Wal Buchenberg
02.12.2002, 09:05 |
Am Arbeitsgericht: Badewanne als Kündigungsgrund Thread gesperrt |
-->Vor dem Arbeitsgericht sind erschienen: ein älterer Arbeiter, der weiße Cowboy-Stiefeln trägt, mit Rechtsanwalt, und der Geschäftsführer eines Installationsbetriebes.
Der zu 30 Prozent behinderte Arbeiter klagt gegen die Kündigung zum 30.11.2002.
Der Kündigung war eine Abmahnung vorausgegangen, weil der Arbeiter statt einer weißen eine graue Badewanne eingebaut hatte. In dem Haus wurden sämtliche Badezimmer renoviert. Als die letzte Badewanne vom LKW abgeladen wurde, stellte jemand fest, dass diese Wanne nicht weiß, sondern grau war. Der Arbeiter meinte als Vorarbeiter an der Baustelle: „Das macht nischt!“ und baute die graue Wanne in ein weiß gekacheltes Badezimmer ein.
Der Richter äußerte Zweifel, ob das für eine Kündigung ausreiche. Der Geschäftsführer erklärte, das sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Davor sei der Arbeiter abgemahnt worden wegen eines Wasserschadens, den er mit einer schlecht eingebauten Toilette verursacht habe. Davor habe es eine Abmahnung wegen einer schiefen Gasleitung gegeben, so gehe eins ins andere.
Der Richter lässt noch nicht locker: Zwischen jeder Abmahnung liegt ein ganzes Jahr. Die erste Abmahnung war aus dem Jahr 2000, die nächste war in 2001, jetzt ist 2002.
Der Rechtsanwalt des Unternehmens fragt, was denn noch alles passieren solle, damit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtens sei. Er habe doch hier vor dem selben Richter vor kurzem einen Zeitungsausträger verteidigt, der an fünf Tagen seine Zeitungen nicht alle korrekt ausgetragen hatte. Damals fand derselbe Richter eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung für rechtens.
Der Geschäftsführer schaltet sich ein: Er habe nichts gegen diesen Arbeiter. Der sei jetzt 60 Jahre alt, habe einen leichten Dachschaden, weil er vom Gerüst gefallen ist, sein Arm ist kaputt und einen Herzinfarkt habe er auch gehabt. Es ist eine Sauerei, dass so jemand nicht mindestens 60 Prozent Arbeitsunfähigkeit bescheinigt bekommt. Er ist aber zu dumm, um eine Schwerbehinderung beim Amtsarzt zu erreichen.
Er sei einverstanden, wenn der Arbeiter noch ein Jahr bis zu seinem 61. Geburtstag am 24.1.2004 in seinem Betrieb arbeitet, aber dann müsse endgültig Schluss sein. Dann kommt er mit Arbeitslosengeld und Frühverrentung schon irgendwie über die Runden.
Hatte dieser Firmenchef menschliche Regungen gegenüber seinem Arbeiter oder war er nur klug genug, auf einen kurzfristigen Vorteil zu verzichten, um seine langfristigen Interessen zu erreichen?
Wal Buchenberg, 26.11.2002
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El Sheik
02.12.2002, 09:35
@ Wal Buchenberg
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Danke Wal! Der Prozeß zeigt die großen Mängel des deutschen Arbeitsrechts. |
-->>Vor dem Arbeitsgericht sind erschienen: ein älterer Arbeiter, der weiße Cowboy-Stiefeln trägt, mit Rechtsanwalt, und der Geschäftsführer eines Installationsbetriebes.
>Der zu 30 Prozent behinderte Arbeiter klagt gegen die Kündigung zum 30.11.2002.
>Der Kündigung war eine Abmahnung vorausgegangen, weil der Arbeiter statt einer weißen eine graue Badewanne eingebaut hatte. In dem Haus wurden sämtliche Badezimmer renoviert. Als die letzte Badewanne vom LKW abgeladen wurde, stellte jemand fest, dass diese Wanne nicht weiß, sondern grau war. Der Arbeiter meinte als Vorarbeiter an der Baustelle: „Das macht nischt!“ und baute die graue Wanne in ein weiß gekacheltes Badezimmer ein.
>Der Richter äußerte Zweifel, ob das für eine Kündigung ausreiche. Der Geschäftsführer erklärte, das sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Davor sei der Arbeiter abgemahnt worden wegen eines Wasserschadens, den er mit einer schlecht eingebauten Toilette verursacht habe. Davor habe es eine Abmahnung wegen einer schiefen Gasleitung gegeben, so gehe eins ins andere.
