Aristoteles
31.01.2003, 21:31 |
Einspruch, lieber dottore! Thread gesperrt |
-->Sie schrieben im Beitrag"Ã-ffentliche Lügen? DAS ist die größte":
"Die größte öffentliche Lüge ist ja wohl die, dass der Staat behauptet, er können"mit Hilfe" von Geld- oder Fiskalpolitik irgendetwas"Positives" bewirken, z.B. Konjunkturverläufe zu"glätten", Arbeitsplätze zu"schaffen", den allgemeinen Wohlstand"sichern", die Wirtschaft"anzukurbeln", Durchstechereien aller Art zu"verhindern", Spekulationen"einzudämmen" und wie der Bockmist auch immer lautet.
In Tat und Wahrheit führt jegliche (!) Form von Geld- und Fiskalpolitik in einem System mit Staatsverschuldung und einer Notenbank mit Steuerhoheit (der bekannte"Leitzins" ist eine Steuer, die sich bei Zinssatz über Null automatisch vergrößern muss!) über kurz oder lang in den gesamtwirtschaftlichen Ruin."
Widerlegt der New-Deal nicht Ihre These?
" [...] Der Präsidentschaftswahlkampf von 1932 war hauptsächlich eine Debatte über die Ursachen der Wirtschaftskriese und über mögliche Abhilfen. Der Republikaner Herbert Hoover wollte hauptsächlich auf den natürlichen Erholungseffekt bauen, während der Demokrat Franklin D. Roosevelt bereit war, die Autorität der Zentralregierung für experimentelle Lösungsansätze einzusetzen. Roosevelt wurde mit seinem Konzept für mehr soziale Gerechtigkeit, dem"New Deal" gewählt.
In gewißer Hinsicht kann behauptet werden, dass der New Deal eigentlich nur soziale und wirtschaftliche Reformen einführte, die vielen Europäern seit mehr als einer Generation vertraut waren. Wirklich bemerkenswert am New Deal war allerdings die Geschwindigkeit, mit der Sachen erreicht wurden, die zuvor Generationen gedauert hatten. Innerhalb von drei Monaten setzte Roosevelt eine große Zahl von Gesetzen zum Wiederaufbau der Wirtschaft um. Stellen wurden geschaffen durch den Bau neuer Straßen, Brücken, Flughäfen, Parks und öffentlichen Gebäuden. The Agricultural Adjustment Act (AAA) wurde 1933 vom Kongress verabschiedet um Farmern wirtschaftliche Unterstützung zu geben und das Einkommen anzuheben. Aber während der 1930er Jahre, und insbesondere in den Jahren 1935 bis 1938, wurden die Staaten im Mittleren Westen von einer schweren Dürre heimgesucht und starke Winde und Staubstürme verwüsteten das Flachland, welches als"Dust Bowl" bekannt wurde.
Der New Deal führte zu einer bemerkenswerten Reihe legislativer Initiativen. Beachtliche Steigerungen in Produktion und Preisen wurden erreicht -- aber er beendete nicht die Wirtschaftskrise. Aufgrund von Druck von rechten wie linken Gruppen, unterstützte Präsident Roosevelt eine weitere Reihe wirtschaftlicher und sozialer Maßnahmen (Second New Deal), darunter solche zur Bekämpfung von Armut, Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit durch Arbeitsangebote und die Entwicklung eines sozialen Netzes. Die Works Progress Administration (WPA), die wichtigste Hilfsorganisation des sogenannten Second New Deal, stellte den Versuch dar, Arbeit statt Sozialhilfe anzubieten. Gebäude, Straßen, Flughäfen und Schulen wurden gebaut. Schauspieler, Maler, Musiker und Schriftsteller wurden im Rahmen des Federal Theater Project, des Federal Art Project und des Federal Writers Project angestellt. Aber der Eckpfeiler des New Deal war der Social Security Act aus dem Jahr 1935. Er schaffte ein Versicherungssystem, basierend auf Abgaben von Arbeitnehmer und -geber, für Rentner, Arbeitslose und Behinderten. 1936 gewann Roosevelt die nächste Präsidentschaftswahl mit noch grösserem Vorsprung als 1932 [...]"
Gruß
A.
