QuertreiBär
11.01.2003, 13:49 |
unpolemischer, treffsicherer Artikel zum Vorgehen der USA Thread gesperrt |
-->so unpolemisch und doch so sachlich klar habe ich noch selten einen Kommentar zum Vorgehen der Amerikaner gefunden, wie den nachfolgenden.
Man muß sich doch fragen, was sich die Bush & Co. noch alles erlauben können, bevor die Welt (z.B. Gerhard & Joschka) aufschreckt und merkt daß hier was aus dem Ruder läuft. So wie ich unsere Politiker aber inzwischen kenne (gemeint ist ihre Zauderhaftigkeit und ihr Opportunismus), ist es dann bereits wahrscheinlich zu spät.
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Die Geburt eines Imperiums
Mit einem Krieg gegen den Irak markieren die USA ihr Weltmachtstreben
Günter Zehm
Soviel politische Einigkeit wie jetzt bei den Stellungnahmen gegen den von den USA geplanten Krieg gegen den Irak hat es noch nie gegeben. Niemand außerhalb Amerikas und Englands will diesen Krieg, weder der Papst noch irgendein evangelischer Bischof oder orthodoxer Metropolit, weder die christliche noch die muslimische noch die buddhistische Welt, weder die EU noch die UN noch Rußland oder China oder Iran. Keine einzige internationale Organisation macht sich für diesen Krieg stark.
In Deutschland geht die Ablehnungsfront quer durch alle Parteien und Gruppierungen, eint Radikale und Gemäßigte, Pazifisten und Bellizisten. Sie reicht von Franz Schönhuber bis Heribert Prantl, von Horst Mahler bis Jürgen Trittin, von Kardinal Lehmann bis General Schönbohm. Und das, was man offiziell zu hören bekommt, ist nur ein schwaches Echo dessen, was überall im Lande „in der Sauna“, „unter vier Augen“ wirklich gesprochen wird. Die Kriegsvorbereitungen der USA und die Kriegsrhetorik der Regierung Bush lösen Empörung, ja Abscheu und Verachtung aus, darüber darf man sich keine Illusionen mehr machen.
Die frisch gewählte deutsche Bundesregierung, die Anfang Februar routinemäßig den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernimmt, steht dort am Rubikon. Das von Kanzler Schröder in der Schlußphase des Wahlkampfes mit großer Emphase abgegebene Versprechen, sich aus dem Krieg herauszuhalten, muß ohne Wenn und Aber eingelöst werden, das erwarten nicht nur sämtliche Wähler und Nichtwähler, das gebietet auch die Verfassung. Kein Verfahrenstrick, kein verbales Herumgeeiere kann darüber hinwegtäuschen, daß Deutschland von Verfassung wegen daran gehindert ist, einen Angriffskrieg zu führen oder sich an einem solchen zu beteiligen. Seine Bündnisverpflichtungen werden durch dieses Verfassungsgebot eindeutig begrenzt.
Daß der Krieg der USA und Großbritanniens gegen den Irak ein Angriffskrieg sein wird, auch darüber besteht nicht der geringste Zweifel. Er ist, genau betrachtet, nicht einmal ein Präventivschlag, denn der Irak bedroht die potentiellen Invasoren, Amerika und England, nicht. Und wenn er ein Präventivschlag wäre, so bliebe immer noch zu fragen, was denn der Unterschied zwischen einer „einfachen Aggression“ und einem Präventivschlag ist und ob es da überhaupt einen Unterschied gibt. Eines liegt bereits jetzt offen zutage: Die Art und Weise, wie die Regierung Bush neuerdings Präventivschläge definiert, ist selber eine Aggression. Das diesbezügliche Strategiepapier des Pentagon, das mittlerweile an die Ã-ffentlichkeit gelangt ist, setzt das Völkerrecht schlichtweg außer Kraft und deformiert zudem die internationalen Umgangsformen und diplomatischen Sitten in bisher kaum für möglich gehaltener Weise.
Die Diskussion hat sich denn auch teilweise schon losgelöst von ihrem unmittelbaren Gegenstand, dem Feldzug gegen den Irak, dreht sich bevorzugt um die Art und Weise, wie Amerika generell mit dem Rest der Welt verfährt, um die „Allüren“ des Pentagon und der Bush-Regierung, ihre Wurstigkeit beim Umgang mit Tatsachen und „Beweisen“. Allgemein wird diese amerikanische Diplomatie im Vorfeld des von ihr angestrebten Krieges als grob und geradezu dummdreist empfunden. Das Befremden wächst.
