-->[b]Italien: Antikriegsgegner blockieren US-Militärtransporte.
[/b]Obwohl der Kommandant des US-Stützpunktes Camp Darby Oberst Ilio Venuti beteuert, dass die militärische Fracht, die auf italienischem Boden zur Verschiffung in die südliche Mittelmeerregion auf den Weg gebracht werden sollte, fast vollständig zum Ziel kam, schaffte es bis gestern gerade einmal der fünfte oder sechste der 26 angesetzen Züge, wirklich durchzukommen. Immerhin sollten es bis zum Sonntag planmäßig mindestens 8 sein. Der einzige Zug, der gestern den US-Stützpunkt im norditalienischen Ederle di Vicenza verließ, wurde zwischen dem Abfahrtbahnhof Grisignano und dem Eisenbahnknotenpunkt Verona in zwei Teile dividiert und erreichte nur mühsam sein Ziel.
Gestern haben die Amerikaner die slovenische Regierung gebeten, den Transit von 20 Zügen zu gewähren, die gepanzerte Fahrzeuge transportieren sollen um von der italienischen Region Venetien aus, wo der Stützpunkt Ederle liegt, die Türkei erreichen zu können. Der Weg würde so über Slovenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien führen. Diese Anfrage kam deshalb zustande, weil Ã-sterreich für solche Transfers von einer zweiten UNO-Resolution abhängig gemacht hat und damit für eine solche Aktion vorläufig nicht zu haben ist. So muss es, wenn es nicht gelingt, den Widerstand in Italien zu brechen, über Slovenien gehen.
Slovenien gehört zu den zehn Ländern, welche die Erklärung von Vilnius unterzeichnet haben und damit George Bush bedingungslose Unterstützung zugesichert haben. Der slovenische Ministerpräsident Anton Rop hat mitgeteilt, dass er noch in dieser Woche mit dem Parlament über die Resolution beraten wird, um zu einem klaren Mandat zu gelangen.
Damit wird denkbar, dass die Züge, die Ederle noch verlassen sollen, über den Bahnhof Aurisina bei Triest außerhalb Italiens ans Ziel geschickt werden, um dem landesweiten Aufruhr wegen der Transporte auf italienischem Boden ein Ende zu setzen. Der ist nämlich nicht nur rein kriegstechnisch logistisch ein arger Klotz am Bein, sondern über die Landesgrenzen hinaus auf äußerst unvorteilhafte Weise ziemlich resonanzträchtig. In Holland wird es jetzt beispielsweise auch verschiedene Trainstopping-Aktionen geben, und zwar ausdrücklich nach italienischem Beispiel
Das schon angekratzte Image der Amerikaner wird durch den Wirbel um die Todeszüge in Italien noch stärker ramponiert, weil die kolossale Kriegsmaschine der über-über-Supermacht"greifbar" wird und in dem lauten Nein! der Italiener zu den Kriegstranporten das noch lautere Nein! von Millionen auf der ganzen Welt sehr penetrant widerhallt und dazu noch massiv der Gedanke des direkten Widerstands transportiert.
Am 24. Februar berichtete die Washington Post, dass die Berichte der als"Augen und Ohren" der USA im Ausland dienenden US-Botschafter, die aus der ganzen Welt per Geheim-Cablogramm das State Departement mit Stimmungsbildern aus der ganzen Welt versorgen, seit Wochen schon zu einer"ziemlich erschütternden" Lektüre geworden sind. Wie der Bericht des US-Botschafters in Italien dieser Tage aussieht, kann man sich denken.
