-->Beim Anschlag in Beirut haben die Israelis nämlich ihre amerikanischen Freunde ins offene Messer laufen lassen. Der ehemalige Mossad-Offizier Victor Ostrovsky schrieb darüber in"Der Mossad" folgendes:
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Die ganze Zeit über arbeitete die Mossad-Station in Beirut auf
Hochtouren. Einer ihrer Informanten war ein »St inker« - das
ist ein jiddischer Ausdruck, mit dem in Israel ein Informant
bezeichnet wird (im Sinne des englischen Begriffs »stool
pigeon« = Lockvogel). Der »Stinker« hatte Zugang zu einer
Beiruter Autowerkstat t, die sich auf das Präparieren von Autos
für Schmuggelunternehmungen spezialisiert hatte. Viele
israelische Militärangehörige schmuggelten zum Beispiel
zollfreie Videogeräte und Zigaretten aus dem Libanon nach
Israel und machten dort riesige Profite, weil in Israel solche
Dinge mit 100 oder 200 Prozent Zoll belegt werden. Der
Mossad wiederum gab der israelischen Militärpolizei
zweckdienliche Hinweise, so daß viele Schmuggel-Versuche
aufflogen.
Im Sommer 1983 berichtete der erwähnte Informant dem
Mossad von einem großen Mercedes-Lastwagen, der von den
Schiiten mit Hohlräumen ausgestattet wurde, in denen Bomben
untergebracht werden könnten. Er sagte, diese Fächer seien
sogar größer als normalerweise in einem solchen Fall. Das
könne nur bedeuten, daß man ein größeres Zielobjekt im Auge
habe. Der Mossad wußte, daß sich für ein mögliches Attentat
nur wenige große Ziele anboten - eines davon das
Hauptquartier der US-Marines. Nun war die Frage, ob man die
Amerikaner vor einem Lastwagen bestimmter Bauart warnen
sollte oder nicht.
Die Entscheidung war zu wichtig, um in der Beiruter
Station getroffen zu werden. Sie wurde deshalb an Tel Aviv
weitergereicht, wo Admony, der damalige Mossad-Chef,
entschied, daß man den Amerikanern nur die normale,
allgemein gehaltene Warnung zukommen lassen sollte, einen
vagen Hinweis, daß man Grund hätte zu glauben, gegen sie sei
möglicherweise eine Operation geplant. Aber das klang
wirklich so allgemein und nichtssagend wie eine
Wettervorhersage. Es war unwahrscheinlich, daß daraufhin ein
besonderer Alarm ausgelöst oder die Sicherheitsvorkehrungen
erhöht werden würden. Beispielsweise gab es in den sechs
Monaten, die dieser »Nachricht« folgten, mehr als 100
Warnungen vor Angriffen mit Autobomben. Also würde eine
mehr oder weniger dieser Art die amerikanische Sicherheitsbe-reitschaft
nicht erhöhen.
Admony erklärte seine Weigerung, den Amerikanern ge-nauere
Informationen zukommen zu lassen, mit den Worten:
»Wir sind nicht dazu da, die Amerikaner zu schützen. Die sind
ein großes Land. Schickt einfach die normale Information.«
Gleichzei t ig ging jedoch an alle israelischen Stellen in
Beirut die exakte Beschreibung des Mercedes-Lkw, verbunden
mit einer entsprechenden Warnung.
Am 23. Oktober 1983 näherte sich morgens früh um 6.15
Uhr ein großer Mercedes-Lastwagen dem Beiruter Flughafen,
passierte in Sichtweite die israelischen Wachen der nahe
gelegenen Basis, durchfuhr einen Kontrollpunkt der
libanesischen Armee und bog nach links auf einen Parkplatz
ein. Ein Wachtposten der Marines schrie noch, daß der
Lastwagen Gas gab, aber trotz der Beschießung durch einige
Wachen raste der Lkw schon auf den Eingang der
vierstöckigen, aus armiertem Beton erbauten Abfer-tigungshalle
zu, in der das Hauptquartier des 8.
Marineinfanterie-Batai l lons untergebracht war. Er durchbrach
das schmiedeeiserne Tor, überfuhr einen Wachtposten hinter
Sandsäcken, durchschlug eine weitere Barriere und krachte
durch eine Mauer aus Sandsäcken in die ebenerdige Halle.
Dort explodierte der Lkw mit furchtbarer Gewalt und legte das
ganze Gebäude in Schut t und Asche.
Wenige Minuten später raste ein anderer Lastwagen in das
Hauptquartier der französischen Fallschirmjäger in Bir Hason,
ein Gebäude, das am Meer inmitten eines Wohngebiets liegt,
keine drei Kilometer von dem US-Gelände entfernt. Die
Gewalt der Explosion war so groß, daß das ganze Gebäude um
zehn Meter zur Seite rutschte. 58 Soldaten starben.
Der Tod von 241 US-Marines, von denen die meisten zum
Zeitpunkt der Explosion noch in ihren Betten schliefen, bedeutete
für die Amerikaner den höchsten Verlust an einem
einzigen Tag seit den 246 Toten in Vietnam zu Beginn der Tet-Offensive
am 13. Januar 1968.
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Das ganze Kapitel:
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BEIRUT
Es zählte nicht zu Israels glücklichsten Stunden. Mitte Sep-tember
1982 waren die Bilder des Massakers in der ganzen
Welt zu sehen, im Fernsehen, in Tageszeitungen und
Magazinen. Überall lagen Leichen herum. Männer, Frauen,
Kinder. Selbst Pferde waren abgeschlachtet worden. Einigen
der Opfer war aus nächster Nähe in den Kopf geschossen
worden, anderen hatte man die Kehle durchgeschnitten, einige
waren kastriert worden; junge Männer waren in Gruppen von
zehn bis 20 Mann zusammengetrieben und dann wahllos
niedergeschossen worden. Nahezu alle der 800 Palästinenser,
die in den beiden Flüchtlingslagern Sabra und Shatila in Beirut
starben, sind unbewaffnet gewesen, unschuldige Zivilisten, an
denen christlich-l ibanesische Falangisten grausam Rache geübt
hatten.
