--> Dienstag, 4. Februar 2003
Der Aufstieg Chinas
von Marc Faber
von Marc Faber
Der Aufstieg von China zur dominanten wirtschaftlichen und politischen
Macht lässt zahlreiche interessante Fragen aufkommen. Es ist
offensichtlich, dass China mit seiner Bevölkerung von 1,2 Milliarden
Menschen die größte Konsumnachfrage der Welt haben wird. Bereits heute
gibt es in China mehr Kühlschränke, Mobilfunkgeräte, Fernseher und
Motorräder als in den USA, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis
China große Märkte für so ziemlich jedes Produkt haben wird. Als
Ergebnis davon wird die chinesische Nachfrage nach Rohstoffen
drastisch steigen, und die chinesische Nachfrage nach Ã-l, Kaffee,
Kupfer und Weizen wird die Preise dieser Güter auf dem Weltmarkt
drastisch steigen lassen.
Bedenken Sie Folgendes: Asien mit seiner Bevölkerung von
schätzungsweise 3 Milliarden Menschen verbraucht heute rund 19
Millionen Barrel Ã-l pro Tag. Die USA - mit einer Bevölkerung von 285
Millionen - verbrauchen 22 Millionen Barrel Ã-l täglich. Damit liegt
der amerikanische Pro-Kopf Ã-lverbrauch 10 Mal über dem asiatischen
Wert. Allerdings steigt der Verbrauch in Asien mittlerweile rapide.
Chinas Ã-lnachfrage hat sich in den letzten 7 Jahren verdoppelt, auf
rund 4,5 Millionen Barrel pro Tag. Aber es ist nicht nur der Ã-lmarkt,
der das chinesische Wirtschaftswachstum fühlen wird. Nehmen Sie zum
Beispiel den Pro-Kopf Verbrauch von Nahrungsmitteln in China - was ich
nicht mit den westlichen Ländern vergleichen werde, da dort eine große
Zahl Menschen an Überernährung leidet. Wenn man sich den Verbrauch von
Fleisch, Milch, Fisch, Früchten und Geflügel in China, Taiwan und Hong
Kong ansieht, dann ist es offensichtlich, dass ein steigender
Lebensstandard in China zu einem Anstieg beim Kauf dieser Produkte
führen wird; irgendwann in der Zukunft wird der Pro-Kopf Verbrauch in
China selbst schließlich die Werte, die Hong Kong und Taiwan haben,
erreichen.
Oder vergleichen Sie den chinesischen Pro-Kopf Verbrauch von Kaffe mit
dem der westlichen Länder. In Deutschland werden pro Person und Jahr
8,6 Kilo Kaffee konsumiert, in der Schweiz 10,1 Kilo, und in Japan -
wo der Kaffeeverbrauch in den letzten 30 Jahren drastisch zugenommen
hat - sind es 2,3 Kilo. In China liegt der Pro-Kopf Verbrauch bei nur
0,2 Kilo. Wenn diese Ziffer nur auf 1 Kilo steigen würde (was etwas
unter dem Wert von Südkorea liegt), dann würde China einen totalen
Kaffeeverbrauch von 1,2 Milliarden Kilo haben - verglichen mit einem
Schweizer Verbrauch von insgesamt 70 Millionen Kilo!
Was ich hier betonen möchte, ist Folgendes: Wenn der Lebensstandard in
China weiter steigen wird, dann wird dieses Land einen großen Einfluss
auf die Welt-Rohstoffmärkte haben, was die Preise dort wahrscheinlich
deutlich nach oben ziehen wird. Um von Chinas Aufstieg zur
bedeutendsten wirtschaftlichen Macht der Welt zu profitieren, sollte
man deshalb auf Rohstoffe setzen.
Man mag natürlich meinen Optimismus in Bezug auf die
Wachstumsaussichten Chinas in Frage stellen, und man kann auf die
großen Probleme verweisen, mit denen China konfrontiert ist. Diese
Probleme sind das Finanzsystem, faule Kredite bei den Staatsbanken,
unterfinanzierte Pensionsfondsverpflichtungen, Korruption und das
wachsende Vermögens-Ungleichgewicht zwischen Chinas städtischer und
ländlicher Bevölkerung. Aber ich glaube, dass diese Probleme Chinas -
so substanziell sie auch sein mögen - sich lösen lassen.
Allerdings bleibe ich davon überzeugt, dass China irgendwann in der
nahen Zukunft eine ernsthafte Finanzkrise bekommen wird, die die
dortigen Politiker dazu zwingen wird, sich mit den faulen Krediten und
den Pensionsfonds auseinander zusetzen. Sie sollten sich darüber aber
nicht zu viele Sorgen machen. Auch die amerikanische Wirtschaft des
19. Jahrhunderts erlebte eine Serie von Krisen, und sogar einen
Bürgerkrieg, und dennoch entwickelte sich die amerikanische Wirtschaft
zwischen 1800 und 1900 blendend. Es ist einfach so - alle besonders
stark wachsenden Volkswirtschaften erleben von Zeit zu Zeit drastische
temporäre Rückschläge.
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