war; dazu bin ich zu wenig Fachmann. Aber es könnte so gewesen sein: Gemeinschaftseigentum -> Evolution -> Auslöser (Katastrophe) -> Einzeleigentum.
Einverstanden bis auf den ersten Punkt. Das war nicht Gemeinschaftseigentum (also auch der Marx'sche Ansatz), sondern Verfügungsmasse des Gewaltmenschen, so er auftrat (nicht solo, sondern wiederum im Trupp). Ansonsten gab's Stammes- und/oder Familien (Eigenhof-)Wirtschaften.
Gruß!
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dottore
30.10.2002, 17:32
@ Galiani
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Re: Metall, Macht und Eigentumsentstehung - Vielleicht dennoch 'Evolution' |
-->>Hallo
>Das alles ist faszinierend.
>Wenn Sie schreiben:
>>"Dies entspricht, wie schon geschrieben, also ziemlich genau dem Heinsohn'schen Modell der Entstehung von Privateigentum nach dem Sturz der Herrschaft, die bis dahin via direkter Machtausübung das Gesamt- oder Obereigentum besaß. Heinsohn geht allerdings zunächst von"Umsturz" bzw. Revolution" aus, aber in diesem Fall und vermutlich in den weiter westlichen (Mykene, Knossos usw.) Gebilden ist die katastrophische Entstehung von völlig neuen Sozialstrukturen eindeutig."
>so erinnert das eigentlich an die Evolutions-Hypothese von Prof. J. Jaynes.
Gewiss. Mir haben bisher Evolutionsmodelle, die so peu à peu gelaufen sind, so nach dem Motto: über viele Millionen Jahre hin wurde dann aus der ersten Säugetier-Spitzmaus der Mensch, nicht eingeleuchtet.
>
>Ihre Annahme indes:
>>"Damit haben wir also eine einleuchtende Erklärung der Entstehung von Privateigentum durch ein exogenes Ereignis (Katastrophe), die sich sozusagen"evolutorisch" in diesen Gebieten nicht ergeben hätte und das es in der oft vermuteten"Frühzeit" nur in jenen Gegenden gegeben hatte (speziell Mesopotamien mit seiner"Familienwirtschaft"), die dann von Gewaltausübern vom Norden her überrascht und zu Abgabenleistungen gezwungen wurden, wie oft genug inzwischen dargestellt."
>möchte ich nicht ganz unbesehen so unterschreiben. Auch evolutorische Prozesse müssen nicht unbedingt peu à peu vor sich gehen, sondern können auch in Schüben ablaufen, wie die Kirschblüte im Frühling. Daß ein solcher Schub durch eine Katastrophe ausgelöst wurde, schließt keineswegs aus, daß es dennoch ein"evolutionärer Schub" war.
Es war ein Schub. Aber die Menschen, sozusagen als physische Entitäten, waren vorher und nachher gleich. Hätte es den Schub nicht gegeben, wäre sie m.M. nicht"von selbst" oder"aus sich heraus" darauf gekommen. Wozu hätten sie auch?
In Lateinamerika haben wir, speziell im Inkareich, eine klassische sozialistische Volldiktatur. Die Nicht-Inka-Menschen verfügten noch nicht mal über ihre Kleidung als gegen etwas anderes tauschbar. Aber niemand hat sich beschwert, alle waren satt, und wären Cortez, Pizarro & Co. nicht gekommen, würden sie vermutlich noch immer so leben.
>Ich behaupte nicht, daß es so war; dazu bin ich zu wenig Fachmann. Aber es könnte so gewesen sein: Gemeinschaftseigentum -> Evolution -> Auslöser (Katastrophe) -> Einzeleigentum.
Einverstanden bis auf den ersten Punkt. Das war nicht Gemeinschaftseigentum (also auch der Marx'sche Ansatz), sondern Verfügungsmasse des Gewaltmenschen, so er auftrat (nicht solo, sondern wiederum im Trupp). Ansonsten gab's Stammes- und/oder Familien (Eigenhof-)Wirtschaften.
Gruß!