Es war eine grauenvolle Tat, die nicht nur von den
israelischen Besatzungsstreitkräften toleriert, sondern sogar
durch sie gefördert worden war. US-Präsident Ronald Reagan,
Israels wichtigster internationaler Verbündeter in der
damaligen Situation, beklagte danach, daß Israel sich in den
Augen der Weltöffentlichkeit von einem David in einen
Goliath des Nahen Ostens verwandelt hätte. Zwei Tage später
schickte Reagan seine Marines als Bestandteil einer US-amerikanisch-
französisch-italienischen Friedenstruppe nach
Beirut zurück.
Die Reaktion auf Israels Verhalten war einmütig. In Italien
zum Beispiel weigerten sich die Hafenarbeiter, israelische
Schiffe zu beladen. Großbritannien verurteilte Israel offiziell,
und Ägypten rief seinen Botschafter zurück. Es gab
Massenproteste auch in Israel selbst.
Seit der Gründung des Staates Israel haben viele Israelis davon
geträumt, mit den arabischen Ländern in Frieden
zusammenzuleben - Teil einer Welt zu werden, in der es für
die Menschen keine Grenzen gäbe und man überall als Freund
begrüßt würde. Die Idee einer offenen Grenze, wie etwa die
vielgerühmte kanadischamerikanische, ist für die Israelis
immer noch unvorstellbar.
Ende der siebziger Jahre stellte Admony, damaliger Chef
der Verbindungsabteilung im Mossad, durch den CIA und
seine Beziehungen in Europa solide Verbindungen zu Bashir
Gemayel her, dem Führer der christlichen Falangisten im
Libanon, einem Mann, der zugleich rücksichtslos und mächtig
war. Admony legte der Mossad-Führung dar, daß der Libanon
seine Hilfe brauche. Der Mossad seinerseits überzeugte die
israelische Regierung davon, daß Gemayel - ein enger Freund
von Salimeh, dem »Roten Prinzen« - es aufrichtig meine. Das
war das Bild, das der Mossad über Jahre hinweg durch seine
gefilterten Informationen der Regierung präsentierte.
Gemayel arbeitete damals auch für den CIA, aber beim Mos-sad
löste die Vorstellung, in einem arabischen Land einen
»Freund« zu haben - egal wie doppelzüngig er sich verhalten
mochte -, Begeisterung aus. Zusätzlich hatte Israel den
Libanon niemals wirklich gefürchtet. Damals kursierte ein
Witz: Sol lte es zwischen beiden Ländern zum Krieg kommen,
würde Israel sein Militärorchester schicken, um die Libanesen
zu besiegen.
Auf jeden Fall waren die Libanesen viel zu sehr damit
beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen, als daß sie sich
um jemand anderen noch kümmern konnten. Die verschiedenen
moslemischen und christlichen Streitkräfte stritten um die
Vorherrschaft, wie auch heute noch. Gemayel, dessen Truppen
damals belagert wurden, entschloß sich, Israel um Hilfe
anzugehen. Einen zusätzlichen Vorteil eines möglichen
Eingreifens sah der Mossad darin, sich Israels Feind Nummer
eins, der PLO, zu entledigen. Noch lange Zeit nachdem Israels
Aktionen sich bereits zum Schaden des eigenen Landes
ausgewirkt hatten, blieb die libanesische Verbindung für den
Mossad entscheidend wichtig, weil Admony, der Mossad-Chef,
der Mann gewesen war, der alles in die Wege geleitet und
darin die Krönung seiner Arbei t gesehen hatte.
In vieler Hinsicht erinnert der Libanon von heute an das
Chicago oder das New York der zwanziger oder dreißiger
Jahre, als die verschiedenen Gangs oder Mafia-Banden um die
Vorherrschaft kämpften. Gewalt und Protzerei bestimmte den
Alltag, und zeitweise schienen die Regierungsstellen nicht in
der Lage oder willens zu sein, etwas dagegen zu unternehmen.
Auch der Libanon hat seine »Familien«, jede besitzt ihre ei-gene
Armee oder Miliz, die dem »Paten« ergeben ist. Aber
religiöse und Familien-Bande hatten immer nur sekundäre
Bedeutung, an erster Stelle ging es um Macht und Geld, die
beide aus dem Drogenhandel und vielen anderen Mafia-Aktivitäten
erwuchsen, die die libanesische
Korruptionsmaschine und die dort herrschende Anarchie am
Leben halten.
In Beirut können die Leute sehr gut leben, nur weiß
niemand, wie lange. Nirgendwo auf der Welt steht eine
Metropole so vor dem endgültigen Aus wie in Beirut. So
erklärt sich, daß die herrschenden Gruppen, seien es nun die
Familien, Milizen oder Kriminellen, das Leben in vollen
Zügen genießen, solange es noch möglich ist. Das sind
höchstens 200000 Menschen, während über eine Million
Libanesen in und um Beirut versuchen, ihr Leben unter
katastrophalen Bedingungen zu fristen und dabei noch ihre
Familien zu ernähren.
1978 hatte »Babyface« Bashir Gemayel über seine Mossad-Verbindungen
um Waffen für seine Auseinandersetzung mit
den Franj iehs, dem anderen einflußreichen Christen-Clan,
gebeten. (Tony Franjieh, den Gemayel zusammen mit seiner
Frau und Tochter im Juni 1978 ermorden ließ, stand mit dem
Mossad nicht auf gutem Fuß.) Der Mossad verkaufte ihm
Waffen, vom »Geschäftspartner« auf eine Art und Weise
erworben, wie es selbst der Mossad noch nie erlebt hatte.
