nereus
11.02.2003, 18:16 |
Szene aus dem Tollhaus der Weltpolitik Thread gesperrt |
-->Quelle: Der Europäer Jg. 7 / Nr. 4 / Februar 2003
Wäre es doch nur eine absurde Farce...
New York, 7. Dezember 2002. Gegen Mitternacht dringen drei US-Regierungsbeamte in das 31. Stockwerk des UNO Hauptquartiers ein. Begleitet vom Kolumbianer Alfonso Valdivieso, dem derzeitigen Präsidenten des Sicherheitsrates.
Hans Blix, der Leiter der mit der Abrüstung Iraks beauftragten Kommission (Unmovic), wird dazu aufgefordert, die frisch angelangten beiden Köfferchen mit dem Bericht aus Bagdad auszuhändigen.
Blix beugt sich, sein Posten untersteht dem Sicherheitsrat.
Valdivieso war von der kolumbianischen Regierung angewiesen worden, die Aushändigung der Koffer zu veranlassen - nachdem diese Regierung zuvor durch Washington mit Druck und Geschenken (einer Erhöhung der Militärhilfe für Kolumbien!) zu diesem Schritt genötigt worden war.
Das aus Bagdad pünktlich gelieferte, 11807 Seiten umfassende Waffendossier in zwei Exemplaren wurde umgehend nach Washington geflogen.
Laut dem Sprecher des US-Außenministeriums besitze Washington nämlich bessere Kopiergeräte als die UNO. Außerdem sei in Washington gewährleistet, dass keine vertraulichen Informationen in falsche Hände gelangen würden.
Ein UNO-Sprecher sprach von einem «Raubüberfall», während sich Kofi Annan nur dazu aufraffen konnte, den Vorgang «unglücklich» zu nennen.
Was hat in US-Regierungskreisen die Panik verursacht, die zu dieser Nacht-und-Nebel-Aktion trieb?
Es war die beim Eintreffen des Dossiers zutage tretende Tatsache, dass der Bericht eine vom UNO-Sicherheitsrat nicht verlangte Detailliertheit aufwies:
«In jeder der vier Kapitel (atomare, biologische und chemische Waffen sowie Raketen), fügten die Iraker einen Absatz über ‹die Beziehungen mit Staaten, Firmen und den wichtigsten Lieferanten› ein. Darin werden jene Firmen aufgezählt, die auch nach der Verhängung der Wirtschaftssanktionen Rüstungsgüter oder chemische Grundstoffe für Nervengase lieferten. Diese für etliche Regierungen unangenehmen Enthüllungen sollen auf Verlangen maßgeblicher Mitglieder des Weltsicherheitsrats geheim bleiben.» (Basler Zeitung, 12. 12. 2002)
Die massivste Untersützung für seine Rüstungsindustrie erhielt der Irak seit den 70er Jahren laut dem Bericht aus Deutschland und den USA. Kein anderer als der heutige USAußenminister Rumsfeld hatte bei einer Bagdad-Visite im Dezember 1983 eine regelrechte, aber geheime Militärkooperation zwischen das mit Iran im Krieg liegende Bagdad und Washington eröffnet. Es kam zu diversen Waffenlieferungen, einschließlich der Hilfe zum Kalibrieren von Senfgasangriffen und der Lieferung von Milzbrand- und anderen Krankheitserregern.
Am Tag nach dem New Yorker Raubüberfall erhielten Russland, Frankreich, Großbritannien und China eine angeblich unzensierte, die übrigen zehn Mitglieder des Sicherheitsrates eine zugegebenermaßen zensierte Fassung des Bagdad-Berichts.
Man kann die plötzliche Panik und den Druck auf den Präsidenten des Sicherheitsrates gut verstehen.
Kaum verständlich ist, dass nicht die ganze Welt in ein offenes Gelächter ausbrach, als von der US-Regierung nach der Nacht- und Nebel- Aktion von verdächtigen Lücken geredet wurde, die Bagdad im Dossier gelassen habe. Die Lücken, die man nach dem Raubüberfall selbst geschaffen hatte, werden einfach auf den jahrzehntelang geförderten «Feind» projiziert.
Wenn das alles doch nur eine absurde Farce in einem Vorstadttheater wäre! Niemand brauchte hinzugehen, und die Vorstellungen würden daher bald ein Ende haben. Doch diese Farce ist gegenwärtig Weltpolitik, von der nicht fernzubleiben ist. Deren Brutalität und Verlogenheit wird von Leuten am Leben gehalten, die in der Macht und im Willen zur Macht das eigentliche Wirklichkeitsprinzip erblicken, dem sich alles andere, zuvorderst das Prinzip der Wahrheit, vollständig zu unterwerfen hat.
