-->Interview mit dem Börsenmakler Dirk Müller
[img][/img] Berlin - Dirk Müller ist das Gesicht des Deutschen Aktienindex. Millionen Kleinanleger kennen den Börsenmakler aus ihrer Zeitung. Weil sein Platz jahrelang direkt unter der Dax-Anzeigetafel war, wurde er beliebtes Motiv der Börsenfotografen. In zehn Jahren auf dem Frankfurter Parkett hat Müller jede Emotion durchlebt: Aufstieg, Aktienwahn und Absturz.
WELT am SONNTAG: Herr Müller, der Dax ist am Freitag auf ein Siebenjahrestief gefallen. Macht es da noch Spaß, zur Arbeit zu gehen?
Dirk Müller: Ich bin weiterhin mit Begeisterung dabei. Natürlich freue ich mich, wenn die Kurse steigen. Allein schon, weil die Leute dann ein freundliches Gesicht machen. Seit drei Jahren laufen doch alle missmutig in der Gegend herum. Die meisten Menschen besitzen eben noch immer Aktien - auch wenn sie kaum darüber reden.
WamS: Vor drei Jahren standen Dax und Neuer Markt bei über 8000 Punkten. Seitdem haben sich 70 beziehungsweise 97 Prozent des Kapitals an diesen Märkten in Luft aufgelöst. Haben Sie jemals gedacht, dass es so schlimm kommen könnte?
Müller: Nein, das konnte und wollte niemand erahnen. Aber spätestens Ende 1999 war klar, dass es so nicht ewig weitergehen konnte.
WamS: Woran zeigte sich das?
Müller: Es war schon unheimlich als in jeder Kneipe, jedem Sportverein über Aktien gesprochen wurde. Selbst viele Kleinanleger, die konservativ begonnen hatten, waren nur noch auf das schnelle Geld aus. Und jeder hat mir erzählt, was für ein toller Börsenhecht er ist. Kostolany hat einmal gesagt: Wenn die Schuhputzer anfangen, Börsentipps zu geben, ist der Zeitpunkt da, um zu verkaufen. Er hatte Recht.
WamS: Die Anleger glaubten eben an ein ewig dauerndes Wirtschaftswachstum durch das Internet-Zeitalter. Analysten und Finanzmagazine haben sie darin bestärkt.
Müller: Jeder war euphorisiert, dachte, wegen der New Economy ist diesmal alles anders, diesmal steigt die Börse unendlich. Das kann natürlich nicht sein. Die Sirenen hätten klingeln müssen. Doch keiner wollte sie anstellen. Gehört worden wären sie wohl ohnehin nicht. Ich kann nur hoffen, dass wir jetzt wieder zu einer gesunden Aktienkultur zurückfinden: Langfristig in bewährte Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell investieren.
WamS: Viele Kleinanleger haben viel Geld verloren, ihre Depots sind zerschossen. Was raten Sie solchen Leuten?
Müller: Nicht den Mut verlieren. Erst mal sollte man sich von Depotleichen trennen. Es erleichtert die Entscheidung, wenn man sich fragt: Würde ich diese Aktie heute noch kaufen? Für das Geld gibt es auf dem jetzigen Niveau genügend aussichtsreiche Unternehmen.
WamS: Heißt das, der Tiefpunkt ist erreicht? Oder sehen wir noch eine Eins vor dem Dax?
Müller: Das weiß niemand. Wir liegen aber auf einem Level, wo ich mich frage: Was soll noch groß passieren? Fest steht: Noch mal 2500 Punkte fallen wir nicht. Der Dax im Minus - das geht nämlich nicht. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen - Irak, Nordkorea - ändern, sind wir ruckzuck wieder bei 3500 bis 3800 Punkten.
Das Gespräch führte Nikos Späth.
Artikel erschienen am 9. Mär 2003
<ul> ~ ---> klick Dich hier zur Quelle (WAMS-Online)</ul>
|