1980 wurde eine Gruppe von Falangisten auf dem
Militärstützpunkt in Haifa ausgebildet, u.a. im Umgang mit
den kleinen Dabur-Kanonenbooten, die von einer israelischen
Waffenfabrik ausgerechnet in Beersheba produziert wurden,
einem Ort, der inmitten der Wüste liegt, auf halber Strecke
zwischen Mittelmeer und Rotem Meer. Als ihre Ausbildung
abgeschlossen war, traf der Chef der christlichen libanesischen
Marine in seinem üblichen glänzenden Seidenanzug per Schiff
in Haifa ein, begleitet von drei Bodyguards und drei Mossad-Beamten,
die mehrere Koffer trugen. Gemayels Militärs
kauften fünf Boote, jedes zum Preis von etwa 6 Millionen US-Dollar,
und bezahlten sie in US-Währung - in bar. Das Geld
hatten sie in den Koffern mitgebracht. Sie fuhren mit den
Kanonenbooten gleich nach Juniyeh zurück, einer Hafenstadt
nördlich von Beirut.
Als die Koffer geöffnet wurden, fragte der Oberkommandie-rende
der libanesischen Marine den höchsten Mossad-Beamten,
ob er das Geld zählen wolle. »Nein, wir glauben Ihnen«, sagte
er. »Aber wenn es nicht stimmt, dann sind Sie ein toter
Mann.« Sie zählten es später nach, und es stimmte genau.
Die meiste Zeit über verwendeten die Falangisten ihre
»Kriegsmarine« dazu, vor der Küste West-Beiruts in langsamer
Fahrt zu kreuzen und mit Maschinengewehren auf Moslems zu
feuern, eine »Übung«, die Hunderte von unschuldigen
Menschen das Leben kostete, aber im Grunde keinerlei
militärische Vorteile erbrachte.
Aufgrund seiner Mossad-Verbindungen erhielt Israel von
Gemayel 1979 die Erlaubnis, in Juniyeh eine Marine-Radarstat
ion einzurichten, in der 30 Mann von der israelischen
Marine arbeiteten. Es war Israels erster Stützpunkt im
Libanon. Die Existenz dieser Station stärkte natürlich die
Posit ion der Falangisten, da die Moslems - und auch die Syrer
- sich hüteten, sich mit Israel anzulegen. Viele
Verhandlungsrunden zwischen dem Mossad und Gemayel
wegen der Radarstation fanden auf dem Sitz der Familie
nördlich von Beirut statt. Als »Aufwandsentschädigung«
zahlte der Mossad monatlich zwischen 20000 und 30000 Dollar
an Gemayel.
Gleichzeitig besaßen die Israelis noch einen weiteren
Freund im südlichen Libanon - den christlichen Major Haddad,
der eine Miliz befehligte, die hauptsächlich aus Schiiten
bestand. Haddad war beinahe ebenso eifrig wie die Israelis
darauf aus, die Truppen von Yassir Arafats PLO aus dem
südlichen Libanon zu vertreiben. Auch er war, sobald die Zei t
reif dafür wäre, bereit, gegen Arafat zu marschieren.
Die Mossad-Station in Beirut, sie wurde »U-Boot« genannt,
lag im Kellergeschoß eines ehemaligen Regierungsgebäudes
nahe der Grenzlinie zwischen dem von Christen beherrschten
Ost-Beirut und dem von Moslems dominierten West-Beirut.
Dort waren ständig etwa zehn Leute beschäftigt, darunter
sieben bis acht Katsas, wovon wiederum einer oder zwei aus
der Einheit 504 stammten, dem israelischen
Militärgeheimdienst, der sich offiziell mit dem Mossad die
Räume teilte.
Anfang 1980 unterhielt der Mossad zu weiteren, einander
bekämpfenden l ibanesischen Familien enge Verbindungen. Er
zahlte für Informationen, die er dann an die verschiedenen
Gruppen weitergab, und er bezahlte sogar die Gangs und
einige Palästinenser in den Flüchtlingslagern für
Nachrichtenbeschaffung und sonstige Dienste. Außer Gemayel
standen auch die Familien Jumblat und Berri auf der
Gehaltsliste des Mossad.
Die Situation bezeichneten die Israelis mit einem
arabischen Wort als Halemh, »lautes Durcheinander«. Und
dann wuchs das Durcheinander noch, als Bürger aus dem
Westen gekidnappt wurden. Im Juli 1982 zum Beispiel wurde
David S. Dodge, 58, Rektor der amerikanischen Universität
von Beirut, von vier bewaffneten Leuten entführt, als er aus
seinem Büro nach Hause wollte.
Eine verbreitete Methode, Geiseln zu transportieren, nannte
man »Mumien-Transport«. Das bedeutete, jemand von Kopf bis
Fuß mit braunem Plastikklebeband zu verschnüren, wobei man
nur eine kleine Ã-ffnung zum Atmen freiließ, und dann das
Paket in den Kofferraum oder unter den Sitz ins Auto zu legen.
Manche Opfer ließ man einfach liegen und sterben, gewöhnlich
dann, wenn die Kidnapper an eine Straßensperre gerieten, die
von gegnerischen Milizen errichtet worden war.
Während der Mossad an seinen verschiedenen Verbindungen
im Libanon arbeitete und Verteidigungsminister Ariel Sharon
- von den Amerikanern als »Falke unter den Falken«
beschrieben - auf Krieg drängte, geriet Begin allmählich unter
Druck. Es sei zumindest an der Zeit, so hieß es, die PLO im
Süden des Libanon auszuradieren, wo sie ihre Posi t ion dazu
nutzte, mit Granaten über die Grenze zu schießen und
israelische Dörfer im Grenzgebiet zu überfallen.