„Ich fühle mich an alte sowjetische Zeiten erinnert“, sagte ein hochangesehener Ex-Präsident eines ostmitteleuropäischen Landes. „Das kürzliche Strategie-Papier des Pentagon, wonach die USA das Recht für sich reklamieren, präventive Kriege gegen andere Staaten zu führen, um entweder Terrorzentralen auszuschalten oder das Aufkommen konkurrenzfähiger Machtpotentiale wo auch immer in der Welt schon im Keim zu ersticken, setzt das Völkerrecht vollständig außer Kraft. Es ist eine neue Breschnew-Doktrin.“
Der Vergleich mit der Breschnew-Doktrin ist nicht übertrieben, sondern untertrieben. Das damalige Breschnew-Papier befleißigte sich bei aller Aggressivität doch einer defensiven Rhetorik. Lediglich „Bruderländer“ sollten von der Sowjetunion mit Krieg überzogen werden dürfen, wenn dort der „Sozialismus“ in Gefahr geriet. Das Pentagon-Papier dehnt dagegen den „Bruderstatus“ auf die ganze Welt aus.
Jeder Staat, der nicht die Demokratie, so wie Washington sie versteht, praktiziert, wird zum potentiellen Invasionsobjekt. Und zu dieser Art von Demokratie gehört dann auch, daß der jeweilige Staat kein Machtpotential aufbaut, das in den Augen Washingtons „gefährlich“ werden, also die US-Dominanz irgendwann einmal in Frage stellen könnte. Gröber und provozierender ist noch keine global-imperialistische Doktrin formuliert worden.
Der bevorstehende Irak-Krieg wird so zur Probe aufs Exempel. Es geht nicht nur um die Erlangung der Kontrolle über die nahöstlichen und mittelasiatischen Ã-lfelder, es geht nicht nur um die politisch-wirtschaftliche Neuordnung der arabisch-muslimischen Welt im Sinne der USA und des westlichen Finanzkapitals, es geht auch und in erster Linie um eine Machtdemonstration für die Augen aller, um das erstmalige Vorzeigen globaler Folterinstrumente. „Seht her“, so soll gezeigt werden, „so wird es in Zukunft jedem Land ergehen, das sich im Sinne der Pentagon-Doktrin verdächtig macht.“
Das Unternehmen ist freilich voller Risiken und letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Der internationale Terrorismus wird dadurch nicht eingedämmt, sondern nach Meinung aller seriösen Beobachter erst richtig angefacht. Die Welt wird unsicherer, und sie wird es sich selbstverständlich auf Dauer nicht gefallen lassen, unter die Kuratel eines einzigen Staates, einer einzigen Nation gestellt zu werden. Das Zeitalter des Imperialismus (1789 bis 1989) ist vorbei, daran können auch die Allmachtsträume der Pentagon-Strategen nichts ändern.
Früher als von vielen erwartet kommt für Europa die Stunde der Wahrheit. Entweder es wird zum Wurmfortsatz der USA, der die Scherben der jeweiligen Kriege zusammenkehren muß („we bomb, you clean up“), oder es findet zu eigener Identität, Einigkeit und Entschlossenheit. Ein Drittes ist nicht mehr möglich.
Alle Theorien über eine angebliche „Einheit des Westens“, die unbedingt gewahrt werden müsse, auch um den Preis der eigenen, für immer festgeschriebenen Inferiorität und Wasserträgerei, sind inzwischen widerlegt. Es kann keine sich auf alle Gebiete des Lebens erstreckende Einheit des Westens geben, weil es keinen Westen gibt. Was es gibt, sind zwei miteinander verwandte, aber dennoch nach Interessen und Traditionen unterschiedene Kulturkreise, die USA auf der einen Seite und Europa auf der anderen. Zwischen ihnen geht es nicht um Phrasen, sondern um Interessenausgleich.
Quelle: www.jungefreiheit.de
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Euklid
11.01.2003, 14:18
@ QuertreiBär
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Re: unpolemischer, treffsicherer Artikel zum Vorgehen der USA |
-->Amerika provoziert mit der neuen Doktrin des Präventivschlags daß niemand auf der Welt mit ruhigem Gewissen einen Atomwaffensperrvertrag unterschreiben kann.
Verträge sind scheinbar im Endstadium dazu da gebrochen zu werden.
Amerika hat seine Verpflichtungen gegenüber Nordkorea nicht erfüllt die es zur Unterschrift des Atomwaffensperrvertrages übernommen hat.
Ich bin absolut ein Gegner des Regimes in Nordkorea wo Leute im Tausend verhungern.
Aber das kann nicht dazu führen daß man Recht beugen will.