An solchen farcenhaften, in ihren Folgen aber lebenvernichtenden Absurditäten wie dem New Yorker «Raubüberfall» tritt der Untergangscharakter heutiger Politik besonders klar zutage....
Thomas Meyer
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Tempranillo
11.02.2003, 18:46
@ nereus
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Re: Wo der US-Schund seinen Ursprung hat |
-->Hi nereus,
besten Dank für den Beitrag! Das ist ein ganzer Wasserfall auf meine/unsere(?)Mühlen. Schon Baldur hat heute etwas geschrieben, was auch ich mal loswerden wollte; mit Deinem Text ist es wieder so. Macht aber nichts, dann bin ich wenigstens nicht der erste, der eine seltsame Ansicht ans Board heftet.
Hast Du Dich nicht auch schon mal gefragt, woher die USA die Unverschämtheit bezieht, immer mehr Schund und Schmutz über D-Land auszukübeln, uns als"Hitler`s Children" zu denunzieren, je mehr die zwölf dunklen Jahre von uns fern rücken?
Meine Antwort war, in Anlehnung an Dr. Freud, dass es sich dabei um einen Fall der psychologischen Projektion handeln müsse. Man unterstellt dem anderen genau jene Ansichten, jene dunklen Seiten des eigenen Charakters, die man an sich selbst nicht wahrhaben will, deren Wahrnehmung"wegzensiert" wird. Glücklicherweise gibt es jetzt einen Beleg, der meine Vermutung als nicht mehr ganz so abwegig erscheinen lässt:
>Die Lücken, die man nach dem Raubüberfall selbst geschaffen hatte, werden einfach auf den jahrzehntelang geförderten «Feind» projiziert.
Nicht nur die Lücken im Bericht der UN-Inspektoren möchte ich hinzufügen. Noch ganz andere Aspekte der uramerikanischen Welt-Krinminalität, werden immer anderen, zumeist D-Land, unterstellt. Als da wären
- Der Griff nach der Weltmacht
- Kriegslüsternheit
- Neigung zum Angriffskrieg
- Massenmord
- Unausrottbare Neigung zu diktatorischen Staatsformen
- Eugenik
- Rassismus
Damit wären einige der Aspekte benannt, die uns rund um die Uhr immer nur in Verbindung mit Hakenkreuz und Hitler aufgetischt werden. Ein ganz billiges Ablenkungsmanöver. Die globalisierte Bestialität mit Stars-and-Stripes und der Statue of"Liberty" zu verknüpfen wäre unendlich sinnvoller. Für Gegenwart und Zukunft sowieso, möglichwerweise auch für Teile der Vergangenheit.
Tempranillo
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silvereagle
11.02.2003, 20:12
@ nereus
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Das Tollhaus ist die Politik selbst ;-) |
-->> Doch diese Farce ist gegenwärtig Weltpolitik, von der nicht fernzubleiben ist.
Irrtum! ;-) Für manche mag es purer Luxus sein, für andere ein Ding der Unmöglichkeit, für manche das normalste auf dieser Welt: Der Politik fernbleiben! ;-)
Wer wirklich glaubt, etwas verändern zu können, der wird sich schnell eines Besseren belehren lassen müssen. Aber das Ego braucht nun mal Illusionen, sonst findet es das Leben nicht mehr lebenswert. Wer kennt es nicht, das Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein?
Unterm Strich scheinen demnach immer diejenigen zu gewinnen, die es am besten verstehen, die Illusionen (der anderen) auf die Spitze zu treiben: Man denke (zum Aufwärmen) nur an Schauspieler, Wissenschaftler (wer glaubt heute NICHT, der Mensch könne fliegen?), Zauberkünstler, kurzum: Verkaufsgenies aller Art.
Aber die Krönung all dessen ist nunmal die Spielwiese namens Politik. Wer hängt ihr nicht an, der süssesten aller Illusionen: "Gemeinsam sind WIR stärker"? ;-) Es ist völlig egal, wer dabei das WIR ist - Hauptsache, das fühlende Individuum befindet sich im Rausch des"Dazugehörens".
Ein Spiel muss man solange spielen, bis es uninteressant geworden ist. Das Ego-Spiel, das Spiel der Spiele, die Krönung der"Evolution", hat wohl noch lange, lange nicht ausgespielt. ;-)
Gruß, silvereagle
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chiron
11.02.2003, 20:13
@ Tempranillo
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Re: Wo der US-Schund seinen Ursprung hat |
-->>Hi nereus,
>besten Dank für den Beitrag! Das ist ein ganzer Wasserfall auf meine/unsere(?)Mühlen. Schon Baldur hat heute etwas geschrieben, was auch ich mal loswerden wollte; mit Deinem Text ist es wieder so. Macht aber nichts, dann bin ich wenigstens nicht der erste, der eine seltsame Ansicht ans Board heftet.