Sharon wurde nach dem Yom Kippur-Krieg von 1973 immer
als »Arik, Arik, König von Israel« gegrüßt. Der nur 1,65 Meter
große Zwei-Zentner-Mann, häufig aufgrund seiner Statur und
seines politischen Stils als »Bulldozer« tituliert, war gerade
erst 25 Jahre alt, als er ein Kommando-Unternehmen
befehligte, in dessen Verlauf eine Vielzahl unschuldiger
Jordanier umkam und das Israels damaligen Premierminister
David Ben Gurion zu einer öffentlichen Entschuldigung
zwang. Später stellte ihn Moshe Dayan beinahe wegen
Befehlsverweigerung vor ein Kriegsgericht, weil er 1956 im
Sinai-Feldzug Befehle mißachtete und ein Manöver mit
Fallschirmjägern angeordnet hatte, das Dutzende israelischer
Soldaten das Leben kostete.
Bereits Monate vor der israelischen Invasion im Libanon
hatte die PLO eine Invasion befürchtet, und Arafat ordnete
einen Bombardierungsstopp der israelischen Dörfer an.
Dennoch zog Israel im Frühjahr 1982 viermal Invasionstruppen
an seiner Nordgrenze zusammen und befahl jeweils erst im
letzten Moment den Rückzug, hauptsächlich aufgrund
amerikanischen Drucks. Begin versicherte den Amerikanern,
daß Israel, falls es angreifen würde, seine Soldaten nur bis
zum Litam-Fluß marschieren lassen würde, 30 Kilometer
nördlich der Grenze, um damit auszuschließen, daß die PLO
weiterhin israelische Siedlungen beschießen könne. Er hielt
sein Versprechen nicht, und wenn man das Tempo bedenkt, mi t
dem die israelische Armee Beirut erreichte, hatte er das auch
gar nicht vorgehabt.
Am 25. April 1982 zog sich Israel aus dem letzten Drittel
des Sinai zurück, das es seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967
besetzt gehalten hatte. Damit war das ägyptisch-israelische
Camp David-Abkommen aus dem Jahr 1979 erfül l t worden.
Aber als israelische Bulldozer die letzten Spuren
israelischer Siedlungen auf dem Sinai zerstörten, brach Israel
gleichzeit ig einen Waffenst i llstand an seiner 120 Kilometer
langen Grenze zum Libanon, der 1981 in Kraft getreten war.
1978 hatte Israel mit 10000 Mann und 200 Panzern den
Libanon angegriffen, aber es war ihm nicht gelungen, die PLO
zu vertreiben.
Am 6. Juni 1982, einem sonnigen Sonntagmorgen, gab
Begins Kabinett Sharon grünes Licht für die Invasion im
Libanon. An jenem Tag kam der irische Generalleutnant
William Callaghan, Befehlshaber der UNO-Truppen im
Libanon (UNIFIL), in das vorgeschobene Hauptquartier des
israelischen nördlichen Truppenkommandos in Zefat, um die
Resolution des UNO-Sicherheitsrates zu diskutieren, die eine
Beendigung des Sperrfeuers von seiten Israels und der PLO im
Grenzgebiet forderte. Statt der erwarteten Diskussion erhielt
er vom israelischen Stabschef, Generalleutnant Rafael Eitan,
die Auskunft, daß Israel in 28 Minuten den Libanon angreifen
würde. 60000 Mann mit mehr als 500 Panzern überrollten kurz
darauf den Libanon in einem unseligen Feldzug, der zwar
11000 PLO-Soldaten aus dem Land vertrieb, aber Israels
internationalem Ansehen schweren Schaden zufügte, 462
israelische Soldaten das Leben und weitere 2218 Verwundete
kostete.
Innerhalb der ersten 48 Stunden wurden die Hauptkräfte der
PLO besiegt, aber in Sidon, Tyrus und Damur leistete die PLO
erheblichen Widerstand. Auf zwei dringende Schreiben Ronald
Reagans an Begin, den Libanon nicht anzugreifen, hatte der
geantwortet, Israel wolle nur die PLO von seinen Grenzen
verdrängen. »Der blutrünstige Aggressor steht vor unserer
Tür«, schrieb er. »Haben wir nicht das selbstverständliche
Recht auf Selbstverteidigung?«
Während die Israelis die PLO im Süden des Landes
angriffen, schlossen sie gleichzeitig ihre Streitkräfte mit den
christlichen Falangisten Gemayels in den Vororten von Beirut
zusammen. Als sie in die Stadt einmarschierten, wurden sie
zuerst von der christlichen Bevölkerung als Befreier begrüßt
und mit Reis, Blumen und Bonbons überschüttet. Es dauerte
nicht lange, und die Truppen hatten mehrere tausend PLO-Kämpfer
sowie 500000 Bewohner in West-Beirut eingekesselt.
Die todbringenden Bombardements gingen weiter, und im
August äußerte Begin angesichts ausländischer Kritik, die den
Israelis vorwarf, daß es Opfer vor allem unter der
Zivilbevölkerung gab: »Wir tun, was wir tun müssen. West-Beirut
ist keine Stadt, sondern ein militärisches Ziel, umgeben
von Zivilisten.«
Schließlich, nach zehnwöchiger Belagerung, schwiegen die
Waffen, und die PLO räumte die Stadt. Daraufhin sagte der
libanesische Premierminister Chafik al Wazzan: »Wir haben
das Ende unserer Leiden erreicht.« Er hatte sich zu früh
gefreut.
Ende August rückte eine kleine italienisch-amerikanisch-französische
Friedenstruppe in Beirut ein, während die Israelis
ihren Druck auf die umkämpfte Stadt immer noch verstärkten.
