-->Trichets Wechsel zur EZB wird immer unwahrscheinlicher
Urteilsverkündung erst am 18. Juni / Gerüchte über eine Kandidatur von Michel Pébereau
gb. PARIS, 13. Februar. Die Aussichten für eine Berufung Jean-Claude Trichets an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich verdüstert, nachdem das mit dem Prozeß gegen den Gouverneur der Bank von Frankreich befaßte Pariser Strafgericht angekündigt hat, es werde seine Urteile erst am 18. Juni verkünden. Da EZB-Präsident Wim Duisenberg seinen Rücktritt bereits für den 9. Juli angekündigt hat, würde es selbst im Falle eines Freispruchs eng für Trichet, zumal das Berufungsverfahren für den europäischen Notenbankchef zeitaufwendig ist. Trotz aller Schwierigkeiten bleibe Trichet der Kandidat der französischen Regierung, ist aus der Hauptstadt zu erfahren.
Das Pariser Gericht läßt sich auffallend viel Zeit für seine Urteilsverkündung, obgleich es weiß, daß Trichet an einem raschen Urteil interessiert ist. Der Gouverneur der Bank von Frankreich ist dort mit anderen Prominenten aus der hohen Verwaltung und der Finanzbranche wegen des Verdachts der Beihilfe zur Bilanzfälschung bei der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais im Jahr 1992 angeklagt. Trichet war damals Leiter des Schatzamts, das im Finanzministerium unter anderem die Staatsbeteiligungen verwaltet. Die Schlußplädoyers wurden bereits gehalten. Während der Staatsanwalt Trichets Mitschuld für erwiesen hält und eine Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung fordert, plädiert die Verteidigung auf Freispruch. Im Falle einer Verurteilung wäre Trichet nicht nur aus dem Rennen um die Nachfolge Duisenbergs, sondern wohl auch nicht länger als Chef der Bank von Frankreich tragbar. Wie zu hören ist, wird derzeit erwogen, Duisenberg um einen längeren Verbleib an der Spitze der EZB zu bitten. Bliebe der Holländer noch einige Monate, könnte Trichet nach einem Freispruch im Juni in aller Ruhe zum EZB-Präsidenten berufen werden. In Paris beginnt man aber auch zu fragen, wer als Kandidat in Frage käme, falls Trichet verurteilt werden sollte. Frankreich ist jedenfalls nicht bereit, seinen Anspruch auf die EZB-Präsidentschaft aufzugeben.
Seit einigen Monaten ist Christian Noyer für die Chefposition in Frankfurt im Gespräch. Allerdings ist nicht klar, ob die Statuten der Bank eine zweite Nominierung des ersten Vizepräsidenten der EZB in die Führung der Zentralbank gestatten. Zudem werden seit einiger Zeit - offenbar aus der EZB selbst - Zweifel an der Fähigkeit des Franzosen gesät, die Präsidentschaft zu übernehmen. Der Franzose sei zwar ein guter Verwaltungsfachmann, aber kein charismatischer Geldpolitiker, heißt es. Zu allem Überfluß könnte auch Noyer in juristische Schwierigkeiten kommen, falls die Ermittlungen über Bilanzfälschungen beim Crédit Lyonnais auf das Jahr 1993 ausgeweitet würden. Damals wurde Noyer Nachfolger Trichets als Leiter des Schatzamtes.
Jenseits von Trichet und Noyer verfügt Frankreich über wenige Kandidaten. Seit einiger Zeit kursiert in Paris jedoch ein interessantes Gerücht. Danach könnte der Präsident der führenden Geschäftsbank BNP Paribas, Michel Pébereau, ein neuer Anwärter auf die Führung der EZB sein. Der 61 Jahre alte Pébereau ist ein erstklassiger Bankmanager mit Verwaltungserfahrung. Überdies könnte sein Wechsel nach Frankfurt eine Fusion der Geschäftsbanken BNP Paribas und Société Générale erleichtern, deren Führung dann auf den ehrgeizigen Chef der Société Générale, Daniel Bouton, hinausliefe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.02.2003, Nr. 38 / Seite 13
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