-->Die Ministererlaubnis soll erleichtert werden
Folge der Verzögerungen bei Eon und Ruhrgas / Eckpunkte der GWB-Novelle
mas. BERLIN, 4. März. Kooperations- und fusionswillige Unternehmen sollen mehr Freiräume erhalten. Das geht aus den Eckpunkten zur Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hervor, die Wirtschaftsminister Wolfgang Clement am Dienstag in Berlin veröffentlicht hat. Clement will erreichen, daß Zusammenschlüsse, die durch eine Ministererlaubnis genehmigt wurden, von Dritten nicht mehr so lange hinausgezögert werden können. Einzelheiten nannte das Ministerium noch nicht. Clement hatte aber vor kurzem schon angekündigt, die gerichtliche Überprüfbarkeit einer Ministererlaubnis einzuschränken. Grund war die Übernahme von Ruhrgas durch den Energiekonzern Eon. Im Gegensatz zum Bundeskartellamt hatte Clement den Zusammenschluß erlaubt. Dieser war dann durch Klagen vor Gericht lange aufgehalten worden.
Zugleich soll für die Novelle des GWB geprüft werden, wie der Grundsatz der sofortigen Vollziehbarkeit von Fusionen, die das Bundeskartellamt freigegeben hat, auch bei Drittklagen in der Praxis wieder sichergestellt werden kann."Ziel muß es sein, übermäßige Verzögerungen von freigegebenen Fusionen durch geeignete Verfahrensregeln auf das erforderliche Maß zu beschränken", heißt es.
Die Eckpunkte sind in weiten Teilen eine Folge der Neuregelung des europäischen Kartellrechts; am 1. Mai 2004 tritt eine wichtige Verordnung in Kraft. Sie hat umfassende Folgen für das deutsche Recht."Für die Unternehmen ergibt sich daraus ein größerer Freiraum, aber auch eine größere Eigenverantwortung", urteilte das Wirtschaftsministerium. Dies zeigt sich vor allem bei den wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen. In Anlehnung an das europäische Recht sollen Vereinbarungen zur Zusammenarbeit unmittelbar gelten, ohne daß sie zuvor angemeldet und genehmigt worden sind. Die Vorschriften im geltenden Gesetz werden aufgehoben (Paragraphen 9 bis 13 GWB).
Das deutsche Wettbewerbsrecht ist traditionell geprägt vom generellen Kartellverbot, von dem nur bestimmte Ausnahmen zugelassen sind (beispielsweise Normen und Typen, Mittelstand, Rationalisierung und Strukturkrisen). Diese speziellen Freistellungstatbestände (Paragraphen 2 bis 6 und 8) sollen nun ersatzlos gestrichen werden. Statt dessen wird eine Generalklausel eingeführt, die dem europäischen Recht (Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag) entspricht. Die Europäische Kommission kann die Zusammenarbeit von Unternehmen vom Kartellverbot freistellen, wenn sie der Auffassung ist, daß dies etwa dem technischen Fortschritt, schwachen Regionen oder dem Verbraucherschutz dient.
Bekanntestes Beispiel einer alten Gruppenfreistellungsverordnung ist die Vertriebsbindung im Autohandel. Solche sogenannten vertikalen Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken, unterliegen nach europäischem Recht einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Im deutschen Recht sind sogenannte Inhaltsbindungen für Preise und Konditionen grundsätzlich verboten, andere Vertriebsbindungen sind erlaubt, unterliegen aber einer Mißbrauchsaufsicht. Angesichts des Vorrangs des europäischen Rechts soll dieses künftig im Grundsatz auch hier übernommen werden. Die speziellen Vorschriften für die Mißbrauchsaufsicht über vertikale Wettbewerbsbeschränkungen werden daher aufgehoben (Paragraphen 16 und folgende GWB). Statt dessen wird ihre Regelung in den Paragraphen 1 einbezogen. Das deutsche Verbot von Preis- und Konditionenbindungen, die Ausnahme davon für die Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften sowie die Regelung über unverbindliche Preisempfehlungen sollen jedoch im deutschen Recht beibehalten werden, da ihnen eine wichtige Signalfunktion zugeschrieben wird.
Große Bedeutung im Wettbewerbsrecht kommt der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen zu. Hier sollen die deutschen Vorschriften ebenfalls beibehalten werden. Das führt dazu, daß die Spruchpraxis des Kartellamts erhalten bleibt. Bestehen bleiben auch die speziellen Bestimmungen, die den Zugang zu Netzen wie Strom, Gas, aber auch Häfen regeln. Die Mißbrauchsaufsicht, welche die diskriminierungsfreie Nutzung solcher Infrastruktureinrichtungen sicherstellen soll, wird somit erhalten. Das gilt auch für das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreisen.
Nach europäischem Recht kann die Kommission Zusagen der Unternehmen für bindend erklären und etwaige Verstöße mit Buß- oder Zwangsgeldern ahnden. Auch dieses Instrument soll in das deutsche Recht übernommen werden. Bisher ist es dem Kartellamt auch nicht möglich, Auflagen zu machen; es kann allein Verhaltensweisen untersagen. Zudem soll das Kartellamt wie die Kommission die Möglichkeit erhalten, bestimmte Typen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen generell zu prüfen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.2003, Nr. 54 / Seite 11
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