Am 14. September 1982, um 16.08 Uhr, detonierte eine
ferngezündete 100-Kilogramm-Bombe im dritten Stock des
Hauptquartiers der christlichen Falange in Ost-Beirut und
tötete den gewählten Präsidenten Bashir Gemayel und 25
weitere seiner Anhänger, als er und zirka 100 Parteimitglieder
eine Versammlung abhielten. Bashir wurde durch seinen 40
Jahre alten Bruder Amin ersetzt.
Als Attentäter konnte Habib Chartuni, 26 Jahre alt, gefaßt
werden, der offenbar über einen Kontaktmann der prosyrischen
libanesischen Partei, die Gegner der Falangisten, den
Sprengstoff und seine Instruktionen erhalten hatte. Die
Operation war vom syrischen Geheimdienst im Libanon unter
Leitung von Oberstleutnant Mohammed G'anen durchgeführt
worden.
Da der CIA Pate gestanden hatte, um Gemayel und den
Mossad zusammenzubringen, hatten die Vereinigten Staaten
mit dem Insti tut im Gegenzug ein Abkommen über die
gegenseitige Belieferung mit Nachrichtenmaterial geschlossen
(was hauptsächlich zum Vorteil des Mossad war, da er kaum
etwas an andere Organisationen weitergibt). Aber weil der
Mossad im CIA »Spieler, die nicht spielen können«, sieht, gibt
es keinen Zweifel, daß er über die Rolle der Syrer bei
Gemayels Ermordung bestens Bescheid wußte.
Zwei Tage nach dem Attentat hatten der israelische
Generalmajor Amir Drori, Befehlshaber des Nordkommandos,
und einige andere hohe Offiziere in ihrer Kommnandozentrale
im Beiruter Hafen Gäste: Fady Frem, der Kommandeur der
christlichen Miliz, und ihr berücht igter Geheimdienstchef
Elias Hobeika, eine schillernde und bösart ige Figur, der immer
eine Pistole, ein Messer und eine Handgranate bei sich trug,
und der gefürchtetste Falangist im Libanon war. Hobeika war
ein enger Bundesgenosse des christlichen Generals Samir
Zaza. Später wechselten sich die beiden im Oberkommando der
christlichen Armee ständig ab. Für den Mossad war Hobeika
ein wichtiger Kontaktmann. Er war Absolvent des Staffand
Command College in Israel. Er führte die Truppen an, die in
die Flüchtlingslager eindrangen und die Zivilisten
abschlachteten.
Hobeika, der Amin Gemayel haßte und seinen Führungs-anspruch
anfocht, war in einen erbitterten internen
Machtkampf verwickelt, weil er von einigen Leuten dafür
verantwortlich gemacht wurde, daß Bashir Gemayel nicht
ausreichend geschützt worden war.
Am 16. September, gegen 17.00 Uhr, zog Hobeika seine
Truppen am internationalen Flughafen von Beirut zusammen
und drang in das Lager Shatila ein, unterstützt durch
Leuchtspurgeschosse und später Panzer- und Artilleriefeuer
der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF). Kurz darauf
behauptete ein israelischer Kabinettssprecher vor der Presse,
daß die IDF »in West-Beirut Stellung bezogen habe, um der
Gefahr von Gewalt, Blutvergießen und Anarchie
vorzubeugen«.
Am folgenden Tag erhielt Hobeika die Erlaubnis der
Israelis, zwei weitere Bataillone in die Lager zu bringen.
Israel wußte, daß dort ein Massaker stattfand. Die israelischen
Streitkräfte hatten sogar auf den Dächern an der Kreuzung, an
der die Botschaft Kuwaits liegt, Beobachtungsposten
eingerichtet; von dort besaß man einen freien Blick auf die
Schlächterei.
In der Empörung über das Gemetzel und die israelische
Rolle dabei nahmen die Auseinandersetzungen zwischen
Reagan und Begin an Schärfe zu. Ende Oktober schickte
Reagan 1200 US-Marineinfanteristen nach Beirut zurück, das
sie erst 19 Tage zuvor verlassen hatten. Sie verstärkten nun
die 1560 französischen Fallschirmjäger und 1200 Italiener der
zweiten Friedenstruppe.
Die ganze Zeit über arbeitete die Mossad-Station in Beirut auf
Hochtouren. Einer ihrer Informanten war ein »St inker« - das
ist ein jiddischer Ausdruck, mit dem in Israel ein Informant
bezeichnet wird (im Sinne des englischen Begriffs »stool
pigeon« = Lockvogel). Der »Stinker« hatte Zugang zu einer
Beiruter Autowerkstat t, die sich auf das Präparieren von Autos
für Schmuggelunternehmungen spezialisiert hatte. Viele
israelische Militärangehörige schmuggelten zum Beispiel
zollfreie Videogeräte und Zigaretten aus dem Libanon nach
Israel und machten dort riesige Profite, weil in Israel solche
Dinge mit 100 oder 200 Prozent Zoll belegt werden. Der
Mossad wiederum gab der israelischen Militärpolizei
zweckdienliche Hinweise, so daß viele Schmuggel-Versuche
aufflogen.
Im Sommer 1983 berichtete der erwähnte Informant dem
Mossad von einem großen Mercedes-Lastwagen, der von den
Schiiten mit Hohlräumen ausgestattet wurde, in denen Bomben
untergebracht werden könnten. Er sagte, diese Fächer seien
sogar größer als normalerweise in einem solchen Fall. Das
könne nur bedeuten, daß man ein größeres Zielobjekt im Auge
habe. Der Mossad wußte, daß sich für ein mögliches Attentat
nur wenige große Ziele anboten - eines davon das
Hauptquartier der US-Marines. Nun war die Frage, ob man die
Amerikaner vor einem Lastwagen bestimmter Bauart warnen
sollte oder nicht.
