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Die Entscheidung zum Krieg
von Doris Auerbach, Bettingen, Schweiz
Saddam Hussein ging 1958 nach einem misslungenen Putschversuch gegen den
damaligen Diktator Abdel Karim Kassem nach Kairo, wo er erste Kontakte zur
CIA geknüpft haben soll. Kassem hatte die KP im Irak legalisiert und mit der
Verstaatlichung der Ã-lindustrie des Irak begonnen. Im Februar 1963 erfolgte
ein zweiter Putsch gegen Kassem, wobei dieser erschossen wurde. Die
Koordination des Unternehmens oblag der CIA. CIA-Agenten hatten noch vor
dem Sturz Kassems Listen von Linksintellektuellen angefertigt, von denen
anschliessend Tausende hingerichtet wurden. Also unter den Augen der nur
nach Bedarf die Menschenrechte hochhaltenden USA. Es ist bekanntermassen
zweckmässig, eine oppositionelle Elite zu eliminieren, bevor mit der CIA
verbündete Kräfte das Ruder übernehmen. Saddam Hussein kam zwar
anschliessend an die Macht, jedoch stellte sich das Ganze als Fehlkalkulation
für die USA heraus, da Hussein 1967 die Beziehungen zu den USA abbrach.
Brzezinski initiierte Krieg Irak-Iran
Als der Krieg des Irak gegen den Iran Gestalt annahm, wurden die Kontakte
offensichtlich neu geknüpft. Präsident Carter liess Hussein durch den
saudischen Kronprinz Fahd wissen, dass er nichts dagegen habe, wenn Hussein
den Iran angreife, an dessen Spitze Chomeini stand. Das war das erste Mal,
dass Saddam von den USA grünes Licht zu einem Krieg erhielt. Der Washington
Insider, Vol. 12, Nr. 41 vom 10. Oktober 2002, schreibt, dass der damalige
nationale Sicherheitsberater Brzezinski den Krieg (1980-1988) initiiert habe.
Die in den USA erscheinende Newsweek berichtete darüber hinaus, dass
Washington nach Besuchen Rumsfelds in Bagdad 1983/1984, bei denen er auch
mit Saddam Hussein zusammentraf, den Irak mit militärischem Gerät und
Informationen versorgte - sowie mit Chemikalien und Biokulturen, die auch
militärisch genutzt werden konnten. Rumsfeld bescheinigte dem Diktator
ÐDynamik und Selbstvertrauenð. Der Verlauf des Krieges, Saddams Aufrüstung
durch den Westen und der Beistand der CIA, die alles unternahm, damit
Saddam den Krieg gegen den Iran nicht verlor, ist bekannt. Kurz: Wir haben
hier die bekannte enge Zusammenarbeit von CIA und US-Regierung mit einem
Diktator, der heute mit den zynischsten Begriffen belegt wird.
Saddam lehnte Privatisierung der Ã-lfelder ab
Saddams Krieg gegen den Iran endete im August 1988 mit einem
Waffenstillstand zwischen den beiden Ländern. Nicht zu übersehen ist, dass
die USA weiterhin auf Saddam Hussein setzten, obwohl bekannt war, dass sein
Regime eines der brutalsten und repressivsten der Welt war. Die USA kannten
auch das Ausmass des irakischen ABC-Waffenprogramms. Zu Beginn des Jahres
1989 wurde die Regierung von George H. Walker Bush, dem Vater des jetzigen
Präsidenten, darüber unterrichtet, dass der Irak den Bau einer Atombombe
anstrebe. Keine dieser Fakten wurde zum Hemmschuh für Hussein. Er sollte
weiterhin unter US-Kontrolle bleiben. Hussein war jedoch durch den Krieg mit
65 Milliarden US-Dollar verschuldet, der ideale Zustand für Henry Kissinger und
die USA, um von ihm zu verlangen, Iraks Ã-lfelder zu privatisieren, was er
ablehnte. Damit nicht genug: Hussein hatte früh erkannt, dass sich die Araber
mit Japan, Russland und Europa verbünden sollten, um den Einfluss der USA in
der Region zurückzudrängen, was er in seiner Rede vor dem Arabischen
Kooperationsrat in Amman im Frühjahr 1990 öffentlich vortrug. Er forderte die
ölreichen arabischen Staaten auf, sich zusammenzutun, ihre konkurrenzlosen
Energiequellen zu nutzen und die Beziehungen zu Europa, Japan und der
Sowjetunion auf eine Weise auszubauen, die ihnen so schnell wie möglich
Vorteile brächte. Damit war sein Niedergang sozusagen vorprogrammiert, und
die USA und England sannen von diesem Moment an auf Möglichkeiten, den
Irak in eine Lage zu manövrieren, die den Vorwand für eine militärische
Intervention liefern sollte, dies unter dem Deckmantel der Sicherung der
Weltölversorgung.
