-->"Hoch verehrtes Parlament. Es mag Sie überraschen. Aber verglichen mit vielen Handelspartnern befindet sich Deutschland in einer sehr günstigen wirtschaftlichen Ausgangslage.
Die Welt ist von ökonomischen Ungleichgewichten geprägt, die mit üblicher Konjunkturpolitik kaum bekämpft werden können. Uns indes steht ein wirksames Instrument zur Verfügung, das andere längst ausgereizt haben: die Ordnungspolitik."
Wenn Gerhard Schröder seine Rede am Freitag so einleitete, wäre schon viel gewonnen. Immerhin zeugte es davon, dass er das Problem erkannt und die Chancen begriffen hätte. Aber schöne Worte genügen nicht. Wenn der Kanzler etwas bewirken will, muss er konzeptionell darlegen, wie über die kommenden Jahre Mittel für Investitionen, Bildung, Forschung sowie für Steuer- und Abgabensenkungen freigemacht werden können.
Das bedeutet, dass die Menschen länger arbeiten müssen und dass bestimmte Sozialleistungen gekürzt und hernach real eingefroren werden, also nur noch im Einklang mit dem Preisniveau steigen. Wer eine zumutbare Arbeit ablehnt, darf vom Staat nichts mehr zu erwarten haben. Der Kündigungsschutz ist am besten ganz abzuschaffen. Den Gewerkschaften muss Schröder klar machen, dass sie sich im Tausch gegen Steuer- und Abgabensenkungen mit ihren Lohnforderungen zurückzuhalten haben, damit es ihnen nicht wie ihren englischen Genossen ergeht. Im Gesundheitssystem sind mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung vonnöten. Dann gehören der Abbau von Subventionen, staatlicher Beschäftigung und bürokratischen Hemmnissen sowie das Steuersystem auf die Tagesordnung.
Und wie gesagt: Es reicht nicht, nur zu reden. Der Glaubwürdigkeit halber muss Schröder den Bürgern auf Heller und Pfennig vorrechnen, wie er mindestens fünf Prozent des BIP einsparen will, um die erdrückende Staatsquote von 48,3 Prozent zurückzufahren und der Wirtschaft wieder Luft zum Atmen zu geben. Seiner Fraktion muss er klar bedeuten, dass sie sich einen anderen zu suchen hat, wenn sie ihm nicht folgt.
Idealerweise wäre das ordnungspolitische Paket mit einem konjunkturpolitischen Impuls zu flankieren. Die EZB muss und hat er nicht zu überzeugen; die wird ihre Zinsen sowieso noch deutlich senken. Da der Stabilitätspakt ohnehin nicht zu retten ist, sollte Schröder - für höchstens zwei Jahre - eine expansive Fiskalpolitik in Betracht ziehen.
Er sollte ruhig auch erwähnen, dass deutsche Aktien in drei Jahren fast genauso stark gefallen sind wie die japanischen in 13 Jahren. Anders als der gemeinhin beachtete Dax-Performance-Index notiert der Dax-Kursindex, also jener, der wie Cac 40, FTSE, S&P 500 oder Nikkei die Dividenden unberücksichtigt lässt, mittlerweile niedriger als Ende 1989. Wenn die Börse am Freitag keinen Satz macht, dann wissen das Parlament, die Bürger und die ganze Welt auf Anhieb, dass Schröder versagt hat - wieder einmal.
Wella
Vor dem Gesetz sind alle Aktionäre gleich."Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die derselben Gattung angehören, sind gleich zu behandeln." So lautet der erste Grundsatz des deutschen Übernahmegesetzes (§ 3 Abs. 1 WpÜG). Und daraus ergibt sich für Juristen klar, dass manche Aktionäre doch um einiges gleicher sind als andere.
Was das für die niedere Gattung der Vorzugsaktionäre bedeutet, zeigt Wella. Der Abschlag zu den Stämmen liegt nun bei 19,5 Prozent. Das hat seinen Grund. Von einem Bieterkampf würden die Vorzugsaktionäre kaum profitieren. Zwar winkt auch ihnen ein"angemessenes" Pflichtangebot, falls Henkel oder Procter & Gamble dereinst 30 Prozent der Wella-Stimmrechte erwirbt. Aber was heißt schon angemessen? Laut WpÜG muss das Gebot mindestens dem mittleren Börsenkurs der letzten drei Monate vor Veröffentlichung des Angebots entsprechen - oder dem höchsten Preis, zu dem der Bieter in dieser Zeit Aktien erworben hat.
Nun hat Henkel neben 4,99 Prozent der Stämme ja 10,38 Prozent der stimmrechtlosen Vorzüge gekauft - vermutlich auch vor kurzem. Legte der Klebstoffriese jetzt ein Angebot vor, dann wäre demnach für die Vorzüge mehr als nur der Drei-Monats-Schnitt von 55 Euro je Aktie hinzublättern. Aber um diese Hürde zu umgehen, reicht es, demnächst auf weitere Käufe von Vorzügen zu verzichten. Henkel könnte dann für die Vorzüge ein recht mageres Angebot vorlegen. Die Ströher-Sippe mit ihren 78 Prozent der Stämme ließe sich umso großzügiger hofieren.
Für Procter gilt das natürlich ebenfalls. Dank höherer Synergien könnte sich das für die Amerikaner sogar lohnen. Aber Henkel hat sich mit der Beteiligung von insgesamt 6,86 Prozent an Wella ja auch die Möglichkeit geschaffen, eine vollständige Übernahme zu erschweren. Und die Stämme kosten bereits den 31fachen 2003er Gewinn. Das scheint selbst für diese edle Gattung ziemlich üppig.
© 2003 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD
spielt die rede üebrhaupt eine rolle bei der aktuellen weltpolitischen lage?
ich denke, NEIN!
<ul> ~ ftd.de</ul>
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