-->finanzen.net-Daily vom 20.05.03
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Deflation - ein Gespenst geht um
Die Aktionäre haben auch weiterhin mit einem schlechten
Umfeld zu kämpfen. Waren es noch vor wenigen Wochen
die Unsicherheiten vor einem Irakkonflikt, so kommen jetzt
Terrorängste auf. Aber ein anderer Faktor sorgt für noch
größere Unsicherheit: Die Gefahr einer Deflation.
Die Hiobsbotschaft kam pünktlich zu Wochenbeginn: Die
Experten des Internationalen Währungsfonds sehen - ähnlich
wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung - die
Möglichkeit einer Deflation für das nächste Jahr und sorgten
damit für einen deutlichen Kursrutsch an den deutschen
Aktienmärkten. Die Deflation kann dann einsetzen - so die
Experten weiter - wenn es bei dem für dieses Jahr erwarteten
Wirtschaftswachstum von einem halben Prozent bleibt oder das
Wachstum sogar noch schwächer ausfallen sollte. Doch so weit
ist es noch nicht: Trotz steigender Arbeitslosenzahlen und
Problemen in der Bankenbranche kann die Europäische
Zentralbank noch gegensteuern. Marktbeobachter erwarten
deshalb in naher Zukunft eine Zinssenkung von bis zu einem
halben Prozentpunkt.
Die Definition der Deflation lässt einige Fragen offen. Deflation
ist das Gegenteil von Inflation - so ist von Börsianern oft zu
hören. Doch eine Deflation hat bestimmte, unveränderliche
Merkmale: Das anhaltende Sinken des Preisniveaus für
Endprodukte (Konsumgüter, Investitionsgüter) in einer
Volkswirtschaft mit der Folge einer Investitionszurückhaltung
der Verbraucher und Investoren. Als Ursache wird die sinkende
Gesamtnachfrage nach Wirtschaftsgütern genannt, die deutlich
niedriger ausfällt als das in der Volkswirtschaft verfügbare
Güterangebot.
Ein Blick zurück auf die letzte große Deflation lässt erschauern:
Die Ursachen der Deflation der 30er Jahre sind umstritten, doch
die Symptome sind unstrittig. Die Industrieproduktion fiel um 40
Prozent, die Deflation erreichte eine Quote von 25 Prozent. In der
Folge halbierten sich die Außenhandelspreise und die Aktienkurse
sackten um 90 Prozent ab. Dafür stieg die Zahl der Arbeitslosen
stark an und der private Konsum kam nahezu zum Erliegen. Dies
alles geschah in den Jahren 1929 bis 1932.
In Deutschland ist dieser Zustand allerdings noch nicht erreicht.
Stattdessen wird immer häufiger der Vergleich mit Japan
unternommen. Im Land der aufgehenden Sonne platzte die
Aktien- und Immobilienspekulationsblase. Das Land schlitterte in
Depression und Deflation. Der japanische Standardwerteindex
Nikkei stürzte von 40.000 Punkten auf derzeit rund 8.000 Zähler
Im Zuge dieser Negativperformance der Aktienmärkte fielen die
Immobilienpreise in den Keller. Unternehmenserträge sanken und
Unternehmen wie Haushalte konnten ihre Verbindlichkeiten nicht
mehr begleichen. Aus Krediten wurden faule Kredite - die
Rückzahlung war nicht immer gewährleistet. Das Bankensystem
geriet aus den Fugen. Milliardensubventionen und
Konjunkturprogramme sollten den totalen Kollaps abwenden -
doch ein Ende der Krise ist noch immer nicht in Sicht. Selbst eine
Nullprozent-Zinspolitik konnte das Land nicht aus der Lethargie
befreien. Optimisten verweisen jedoch darauf, dass das
Bankensystem in Deutschland stabiler sei als jenes in Fernost -
doch alle Ängste der Anleger können sie freilich nicht wegwischen.
Von der Bundesregierung kommen ebenfalls beruhigende Worte:
Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Jörg Müller, gab in
Berlin bekannt, dass derzeit keine deflationäre Entwicklungen in
Deutschland erkennbar seien. In diesem Fall müssten, so Müller
weiter, die Preise auf breiter Front sinken und dies ist nicht
Und eine weitere Hoffnung gibt es: Eine vorübergehende Deflation
wird inzwischen von den meisten Volkswirten nicht mehr als
Katastrophe gesehen. Anders und bedeutend schlimmer wird es
jedoch, wenn es eine"Deflationsspirale" bei anhaltendem
Preisabschwung gibt: In diesem Fall würde der Konsummarkt
weiter erlahmen, da die Verbraucher darauf warten, dass die
Preise weiter fallen. Dann wäre es für Unternehmen und auch
Banken lukrativer, Geld zu horten, statt es in den
Wirtschaftskreislauf zu bringen.
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