USA gab Saddam grünes Licht für Besetzung Kuwaits
Heute benutzen die USA das weitaus effizientere Etikett des globalen Terrors.
Die Falle, in die Hussein tappen sollte, wurde durch Kuwait gelegt, welches
den Auftrag erhielt, den Markt entgegen allen Opec-Abmachungen mit billigem
Ã-l zu überschwemmen. Damit traten für Hussein die erwünschten
Schwierigkeiten ein. Der Preissturz raubte ihm den Spielraum, neben der
Tilgung seiner Kriegsschulden noch die Preise für die Importe von
Nahrungsmitteln bezahlen zu können. Im Juli 1990 waren die Streitigkeiten
zwischen dem Irak und Kuwait auf dem Höhepunkt, und Saddam Hussein fasste
den Plan, Kuwait, das immer zum Irak gehört hatte und erst durch die
Engländer abgetrennt worden war, seinem Land wieder einzuverleiben. Ein
Einmarsch in Kuwait war natürlich genau das, was einen Angriff auf den Irak
legitimierte. Saddam erhielt das zweite Mal grünes Licht für seine Absichten.
Washington gab ihm die Zusicherung, dass es keine Stellung in dem
Grenzdisput beziehen würde und wünschte sich gleichzeitig Ðbessere und
vertiefte Beziehungenð. Die krasse Lüge, mit der die Bush-Regierung den
Kongress dazu brachte, den Golfkrieg zu beginnen, war dieser Tage
Gegenstand aller Presseberichte, und weder der Golfkrieg selbst noch die durch
das brutale Uno-Embargo verursachte Erosion des Landes erfordern weitere
Ausführungen.
Saddam als Gegengewicht zum Iran gebraucht
Die USA verzichteten darauf, Hussein zu entmachten. Vermutlich bestand von
Anfang an nicht die Absicht, ihn zu stürzen. Es ging vielmehr darum, sein
Regime durch die ab Ende 1998 einsetzenden amerikanisch-britischen
Luftangriffe und mittels des Embargos unter Kontrolle zu halten, um, wie es
heisst, Ðgrössere politische Erdbeben im Zweistromland auszuschliessenð. Er
wurde ganz einfach noch als Gegengewicht zum Iran gebraucht. Im Januar 1995
traf sich einer der Verschwörer, die einen Putsch gegen Hussein vorbereitet
hatten, im Norden des Irak mit dem angereisten CIA-Agenten Robert Baer, um
zu erkunden, was die Regierung in Washington von einem solchen
Staatsstreich halte. «Wir müssen wissen, ob Ihr Land uns daran hindern wird
oder nicht. Oder wollen die USA, dass Saddam an der Macht bleibt?» Der
Putsch wurde von den USA nicht unterstützt und die Verschwörer
niedergemacht (vgl. «Süddeutsche Zeitung» vom 5. März).
Wo also hätte Hussein, zu Anfang ein reines Produkt der USA und lange genug
ihr hofierter, gehätschelter und begehrter Partner, «mehrmals die Gelegenheit
zum Einlenken» gehabt? Eine solche wurde ihm gar nicht geboten. Es sei denn,
man verstehe darunter die Übergabe der irakischen Ã-lfelder in die Hände der
anglo-amerikanischen Ã-lmacht und die Übergabe der Finanzgeschäfte in die
Hände des Internationalen Währungsfonds.
