-->Auf dem Weg zum Überwachungsstaat?
Der 1950 verstorbene britische Schriftsteller George Orwell hat in seinem berühmten Roman"1984" das
Zukunftsbild einer bis in das Privateste hinein beobachteten und verwalteten Menschheit gezeichnet. Wer das
Buch heute liest, muss feststellen, dass die Phantasie des Autors nicht ausgereicht hat, um die inzwischen zur
Ausforschung entwickelten technischen Möglichkeiten vorauszusehen. Das Arsenal reicht vom Satelliten, der
noch eine Zeitungs-Schlagzeile auf der Straße erkennen kann, bis hinunter zum Richtmikrophon, mit dem selbst
leise geführte Gespräche in Häusern aus der Distanz abzuhören sind. Und wer beispielsweise eine Kreditkarte
nutzt, hinterlässt eine deutliche Spur zu seinen Aufenthaltsorten und Konsumgewohnheiten.
In der Bundesrepublik Deutschland, dem angeblich freiesten Staat deutscher Geschichte, ist das
grundgesetzlich geschützte Brief- sowie Post- und Fernmeldegeheimnis in einem Maße ausgehöhlt worden,
dass einem Angst und Bange wird. Nach der Statistik der Regulierungsbehörde für Telekommunikation gab es
im Jahr 2002 mit 21.874 Abhöraktionen einen erneuten Anstieg gegenüber dem Vorjahr, diesmal um zehn
Prozent. Joachim Jacob, Datenschutzbeauftragter des Bundes, äußerte den Verdacht, dass Abhöraktionen zu
"Standardmaßnahmen" der Sicherheitsbehörden geworden sein könnten. Ohne Erfolgskontrolle blieben die
wahren Gründe für den Anstieg aber im Dunkeln.
Neben der Ausweitung von Abhörmaßnahmen möchten politisch Verantwortliche zudem die rechtlich
zulässigen Überwachungsmöglichkeiten weiter ausdehnen. Scharfmacher dabei ist der bayerische
Innenminister Günther Beckstein (CSU). Unter dem Vorwand, er wolle gegen gewaltbereite Islamisten
vorgehen, will Beckstein die Bundesbürger offenbar zu gläsernen Menschen machen. Wenn er argumentiert,
"mit der militärischen Lösung im Irak" sei die Gefahr des islamistischen Terrorismus nicht gebannt, übernimmt
er übrigens die verlogene US-Propaganda, die jeden Beweis einer Verbindung von Saddam Hussein mit dem
Terror schuldig bleibt.
Die CSU-Landtagsfraktion hat jetzt zwar den Entwurf für eine Novelle des bayerischen
Polizeiaufgabengesetzes nach heftigen Protesten u.a. von Berufsverbänden, deren Angehörige als
Berufsgeheimnisträger bislang nicht abgehört werden dürfen, vorerst zurückgezogen, will ihn aber nach der
Landtagswahl im Herbst in modifizierter Form wieder einbringen. Ziel der CSU-Landesregierung ist der
massive Ausbau der Telefonüberwachung. Sie will erreichen, dass künftig Telefone, Handys und E-Mails rein
vorsorglich zur Abwehr von Gefahren abgehört werden dürfen. Bisher ist dies nur zum Zweck der
Strafverfolgung erlaubt.
Die präventive Telefonüberwachung - erinnert übrigens an Präventivkrieg! - soll nach Vorstellungen der CSU
auch bei Personen gestattet sein, die von so genannten Störern"bestimmte oder von ihnen herrührende
Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben". Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten auch
unverdächtige Dritte und sogar Anwälte, Ärzte, Geistliche und Journalisten abgehört werden. Staatsanwälte
z.B. könnten sich über die Verteidigungsstrategie von Beschuldigten informieren und die jeweils regierende
Partei wäre vorzeitig über Vorhaben der Opposition oder Enthüllungen der Presse im Bilde.
Neben der Polizei ist es der so genannte Verfassungsschutz, der sich als Lauscher an der Wand betätigt.
Dieser Geheimdienst ist auch darauf spezialisiert, in Gruppen und Vereinigungen, die er bespitzelt, eigene
Leute einzuschleusen, die dort nicht selten das Kommando übernehmen. Im Falle der NPD führte dies
bekanntlich zur Zurückweisung des Verbotsantrages von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat durch
das Bundesverfassungsgericht. Die politisch Verantwortlichen sollten darauf achten, dass es nicht zu ähnlichen
Blamagen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus kommt...
Bruno Wetzel
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