Auch der aktuelle Bericht des Französischen Botschafters könnte ein schönes Bon-Bon für das Departement enthalten. Die großauflagige Zeitung"Le Monde" von heute http://www.lemonde.fr/article/0,5987,3210--310401-,00.html beendet einen Artikel über die Ereignisse in Italien immerhin mit einem handfesten Hinweis auf eine Sabotagetechnik. In Zusammenhang mit der Tatsache, dass wegen dem Chaos auf den Bahnstrecken Straßentransfers erwogen und im kleinen auch schon durchgeführt wurden und sich die italienischen Friedensaktivisten aus dem nichts am laufenden Band neue Techniken um die Transporte zu stoppen einfallen lassen, wird da als Schlusswort erzählt, man empfehle, die Tanks mit Sand zu füttern. Punkt Punkt Punkt... Und der Botschafter in Holland wird auch wenig Erfreuliches erzählen müssen, wenn die Holländer es wirklich den Italienern gleich tun werden, so wie der Botschafter in Griechenland und zig andere auch andauernd nichts gutes berichten. Es scheint so, als würde dies auch in USA langsam bekannter würde, als der Regierung lieb ist.
Sollte sich die Slovenien-Variante konkretisieren, wird es in Italien eine entsprechende Mobilisierung zur Aktion gegen die Transporte entlang der kurzen Strecke, die von Ederle di Vicenza bis zur Grenze in Aurisina bei Triest führen würde. Der Wortführer der Disobbedienti Luca Casarini hat schon angekündigt, dass dieser Strecke besondere Beachtung geschenkt werden wird. Wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, dass die Transporte außer Landes mindestens Teilweise umgeleitet werden, dann wird dies die Kriegsallianz einiges kosten.
Das maritime Fachmagazin Trade Wings berichtet darüber, dass der italienische US Military Sealift Command für 90 Tage folgende Handelsfrachter für den Transport von Kriegsmaterial ab Livorno, Southampton und nicht näher genannten Häfen des Mittelmeers kooptiert haben soll:
M/n Strada gigante, über die Firma"Strade Blu" Eigentum vom Klamottenhersteller Benetton - M/n Genova Bridge - M/n Neptune Aegli - M/n Dart 10 - M/n Jolly Giallo, Eigentum des genuesischen Unternehmers Messina, auch Betreiber des regulären Seelinienverkehrs zwischen Genova, Livorno, Napoli zum Persischen Golf
Die Schiffe Velazquez, Cervantes, Arroyofrio und L'audace von Suardiaz
Der Camp Darby-Kommandant Venuti hat bestätigt, dass das Material, das in diesen Tagen auf Schienen durch Italien rollt, im Hafen von Livorno verschifft werden soll. Die angekündigte Arbeitsverweigerung der Hafenarbeiter von Livorno macht das Ganze zu einem nicht unerheblichen Problem. Auch aus anderen italienischen Häfen treffen derweil Botschaften der Verweigerung ein.
Der Umstand, dass neben der Slovenien-Route auch von amerikanischen Erwägungen, die Transporte über den Balkan zu führen die Rede ist, macht deutlich, dass die Sache mit den Dockern von Livorno nicht unwesentlich dem Ärger der Kriegslogistiker beiträgt. Der hohe Preis von Planänderungen in der sich abzeichnenden Größenordnung könnte aber dazu führen, dass doch weiter an der Benutzung italienischer Routen festgehalten wird. Der italienische Innenminister hat jedenfalls harte Repression der Blockaden angekündigt. Das steht allerdings auf einem anderen Blatt, bzw. in einem anderen Bericht, der folgen wird.
Quelle: http://de.indymedia.org/2003/02/42802.shtml
Meldung von heute:
Mehrere Tonnen Material, unter anderem zwei Betonpfeiler von über 10 Metern Länge liegen auf den Gleisen bei Fornovo, auf der Strecke eines derzeit rollenden Zuges. Auch CGIL-Funktionäre und das christliche Friedensnetz Lilliput stehen seit neuestem ausdrücklich hinter der Belegung von Gleisen mit Sperrgut. Das war beispielsweise am Montag noch nicht der Fall, da riefen die Funktionäre der CGIL und Lilliput-Vertreter wegen einer ähnlichen Sache bei einer Blockade noch die Polizei, echt wahr, wobei die Sache etwas komplizierter ist, es gab auch andere, die da echt Scheiße gebaut haben sollen. Die betreffenden Funktionäre und Netzwerkvertreter haben sich vor wenigen Stunden nun in aller Form dafür öffentlich entschuldigt.