Informationen von Unscom an Israel weitergegeben
Wir lesen ferner in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 18. März: «Deshalb ist
auch die Vorstellung, man könne mit Uno-Inspektoren das von ihm (Hussein)
mit harter Faust unterdrückte Land abrüsten, illusionär. Dagegen steht
folgendes:
Der ehemalige Uno-Waffeninspektor Scott Ritter hat die angeblich vom Irak
ausgehende Gefahr im britischen Spectator bereits am 30. März 2002 als Ðnullð
eingestuft und zugegeben, dass alle Informationen von Unscom an Israel
weitergegeben wurden («Frankfurter Allgemeine Zeitung» vom 4.11.1998). Mit
Hilfe der CIA wurde der irakische Sicherheitsdienst systematisch abgehört. Bei
den jetzigen Bedingungen für die Waffeninspektoren geht es unter anderem
um die fotografische Erfassung des Landes.» Damit hätten die USA jeden
Winkel des Landes ausgeleuchtet, was im Angriffsfall von ungeheurem Vorteil
ist. Ritter gibt ferner folgendes zu Protokoll (Pitt/ Ritter, Krieg gegen den Irak,
S. 52f.): «Zwischen 1994 und 1998 überprüften Waffeninspekteure sämtliche
chemischen Produktionsstätten des Irak; es wurden hochempfindliche
Messinstrumente und Kameras installiert und unangemeldete Inspektionen
durchgeführt. Wir fanden keine Belege dafür, dass Kapazitäten zur Herstellung
verbotener Substanzen zurückgehalten oder wiederaufgebaut wurden.
Irak stellt keine Bedrohung für den Weltfrieden dar
Mobile Inspektionsteams durchkämmten den Irak mit hochempfindlichen
Sensoren, die Laserstrahlen ausschicken und die Inhaltsstoffe der Partikel
untersuchen, die die Strahlen passieren. «Diese Geräte positionierten wir in
Windrichtung der chemischen Anlage, und so konnten wir genau sagen, was da
jeweils emittiert wurde. Obwohl es nicht zu unseren Aufgaben gehörte, waren
wir in der Lage, irakische Luftabwehranlagen aufzuspüren, weil die
Laserstrahlen auch Salpetersäure anzeigten, ein Oxidationsmittel, das als
Treibstoff für Scud-Raketen verwendet wird. Wir lokalisierten die Quelle und
entdeckten mehrere Kilometer entfernt liegende irakische
SA-2-Luftabwehrraketenstellungen. Die Dinger arbeiten äusserst genau.»
Desgleichen: «Zumindest existieren solche Waffen (chemischer resp.
biologischer Natur) weder in der Quantität noch in der Qualität in einem
Ausmass, um damit den Weltfrieden bedrohen zu können.»
Wer glaubt den Amerikanern und den Engländern noch?
Wieso verbreitet dann die Presse diese erfundene Gefahr für den Weltfrieden
immer weiter? Wer den Weltfrieden in Wahrheit permanent bedroht, sind doch
die USA und ihre Kriegslobby, wer sonst. Auch im Leitartikel der «Neuen
Zürcher Zeitung» vom 8. März wird ins gleiche Horn geblasen: Die irakische
Abgabe von Dokumenten über die Abrüstung aller Massenvernichtungswaffen
hat sich «inzwischen bereits wieder als Täuschungsmanöver herausgestellt.»