Nordkorea hat die einzig mögliche Antwort gegeben,nämlich als Ersatz für die fehlenden Ã-llieferungen ihre Atomkraftwerke in Betrieb zu nehmen.
Ich gehe davon aus daß Amerika den Reaktor vor den Augen aller Welt zerstört ähnlich wie es im Irak die Israelis gemacht haben.
Ein echtes Drohpotential von Nordkorea sehe ich nicht,jedoch gibt es Militär-Vereinbarungen zwischen Rußland,China und Nordkorea.
Hier wird sich die Front aufbauen.
Die Europäer sollten sich aus dem Quark raushalten.
Die Zustimmung in Amerika ist ganz einfach darin zu sehen daß Amerika auf seinem Boden noch nie in der Geschichte mit fremden Truppen zu tun gehabt hat.
In New Yorks Straßen hat bis dato noch kein Asphalt in Flammen gestanden.
Ich wünsche Amerika alles andere als einen Krieg.
Wer jedoch den Krieg mit Terrorismus begründet und dem Treiben in Palästina zuschaut (hier sind die Terroristen auf beiden Seiten mit dem Unterschied daß der eine die Presse für sich hat)kann für sich den Kampf gegen den Terrorismus nicht reklamieren.
Würde Amerika mit gleicher Elle messen müßte ein Scharon auch schon längst in der Nähe von Kuba sein.
Amerika macht sich einfach völlig unglaubwürdig.
Gruß EUKLID
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Shakur
11.01.2003, 15:06
@ Euklid
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Ich stimme Deinen Zeilen vollkommen zu, bis auf einen Punkt |
-->Hallo,
>Die Zustimmung in Amerika ist ganz einfach darin zu sehen daß Amerika auf seinem Boden noch nie in der Geschichte mit fremden Truppen zu tun gehabt hat.
Die Briten im Unabhängigkeitskrieg kann man wohl zu recht als"fremd" bezeichnen, aber natürlich hat das niemand in den USA mehr in lebendiger Erinnerung, so wie wir Europäer die zwei Weltkriege, die natürlich auch weitaus grausamer waren, vor allem was die Zahl der Toten und Verletzten angeht.
"Während der Kontinentalkongress in Philadelphia über eine Unabhängigkeitserklärung beriet, bereitete sich Washington in New York auf die Invasion der Briten vor. Am 29. Juni 1776 erreichte eine britische Flotte unter Admiral Richard Howe New Jersey. An Bord war die größte und kostspieligste Streitmacht, die Großbritannien je in die Kolonien entsandt hatte, insgesamt 32 000 Mann, darunter 8 000 deutsche Söldner, u. a. aus Hessen-Kassel, Braunschweig und Hessen-Hanau. Washington hatte weniger als 20 000 Mann zur Verfügung..." aus Encarta
Übe Nachsicht mit meiner Besserwisserei [img][/img]
Gruß
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manolo
11.01.2003, 19:34
@ Shakur
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Amerika dreht durch |
-->meint auch Prof. Martin von Crefeld, inter. anerkannter experte für Militärgeschichte und Strategie - sowie Autor des hochinteressanten Buches"Die Zukunft des Krieges".
Auch Athen leitete 415 v. Chr.
auf diese Art, wie die USA, das Ende ihrer Vormachstellung ein.
man
<ul> ~ hier zur Story</ul>
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QuertreiBär
12.01.2003, 09:50
@ manolo
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diesmal ist es etwas anders |
-->ich stimme Euch und Herrn von Creveld voll zu.
Allerdings ist die Situation heute noch viel existenzieller als im alten Athen.
Denn heute gibt es Atombomben. Ein verrückter Despot konnte früher zwar großen Schaden anrichten, allerdings blieb dieser regional beschränkt. Das ist heute etwas anderes. Und genau davor fürchtets mich.
Denn Bush und Konsorten sind offensichtlich verrückt, sie sind obendrein willens zu den härtesten Maßnahmen zu greifen, und das schlimmste ist: Keiner kann sie aufhalten.
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dottore
12.01.2003, 16:40
@ QuertreiBär
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Re: Prof. Zehm = Ex-Feuilleton-Chef der WELT |
-->ein sehr scharfsinniger Kopf und brillanter Schreiber.
Das zu seinen Vorteilen.
Sein Schicksal (saß in der"DDR" ein, schied mit der Zeitung in Unfrieden, gilt manchem als"Kauz") haben freilich seine Urteilskraft etwas getrübt.
Das Zeitalter des Imperialismus begann vor 1789, wenn auch zunächst im Kleidchen eines kolonialen Expansionismus, und geht erst zu Ende, wenn die tendenziell imperialen Mächte sämtlich am Ende ihres Lateins sind.