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dottore
30.10.2002, 18:00
@ Wal Buchenberg
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Re: Exogene Eigentumsentstehung (3) |
-->>Hallo dottore,
>nochmals vielen Dank, dass du deine Gedankenentwicklung mit allen im Forum teilst. Den Mut haben nur ganz wenige. Wissenschaft als öffentlicher Prozess (als"Kooperation" darf ich ja nicht sagen! ;-).
Doch, alle helfen. Und, so's ein Buch wird, werden selbstverständlich auch genannt.
>Die Beschreibung der Lokalität und die Thesen über die dortigen Vorgänge erscheinen mir auch sehr plausibel.
>Was mir nicht plausibel erscheint, ist, das zersplitterte, nichtstaatliche Eigentum auf exogene Faktoren und gar auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen:
Warum ist das Eigentum"zersplittert"? Es wurde genau so viel abgesteckt, dass es für den Betreffenden und seine"Familie" ausreichend war.
Dann kommt das Problem der Erbteilung oder des Anerbenrechts. Bei Letzterem müssen die Nachgeborenen weichen (Bevölkerungsdruck, Ver Sacrum-Phänomen).
>dottore: Damit haben wir also eine einleuchtende Erklärung der Entstehung von Privateigentum durch ein exogenes Ereignis (Katastrophe), die sich sozusagen"evolutorisch" in diesen Gebieten nicht ergeben hätte...
>Das ist als Modell ebenso plausibel wie die Theorie die das Entstehen von Leben auf der Erde damit"erklärt", dass sie behauptet, der Keim des Lebens stamme von außerhalb - aus dem Weltraum. Damit ist halt nichts erklärt, sondern das Erklärungsproblem nur verschoben.
Sehe ich nicht. Wenn durch ein Naturkatastrophe, und davon reden wir, morgen der Bodensee trockengelegt wird, ist er in einigen Jahrzehnten/Jahrhunderten komplett besiedelt.
In den besprochenen Fällen verschwand durch katastrophische Ereignisse die Palast-"Kultur", Knossos usw. Damit konnten die Palast-Unterhunde sich an dem Gebiet, das die Palast-Machthaber vorher kontrollierten und be-herr-schten, bedienen. Sie teilten es sich auf.
>Wie zersplittertes"Privateigentum" im alten Griechenland entstanden ist, zeigt jede Koloniegründung:
>Ausgangspunkt ist eine gemeinsame, wenn du willst"staatliche" Aktion: Der Auszug der Kolonisten und die Eroberung des neuen Landes.
Die"Eroberung" sehe ich nicht. Dadurch, dass ich Land nehme, erobere ich es doch nicht. Das liefe auf die These hinaus, dass jemand, der einen Kontinent als einziger besiedelt, diesen auch komplett besitzt (Eigentum) und jeder, der daher kommt, und auch nur ein Zipfelchen selbst besidelt, nimmt"das Land" dem"rechtmäßigen Eigentümer" weg.
Das bekannte"Kolonialproblem": Ganz Amerika gehörte den Indianern. Ganz Afrika gehört den Schwarzen. Ganz Australien gehört"eigentlich" den Aborigines.
Ich denke, es ist an der Zeit, sich mit der historischen Existenz des Nicht- bzw. Voreigentums anzufreunden.
>Dort wird der Boden auf alle Familien mehr oder minder gleichmäßig aufgeteilt. Der Theorie nach ist jeder zunächst nur Nutzer des Bodens, nicht Eigentümer. Es dauert lange, bis es in Griechenland üblich und erlaubt ist, dass Boden verkauft werden kann.
Eben. Das Land gehört dem Demos. Damit haben wir wieder das"Obereigentum" des Staates.
>Hier entsteht das Familien- bzw. individuelle Eigentum am Boden durch Gewohnheitsrecht. Es entstammt aber einer gemeinsamen Aktion, der kriegerischen Eroberung und jeder hat nur Anteil am Boden insofern er (oder seine Vorfahren) sich an dieser gemeinsamen Eroberung beteiligt hat.