Wie will die «Neue Zürcher Zeitung» den Beweis hierfür antreten? Wer glaubt
den Engländern und Amerikanern noch, nachdem uns unzählige Lügen
aufgetischt wurden? Laut Scott Ritter wird «eine Lüge auch durch ständiges
Wiederholen nicht zur Wahrheit!» Der französische Informationsdienst Réseau
Voltaire vom 2. Januar vermittelt einen Bericht des Generals Peter Gration, der
die australischen Streitkräfte im Golfkrieg befehligte. Dieser beschwört seine
Mitbürger, nicht an einem zweiten Golfkrieg teilzunehmen. Er erklärt, dass der
Vorwand der Massenvernichtungswaffen absolut unglaubwürdig ist. Er fügt
hinzu, dass Australien im Falle einer Teilnahme das internationale Recht
brechen und sich an einer Destabilisierung der Welt beteiligen würde. Er führt
ferner aus, dass biologische und bakterielle Waffen eine kurze Lebensdauer
haben, taktisch schwer zu handhaben sind und dass selbst dann, wenn Bagdad
solche besässe, kein Anlass für einen Einsatz bestünde. Ebenso würde Hussein
derartige Waffen niemals an terroristische Gruppen liefern.
Der Mythos von Halabja
Bereits am 31. Januar erschien in der «New York Times» der Bericht von
Stephen C. Pelletiere, führender Mitarbeiter der CIA und der US-Armee, der
eine der hinterhältigsten Lügen zur Rechtfertigung des nächsten Krieges der
USA gegen den Irak nicht nur entkräftet, sondern sie auch wie eine Seifenblase
zum Platzen gebracht hat. Es geht um die Behauptung, dass Hussein
chemische Waffen gegen die Bürger seines eigenen Landes, nämlich gegen das
wehrlose, in der Nähe der iranischen Grenze gelegene kurdische Dorf Halabja
eingesetzt habe. Diese ist längst zum festen Bestandteil der Vorwürfe all jener
geworden, die den Machthaber in Bagdad als Monster darzustellen versuchen,
der nur noch mit einem «Präventivkrieg» von Schlimmerem abgehalten werden
kann. In Halabja wurden im März 1988 gegen Ende des Kriegs angeblich bis zu
5000 Dorfbewohner getötet. In Wahrheit wissen wir nur, dass an diesem Tag
die Kurden von Halabja mit Giftgas bombardiert wurden. Aber wir können nicht
mit Sicherheit sagen, dass es irakische Chemiewaffen waren, welche die
Kurden getötet haben«.
Iranisches, nicht irakisches Gas tötete Kurden
Aber das sei «nicht die einzige Verfälschung in der Geschichte», so Pelletiere.
»Die Vergasung von Halabja, und das wissen wir mit Sicherheit, erfolgte
während einer Schlacht zwischen Irakern und Iranern. Der Irak setzte
Chemiewaffen ein, um die Iraner zu töten, die das irakische Dorf besetzt
hatten. Wenn also dabei kurdische Zivilisten getötet wurden, dann hatten sie
das Pech, ins Kreuzfeuer der Chemiewaffen geraten zu sein. Aber ganz sicher
waren sie nicht das Hauptziel der Iraker«, betont der ehemalige CIA-Auswerter,
um dann auf einen «dunkleren Teil der Geschichte» hinzuweisen: «Unmittelbar
nach der Schlacht von Halabja führte die DIA (der militärische Geheimdienst
der US-Army) eine Untersuchung durch, deren Ergebnisse in einem
Geheimbericht festgehalten wurden», so Pelletiere. «In diesem Bericht stand
ganz klar, dass iranisches Gas die Kurden getötet hatte und nicht irakisches.
Die Agency (DIA) hatte herausgefunden, dass beide Seiten in der Schlacht um
Halabja Giftgas eingesetzt hatten. Der Zustand der Leichen der Kurden deutete
jedoch darauf hin, dass sie mit einem Gift getötet wurden, das über die
Blutbahnen wirkt, das heisst mit einem Gas auf Zyankalibasis, das, wie
bekannt, vom Iran eingesetzt wurde. Die Iraker, bei denen vom Einsatz von
Senfgas ausgegangen wurde, hatten zu jener Zeit kein Gas, das über die
Blutbahnen wirkt», führt Professor Pelletiere seine Beweisführung über die
Lügen der Regierungen Bush und Blair zu Ende. (Auszug aus der Übersetzung
in Junge Welt vom 3. Februar, www.jungewelt.de/2003/02-03/005.php)
Zeitungsenten oder mehr?