<ul> ~ http://www.usembassy.de/usa/geschichte-depression.htm</ul>
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tas
31.01.2003, 23:13
@ Aristoteles
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Re: Einspruch, lieber dottore! |
-->>Sie schrieben im Beitrag"Ã-ffentliche Lügen? DAS ist die größte":
>"Die größte öffentliche Lüge ist ja wohl die, dass der Staat behauptet, er können"mit Hilfe" von Geld- oder Fiskalpolitik irgendetwas"Positives" bewirken, z.B. Konjunkturverläufe zu"glätten"...
... zwar nix positives, aber der konjunkturverlauf ist doch tatsächlich ganz wundervoll geglättet:-)
seit etlichen quartalen mehr oder weniger platt knapp oberhalb von NULL.
keine reine ironie, sehen doch teile der linksökologisch orientierten spd und natürlich der grünen wachstum generell als umweltschädliches relikt früherer zeiten - jüngstes beispiel die äußerungen zum transrapid, der hoffentlich an mangelnden finanzierung in deutschland langsam eingehen möge (obwohl wachsendes auslandsinteresse vorhanden).
die friedliche einebnung der schädlichen konjunkturzyklik ist also gelungen, und wachstum haben wir schließlich auch, wenn auch vorerst nur im bereich arbeitslosigkeit...
schönes wochenende, tas
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dottore
01.02.2003, 13:23
@ Aristoteles
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Re: Replik - der Staat als Heilsbringer? |
-->>Widerlegt der New-Deal nicht Ihre These?
>" [...] Der Präsidentschaftswahlkampf von 1932 war hauptsächlich eine Debatte über die Ursachen der Wirtschaftskriese
Hi Aristoteles!
Wie immer: Überschuldung oder woher wäre sonst der deflationäre Verkaufsdruck, angefangen am Aktienmarkt gekommen? Warum die Bankpleiten seit September 1930? Wie können solvente und liquide (= nicht überschuldete) Banken in Konkurs gehen?
>und über mögliche Abhilfen. Der Republikaner Herbert Hoover wollte hauptsächlich auf den natürlichen Erholungseffekt bauen,
Ja, Abbau der Uneinbringlichkeiten, auch wenn's schmerzt. Dann hätte es wieder eine"sound economy" gegeben und nicht nach der Aktien- und Verschuldungsmanie der 1920er die nächste Blase, diesmal in den Staatsfinanzen selbst.
Überdies haben die Amerikaner mit ihrer Weigerung, die"Kriesgsguthaben" zu streichen, Europa dann vollends in den Ruin getrieben. Stichwort Reparationen."How to pay for the War?" fragte Keynes schon 1920 - Klartext: How to re-pay the government bonds, mit deren Hilfe die Alliierten sich finanzierten und die sie dann auf Deutschland überwälzen wollten.
>während der Demokrat Franklin D. Roosevelt bereit war, die Autorität der Zentralregierung für experimentelle Lösungsansätze einzusetzen.
Zentralregierung = noch mehr Staat als weniger?
>Roosevelt wurde mit seinem Konzept für mehr soziale Gerechtigkeit, dem"New Deal" gewählt.
Mit dem Programm wird auch ein Besenstiel zum Präsidenten gewählt."Sozial gerecht" - was gibt es Schöneres als Programm in einer Massendemokratie (bis heute)? Dumm nur: Es wurde nicht von den"Reichen" genommen, die selbst im Konkursstrudel paddelten, sondern freihändig auf das CpD-Konto"Staat" gebucht.
>In gewißer Hinsicht kann behauptet werden, dass der New Deal eigentlich nur soziale und wirtschaftliche Reformen einführte, die vielen Europäern seit mehr als einer Generation vertraut waren.
"Reformen" heißt also den Staat als Back Office zu haben? Dann hieße das für Japan heute, von dem auch immer"Reformen" angemahnt werden: Alle Uneinbringlichkeiten komplett ins Staatskonto buchen und alles ist gut?
Im übrigen stimmt das mit den"vielen" Europäern nicht mal im Ansatz. Die Staaten, die in den 30ern noch am besten davon kamen, waren sämtlich aus dem"nicht reformierten" Block (GB, CH, CS usw.) Und: Bekanntlich haben die Bismarck'schen"Sozialreformen" Hitler nicht verhindert. War etwa nicht genug"reformiert" worden? Weimar war nun wirklich Frontrunner bei den"Reformen" (noch mehr davon) und ging wegen Unmöglichkeit, seine daraus erwachsenen Defizite zu decken unter. Hindenburg löste den Reichstag auf weil SDP-Müller nicht mal mehr Geld für die Arbeitslosenversicherung hatte. Dann kamen die Nazis groß raus.