Das stimmt bei erobertem Land nicht. Nach dem ursprünglichen ius occupandi stand das eroberte Land nicht etwa dem"Staat" zu, sondern anteilig den an der Eroberung beteiligten Soldaten.
Die Eigentumsübertragung wurde rechtskräftig durch den Feldherrn vorgenommen. Dies mit Hilfe seines"Marschallstabes", lateinisch"festuca".
Gruß!
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Galiani
30.10.2002, 21:47
@ dottore
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OK! Lassen wir's dabei! Obwohl ich noch immer nicht ganz überzeugt bin. Gruß (owT) |
-->
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Bob
31.10.2002, 09:38
@ dottore
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Welches exogene Ereignis hat denn die Revolution von 1789 ausgelöst? (owT) |
-->
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Bob
31.10.2002, 10:23
@ Galiani
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Unterschied zwischen Anlass und Ursache |
-->Moinmoin,
Tut mir leid, dass ich mal wieder spitzfindig werden muss.
Wenn man noch so überzeugend darlegt, dass eine bestimmte soziale Veränderung von einem exogenen Schock eingeleitet wurde, so kann man noch lange nicht begründen, wieso daraus eine stabile Ordnung entstanden ist.
Der exogene Schock führt nur zur sozialen Revolution, wenn der Boden für die neue Ordnung schon bereitet ist. Und das zu erklären, ist das eigentliche Problem. Der konkrete Anlass des Umsturzes ist vergleichsweise unwichtig - gleichwohl interessant.
Denkbar ist auch, dass die Katastrophe einen"Lerneffekt" ausgelöst hat, indem sie die Menschen darauf hinwies, was so alles passieren kann.
Demnach könnte die ganze Geschichte so verlaufen sein:
Die Menschen in der Unterstadt hatten sich der Herrschaft der Oberstadt freiwillig unterworfen, weil sie festgestellt hatten, dass so eine Ordnung für sie zu besseren Ergebnissen führte als andere Organisationsformen, die prinzipiell auch möglich gewesen wären. Das heisst beide Organisationsformen: Oberstadt-Unterstadt vs. verstreutes"Privateigentum" haben vermutlich nebeneinander existiert. Der Wohlstandsvorsprung des einen Systems war technisch bedingt, indem eben"Metall in der Oberstadt monopolisiert war".
Das Erdbeben hat dann mit einem Schlag die Instabilität dieser Ordnung vor Augen geführt (die Fallhöhe sozusagen).
Die entscheidende Frage:
Bedarf es zwingend des exogenen Schocks oder führt sich eine Ordnung selbst ad absurdum, indem die in ihr steckenden Produktivitätsreserven sich erschöpfen?
So könnte man fabulieren, dass z.B. die Demokratie eigentlich dann erschöpft ist, wenn die Wahlen 50:50 ausgehen. Durch spezielle Techniken der Demoskopie gelingt es den konkurrierenden Parteien immer besser den"Wählerwillen" zu ergründen. Die Positionierung der Parteien in einem Rechts-Links-Schema tendiert immer mehr zu dem 50:50 Gleichgewicht. Die Demokratie nützt aber nur, wenn es klare Mehrheiten gibt, weil nur dann die unterlegene Minderheit bereit ist, sich dem Mehrheitswillen zu unterwerfen. Knappe Mehrheiten haben in sich ein Legitimitätsdefizit, zumal wenn die ökonomisch führende Schicht von der Herrschaft ausgeschlossen wird. [img][/img]
bob
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dottore
31.10.2002, 15:18
@ Bob
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Re: Staatsbankrott von 1788 die Ursache, Brotpreis - max! der Auslöser (owT) |
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dottore
31.10.2002, 15:40
@ Bob
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Re: Unterschied zwischen Anlass und Ursache |
-->>Moinmoin,
>Tut mir leid, dass ich mal wieder spitzfindig werden muss.
>Wenn man noch so überzeugend darlegt, dass eine bestimmte soziale Veränderung von einem exogenen Schock eingeleitet wurde, so kann man noch lange nicht begründen, wieso daraus eine stabile Ordnung entstanden ist.