Wie kommt also die «Neue Zürcher Zeitung» in ihrem Leitartikel dazu, jetzt
noch die folgende Aussage zu machen: «Auf Grund seiner Angriffskriege gegen
den Iran und Kuwait und seiner C-Waffen-Attacken auf Kurden im eigenen Land
hätte Saddam Hussein eigentlich längst auch vor ein internationales
Kriegstribunal gehört» («Neue Zürcher Zeitung» vom 8. März). Man sollte ja
wohl noch annehmen dürfen, dass eine Berichtigung von der Tragweite wie die
von Pelletiere auch in die Redaktionsstuben der «Neuen Zürcher Zeitung»
gedrungen ist. Und vor ein Kriegsgericht gehörten in erster Linie einmal die
Kriegstreiber der USA, wozu ich allen voran Henry Kissinger und die Mehrheit
der CIA-Agenten zähle.
Wir lesen weiter: «Welches Unheil er (also Saddam Hussein) nun militärisch
und auch terroristisch noch anzurichten vermag, werden die nächsten Stunden
und Tage zeigen.» Wenig bis nichts, wenn man die bereits abgeschlossene
Infiltration des Irak durch die USA und deren militärische Übermacht bedenkt,
die auf ein ausgeblutetes und ausspioniertes Land einschlagen wird.
Krieg schon vor dem Krieg
Die Situation sieht an Hand kurzer Auszüge aus dem Artikel von Wolfgang
Sofsky («Frankfurter Rundschau» vom 11. Februar 2002) wie folgt aus: Im
Frühjahr 2002 wies Bush die CIA in einem Geheimdekret an, den Sturz
Saddams vorzubereiten. Dies schloss die Lizenz zum Töten ein. Im
Spätsommer 2002 übten amerikanische Spezialeinheiten mit ihren jordanischen
Waffengefährten den Angriff auf Depots und Transportwege (der Verbund
Jordanien/USA dürfte mit ein Grund für die erneute Anwesenheit des
jordanischen Königspaars am WEF in Davos sein). Entlang der irakischen
Grenze bauten sie ein Netzwerk vorgeschobener Stützpunkte auf, die seitdem
als Basis der Infiltration dienen. Seit September 2002 sind rund 150
Angehörige der CIA und der Special Forces auf dem Gebiet des Irak unterwegs.
Sie überwachen Ã-lfelder und Befestigungen, markieren Minenfelder und
Flugabwehrstellungen für den Luftangriff. Im Westen des Irak suchen sie,
unterstützt von britischen SAS- und israelischen Shaldag-Leuten, nach mobilen
Abschussrampen und Bunkerdepots, um frühzeitig einen Raketenangriff auf
Israel oder Jordanien auszuschliessen. Gleichzeitig werden die Routen für die
Invasion der Luftlandetruppen aus dem Westen gesichert. Im Süden bereiten
die Kommandos den Vormarsch auf der Hauptlinie aus Kuwait vor, bilden
Sabotagetrupps aus und dirigieren in der Flugverbotszone die Jagdbomber per
Laser und Laptop. Aus Bagdad gelangen Nachrichten über die neu errichteten
Verteidigungsanlagen an die Stäbe.
Permanente Bombardierung des Irak
Im Norden ähnelt die Lage der Situation in Afghanistan. Der irakische
Zentralstaat hat in Kurdistan nicht nur die Hoheit in der Luft, sondern auch am
Boden längst eingebüsst. In der Bergregion Kurdistans können sich die
alliierten Agenten und Elitesoldaten nahezu frei bewegen. Seit Anfang 2002
sind sie mit der Befestigung von Stützpunkten, der Erkundung möglicher
Angriffsziele und der taktischen Ausbildung kurdischer Hilfstruppen beschäftigt.
