-->ag, 24. März 2003
Hinter der Irak-Kriegsrallye...
von Martin Weiss
"Kaufen, wenn die"Kanonen" donnern", diese Börsenweisheit scheint
sich auch mit dem Beginn des Irak-Krieges wieder zu bewahrheiten.
Einzig die Tatsache, daß die Wende hin zur aktuellen Aufwärtsbewegung
schon einige Tage vor dem Kriegsausbruch erfolgte, stellte einen fast
schon zu vernachlässigenden Unterschied zum Verhalten der Aktienmärkte
beim Ausbruch von Kriegen in früheren Zeiten dar. Wie dem auch sei,
der deutsche Standardwerteindex Dax konnte innerhalb weniger
Handelstage von 2188 auf über 2700 Punkte zulegen. Eine scharfer
Kursanstieg, eine Korrektur nach oben, die vom Tiefpunkt her bemessen
bisher Kursgewinne von knapp 25 % ermöglichte.
Wie ich schon letzte Woche andeutete, dies ist gewiß nicht der Beginn
eines neuen und vor allem nachhaltigen Bullenmarktes. Es kann nicht
oft genug betont werden, die aktuelle Entwicklung ist eine völlig
normale Gegenbewegung innerhalb eines vollkommen intakten
Baisse-Marktes! Insofern wäre ein scharfer Kursanstieg -rein
markttechnisch bedingt- auch ohne Irak-Krieg an der Zeit gewesen.
Aber, lassen Sie mich eines noch hinzufügen: die"schwärzeste" Stunde
dieses Bärenmarktes ist bei weitem noch nicht erreicht. Momentan
schaut zwar die ganze Welt auf die Ereignisse im Irak, aber die
Tatsache, daß sich an der"Heimatfront", in den USA, die
wirtschaftlichen Aussichten alles andere als verbessern, scheinen nur
wenige zur Kenntnis zu nehmen. Verständlich, wenn tagtäglich in
sämtlichen Medien das Geschehen am Golf zum alles beherrschenden Thema
wurde.
Schaut man sich jedoch die jüngsten Wirtschaftsberichte etwas genauer
an, stellt man fest, daß das Fundament für einen von der Wall Street
für die Zeit nach dem Krieg vorhergesagten Wirtschaftsaufschwung alles
andere als stabil scheint. Zwar mögen die Verbraucher durch einen
möglicherweise stark nachgebenden Ã-lpreis ein wenig entlastet werden,
die Lage am Arbeitsmarkt, bei den Unternehmensgewinnen und vor allem
bei den Unternehmensinvestitionen bleibt nach wie vor sehr, sehr
schwierig, vorsichtig formuliert. Selbst ein extrem kurzer, für die
USA in allen Belangen erfolgreich geführter Krieg ändert daran nichts!
Denn diese Schwierigkeiten lassen sich eben nicht über Nacht lösen.
Wenn sich die Kriegsnebel erst einmal verzogen haben, werden die
Investoren feststellen müssen, daß diese Krankheiten weder den Krieg
gegen den Irak als Ursache hatten, noch durch einen schnellen Erfolg
im Krieg gelöst werden können. Richtig, diese Krankheiten stammen noch
immer aus der Zeit der gigantischen Exzesse der 90er-Jahre des
vergangenen Jahrhunderts! Und gegenwärtig befinden wir uns noch immer
inmitten der Abbauphase dieser"irrationalen Übertreibungen". Dieser
Prozess wird uns noch sehr, sehr lange beschäftigen, ein baldiges Ende
dieser Bereinigung ist sehr, sehr unwahrscheinlich.
Insofern, lassen Sie sich nicht durch die scharfen Aufwärtsbewegungen
an den Aktienmärkten blenden. Sicherlich besteht die Möglichkeit, daß
die Rallies auch noch in den nächsten Tagen und Wochen anhalten. Aber,
und dies ist der entscheidende Punkt, solche Anstiege wird es immer
wieder geben, ohne daß dadurch der langfristig angelegte Baisse-Trend
berührt wird. Apropos Trend, der kurzfristige (!!!) Trend beim Preis
des Goldes zeigt eindeutig nach unten. Vom Hoch im Februar diesen
Jahres korrigierte der Goldpreis um knapp 20 % und fiel im Zuge des
Beginns der Kampfhandlungen im Krieg mittlerweile auf ein Niveau von
unter 330 $ pro Feinunze zurück. Rein charttechnisch betrachtet
besteht die Gefahr, daß in nächster Zeit mit weiter nachgebenden
Notierungen zu rechnen ist."Nachrichtentechnisch" könnte diese
Bewegung auch durch einen schnellen US-Erfolg untermauert werden. Wie
auch immer, lassen Sie sich auch davon nicht blenden. Denn in
langfristiger Sicht gibt es kaum ein gewichtiges Argument, welches
gegen ein Engagement in Gold spricht. Es gilt also, sich antizyklisch
zu verhalten und in diesen Phasen als"starke Hand" auf der
Käuferseite zu stehen.
Zum Schluß, noch folgende Bemerkung: sollte der Irak-Krieg, speziell
eine mögliche Schlacht um Bagdad, sich schwieriger bzw. länger
gestalten, so dürfte die Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten sehr,
sehr schnell beendet sein, ebenso die Korrektur beim Gold. Dasselbe
gilt bei hoffentlich nicht eintretenden terroristischen Attacken von
großem Ausmaß!
Anmerkung: M. Weiss ist der Sohn von Irving Weiss, der in der WWK als einer der wenigen an der Börse ein Vermögen gemacht hat
Quelle: Investors Daily
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