Die Entscheidung war zu wicht ig, um in der Beiruter
Station getroffen zu werden. Sie wurde deshalb an Tel Aviv
weitergereicht, wo Admony, der damalige Mossad-Chef,
entschied, daß man den Amerikanern nur die normale,
allgemein gehaltene Warnung zukommen lassen sollte, einen
vagen Hinweis, daß man Grund hätte zu glauben, gegen sie sei
möglicherweise eine Operation geplant. Aber das klang
wirklich so allgemein und nichtssagend wie eine
Wettervorhersage. Es war unwahrscheinlich, daß daraufhin ein
besonderer Alarm ausgelöst oder die Sicherheitsvorkehrungen
erhöht werden würden. Beispielsweise gab es in den sechs
Monaten, die dieser »Nachricht« folgten, mehr als 100
Warnungen vor Angriffen mit Autobomben. Also würde eine
mehr oder weniger dieser Art die amerikanische Sicherheitsbe-reitschaft
nicht erhöhen.
Admony erklärte seine Weigerung, den Amerikanern ge-nauere
Informationen zukommen zu lassen, mit den Worten:
»Wir sind nicht dazu da, die Amerikaner zu schützen. Die sind
ein großes Land. Schickt einfach die normale Information.«
Gleichzei t ig ging jedoch an alle israelischen Stellen in
Beirut die exakte Beschreibung des Mercedes-Lkw, verbunden
mit einer entsprechenden Warnung.
Am 23. Oktober 1983 näherte sich morgens früh um 6.15
Uhr ein großer Mercedes-Lastwagen dem Beiruter Flughafen,
passierte in Sichtweite die israelischen Wachen der nahe
gelegenen Basis, durchfuhr einen Kontrollpunkt der
libanesischen Armee und bog nach links auf einen Parkplatz
ein. Ein Wachtposten der Marines schrie noch, daß der
Lastwagen Gas gab, aber trotz der Beschießung durch einige
Wachen raste der Lkw schon auf den Eingang der
vierstöckigen, aus armiertem Beton erbauten Abfer-tigungshalle
zu, in der das Hauptquartier des 8.
Marineinfanterie-Batai l lons untergebracht war. Er durchbrach
das schmiedeeiserne Tor, überfuhr einen Wachtposten hinter
Sandsäcken, durchschlug eine weitere Barriere und krachte
durch eine Mauer aus Sandsäcken in die ebenerdige Halle.
Dort explodierte der Lkw mit furchtbarer Gewalt und legte das
ganze Gebäude in Schut t und Asche.
Wenige Minuten später raste ein anderer Lastwagen in das
Hauptquartier der französischen Fallschirmjäger in Bir Hason,
ein Gebäude, das am Meer inmitten eines Wohngebiets liegt,
keine drei Kilometer von dem US-Gelände entfernt. Die
Gewalt der Explosion war so groß, daß das ganze Gebäude um
zehn Meter zur Seite rutschte. 58 Soldaten starben.
Der Tod von 241 US-Marines, von denen die meisten zum
Zeitpunkt der Explosion noch in ihren Betten schliefen, bedeu-tete
für die Amerikaner den höchsten Verlust an einem
einzigen Tag seit den 246 Toten in Vietnam zu Beginn der Tet-Offensive
am 13. Januar 1968.
Nach wenigen Tagen übergab der Mossad dem CIA eine
Liste mit den Namen von 13 Leuten, die seiner Meinung nach
in die beiden Attentate verwickelt waren. Die Liste enthielt
syrische Geheimdienstleute, Iraner, die in Damaskus saßen,
und den Schiiten-Führer Fadlallah.
Im Hauptquartier des Mossad hörte man einen Seufzer der
Erleichterung, weil nicht die Israelis Ziel des Angriffs
gewesen waren. Es wurde als kleiner Zwischenfall angesehen,
was den Mossad anging, etwas, worüber man gestolpert war,
was man aber niemandem erzählen würde. Das Problem war
doch: Wenn der Mossad die Information hätte durchsickern
lassen und man sie zurückverfolgt hätte, dann wäre der
Mossad-Informant tot gewesen. Wir hätten dann
möglicherweise nicht mehr erfahren können, ob wir nicht
vielleicht die nächsten auf der Attentatsliste wären.
Die allgemeine Haltung den Amerikanern gegenüber war:
»Na und, die wollten doch unbedingt ihre Nase in den Libanon
stekcken, dann müssen sie halt auch dafür bezahlen.«
Ich erhielt im Nachgang zu dieser Katastrophe den ersten
großen Rüffel von meinem Vorgesetzten im Mossad, dem
Liaison-Offizier Amy Yaar. Ich äußerte damals die Meinung,
die amerikanischen Soldaten, die in Beirut ermordet worden
seien, würden unser Gewissen länger belasten als unsere
eigenen Gefallenen, weil sie mit dem Vorsatz gekommen
seien, uns aus dem Dreck herauszuhelfen, in den wir uns selbst
reingeritten hatten. Yaar erwiderte: »Halt bloß die Klappe. Du
redest wie deine Genossen. Wir geben den Amerikanern viel
mehr, als wir von ihnen kriegen.« Das haben sie immer gesagt,
aber es stimmt nicht. Wenn man allein an die vielen Teile der
israelischen Mil itärausrüstung denkt, die aus den USA stammt.
Und auch der Mossad hatte den Amerikanern viel zu
verdanken.
In dem ganzen beschriebenen Zeitraum wurde eine Reihe
westlicher Staatsbürger im Libanon gefangengehalten, und
durch Akt ionen verschiedener Fraktionen kamen immer neue
Geiseln dazu. Ende März 1984 verließ eines Tages der Chef
der CIA-Station William Buckley, der offiziell als politischer
Offizier an der US-Botschaft firmierte, seine Wohnung in
West-Beirut und wurde mit Waffengewalt von drei Schiiten
entführt. Er blieb 18 Monate in Gefangenschaft, wurde schwer
gefoltert und am Ende brutal ermordet. Er hätte gerettet
werden können.