Dies wäre erst erreicht, wenn sie ihre Verschuldungsmöglichkeiten (= ihren finanziellen"Spielraum") komplett ausgeschöpft haben (Klassiker: Spanien 16. Jh., Frankreich 18. Jh.).
Kluge Imperialisten wie Napoleon oder Putin ließen / lassen sich auf finanzielle Schieflagen von vorneherein nicht ein. Dass Napoleon verlor, war Feldherrnpech, Frankreich selbst erholte sich sehr schnell und imperialisierte nach dem Wiener Kongress freihändigst; von den Russen ist noch eine ganze Menge zu erwarten, jedenfalls mehr als von den Amerikanern.
Der Hinweis van Crevelds (notabene: Professor in Israel) auf Athens syrakusanisches Abenteuer -415 passt überhaupt nicht. Die Nummer, in die Alkibiades Athen geritten hatte, scheiterte letztlich an Alkibiades bzw. der Halbherzigkeit der Athener, sich ihm komplett auf Gedeih und Verderb anzuvertrauen (so ähnlich könnte es mit Bush ausgehen).
Die skurrile Niederlage bei Aigospotamoi -405 (Verlust der gesamten Flotte!) war bodenlose Unfähigkeit der attischen Admiräle und die anschließenden Verheerungen der Spartaner (die Ã-lbaum-Abhack-Orgie)"saßen" dann endgültig. So etwas wird den Amerikanern nicht so rasch unterlaufen.
Ich selbst sehe das ganze Thema leidenschaftsloser. Sollte es zum Krieg kommen, wird der Irak besiegt, Saddam ist weg und die Oil Companies können sich bedienen (die Mischkalkulation für Crude wird besser, wichtig als Konkurrenz zur ARAMCO).
Der sog."Terrorismus" nimmt so oder so immer weiter zu. Die returns (individuell und kollektiv) sind ungemein verlockend. That's the way the world goes - und das nun doch schon seit ein paar Jahrtausenden.
Gruß!
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JeFra
12.01.2003, 19:04
@ dottore
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Re: Prof. Zehm = Ex-Feuilleton-Chef der WELT |
-->
Ich selbst sehe das ganze Thema leidenschaftsloser. Sollte es zum Krieg kommen, wird der Irak besiegt, Saddam ist weg und die Oil Companies können sich bedienen (die Mischkalkulation für Crude wird besser, wichtig als Konkurrenz zur ARAMCO).
Was ist mit den Staaten, die sich ausrechnen koennen, dass sie als naechste an der 'Reihe' sind (Iran, Syrien, Saudi-Arabien) oder deren Interessen auf andere Weise tangiert werden? Vielleicht ist der Irak ja schnell besiegt, aber 'greift' sich Russland dann Georgien? Oder den ganzen Rest der GUS gleich mit? Dass die Nordkoreaner gerade jetzt aufmuepfig werden, ist doch auch bestimmt kein Zufall. Im Augenblich scheint es ja noch maechtige Kreise in den USA und Israel zu geben, denen die ganze Nummer zu gefaehrlich ist.
... und die anschließenden Verheerungen der Spartaner (die Ã-lbaum-Abhack-Orgie)"saßen" dann endgültig. So etwas wird den Amerikanern nicht so rasch unterlaufen.
So etwas wie eine Intervention von aussen ist vielleicht gar nicht notwendig. Vielleicht reicht es ja bei den USA voellig aus, wenn sie ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht laenger auf den Rest der Welt abwaelzen koennen.
Gruß!
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Tempranillo
12.01.2003, 19:16
@ JeFra
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Re: Der Irak dürfte das geringste Problem sein |
-->>Ich selbst sehe das ganze Thema leidenschaftsloser. Sollte es zum Krieg kommen, wird der Irak besiegt, Saddam ist weg und die Oil Companies können sich bedienen (die Mischkalkulation für Crude wird besser, wichtig als Konkurrenz zur ARAMCO).
Hi,
so in etwa geht es zu in der besten aller möglichen Welten. Wenn es denn so kommt, werden wir alle aufatmen. Was aber, wenn der Krieg eskaliert? Ernsthafte Leute, u.a. Scholl-Latour, halten es für möglich, dass Saddam versucht, Israel in den Konflikt mithineinzuziehen.
Was, wenn auf eine biologische oder chemische Attacke des Irak Israel atomare Vergeltung übt, oder wenn die USA nach einer Terrorattacke ihrerseits zu Atomwaffen greifen?
Dann sieht`s aber sehr schnell anders aus.
T.
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