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Bei Maklern bricht Endzeit-Stimmung aus
Schnigge steht vor Zahlungsunfähigkeit. Börsenumsätze stark rückläufig.
Experten sehen kein Ende der Abwärtsspirale
von Michael Fabricius und Holger Zschäpitz
Berlin - Die Börsenbaisse fordert immer neue Opfer. Dabei geht es längst nicht mehr nur um schrumpfende Depots oder geprellte Anleger. Inzwischen stellt sich für immer mehr Marktteilnehmer die Existenzfrage. Besonders betroffen: Die Börsenmakler. Jüngstes Beispiel ist der Düsseldorfer Broker Schnigge. Nach gescheiterten Verhandlungen über einen Einstieg finanzkräftiger Investoren musste der Makler am Donnerstag Insolvenz anmelden. „Der Vorstand sieht sich nicht dazu in der Lage, anstehende Zahlungen zu leisten. Es muss von einer Überschuldung im Konzern ausgegangen werden“, teilte Schnigge mit.
Die Branche droht auszusterben. Denn unter den insgesamt 25 börsennotierten Finanzdienstleistern steht Schnigge nicht allein mittellos da. Auch Kling Jelko, Ahag, Knorr Capital und German Brokers mussten in diesem Jahr bereits beim Insolvenzrichter vorsprechen. Und sie werden nicht die letzten sein. Fast alle Maklerfirmen schreiben rote Zahlen. Die Reserven schmelzen dahin. Schuld ist die Aktienflaute, die dramatische Ausmaße angenommen hat. Lagen die monatlichen Handelsumsätze an allen deutschen Börsen Anfang Januar 2000 noch über 600 Mrd. Euro, wechselten im vergangenen Monat nur noch Papiere im Gesamtwert von rund 260 Mrd. Euro den Besitzer. „Die Maklercourtage hängt nun einmal direkt vom Volumen ab. Da bekommen alle Broker Probleme“, sagt Fritz Nols, Vorstandssprecher des Bundesverbandes der Wertpapierhandelsfirmen.
Doch damit nicht genug. Gleichzeitig schnappt Kollege Computer den Maklern die Aufträge weg. Über das elektronische Handelssystem Xetra werden inzwischen mehr als 50 Prozent der Aufträge abgewickelt. Vor drei Jahren waren es noch weniger als 30 Prozent. Und neuerdings versuchen auch noch die Banken mit internen Handelsplattformen wie Xetra Best, die Makler aus dem Geschäft zu drängen.
Mit neuen Betätigungsfeldern versuchten Schnigge & Co. zwar, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Sie beteiligten sich in großem Stil an noch nicht börsennotierten Unternehmen, um von einem späteren Börsengang zu profitieren. Dies wurde jedoch zu einem Bumerang für die Branche. Einerseits brach der Neuemissionsmarkt zusammen. In diesem Jahr schafften gerade noch fünf Unternehmen in Deutschland den Sprung an die Börse. Andererseits verloren die Beteiligungen permanent an Wert und belasten nun über hohe Abschreibungen die Bilanzen der Maklerfirmen. Auch bei Schnigge erwies sich das als Krisenverstärker. Und bei Kling Jelko wurden sogar sämtliche Reserven von den verlustreichen Beteiligungen aufgefressen. „Für viele wird das neue Geschäftsfeld zum Sargnagel“, sagt Nols.
Wenig erfolgreich verlief auch der Vorstoß vieler Maklerfirmen in das Asset Management oder Investmentbanking. Bei der Vermögensverwaltung blieben die Kunden aus, wie selbst Verbandssprecher Nols einräumt. Auch das Investmentbanking brachte nichts als Kosten.
Panisch rudern die Gesellschaften daher zurück. So stellt beispielsweise Concord Effekten am heutigen Freitag das Research komplett ein. Andere Anbieter verkaufen hektisch ihr Tafelsilber. „Das Gebot der Stunde lautet: verkleinern, verkleinern und nochmals verkleinern“, sagt Nols.
Nur wer es rechtzeitig schafft, die Kosten schneller zu senken als die Einnahmen einbrechen, hat eine Chance. Doch kaum ein Analyst wagt es noch, Prognosen für die schwächelnde Branche abzugeben. Als letzter Mohikaner hat Johannes Thormann, Analyst von der WestLB, mit der Nols AG noch ein Maklerhaus unter Beobachtung - und auch das nur, weil die Bank als Designated Sponsor zu einer jährlichen Analystenstudie verpflichtet ist.
Für Anleger ist in diesem Sektor wenig zu holen. Selbst wenn die Börse wieder anlaufen sollte, drohen die Makler wegen der elektronischen Konkurrenz unter die Räder zu kommen. Nols räumt ein: „In der Finanzkette sind die Makler nun einmal das schwächste Glied in der Kette“.
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