Der Mossad hatte durch sein umfangreiches Informantennetz
einen ziemlich guten Überblick darüber, wo und von welchen
Gruppen die meisten Geiseln festgehalten wurden. Selbst wenn
man den Aufenthaltsort nicht kennt, so ist es doch von großem
Wert, zu wissen, welche Gruppierung dahintersteckt, sonst
verhandelt man womöglich mit Leuten, die überhaupt keine
Geiseln haben.
Leuten vom Range Buckleys wird unter den Terrorkomman-dos
große Bedeutung zugemessen, weil sie über eine Menge
Wissen verfügen. Aus ihnen Informationen herauszupressen
kann für viele Geheimdienst-Operateure in der ganzen Welt
das Todesurteil bedeuten. Eine Gruppe, die sich Heiliger
Islamischer Krieg nennt, übernahm die Verantwortung für die
Entführung Buckleys. Bill Casey, der CIA-Chef, war so darauf
aus, Buckley zu retten, daß ein Expertenteam des FBI, das auf
das Aufspüren von gekidnappten Menschen spezialisiert war,
nach Beirut geschickt wurde, um ihn zu finden. Aber auch
nach einem Monat hatten die Männer immer noch nichts
herausgebracht. Die offizielle US-Politik lautete damals, mit
Geiselnehmern im Libanon nicht zu verhandeln, aber Casey
hatte beträchtliche Summen zur Verfügung gestellt, um
Informanten zu bezahlen und Buckley notfalls freizukaufen.
Schon bald wandte sich der CIA mit einem Hilfeersuchen an
den Mossad. Kurz nach Buckleys Entführung bat der CIA-Ver-bindungsoffizier
in Tel Aviv den Mossad, ihnen soviel
Information wie möglich über Buckley und einige andere
Geiseln zu liefern.
An einem Vormittag wurde gegen halb zwölf im
Hauptquartier über Lautsprecher durchgegeben, daß das
gesamte Personal das Erdgeschoß und den Fahrstuhl nicht
betreten dürfe, weil Gäste im Hause seien. Zwei CIA-Beamte
wurden abgeschirmt ins Gebäude geleitet und dann zu
Admonys Büro im neunten Stock gebracht. Der Mossad-Chef
sagte ihnen, daß man ihnen alles geben würde, was man hätte,
aber wenn sie etwas ganz Bestimmtes haben wollten, müßten
sie sich an den Premierminister wenden, »weil er unser Boß
ist«. Admony wol lte im Grunde nur ein formelles Ersuchen
erzwingen, so daß der Mossad später bei Bedarf und passender
Gelegenheit auf eine Gefälligkeit pochen könnte.
Auf jeden Fall stellten die Amerikaner durch ihren
Botschafter ein förmliches Ersuchen an den damaligen
Premierminister Shimon Peres. Peres erteilte Admony die
Anweisung, daß der Mossad dem CIA jede nur denkbare Hilfe
leisten solle, um in der Geiselaffäre behilflich zu sein.
Normalerweise beinhalten derlei Anweisungen bestimmte
Einschränkungen - wie etwa »Wir geben alle uns zur
Verfügung stehenden Informationen, sofern sie nicht unsere
Leute gefährden« -, in diesem Fall jedoch nicht, ein deutliches
Indiz dafür, wie wicht ig sowohl die Vereinigten Staaten als
auch Shimon Peres die Geiselfrage nahmen.
Politisch gesehen, können solche Ereignisse enormen
Sprengstoff bedeuten. Die Reagan-Administration erinnerte
sich nur zu gut daran, welche Demütigung Jimmy Carter
erdulden mußte, als zahlreiche Amerikaner nach dem Sturz des
Schahs im Iran als Geiseln festgehalten wurden.
Admony versicherte Peres, daß er alles in seiner Macht Ste-hende
tun würde, um den Amerikanern zu helfen. »Ich habe in
dieser Hinsicht ein gutes Gefühl«, sagte er. »Wir haben da
vielleicht etwas, was Ihnen weiterhelfen könnte.« In Wahrheit
hatte er nicht die geringste Absicht, ihnen zu helfen.
Zwei CIA-Beamte wurden zu einem Treffen mit dem
Sai fanim(»Goldfisch«)-Ressort gebeten, das sind die PLO-Spezialisten.
Die Zusammenkunft fand in der Akademie statt.
Da Israel in der PLO seinen Hauptgegner sieht, handelte der
Mossad oft nach dem Prinzip, daß, wenn man der PLO etwas
anlasten konnte, es seine Aufgabe erfüllt hatte. Deswegen
machten sie sich an die Aufgabe, der PLO die Entführungen
zuzuschieben, obwohl man wußte, daß viele der Geiseln,
darunter auch Buckley, in keinerlei Beziehung zur PLO
standen.
Um den Anschein zu erwecken, als wären sie zu völliger
Kooperat ion berei t, behängten die Saifanim-Leute alle Wände
im Konferenzraum mit Karten und boten den Amerikanern
unzählige Daten für die Bestimmung des ungefähren
Aufenthaltsorts der Geiseln an. Obwohl die Geiseln ständig
verlegt wurden, wußte der Mossad im allgemeinen gut darüber
Bescheid, wo sie sich gerade befanden. Der Mossad
unterschlug einfach viele Details, die er aus seinen Quellen
erfahren hatte, sagte aber den Amerikanern, daß sie nach
ihrem allgemeinen Eindruck entscheiden könnten, ob man
weiter in die Einzelheiten gehen solle. Dies war natürlich
Bestandteil eines unausgesprochenen, aber sehr wirksamen
Systems der Schuldenbegleichung und des Punktesammelns für
künft ige Gefälligkeiten.