Das ist echt etwas Besonderes und hat eine nicht geringe politische Bedeutung. Soviel Einheit kann wirklich gefährlich werden und es wird auch Folgen haben, dass es passiert ist. Ganz vordergründig bei der offenen wie bei der verdeckten Repression, und wenn die Leute wirklich stark sind und den zu erwartenden Gegenmaßnahmen standhalten, dann könnte das auch die sozialen Kämpfe sehr viel stärker machen. Es ist nicht nur der Krieg, der die Menschen treibt. Radikale Formen des zivilen ungehorsams haben jedenfalls in den letzten Tagen in der allgemeinen Perzeption wieder den Status eines eindeutig legitimen und berechtigten Mittels erlangt, wie es schon lange nicht mehr der Fall war. Das ist ein Ding von enormer Wichtigkeit.
Eine fast drei Kilometer lange Lasterkolonne, zu der auch gespenstisch aussehende Raketenträger gehörten, hat in den Abendstunden von Ederle bei Vicenza aus sehr viel Material zum verladen in den Bahnhof von Verona gebracht. In Verona war die Lage wegen der ellenlangen Lasterkolonne mit Kriegsgut und dem Verladen des selben auf den Zug während des ganzen Abends sehr gespannt, aber es gab keine Zwischenfälle, außer dass der Zug erfolgreich abgefahren ist. (Obwohl sie noch da waren, gab´s da keine Disobbedienti-Blockade, was aber angesichts der zeitweiligen Ingewahrsamnahme von 23 Leuten und starkem Polizeischutz bei der Zugvorbereitung nicht weiter wundert)
In Fornovo, wo die Barrikade die Gleise blockiert, sind starke Polizeikräfte eingetroffen. Luca Casarini und die anderen Disobbedienti, die am Militärflughafen waren, sind wie viele andere auch, auf dem Weg nach Bologna. Da die Schienen in Fornovo mit großen Mengen schwerem Sperrgut belegt sind, wird eine Umleitung des Zuges über Bologna vermutet, der mit dem Material von der Lkw-Kolonne beladen worden war, und jetzt auf dem Weg ist. Auch der Bahnhof von Pisa ist polizeilich schwer belagert.
In Dossobuono sind 70 Leute versammelt, dort ist der Zug im Anmarsch. Die Polizei ist mit Kamopfmontur und Getras massiv vor Ort, Carabinieri sind auch da. Die Polizei beginnt jetzt, Zähne zu zeigen. Bisher galt"Schlagstock light" weil der Minister für die Sicherheit Pisanu die Schiene"guten, friedfertigen Demonstranten wird nichts passieren" fuhr und sich zum großzügigen und tolerant gab. Jetzt wo der wirklich softe Flügel der italienischen sozialen Bewegungem Rete Lilliput sowie die Gewerkschaft CGIL den Kurs gewechselt haben und die Blockaden uneingeschränkt unterstützen, ist das taktische Motiv dafür weg. So sind Spaltung und Kriminalisierung viel schwieriger, das Rezept wird nichtig, also kann jetz auf Plan B geschaltet werden.
Eine härtere Gangart war meiner Meinung nach aber auch abzusehen. So wie die zunehmend nächtliche Umsetzung der Transporte, ist dies Teil der Strategie, mit der auf die sehr erfolgreiche Welle des Widerstands und des Protestes in Zusammenhang mit den Todeszügen reagiert wird, damit diese doch noch durchkommen. Und da wurde von den Zuständigen in den letzten Tagen so einiges durchgespielt und zurechtgebastelt.
aus: http://de.indymedia.org/2003/02/42896.shtml
|