>Wirklich bemerkenswert am New Deal war allerdings die Geschwindigkeit, mit der Sachen erreicht wurden, die zuvor Generationen gedauert hatten. Innerhalb von drei Monaten setzte Roosevelt eine große Zahl von Gesetzen zum Wiederaufbau der Wirtschaft um. Stellen wurden geschaffen durch den Bau neuer Straßen, Brücken, Flughäfen, Parks und öffentlichen Gebäuden.
Stellen beim Staat. Tolle Idee. Warum nicht alle BRD-Arbeitslosen endlich beim Staat anstellen? Oder in einem"Beschäftigungs-Pool", dann ist die Arbeitslosigkeit sofort auf Null. Vorschläge dazu kamen schon letztes Jahr (Umfeld Hartz usw.).
>The Agricultural Adjustment Act (AAA) wurde 1933 vom Kongress verabschiedet um Farmern wirtschaftliche Unterstützung zu geben und das Einkommen anzuheben.
Mit der Langfristfolge: Überproduktion, Farm Subsidies, Flächenstillegungsprämien usw.
>Aber während der 1930er Jahre, und insbesondere in den Jahren 1935 bis 1938, wurden die Staaten im Mittleren Westen von einer schweren Dürre heimgesucht und starke Winde und Staubstürme verwüsteten das Flachland, welches als"Dust Bowl" bekannt wurde.
Tja, Pech kommt dazu.
>Der New Deal führte zu einer bemerkenswerten Reihe legislativer Initiativen. Beachtliche Steigerungen in Produktion und Preisen wurden erreicht -- aber er beendete nicht die Wirtschaftskrise.
War Roosevelt doch zu knausrig?
>Aufgrund von Druck von rechten wie linken Gruppen, unterstützte Präsident Roosevelt eine weitere Reihe wirtschaftlicher und sozialer Maßnahmen (Second New Deal), darunter solche zur Bekämpfung von Armut, Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit durch Arbeitsangebote und die Entwicklung eines sozialen Netzes.
Vom Third New Deal (Kriegseintritt) steht da nichts?
>Die Works Progress Administration (WPA), die wichtigste Hilfsorganisation des sogenannten Second New Deal, stellte den Versuch dar, Arbeit statt Sozialhilfe anzubieten. Gebäude, Straßen, Flughäfen und Schulen wurden gebaut.
Noch mehr Staatsbeschäftigte. Auch der Soldat ist beim Staat beschäftigt. Tja, warum eigentlich nicht? Alle arbeiten beim Staat. Aber irgendwie hatten wir das auch schon (DDR).
>Schauspieler, Maler, Musiker und Schriftsteller wurden im Rahmen des Federal Theater Project, des Federal Art Project und des Federal Writers Project angestellt.
Staatsschauspieler, Staatshymniker, Staatslakaien.
>Aber der Eckpfeiler des New Deal war der Social Security Act aus dem Jahr 1935. Er schaffte ein Versicherungssystem, basierend auf Abgaben von Arbeitnehmer und -geber, für Rentner, Arbeitslose und Behinderten. 1936 gewann Roosevelt die nächste Präsidentschaftswahl mit noch grösserem Vorsprung als 1932 [...]"
Aus dem SSA zog dann Clinton noch seine berühmten "Haushaltsüberschüsse". Nur leider hat auch Amerika seine Eventualverpflichtungen für die Rentner vergessen, siehe Deutschland. Die Schnur an der Bombe glimmt schon tüchtig. Wer zahlt für die Baby Boomer, wenn die in Rente gehen?
Gruß und die Bitte, offizielle Staatspropaganda ruhig etwas niedriger zu hängen!
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Aristoteles
01.02.2003, 23:43
@ dottore
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Re: Replik - der Staat als Heilsbringer? |
-->Hallo dottore,
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Zugegeben, die Quelle ist nicht gerade neutral und so habe
ich mit einer bissigen Bemerkung gerechnet...
>Vom Third New Deal (Kriegseintritt) steht da nichts?
Verstehe ich Sie richtig:
1. Der New Deal war Ihrer Meinung nach so wirkungslos, wie die
Ankurbelungsprogramme im heutigen Japan (obwohl positive
Effekte am Arbeitsmarkt unstreitig sind, oder?)