>Hast Du Dich nicht auch schon mal gefragt, woher die USA die Unverschämtheit bezieht, immer mehr Schund und Schmutz über D-Land auszukübeln, uns als"Hitler`s Children" zu denunzieren, je mehr die zwölf dunklen Jahre von uns fern rücken?
>Meine Antwort war, in Anlehnung an Dr. Freud, dass es sich dabei um einen Fall der psychologischen Projektion handeln müsse. Man unterstellt dem anderen genau jene Ansichten, jene dunklen Seiten des eigenen Charakters, die man an sich selbst nicht wahrhaben will, deren Wahrnehmung"wegzensiert" wird. Glücklicherweise gibt es jetzt einen Beleg, der meine Vermutung als nicht mehr ganz so abwegig erscheinen lässt: >
>>Die Lücken, die man nach dem Raubüberfall selbst geschaffen hatte, werden einfach auf den jahrzehntelang geförderten «Feind» projiziert.
>Nicht nur die Lücken im Bericht der UN-Inspektoren möchte ich hinzufügen. Noch ganz andere Aspekte der uramerikanischen Welt-Krinminalität, werden immer anderen, zumeist D-Land, unterstellt. Als da wären
>- Der Griff nach der Weltmacht
>- Kriegslüsternheit
>- Neigung zum Angriffskrieg
>- Massenmord
>- Unausrottbare Neigung zu diktatorischen Staatsformen
>- Eugenik
>- Rassismus
>Damit wären einige der Aspekte benannt, die uns rund um die Uhr immer nur in Verbindung mit Hakenkreuz und Hitler aufgetischt werden. Ein ganz billiges Ablenkungsmanöver. Die globalisierte Bestialität mit Stars-and-Stripes und der Statue of"Liberty" zu verknüpfen wäre unendlich sinnvoller. Für Gegenwart und Zukunft sowieso, möglichwerweise auch für Teile der Vergangenheit.
>Tempranillo
Hallo Tempranillo,
wahrscheinlich ist es dir auch schon ähnlich ergangen wie mir, als ich gewisse Verschwörungstheorien nicht per se als Quatsch disqualifizieren mochte. Je länger je mehr frage ich mich, was alles sich am Ende noch als wahr herausstellen könnte. Vorallem im Gesundheitswesen gibt es vermutlich noch mehr aufzudecken als uns lieb sein könnte (Krebs, Aids, Ritalin,.etc.). Aufwachen kann schmerzhaft sein. Ich ziehe es aber vor, den Wecker selber zu stellen.
Goldige Grüsse
Chiron
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nereus
11.02.2003, 21:50
@ silvereagle
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Re: Das Tollhaus ist die Politik selbst - silvereagle |
-->Hallo Silberadler!
An Dir bewundere ich immer Deine Leichtigkeit des Seins.
Du fliegst mal hie und schwebst mal da, die Welt scheint eine einzige Illusion und wer beim großen Theater nicht mitmachen will, bleibt einfach zu Hause.
Wer kennt es nicht, das Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein?
Ich finde das Thema Krieg einfach zu ernst, um kleine philosophische Spielchen zu spielen.
Ich möchte weder zum Board-Friedensengel mutieren, noch mit brennender Kerze in der Hand täglich eine Schweigeminute für alle verblichenen und zukünftigen Kriegsopfer einlegen.
Doch mit meiner Meinung zu diesem absurden und gefährlichen Possenspiel halte ich nicht hinter dem Berg
Unterm Strich scheinen demnach immer diejenigen zu gewinnen, die es am besten verstehen, die Illusionen (der anderen) auf die Spitze zu treiben:..
Das mag wohl so sein.
Aus diesem Grund sitzen auch angeblich intelligente Leute in allerhöchsten Gremien und lassen sich für dumm verkaufen. Generäle und Politiker lügen das Schwarze vom Himmel (das Blaue ist viel zu schade dafür) und zu guter Letzt ist jetzt auch Osama wieder überpünktlich zur Stelle.
Irgendein ein böser Geist oder Illusionist hat ihn wieder auferstehen lassen.
Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass er wirklich im afghanischen Wüstensand vertrocknet ist.
Eigentlich müsste man irre lachend durch die Straßen laufen und sich freuen, dass bald die Preise an den Zapfsäulen wieder sinken. So ein Krieg kann auch wirklich gute Seiten haben.
Aber die Krönung all dessen ist nun mal die Spielwiese namens Politik. Wer hängt ihr nicht an, der süssesten aller Illusionen:"Gemeinsam sind WIR stärker"? ;-) Es ist völlig egal, wer dabei das WIR ist - Hauptsache, das fühlende Individuum befindet sich im Rausch des"Dazugehörens".
Schreibe doch mal in zwei- oder drei kurzen und vor allem verständlichen Sätzen auf was Du damit sagen willst.
mfG
nereus
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