Hallo Wal.
Das ist ein Problem unserer Standorts. Die Rechtslage gestattet es kaum, Kündigungen wegen schlechter Arbeitsleistung auszusprechen. Man kann sich von Mitarbeitern kaum trennen. Angesichts dieses Risikos stellen die Betriebe nur zögerlich ein. Das Arbeitsrecht ist die Bremse des deutschen Aufschwungs.
Der Richter äußerte Zweifel, ob das für eine Kündigung ausreiche. Der Geschäftsführer erklärte, das sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Davor sei der Arbeiter abgemahnt worden wegen eines Wasserschadens, den er mit einer schlecht eingebauten Toilette verursacht habe. Davor habe es eine Abmahnung wegen einer schiefen Gasleitung gegeben, so gehe eins ins andere.
Der Richter lässt noch nicht locker: Zwischen jeder Abmahnung liegt ein ganzes Jahr. Die erste Abmahnung war aus dem Jahr 2000, die nächste war in 2001, jetzt ist 2002.
Der Rechtsanwalt des Unternehmens fragt, was denn noch alles passieren solle, damit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtens sei. Er habe doch hier vor dem selben Richter vor kurzem einen Zeitungsausträger verteidigt, der an fünf Tagen seine Zeitungen nicht alle korrekt ausgetragen hatte. Damals fand derselbe Richter eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung für rechtens.
Der Geschäftsführer schaltet sich ein: Er habe nichts gegen diesen Arbeiter. Der sei jetzt 60 Jahre alt, habe einen leichten Dachschaden, weil er vom Gerüst gefallen ist, sein Arm ist kaputt und einen Herzinfarkt habe er auch gehabt. Es ist eine Sauerei, dass so jemand nicht mindestens 60 Prozent Arbeitsunfähigkeit bescheinigt bekommt. Er ist aber zu dumm, um eine Schwerbehinderung beim Amtsarzt zu erreichen.
Er sei einverstanden, wenn der Arbeiter noch ein Jahr bis zu seinem 61. Geburtstag am 24.1.2004 in seinem Betrieb arbeitet, aber dann müsse endgültig Schluss sein. Dann kommt er mit Arbeitslosengeld und Frühverrentung schon irgendwie über die Runden.
Hatte dieser Firmenchef menschliche Regungen gegenüber seinem Arbeiter oder war er nur klug genug, auf einen kurzfristigen Vorteil zu verzichten, um seine langfristigen Interessen zu erreichen?
Wal Buchenberg, 26.11.2002
[b]Ich weiß nicht, ob Deine Frage am eigentlichen Kern des Problems nicht leicht vorbei geht. Aus ökonomischer Sicht muß erst etwas produziert werden, bevor man überhaupt an eine gesellschaftliche Umverteilung denken kann. Unser deutsches Arbeitsrecht trägt den"sozialen Gedanken" an die falsche Stelle, nämlich in den Produktionsprozeß hinein. So konnte sich Schlechtleistung unter dem Prätext des"Sozialen" in unserer Wirtschaft verankern. Schlechtleistung wird nicht sanktioniert, sondern belohnt. Dieser Umstand ist ein fataler Fehler im System. Leider.
Besten Gruß
vom Scheich
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Wal Buchenberg
02.12.2002, 15:30
@ El Sheik
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Re: Deine Sicht der Dinge in Ehren, aber.... |
-->>Hallo Wal.
>Das ist ein Problem unserer Standorts. Die Rechtslage gestattet es kaum, Kündigungen wegen schlechter Arbeitsleistung auszusprechen. Man kann sich von Mitarbeitern kaum trennen. Angesichts dieses Risikos stellen die Betriebe nur zögerlich ein. Das Arbeitsrecht ist die Bremse des deutschen Aufschwungs.
Hallo Scheich,
Dass beschleunigte Kündigungen auch nur einen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen würden, das ist eine enorme Zumutung für jede Intelligenz mit einem IQ über 80.
Allerdings schaffen beschleunigte Kündigungen einen schnelleren Durchlauf der Lohnarbeiter, schaffen zusätzliche Angst, zusätzlichen Leistungsdruck. Ob aber der zusätzliche Druck und die zusätzliche Angst auch zusätzliche Leistung schafft, das steht auf einem anderen Blatt.
Selbst wenn es so wäre: Wenn davon der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland abhängt, warum nicht wieder ein Betriebsstrafrecht einführen wie im Feudalismus?
Zweimal zu spät gekommen: 100 Euro Strafe!
Einmal schlecht gearbeitet: Auspeitschen!