Die war doch nicht stabil. Sofort nach der Landaufteilung begann sich die Landverteilung zu verändern, sehr schönes Beispiel Sparta, wo die meisten"Freien" schließlich ohne Land da hockten.
Siehe polnischen Reichstag, wo die Pane (ursprünglich Grundeigentümer) mit Holzschwert erschienen, weil sie zu arm waren, um sich noch Metall leisten zu können.
Siehe Rom der Graccchen.
>Der exogene Schock führt nur zur sozialen Revolution, wenn der Boden für die neue Ordnung schon bereitet ist. Und das zu erklären, ist das eigentliche Problem. Der konkrete Anlass des Umsturzes ist vergleichsweise unwichtig - gleichwohl interessant.
>Denkbar ist auch, dass die Katastrophe einen"Lerneffekt" ausgelöst hat, indem sie die Menschen darauf hinwies, was so alles passieren kann.
>Demnach könnte die ganze Geschichte so verlaufen sein:
>Die Menschen in der Unterstadt hatten sich der Herrschaft der Oberstadt freiwillig unterworfen,
Ganz sicher nicht, denn die Inschriften beweisen, dass es geraubte Menschen waren, Geiseln und Sklaven. Auch Polybios war so eine Geisel. Zahllos-Beispiele.
>weil sie festgestellt hatten, dass so eine Ordnung für sie zu besseren Ergebnissen führte als andere Organisationsformen, die prinzipiell auch möglich gewesen wären.
Was für"bessere" Ergebnisse? Im Sozialismus wurden alle satt. Das gemeint?
>Das heisst beide Organisationsformen: Oberstadt-Unterstadt vs. verstreutes"Privateigentum" haben vermutlich nebeneinander existiert. Der Wohlstandsvorsprung des einen Systems war technisch bedingt, indem eben"Metall in der Oberstadt monopolisiert war".
Das Metall diente zur Unterdrückung der Unterstadt. Die dort mussten abliefern und das Abgelieferte kam in Kammern, und wurde wieder an sie verteilt. Der Klassiker schlechthin bis zu den römischen Annonae. Zu einem"Kammer"-Beispiel komme ich noch gesondert.
>Das Erdbeben hat dann mit einem Schlag die Instabilität dieser Ordnung vor Augen geführt (die Fallhöhe sozusagen).
>Die entscheidende Frage:
>Bedarf es zwingend des exogenen Schocks oder führt sich eine Ordnung selbst ad absurdum, indem die in ihr steckenden Produktivitätsreserven sich erschöpfen?
Es gibt keine stabile Ordnung. Ich wüsste keine, die sich länger gehalten hätte. Das hat mit Produktivität auch nichts zu tun.
>So könnte man fabulieren, dass z.B. die Demokratie eigentlich dann erschöpft ist, wenn die Wahlen 50:50 ausgehen.
Die D. ist hin. Dazu eine anschwellende"The Democracy That Failed"-Literatur. Sehr kluge Argumente. Nächster Akt: Tyrannis.
>Durch spezielle Techniken der Demoskopie gelingt es den konkurrierenden Parteien immer besser den"Wählerwillen" zu ergründen. Die Positionierung der Parteien in einem Rechts-Links-Schema tendiert immer mehr zu dem 50:50 Gleichgewicht. Die Demokratie nützt aber nur, wenn es klare Mehrheiten gibt, weil nur dann die unterlegene Minderheit bereit ist, sich dem Mehrheitswillen zu unterwerfen. Knappe Mehrheiten haben in sich ein Legitimitätsdefizit, zumal wenn die ökonomisch führende Schicht von der Herrschaft ausgeschlossen wird.
Das ist ein sehr wichtiger Aspekt und auf dem reiten die Demokratie = Tot-Freaks auch rum.
Gruß!
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Emerald
31.10.2002, 15:46
@ dottore
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ein Kilo Tausender-Scheine ist mehr wert als 1 Kg. Gold (owT) |
-->>>Moinmoin,
>>Tut mir leid, dass ich mal wieder spitzfindig werden muss.
