-->SPIEGEL ONLINE - 10. März 2003, 19:05
Kanzler-Offensive
<font size=5>Schröders 15-Milliarden-Plan</font>
<font color="#FF0000">Gerhard Schröder will der Wirtschaft offenbar mit einem 15 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm auf die Sprünge helfen</font>. Das soll der Kanzler bei einem Treffen mit Landes- und Bezirksvorsitzenden der SPD erklärt haben, bei dem es um die Reformpläne der Regierung ging.
Berlin - Schröder kündigte nach Angaben von Teilnehmern des Treffens am Montagabend in Berlin an, <font color="#FF0000">die Bauwirtschaft über zinsverbilligte Kredite in Höhe von 7,5 Milliarden Euro für die Wohnungssanierung zu unterstützen</font>. Den Kommunen sollten weitere 7,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, davon zwei Milliarden Euro als Direktmittel. Das gesamte Programm solle über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgewickelt werden. Die konkrete Ausgestaltung der Pläne werde Schröder in seiner Regierungserklärung am Freitag verkünden. Er habe auch angedeutet, <font color="#FF0000">dass die Stabilitätskriterien der EU"im europäischem Einvernehmen" im Falle eines Irak-Kriegs geöffnet werden könnten</font>.
In den nächsten Tagen will Schröder versuchen, die SPD auf Reformkurs bringen. Mit einem Gesprächs-Marathon bereitet der Kanzler das Regierungslager auf seine mit Spannung erwartete Regierungserklärung vor. Am Montag informierte er zunächst das SPD-Präsidium, den Fraktionsvorstand, sowie die SPD-Landes- und Bezirksvorsitzenden über seine Pläne. Schon vor der Sitzung hatte er"einige Überraschungen" angekündigt. Am Dienstag wird der Kanzler die Bundestagsfraktion informieren, für Donnerstag ist eine Koalitionsrunde im Kanzleramt geplant. Am Freitag will Schröder seine Reformrede mit dem Titel"Mut zum Frieden - Mut zur Veränderung" vor dem Bundestag halten.
Immer lauter wird unterdessen auch in der SPD die Forderung, mittelfristig einen Teil der Sozialleistungen nicht mehr über die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu finanzieren, sondern über Steuern. Dafür hatten sich am Sonntagabend in der ARD der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, ausgesprochen.
CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz lehnte dies ab. Er hält eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nur für möglich, wenn im gleichen Umfang die direkten Steuern wie die Einkommensteuer gesenkt werden. Auch das Bundesfinanzministerium bekräftigte die Ablehnung einer Mehrwertsteuererhöhung, auch wenn der Vorschlag von SPD-Länderseite komme.
Scholz:"Ganz mutige Reformagenda"
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte zu Schröders Regierungserklärung, er rechne mit einer <font color="#FF0000">"ganz mutigen Reformagenda"</font>. Er gehe davon aus, dass die Mehrheit in der Koalition für die Vorschläge des Kanzlers gesichert sei.
NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück: Schröder muss ehrliche Worte finden
<font color="#FF0000">Steinbrück sagte, Schröder werde den Menschen ehrlicherweise sagen müssen, dass es auch Zumutungen geben werde</font>. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis erklärte, sie erwarte"Eckwerte" zur Reform der Sozialsysteme, zur Arbeitsmarktpolitik und zur wirtschaftlichen Situation insgesamt."Ich denke nicht, dass es eine Sonntagsrede werden wird", sagte sie. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nannte die soziale Gerechtigkeit als zentrales Thema der Rede.
Der Erwartungsdruck auf den Kanzler stieg unterdessen weiter. Das"Netzwerk 2010", ein Zusammenschluss junger SPD-Politiker, forderte in einem Ideenpapier ein"Gesamtkonzept der sozialen und wirtschaftlichen Erneuerung" bis zur Jahresmitte.
In dem Reformpapier fordert das Netzwerk Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme. <font color="#FF0000">Es dürfe der SPD"nicht in erster Linie darum gehen, die sozialen Sicherungssysteme und andere Regelwerke unbesehen und um jeden Preis so zu erhalten, wie wir sie kennen</font>", schreiben 30 SPD-Politiker, unter ihnen Ex-Verkehrsminister Kurt Bodewig und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans Martin Bury.
Trittin für Aufgabe des Sparkurses
Eine vorübergehende Abkehr vom strengen Sparkurs der Bundesregierung verlangte Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Der Berliner"Tageszeitung" sagte der Grünen-Politiker, Deutschland werde sich unter bestimmten Bedingungen <font color="#FF0000">"von einer Priorität der Haushaltskonsolidierung verabschieden müssen, wollen wir uns nicht in eine Deflation hineinsparen". Um die Binnennachfrage zu stärken, sprach sich Trittin dafür aus, entweder ein staatliches Investitionsprogramm aufzulegen oder die dritte Stufe der Steuerreform auf 2004 vorzuziehen</font>.
Die Grünen sehen auch die Notwendigkeit, im Zuge der Sozialversicherungsreform bestimmte medizinische Leistungen über Privatversicherungen abzudecken. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte nach einer Sitzung der Spitzengremien, Ziel der Reformen müsse es sein, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu drücken. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung müssten unter zwölf Prozent sinken.
Eine Entscheidung darüber, welche Maßnahmen zur Reform des Sozialstaates notwendig sind, wollen die Grünen erst am kommenden Montag treffen. Es zeichneten sich aber Grundlinien ab, sagte Bütikofer. So bestehe Veränderungsbedarf beim Kündigungsschutz, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Gleichzeitig sei aber bei den Grünen niemand bereit, einen"Generalangriff" auf den Kündigungsschutz zu unterstützen.
Die CDU-Führung erwartet von Schröder, dass er in der Regierungserklärung am Freitag eine dauerhafte Wende in seiner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ankündigt. Wenn Schröder konstruktive Maßnahmen und keine Halbherzigkeiten verkünde, werde er die Unterstützung der Union finden, sagte CDU-Chefin Angela Merkel.
Quelle: URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,239554,00.html
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