Ein Fehler pro Jahr bei der Arbeit: Kündigung!
Du wirst sehen, wohin das führt!
Gruß Wal
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El Sheik
02.12.2002, 17:42
@ Wal Buchenberg
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Die Kosten des Kündigungsschutzes aus mikroökonomischer Sicht. |
-->>>Hallo Wal.
>>Das ist ein Problem unserer Standorts. Die Rechtslage gestattet es kaum, Kündigungen wegen schlechter Arbeitsleistung auszusprechen. Man kann sich von Mitarbeitern kaum trennen. Angesichts dieses Risikos stellen die Betriebe nur zögerlich ein. Das Arbeitsrecht ist die Bremse des deutschen Aufschwungs.
Hallo Scheich,
Dass beschleunigte Kündigungen auch nur einen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen würden, das ist eine enorme Zumutung für jede Intelligenz mit einem IQ über 80.
Lieber Wal,
damit auch Intelligenzen mit einem IQ zwischen 80 und 125 folgen können, folgt eine Detailbeschreibung der ökonomischen Vorgänge, die bei einer Lockerung des Kündigungsschutzes zu mehr Arbeitsplätzen führen.
Kosten verursacht der Künigungsschutz wie folgt: Wenn ein Arbeitnehmer nicht mehr seinen betriebswirtschaftlichen Zweck erfüllt und man seine Arbeitskraft auch anderweitig nicht mehr wirtschaftlich einsetzen kann, dann muß er entlassen werden. In einer Volkswirtschaft ohne Kündigungsschutz fallen dabei Null Euro Kosten an.
In einer Volkswirtschaft mit einem Kündigungsschutz, wie dem unsrigen, fallen Kosten an. Man muß den Arbeiter je nach Betriebszugehörigkeit 6 Monate bis 3 Jahre weiter beschäftigen, im Zweifel ist er sogar unkündbar. Das verursacht Kosten in Form von Gehalt plus Lohnnebenkosten und dergleichen mehr. Bezeichnen wir diese Kosten als"X".
Steht nun ein Unternehmer vor einer Investitionsentscheidung, so rechnet er für die verschiedenen Szenarien des unternehmerischen Erfolgs seiner Investition seinen Gewinn aus. Er gewichtet die verschiedenen Szenarien mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten und bildet so den Erwartungswert seines Gewinns.
Eines der Szenarien wird immer auch ein Worst Case sein, bei dem von einem Scheitern der Investition ausgegangen wird. Die Höhe des Verlustes, der bei diesem Szenario entsteht, hängt nun in erheblichem Maße vom Arbeitsrecht und vom Kündigungsschutz ab, denn im Worst Case muß der Unternehmer seine neu eingestellten Arbeiter und Angestellten nach einer gewissen Zeit wieder entlassen. Die Kosten des Kündigungsschutzes"X" pro Arbeiter schlagen demnach voll in die Investitionsrechnung ein und verringern, mit der Eintrittswahrscheinlichkeit des Worst Case gewichtet, den Erwartungswert des Gewinns.
Der Erwartungswert läßt sich in Abhängigkeit von der Höhe der Investitionssumme und von der Investitionsdauer in eine Gewinnrendite umrechnen. Liegt diese Gewinnrendite oberhalb eines kritischen Zinses, so wird das Investitionsprojekt durchgeführt und neue Arbeitsplätze werden geschaffen.
Von 100 hypothetischen Projekten wird nur eine gewisse Anzahl das Kriterium des kritischen Zinses erfüllen. Nehmen wir etwa an, daß nur die 20 am besten rentierenden Projekte durchgeführt werden.
Und jetzt kommt die Ceteris Paribus Betrachtung: Lockert man den Kündigungsschutz, so erhöht sich die Rendite aller geplanten Projekte. Die Grenzprojekte, die man davor gerade nicht durchführen konnte, weil sie gerade so am kritischen Zins scheiterten, können dieses plötzlich erfüllen und werden durchgeführt.
Je mehr man den Kündigungsschutz und andere Regeln, die únser Arbeitsrecht von dem anderer Industrinationen mit kostentreibender Wirkung unterscheiden, zurückschraubt, umso mehr Investitionsprojekte können durchgeführt werden und somit umso mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.
Fazit: Weniger Kündigungsschutz führt zu mehr Arbeitsplätzen.
>Allerdings schaffen beschleunigte Kündigungen einen schnelleren Durchlauf der Lohnarbeiter, schaffen zusätzliche Angst, zusätzlichen Leistungsdruck. Ob aber der zusätzliche Druck und die zusätzliche Angst auch zusätzliche Leistung schafft, das steht auf einem anderen Blatt.
