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Schottischer Sonderweg
chs. Die Schotten scheinen den Ruf, gut mit Geld umgehen zu können, zu Recht zu genießen. Die Royal Bank of Scotland macht der Konkurrenz vor, wie auch in schlechten Zeiten die Erträge steigen können. Grundlage dafür ist die Zurückweisung des Herdentriebes: Statt teure Investmentbanken in Amerika zu kaufen, haben die Schotten kleinere Verbraucherbanken erworben, die vom Konsumentenboom profitieren. Statt sich im Gefolge einiger britischer Konkurrenten in Schwellenländer wie Argentinien vorzuwagen, blieb man auf die Heimat konzentriert. Dort läuft die Konjunktur noch vergleichsweise gut, weil die Verbraucher vor dem Hintergrund einer liberalen Ordnungspolitik und einer flexiblen Geldpolitik ihr Vertrauen weitgehend behalten haben. In Großbritannien versperren auch keine öffentlichen Sparkassen den Expansionsdrang, und so kann die Konsolidierung ungehindert voranschreiten: Seit der Übernahme von NatWest im Jahr 2000 hat die Royal Bank of Scotland 18 000 Stellen weitgehend geräuschlos gestrichen. Treibt soviel kaltherziger Kapitalismus nicht die Arbeitslosigkeit nach oben, mag da mancher deutsche Beobachter besorgt fragen. Der tiefste Stand in Großbritannien seit 27 Jahren läßt das nicht vermuten. So haben die Aktionäre ihr Urteil längst gefällt: Der Marktwert der Royal Bank of Scotland ist fast dreimal so hoch wie der von der Deutschen Bank.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.02.2003, Nr. 50 / Seite 13
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