Und um der Zerstörung der Ã-lfelder vorzubeugen, sollen britische Teams
bereits in der Gegend von Mossul aktiv sein. Der Luftkrieg hat ebenfalls schon
begonnen. Im September 2002, noch bevor an der jordanischen Grenze die
Infiltration begann, gingen die Alliierten dazu über, die Führungs- und
Nachrichtenzentren der irakischen Luftabwehr gezielt zu bombardieren. Mehr
als 100 Flugzeuge waren an diesem Angriff beteiligt. Während der letzten
Wochen nahmen die Attacken dramatisch zu. Nahezu täglich werden
Radarstationen, Artilleriestellungen und Kabelleitungen im Süden und Norden
unter Beschuss genommen. Die Patrouillenflüge dienen nicht mehr dazu, das
Gebiet zu überwachen, sondern die Verbindungslinien im gesamten Land zu
kappen, die Kommandozentralen zu zerstören und die Flugabwehr systematisch
auszuschalten. Ein albtraumartiges Szenarium.
USA als Usurpator
«Weshalb es für Bagdad so leicht war, die Mitglieder des Sicherheitsrates
gegeneinander auszuspielen, so dass sie das ursprüngliche Ziel aus den Augen
verloren, ist eine andere Frage». («Neue Zürcher Zeitung» vom 18. März) Die
Schuld daran, dass keine zweite Resolution zustande kam, schiebt die «Neue
Zürcher Zeitung» ganz einfach «in erster Linie Saddam Hussein zu.» Von einem
gegenseitigen Ausspielen kann nicht die Rede sein, sondern lediglich von der
nüchternen Erkenntnis der Mitentscheidungsträger, dass man die USA infolge
ihrer haltlosen Drohungen - den Einsatz von Atomwaffen eingeschlossen -
schon lange nicht mehr als Partner, sondern nur noch als Usurpator betrachten
kann, der mit Druck und Bestechung arbeitet. Um verlässliche Anführer für eine
Revolte gegen Iraks Regime zu gewinnen, werden lokale Warlords derzeit mit
Zehntausenden von Dollar bestochen («Frankfurter Rundschau» vom
11. Februar). Auch für die den USA Sukkurs gewährenden zentral- und
südosteuropäischen Reformstaaten schaut ein «Kriegsgewinn» in Form von
massiven Zusagen wirtschaftlicher Art heraus.
Zeiten für Rohstoffkriege wirklich vorbei?
Dies sind einige wenige der in der «Neuen Zürcher Zeitung» publizierten
Fakten, die entweder exakten Recherchen nicht standhalten oder deren
extreme Einseitigkeit zu relativieren wäre. Vollends in den Bereich der Fabel
verweise ich die Behauptung des Chefredaktors Dr. Hugo Bütler, der sich nicht
zu schreiben scheut (Nr. 56), dass die Zeiten für Rohstoffkriege seit 1989/91
wohl vorbei sind. Nein, sie fangen erst richtig an. Aufhorchen lässt auch seine
Sicht, dass man (unter den jetzt gegebenen Umständen des Scheiterns der
Resolution) «die Uno als potentielle ÐWeltregierungð a priori nicht ernst
nimmt». Ich danke für diese von niemandem gewünschte Weltregierung, als
deren hauptsächlichsten Drahtzieher ich die USA mit ihren seit Pearl Harbour
geführten zahllosen Angriffskriegen sehe. Und die zum Teil massiv korrupten
Mitgliedsstaaten, die auf Kosten der Steuerzahler am Dauertropf des
Internationalen Währungsfonds hängen, tragen keineswegs dazu bei, die Uno
glaubwürdig zu machen.