2. Ohne den auf die Deflation der 30iger Jahre folgenden Weltkrieg
mit unermeßlichem Leid und gewaltigen Zerstörungen wäre eine Phase
wirtschaftlicher Prosperität nicht möglich gewesen ("Third New Deal")?
Nehmen wir an, die Geschichte wäre anders verlaufen.
Hitler hätte die Wahl - die NSDAP war bereits auf dem
absteigenden Ast als Hitler zum Kanzler gewählt wurde - nicht gewonnen
und der braune Spuk wäre wieder verschwunden. Wäre die Überwindung der
Weltwirtschaftskrise mit friedlichen Mitteln unmöglich gewesen?
Auf den Punkt gebracht:
Wenn die Verwerfungen (Staatsverschuldung) im kapitalistischem System
groß genug sind, folgen zwangsläufig explosive Entladungen die regelmäßig
zu neuen Weltordnungen geführt haben.
Gruß
A.
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dottore
02.02.2003, 10:28
@ Aristoteles
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Re: Replik - der Staat als Heilsbringer? |
-->>Hallo dottore,
>Vielen Dank für Ihre Antwort.
>Zugegeben, die Quelle ist nicht gerade neutral und so habe
>ich mit einer bissigen Bemerkung gerechnet...
>>Vom Third New Deal (Kriegseintritt) steht da nichts?
>Verstehe ich Sie richtig:
>1. Der New Deal war Ihrer Meinung nach so wirkungslos, wie die
>Ankurbelungsprogramme im heutigen Japan (obwohl positive
>Effekte am Arbeitsmarkt unstreitig sind, oder?)
Hi Aristoteles!
Es ist leider kein privater Arbeitsmarkt, sondern ein staatlicher, denn der Staat tritt als Nachfrager nach Arbeitskräften auf. Hitler drückte den Mannen eine Schaufel in die Hand und schon begannen sie für den Staat zu schaufeln...
>2. Ohne den auf die Deflation der 30iger Jahre folgenden Weltkrieg
>mit unermeßlichem Leid und gewaltigen Zerstörungen wäre eine Phase
>wirtschaftlicher Prosperität nicht möglich gewesen ("Third New Deal")?
Wirtschaftliche Prosperität kann niemals eine sein, die der Staat mit Staatsverschuldung inszeniert. Denn die Schulden müssen irgendwann bedient werden und das Geld muss dann von denen kommen, die es"früher" mal erhalten haben (Steuerzahler). Werden die Schulden nicht bedient (Staatsbankrott) kommt es zum Kollaps der Finanzmärkte und einer schweren Depression. Die wischt alle"Prosperität" mit einem Schlag wieder weg.
>Nehmen wir an, die Geschichte wäre anders verlaufen.
>Hitler hätte die Wahl - die NSDAP war bereits auf dem
>absteigenden Ast als Hitler zum Kanzler gewählt wurde - nicht gewonnen
>und der braune Spuk wäre wieder verschwunden. Wäre die Überwindung der
>Weltwirtschaftskrise mit friedlichen Mitteln unmöglich gewesen?
Sie wäre nur durch Verzicht auf das Eintreiben der Guthaben (Kriegsanleihen der Alliierten) möglich gewesen. Die Krise wäre dann noch stärker in den Siegerstaaten ausgebrochen und hätte solange gedauert, bis sämtliche Schulden entweder bedient oder gestrichen worden wären.
Die Umbucherei bringt absolut nichts. Denn Schulden verschwinden nicht von selbst. Und die Guthaben eben auch nicht, die gern als"Prosperität" definiert sind.
>Auf den Punkt gebracht:
>Wenn die Verwerfungen (Staatsverschuldung) im kapitalistischem System
>groß genug sind, folgen zwangsläufig explosive Entladungen die regelmäßig
>zu neuen Weltordnungen geführt haben.
Jawoll. Siehe Frankreich bis zum StaBa 1788 und danach (Revolution, Revolutionskriege, Napoleon, usw.). Wie könnte es jemals anders sein?
Zur aktuellen Lage bitte nochmals Buba-Bericht Januar lesen, Stichwort Zinsderivate (von marsch schon vor längerem reingestellt plus nochmaliger Hinweis erst kürzlich darauf).
Gruß!
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