--><font size="5">"Das Zinsniveau ist sehr niedrig" </font>[/b]
EZB-Direktoriumsmitglied Hämäläinen sieht keine Anzeichen einer Deflation
Frankfurt/Main - Kommende Woche entscheidet der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) über die Zinsen in der Eurozone. Für EZB-Direktoriumsmitglied Sirkka Hämäläinen wird es die letzte Zinssitzung sein, bevor die ehemalige finnische Zentralbankpräsidentin die EZB nach fünf Jahren turnusgemäß am 31. Mai verlässt. Im Gespräch mit der WELT äußerte sich die 64-jährige Währungshüterin angesichts der tiefen Vertrauenskrise weltweit skeptisch über den Nutzen weiterer Zinssenkungen für die Wirtschaft. Mit Hämäläinen sprach Anja Struve.
Die WELT: Die EZB hat die Zinsen im April wegen der Unsicherheit über den Irak-Krieg nicht gesenkt. Sind die Chancen jetzt größer?
Hämäläinen: Noch sind die Auswirkungen des Krieg nicht vollkommen erkennbar. Zwar sind die damit verbundenen Unsicherheiten und die Kursschwankungen an den Finanzmärkten wieder etwas zurückgegangen, aber gerade mit Blick auf die weltweite Konjunkturentwicklung gibt es immer noch sehr viele Fragezeichen.
Die WELT: Nach Ansicht der OECD höchste Zeit, die Zinsen zu senken.
Hämäläinen: Die OECD veröffentlicht ihre Prognosen zweimal im Jahr und ist nun mit Blick auf Wirtschaftswachstum und Inflationsentwicklung in der Eurozone zu demselben Ergebnis gekommen wie wir vor einigen Monaten. Wir haben unsere Konsequenz daraus längst gezogen und die Zinsen im März gesenkt.
Die WELT: Der IWF sieht Europa sogar am Rande einer Deflation.
Hämäläinen: Ich kann diese Einschätzung nicht nachvollziehen. Es gibt keine Anzeichen einer Deflation. Das gilt auch für Deutschland, wo die Sorge besonders groß war.
Die WELT: Was spricht dagegen, die Zinsen zu senken?
Hämäläinen: Eine wichtige Frage ist immer, was Geldpolitik in dieser Situation für die Konjunktur bewirken kann. Das aktuelle Zinsniveau ist sehr niedrig und steht einer wirtschaftlichen Erholung nicht im Weg. Es ist ausreichend Liquidität vorhanden, die Kreditversorgung ist stabil. Was fehlt, ist Vertrauen. Ob eine weitere Zinssenkung die tiefe Unsicherheit unter Konsumenten und Investoren vertreiben kann, ist fraglich.
Die WELT: Was dann?
Hämäläinen: Momentan sind viele andere Bereiche der Politik gefragt, vor allem die Finanzpolitik, um Strukturreformen schneller umzusetzen. Die wachsenden Defizite in Europa erfüllen uns mit Sorge, weil sie die Unsicherheit der Verbraucher verstärken. Zudem erhöhen vor allem die Defizite in den USA die Anfälligkeit der Kapitalmärkte.
Die WELT: Welche Konsequenzen zieht die EZB daraus?
Hämäläinen: Wir können nur warnen. Unser Ziel heißt Preisstabilität, darauf reagieren wir. Die Lektion, dass die Fiskalpolitik in guten Zeiten vorsorgen sollte, lernen die Länder der Euro-Zone gerade selbst.
Die WELT: Die EZB rechnet mit einer Konjunkturerholung in 2003. Was macht Sie so sicher?
Hämäläinen: Alle Projektionen sind mit Unsicherheit behaftet. Aber wir beobachten die Situation sehr genau. Unser wahrscheinlichstes Szenario ist nur ein bescheidenes Wirtschaftswachstum in diesem Jahr und eine Erholung zum Jahresende hin.
Die WELT: Welche Rolle spielt SARS für den weltweiten Ausblick?
Hämäläinen: Noch ist SARS keine direkte Bedrohung für die Weltwirtschaft. Aber es gibt Anzeichen, dass SARS das Wachstum in Asien schwächt - einen wichtigen Motor der Weltwirtschaft. Vieles hängt jetzt davon ab, wie sehr sich die Krankheit noch verbreitet. Das ist eine von vielen Unsicherheiten.
Die WELT: Ist der steigende Euro auch ein Grund zur Sorge?
Hämäläinen: Der Euro ist 1999 mit Kursen von 1,18 Dollar viel höher gestartet als er derzeit notiert und dann stark gefallen. Was wir jetzt erleben, ist immer noch die Korrektur jenes Kursverfalls. Auf die Inlandsnachfrage wirkt der steigende Euro sogar positiv, weil er hilft, den Preisdruck zu senken.
Die WELT: Die Konjunkturstütze Export wird belastet.
Hämäläinen: Sicher kann ein steigender Euro zeitweilig nachteilig auf einige Bereiche des Außenhandels wirken. Aber die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen aus dem Euro-Raum insgesamt hängt nicht grundsätzlich von Wechselkursschwankungen ab.
Die WELT: Ihre Nachfolge ist nicht endgültig geregelt. Wie sehr schadet das dem Ansehen der EZB?
Hämäläinen: Diese Diskussionen hat es schon immer gegeben. Für das Ansehen der EZB hat das keine Folgen. Allerdings zeigt sich einmal mehr, wie schwierig es ist, Entscheidungen einstimmig zu treffen. Den Vorschlag, die EZB-Direktoriumsmitglieder künftig mit qualifizierter Mehrheit zu ernennen, befürworte ich deshalb sehr.
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