Kriegsgegner arrogant abgekanzelt
Darüber hinaus finden sich in der «Neuen Zürcher Zeitung» Beurteilungen der
Kriegsgegner, die für meine Begriffe masslos arrogant sind. Gerhard Schröder
bekommt jeweils eine volle Breitseite ab. Hier einige Ausschnitte: Schröder
wird immer wieder unterstellt, dass sein Nein zu einem Irak-Krieg aus
wahltaktischen Gründen erfolgte. Entsprechende Darstellungen fanden sich
auch in der Presse der Bundesrepublik. Die Wahrheit ist, dass in dieser Frage
praktisch das ganze Volk geschlossen hinter dem Kanzler steht und dass die
Reaktion der CDU überwiegend mit Empörung registriert wird. In dem Essay
«Vom Guten Geist verlassen» («Neue Zürcher Zeitung» vom 25. Januar) lesen
wir unter anderem: «Mit Bestürzung nahm man dort (in den USA) zur Kenntnis,
dass Schröder zur Rettung seines Wahlkampfes willens war, die
deutsch-amerikanischen Beziehungen so nachhaltig zu stören. Das
gegenseitige Verhältnis hat sich seither nicht mehr erholt.» Kommentar: Wenn
ich mich, um meine Beziehungen zu einer Weltmacht wie die USA nicht zu
stören, zum Handlanger eines gegen alle moralischen Prinzipien verstossenden
Angriffs machen soll, kann ich auf diese verzichten, denn dann stellen sie keine
tragbaren Beziehungen mehr da, sondern sind totale Abhängigkeit.
Presseberichterstattung - noch objektiv und frei?
Ferner: «Wie schon sein [Schröders] Verhalten im letzten Herbst, ist der
neueste Schachzug eine billige, brüskierende Provokation der Amerikaner, die
ja nie eine Teilnahme der Deutschen gefordert hatten.» Letztere wurde
vielleicht nicht laut ausgesprochen, sie war aber implizit immer gegeben. Der
Autor täte gut daran, den in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»
veröffentlichten Forderungskatalog der Regierung Bush an die BRD zu lesen,
der unter «Deutschland eine Ðzweite Chanceð geben» läuft. Er käme zu einem
ganz anderen Ergebnis. Das gesamte Essay enthält aus meiner Sicht nicht nur
völlig absurde pro-amerikanische Aussagen, sondern ist darüber hinaus von
einer unaussprechlichen Häme gegen Schröder. Dieser wird unter anderem auch
als ÐAnhängsel Chiracsð bezeichnet, man spricht von «Schröder im Morast
seiner Irakpolitik», und die Ablehnung des Krieges durch Frankreich und
Deutschland figuriert unter «Eskapaden eines Chiracs und noch mehr eines
Schröders». Es wird ihnen angelastet, «kurzsichtige innenpolitische
Erwägungen über alles andere zu stellen». Kein Wunder, dass Blair von seiten
der Redaktion im Ruf der Standhaftigkeit steht. Es mag sich jeder seine
Gedanken machen, ob man hier noch von einer objektiven freien
Presseberichterstattung sprechen kann.
Die Neokonservativen an den Hebeln der Macht
Die Ausgabe vom 31.12.2002 belehrt uns: «Als letztes Mittel muss eine
militärische Intervention legitim sein. Sie muss zulässig sein, um einen höchst
unberechenbaren Potentaten zu stürzen, von dem die Welt zu fürchten hat,
dass er Massenvernichtungsmittel einsetzt oder sie terroristischen Netzwerken
zuhält.» Nun, der Krieg hat leider trotz weltweiter Proteste begonnen, womit
die amerikanische «Mutter aller Bomben» in Aktion tritt. Die Frage des Besitzes
von Massenvernichtungsmitteln wird sich nie mehr klären lassen, da der Irak
mit Sicherheit plattgewalzt wird. Für Scott Ritter stammen Donald Rumsfeld,
Paul Wolfowitz und Richard Perle aus dem Umfeld einer neokonservativen
Denkfabrik, die äusserst enge Beziehungen zu Israel unterhält und die den Irak
als Bedrohung für Israel und die Vereinigten Staaten ansieht. Sie haben sich
ideologisch, intellektuell und politisch darauf eingeschworen, Saddam Hussein
zu beseitigen (Krieg gegen den Irak, S. 89f.) Wenn man bedenkt, dass an
diesen zuletzt die Forderung ergangen ist, im irakischen Fernsehen öffentlich
zu erklären, dass er Massenvernichtungswaffen besitzt, könnte man glauben,
vernunftlosen, total enthemmten und sich der primitivsten Mittel bedienenden
Regierungsspitzen ausgeliefert zu sein.
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