-->Schlechte Note für Zinsprognosen der Banken
Qualität der Vorhersagen zweifelhaft /"Weniger treffend als die naive Prognose"
ruh. FRANKFURT, 13. Februar. Die Zinsprognosen der deutschen Finanzdienstleister taugen nur wenig. Zu diesem Schluß kommt der ehemalige Anleihenanalyst Markus Spiwoks in seiner Dissertation. Der Braunschweiger Hochschullehrer hat die Zinsvorhersagen von rund 20 deutschen Banken in den Jahren 1989 bis 2000 untersucht."Nicht eine der Prognosereihen war auch nur annähernd geeignet, um darauf aktive Portfoliostrategien aufzubauen", sagt Spiwoks. Die Vorhersagen seien vielmehr stark an der jeweils aktuellen Marktlage orientiert gewesen. Dieser Eindruck drängt sich schon beim Blick auf die graphischen Darstellungen der Zeitreihen auf; etwa bei den Prognosen der Deutschen Bank, die unter den untersuchten Instituten durchschnittlich abgeschnitten hat. In allen Fällen hätten die Prognosen der Banken die Zukunft schlechter erfaßt als die"naive Prognose", bei der das gegenwärtige Zinsniveau auch für die Zukunft vorhergesagt wird.
Für die Finanzdienstleister ist die Qualität der Prognosen von erheblicher Bedeutung. Sie bieten ihren Kunden in der Vermögensverwaltung aktive Portfoliostrategien an. Damit ist das Versprechen verbunden, überdurchschnittliche Renditen zu erwirtschaften. Mit einer mangelhaften Kapitalmarktprognose sei diese Vorgabe aber nicht zu erfüllen, kritisiert Spiwoks. So sei auch die geringe Kundenbindung zu erklären. Im Durchschnitt wechselten vermögende Privatkunden alle fünf Jahre den Vermögensverwalter. Vor dem Hintergrund der geringen Qualität der Prognosen seien systematische Überrenditen nahezu ausgeschlossen, vermutet Spiwoks. Die Untersuchung beschäftigt sich zwar nur mit Zinsprognosen. Aber die Vermutung sei naheliegend, daß die Vorhersagen in anderen Bereichen, etwa in der Aktienanalyse, nicht deutlich besser sind, sagt Spiwoks. Deshalb sollten die Vermögensverwalter überdenken, ob sie aktive Portfoliostrategien weiterhin in das Zentrum ihres Leistungsversprechens stellen sollen, obwohl sie nicht in der Lage sind, die dafür notwendige Prognoseleistung zu erbringen.
Die Qualität der Prognosen ist auch bei den Banken ein Thema. Aber Spiwoks harsches Urteil wird nicht geteilt. Bei der Beurteilung sei entscheidend, ob die Prognose für Zeiträume oder Zeitpunkte beurteilt wird, sagt Klaus Holschuh, Rentenexperte der DZ Bank. Die Analysten seines Instituts hätten seit 1987 in immerhin 65 Prozent der Fälle für die Zinsentwicklung die richtige Richtung prognostiziert. Das sei zwar kein idealer Wert, aber eine hilfreiche Grundlage für aktive Portfoliostrategien. In dieser Zeit habe der durchschnittliche Fehler bei der Dreimonatsprognose 35 Basispunkte betragen. Das sei zwar auf den ersten Blick viel. Aber gemessen an der durchschnittlichen Veränderung der Renditen um 70 Basispunkte könne sich auch dieses Ergebnis sehen lassen. Allerdings räumt Holschuh ein, daß die Rentenanalysten sich häufig zu sehr an der aktuellen Marktlage orientieren. Meist werde die aktuelle Rendite als faire Bewertung angenommen und von diesem Niveau aus eine Veränderung prognostiziert.
Vermögensverwalter, die Spiwoks' ernüchterndem Urteil folgen, müssen ihren Gelderwerb nicht aufgeben. Der Wissenschaftler rät, ein Leistungsversprechen zu wählen, das eingehalten werden kann. So könnten sich die Vermögensverwalter auf Vermögensstruktursteuerung, Steueroptimierung und passives Portfoliomanagement konzentrieren.
Markus Spiwoks: Vermögensverwaltung und Kapitalmarktprognose, Verlag Peter Lang, Frankfurt 2002.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.02.2003, Nr. 38 / Seite 19
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