-->Erdgasmonopolist Gazprom droht offenbar Überschuldung
Russlands Devisenbringer leidet unter Regulierung
von Jens Hartmann
Moskau - Der weltgrößte Erdgasmonopolist OAO Gazprom (Moskau) ist offenbar in finanzielle Schieflage geraten. Die Moskauer Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ veröffentlichte für den internen Gebrauch bestimmte Dokumente des Gazprom-Managements, aus denen hervorgeht, dass die Schuldenlast auf inzwischen 14,7 Mrd. Dollar angewachsen und die Bedienung der Verbindlichkeiten fraglich geworden ist. Allein im vergangenen Jahr wurden 7,45 Mrd. Dollar fällig.
Die „Nesawissimaja Gaseta“ schrieb in diesem Zusammenhang von einer „Gasblase“. Von den finanziellen Schwierigkeiten des Gazprom-Konzerns ist auch die Essener Ruhrgas AG betroffen. Sie hält rund fünf Prozent an Gazprom, ist damit größte Auslandsaktionärin des Unternehmens und hat immer wieder angekündigt, ihre Anteile aufstocken zu wollen.
„Es gilt festzuhalten, dass das jetzige Schuldenniveau aus Sicht der Möglichkeiten von OAO Gazprom, was die Bedienung der Schulden anbelangt, sich bereits den maximal zulässigen Grenzen nähert“, schrieb Vorstandsmitglied Andrej Kruglow in einer als „vertraulich“ eingestuften Einschätzung über die Emission neuer Gazprom-Papiere im kommenden Jahr.
„Die für 2003 im Programm vorgesehenen zu leihenden Ressourcen (3,56 Mrd. Dollar) werden nicht ausreichen, um die laufenden Schulden im kommenden Jahr zu bedienen. Für Kreditverpflichtungen wird ein Teil der Exporteinnahmen zur Verfügung gestellt werden müssen“, schreibt Kruglow weiter. Der Teil ist groß: Dem Dokument zufolge könnten 70 Prozent der Exporteinnahmen, darunter 97 Prozent der Einnahmen aus Langfristverträgen mit europäischen Partnern wie Ruhrgas, zum Schuldendienst herangezogen werden.
Gazprom, der „Staat im Staate“, musste bereits für das erste Halbjahr 2002 einen Gewinneinbruch von 30 Prozent hinnehmen. Der Gewinn sank auf Grund niedriger Exportpreise von 67.7 Mrd. Rubel auf 47,4 Mrd. Rubel (1,49 Mrd. Dollar). Gazprom, das für rund ein Viertel der russischen Steuereinnahmen sorgt, leidet nicht nur unter sinkenden Gaspreisen auf den Weltmärkten, sondern auch unter den staatlich verordneten Binnenpreisen, die nicht einmal die Förderkosten decken.
„Die Schuldenschlinge am Hals von Gazprom zieht sich enger“, folgerte die „Nesawissimaja Gazeta“. „Die Konzernführung versucht hektisch, den Bankrott zu verschieben, den Ziffern zufolge nähert er sich aber unaufhaltsam.“ Der Konzern konnte für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.
Gazprom-Vorstandsvorsitzender Alexej Miller, ein enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin, ist seit eineinhalb Jahren Chef des größten russischen Unternehmens. Er hat die alte Führung, denen schwere Korruptionsvorwürfe und Insidergeschäfte zur Last gelegt werden, inzwischen entmachtet. An Gazprom hält der russische Staat 38,4 Prozent. Gazprom ist der wichtigste Erdgaslieferant für Deutschland. Der Konzern förderte im vergangenen Jahr 525 Mrd. Kubikmeter Erdgas, die Fördermenge geht seit Jahren kontinuierlich zurück.
Unter der Misswirtschaft bei Gazprom leiden wichtige Investitionsvorhaben. So wird seit Jahren zu wenig in die Ausbeutung und Erkundung neuer Erdgasfelder sowie die Modernisierung des Pipelinenetzes investiert. Das neue Lieblingsprojekt von Gazprom, eine rund sieben Mrd. Dollar teure Pipelineverbindung durch die Ostsee von Russland bis Rostock und weiter nach Großbritannien, dürfte nun auch in Frage stehen.
Der russische Energieminister Igor Ch. Yusufov war erst am vergangenen Wochenende mit dem Vorstandsvorsitzenden der Ruhrgas AG, Burckhard Bergmann zusammengetroffen. Dabei ging es nach Ruhrgas-Angaben um die Marktentwicklung sowie Infrastrukturprojekte für den Transit von russischem Erdgas nach Westeuropa.
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