>>Wenn man noch so überzeugend darlegt, dass eine bestimmte soziale Veränderung von einem exogenen Schock eingeleitet wurde, so kann man noch lange nicht begründen, wieso daraus eine stabile Ordnung entstanden ist.
>Die war doch nicht stabil. Sofort nach der Landaufteilung begann sich die Landverteilung zu verändern, sehr schönes Beispiel Sparta, wo die meisten"Freien" schließlich ohne Land da hockten.
>Siehe polnischen Reichstag, wo die Pane (ursprünglich Grundeigentümer) mit Holzschwert erschienen, weil sie zu arm waren, um sich noch Metall leisten zu können.
>Siehe Rom der Graccchen.
>>Der exogene Schock führt nur zur sozialen Revolution, wenn der Boden für die neue Ordnung schon bereitet ist. Und das zu erklären, ist das eigentliche Problem. Der konkrete Anlass des Umsturzes ist vergleichsweise unwichtig - gleichwohl interessant.
>>Denkbar ist auch, dass die Katastrophe einen"Lerneffekt" ausgelöst hat, indem sie die Menschen darauf hinwies, was so alles passieren kann.
>>Demnach könnte die ganze Geschichte so verlaufen sein:
>>Die Menschen in der Unterstadt hatten sich der Herrschaft der Oberstadt freiwillig unterworfen,
>Ganz sicher nicht, denn die Inschriften beweisen, dass es geraubte Menschen waren, Geiseln und Sklaven. Auch Polybios war so eine Geisel. Zahllos-Beispiele.
>>weil sie festgestellt hatten, dass so eine Ordnung für sie zu besseren Ergebnissen führte als andere Organisationsformen, die prinzipiell auch möglich gewesen wären.
>Was für"bessere" Ergebnisse? Im Sozialismus wurden alle satt. Das gemeint?
>>Das heisst beide Organisationsformen: Oberstadt-Unterstadt vs. verstreutes"Privateigentum" haben vermutlich nebeneinander existiert. Der Wohlstandsvorsprung des einen Systems war technisch bedingt, indem eben"Metall in der Oberstadt monopolisiert war".
>Das Metall diente zur Unterdrückung der Unterstadt. Die dort mussten abliefern und das Abgelieferte kam in Kammern, und wurde wieder an sie verteilt. Der Klassiker schlechthin bis zu den römischen Annonae. Zu einem"Kammer"-Beispiel komme ich noch gesondert.
>>Das Erdbeben hat dann mit einem Schlag die Instabilität dieser Ordnung vor Augen geführt (die Fallhöhe sozusagen).
>>Die entscheidende Frage:
>>Bedarf es zwingend des exogenen Schocks oder führt sich eine Ordnung selbst ad absurdum, indem die in ihr steckenden Produktivitätsreserven sich erschöpfen?
>Es gibt keine stabile Ordnung. Ich wüsste keine, die sich länger gehalten hätte. Das hat mit Produktivität auch nichts zu tun.
>>So könnte man fabulieren, dass z.B. die Demokratie eigentlich dann erschöpft ist, wenn die Wahlen 50:50 ausgehen.
>Die D. ist hin. Dazu eine anschwellende"The Democracy That Failed"-Literatur. Sehr kluge Argumente. Nächster Akt: Tyrannis.
>>Durch spezielle Techniken der Demoskopie gelingt es den konkurrierenden Parteien immer besser den"Wählerwillen" zu ergründen. Die Positionierung der Parteien in einem Rechts-Links-Schema tendiert immer mehr zu dem 50:50 Gleichgewicht. Die Demokratie nützt aber nur, wenn es klare Mehrheiten gibt, weil nur dann die unterlegene Minderheit bereit ist, sich dem Mehrheitswillen zu unterwerfen. Knappe Mehrheiten haben in sich ein Legitimitätsdefizit, zumal wenn die ökonomisch führende Schicht von der Herrschaft ausgeschlossen wird.
>Das ist ein sehr wichtiger Aspekt und auf dem reiten die Demokratie = Tot-Freaks auch rum.
>Gruß!
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