-->Verkaufe guten Ruf für einen Dollar
Studie: Versteigerer, die sich über lange Zeit guten Leumund erworben haben, verdienen bei Ebay mehr
von Constantin Gillies
In Chatrooms wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Eine Verabredung per E-Mail ist alles andere als verbindlich. Und in Foren beharkt man sich verbal, dass es offline Klagen nur so hageln würde. Kurzum: Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Manieren scheinen in der Online-Welt nicht eben verbreitet zu sein. Doch das täuscht: Im Internet ist der Ehrliche keineswegs der Dumme. Amerikanische Forscher haben nämlich herausgefunden, dass eine weiße Weste auch online etwas wert ist. Und dieser Betrag ist genau zu beziffern: Bei einem Geschäft von 15 Dollar nämlich rund 100 Cent.
Stattgefunden hat das wissenschaftliche Experiment auf den Seiten des Auktionshauses Ebay. Dort haben die Wissenschaftler von den Unis Michigan und Harvard alte Postkarten verkauft. Sie traten dabei wahlweise als erfahrener Verkäufer mit makelloser Vergangenheit und als Neuling mit zweifelhaftem Ruf auf. Das Ergebnis: Für die Postkarten beim alten Hasen zahlten die Bieter deutlich mehr - genau 7,6 Prozent.
Möglich gemacht hat den Versuch das Bewertungssystem von Ebay. Es funktioniert so: Nach einer Auktion kann jeder Käufer dem Verkäufer eine Note geben - positiv, neutral oder negativ. Rund jeder zweite Ebay-Nutzer nutzt das. Für den Anbieter ist es wichtig, dabei gut abzuschneiden, denn die Bewertungen werden gespeichert und sind bei folgenden Auktionen für Bieter einsehbar. So genannte Powerseller haben oft Tausende von positiven Bewertungen in ihrem Profil und sind peinlich darauf bedacht, sich den Ruf nicht durch mangelhafte Ware oder verspätete Lieferung zu ruinieren. Natürlich können sich die Nutzer auch unter einem neuen Namen registrieren. Doch dann ist das mühsam aufgebaute Bewertungsprofil weg.
Als ebensolche Neulinge traten die Wissenschaftler auf, mit sehr wenigen, wenn auch positiven Bewertungen. Ihr Gegenspieler war ein Verkäufer mit dem Usernamen Johnninaswanson. Dahinter verbirgt sich ein kalifornisches Ehepaar, das bereits über 3000 positive Feedbacks gesammelt hat - bei nur einer Rüge. Gehandelt wurden Bündel alter, aber identischer, Postkarten. Im Durchschnitt erzielte man einen Erlös von 15 Dollar. Allerdings lagen die Höchstgebote beim erfahrenen Verkäufer immer rund einen Dollar höher - eben 7,6 Prozent. „Eine vernünftige Prämie für einen guten Ruf - angesichts des Risikos, das die Käufer haben“, sagt Paul Resnick von der University of Michigan.
Eine Integritätsgarantie ist ein makelloses Bewertungsprofil auf Ebay indes nicht. Erst in November stand in Washington eine Frau vor Gericht, die 300 Kunden jeweils um mehrere Tausend Dollar erleichtert hatte - für Computer, die von ihr nie geliefert wurden. Und obwohl angeblich nur eine von 10 000 Auktionen auf Ebay faul ist, bleibt ein Restrisiko. Doch wahre Ebay-Fans hält das nicht vom Bieten ab, wie die US-Forscher in einem zweiten Experiment nachgewiesen haben. Dabei traten zwei unerfahrene Verkäufer gegeneinander an, einer mit makellosem Ruf und einer mit negativem Feedback. Doch das Schmuddelimage hatte auf die Höchstgebote diesmal keinen Einfluss. Fazit: Ebayer lieben Risiko.
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