Das Damoklesschwert der sofortigen Kündigung bei schlechter Arbeit schafft zunächst eines: Disziplin.
Du fragst nach zusätzlicher Leistung? Ja, natürlich, die wird sofort erbracht. Die Schlechtleister geben sich mehr Mühe, arbeiten disziplinierter und erhöhen ihre Leistung, um nicht aus dem System zu fliegen. Das Bruttosozialprodukt wird unmittelbar gesteigert. Außerdem erhöht die wegfallende Schlechtleistung mittelbar die Gewinne der Unternehmen. Diese Gewinne stehen zur Gewinnverteilung an und erhöhen die Nachfrage usw.
>Selbst wenn es so wäre: Wenn davon der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland abhängt, warum nicht wieder ein Betriebsstrafrecht einführen wie im Feudalismus?
>Zweimal zu spät gekommen: 100 Euro Strafe!
>Einmal schlecht gearbeitet: Auspeitschen!
>Ein Fehler pro Jahr bei der Arbeit: Kündigung!
Alle Achtung! Du schlägst ein wahrhaftiges Maßnahmen-Chiasma vor. Allerdings Mussolini hat Dich noch übertroffen. In Italien waren seinerzeit die Züge regelmäßig verspätet und keine Maßnahme vermochte dieses Übel abzuschaffen.
Bis Mussolini eine einfache, aber überaus wirksame Regel erließ, die aus nur 10 Worten bestand:"Wenn ein Zug Verspätung hat, wird der Lokführer unverzüglich erschossen." Es ist klar, was passierte, oder? Von nun an fuhren alle Züge wie durch ein Wunder pünktlich.
>Du wirst sehen, wohin das führt![/b]
Für solche extremen Regeln wirst Du in Deutschland (zum Glück) keine Mehrheit finden.
>Gruß Wal
[b]Besten Gruß
El Sheik
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silvereagle
02.12.2002, 18:35
@ El Sheik
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Vielen Dank, Scheich... |
-->... für diese profunde Darstellung. Sie zeigt sehr deutlich, dass gerade im Arbeitsleben die staatlichen Zwangsbeglückungen zu Be- und Verhinderung von Wertschöpfung aller Art führen. Das ist der Preis der Selbstbedienungsmentalität, der nur leider so subtil und zuallermeist im Verborgenen bleibt, dennoch aber von vielen bezahlt werden muss.
Dennoch halte ich - aus prinzipiellen Erwägungen - eine Diskussion über die Freiheit (hier: Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen) nach blossen Zweckmässigkeitsaspekten (siehe auch Utilitarismus) für ungemein gefährlich. Nach meiner Erfahrung gewinnt eine solche Diskussion immer, wer über die überlegene Sachkenntnis verfügt - sofern es freilich auf der reinen Sachebene bleibt... ;-) Aus der Sicht der Freiheit / Gleichwertigkeit ein unzumutbares Risiko, wenn Du mich fragst. ;-)
Wer diese erwähnte Freiheit anderen nicht zugestehen will, und meint, es sowieso besser als alle anderen zu wissen (die ja nur jeweils für sich selbst handeln), hat mE in Wahrheit genau jenes Ego-Problem, welches so mancher Vertreter der marx-inspirierten Positionen bei Leuten wie dem Silberadler zu erkennen glaubt... ;-)
Gruß, silvereagle
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LenzHannover
03.12.2002, 22:25
@ El Sheik
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Vielen Dank *Scheich*, 100% Zustimmung und noch einen... |
-->als Freiberufler kann ich dem nur zustimmen.
Als auch mal öffentlich Bediensteter und mit Erfahrung bei vielen kleinen Firmen kann ich nur sagen:
Allen Arbeitnehmern würde es mit vielleicht etwas weniger Lohn und der"Pseudosicherheit" der Kündigungsschutzes (wenn es kippt, kippt es halt später und dann heftiger für alle) doch besser gehen.
Wenn sich z.B. auch ein 50 jähriger heute ohne Probleme einen neuen Arbeitgeber suchen kann. Die aktuell übliche"Zwangsehe" ist doch nervig für beide.
Ich hatte damals die Freiheit gehabt zu sagen: (Gedanklich: Leckt mich doch am A...) Hiermit kündige ich fristlos wg....
Absolutes erstaunen in der Personalabt. usw. kommt im Ã--Dienst nicht vor!
Der Rechtsverdreher dort hatte diesbezüglich auch Null Ahnung, es hat mir gut getan.
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