Am Ende des Treffens wurde Admony ein genauer Bericht
geliefert. Die Amerikaner ihrerseits diskutierten die Sache mit
ihren Vorgesetzten. Zwei Tage später kamen sie wieder und
wollten genauere Informationen zu einer Antwort haben, die
sie bei der ersten Zusammenkunft erhal ten hatten. Der CIA
meinte, daß sich das als heiße Spur erweisen könnte, wollte
aber die Einzelheiten sorgfältig prüfen. Sie baten um ein
Gespräch mit der »Quelle«, aus der die Information stammte.
»Kommt nicht in Frage«, sagte der Mossad-Mann.
»Niemand spricht mit den Quellen.«
»Okay«, sagte der CIA-Mann. »Das sehen wir ein. Wie wäre
es, wenn wir mit seinem Operateur sprechen könnten?«
Der Mossad schützt die Identität der Katsas sehr rigoros.
Man riskiert es einfach nicht, daß andere sie sehen. Wer
garantiert schließlich, daß sie als Folge eines solchen
Gsprächs nicht irgendwann mal enttarnt werden? Ein Katsa im
Beirut von heute kann morgen ganz woanders arbeiten,
begegnet dort dem CIA-Mann wieder, und eine ganze
Operation kann fehlschlagen. Allerdings lassen sich
Befragungen von Katsas auf vielfältige Weise durchführen,
ohne daß sich die Betei l igten wirklich begegnen: Hinter einem
Schirm zu sprechen, die Stimme zu verzerren, eine Kapuze zu
tragen hätten in diesem Fall ausgereicht. Aber der Mossad
hatte nicht die Absicht, besonders hilfsbereit zu sein. Trotz
direkten Befehls ihres »Bosses« Peres sagten die Saifanim-Beamten,
daß sie es erst mit dem Mossad-Chef besprechen
müßten.
Im Hauptquartier war zu hören, daß Admony einen
schlechten Tag hatte. Seine Geliebte, die Tochter des Tsomet-Chefs,
hatte auch einen schlechten Tag. Vielleicht hatte sie
ihre Tage - so jedenfalls lautete häufiger mal die scherzhaft
gemeinte Begründung. Beim Mittagessen in der Kantine
sprachen alle von der Geiselaffäre. Bis die Geschichte die
Kantine erreicht hatte, war sie möglicherweise bereits etwas
übertrieben worden, jedenfalls soll Admony gesagt haben:
»Diese verdammten Amerikaner. Sollen wir ihnen vielleicht
auch noch die Geiseln herausholen? Sind die denn total
verrückt geworden?«
Auf jeden Fall lautete die Antwort Nein: Der CIA durfte
den Katsa nicht sehen und nicht sprechen. Obendrein erzählten
sie den Amerikanern, daß die Information, die die Nachfrage
ausgelöst hatte, mittlerweile überholt sei und sich auch auf
einen ganz anderen Fall bezogen habe, jedenfalls nichts mit
der Buckley-Entführung zu tun habe. Das stimmte nicht, und
noch dreister war die Aufforderung an die Amerikaner, sie
sollten die Information vergessen, um das Leben anderer
Geiseln nicht zu gefährden. Sie versprachen den Amerikanern
sogar, im Gegenzug ihre Anstrengungen zu verdoppeln.
Viele Leute im Büro sagten, daß der Mossad so ein
Verhalten eines Tages noch bereuen werde. Aber die Mehrheit
fand es gut so. Die allgemeine Einstellung war: »Wir haben es
ihnen gezeigt. Wir lassen uns von den Amerikanern nicht
herumschubsen. Wir sind der Mossad. Wir sind die Besten.«
Diese Sorge um Buckley und die anderen Geiseln veranlaßte
CIA-Chef Casey, die in der Verfassung vorgesehene Zustim-mung
des Kongresses zu umgehen und sich auf den Plan
einzulassen, trotz eines Embargos Waffen in den Iran zu
liefern, um im Tausch dagegen die amerikanischen Geiseln
freizubekommen - das war der Beginn der Iran-Contra-Affäre.
Hätte sich der Mossad gleich nach den ersten Entführungen
kooperativer verhalten, hätten nicht nur Buckley und andere
gerettet werden können, sondern dieser Skandal, der die
gesamte politische Landschaft der USA schwer erschütterte,
hätte vermieden werden können. Peres hatte deutlich erkannt,
daß eine Zusammenarbeit im israelischen Interesse lag, aber
der Mossad - vor allem Admony - hatte andere Interessen und
verfolgte sie rücksichtslos.
Die endgültige Tragödie in der vom Mossad eingefädelten
Verwicklung Israels im Libanon trat ein, als die Beirut-Station,
das »U-Boot«, geschlossen wurde, viele Agenten
zurückblieben und das ganze Netzwerk zusammenbrach. Viele
Agenten wurden getötet. Andere konnten noch erfolgreich
herausgeschmuggel t werden.
Israel hat te den Krieg nicht begonnen, und es hat ihn nicht
beendet. Es ist wie beim Blackjack im Spielcasino - du fängst
kein Spiel so richt ig an und beendest auch keines. Israel hat
einfach nur keinen Jackpot gewonnen.
In jener Zeit hatte Peres einen »Berater für Terrorismusfra-gen«
mit Namen Amiram Nir. Als Peres den Verdacht
schöpfte, daß der Mossad den Amerikanern nicht so behilflich
war, wie von ihm gewünscht, beschloß er, Nir als seinen
persönlichen Verbindungsmann zwischen den beiden Staaten
einzusetzen. Diese Entscheidung brachte Nir in Kontakt mit
US-Oberleutnant Oliver North, einer Zentralfigur im folgenden
Iran-Contra-Skandal. Nir führte die berühmte von Reagan
signierte Bibel mit sich, als North und der ehemalige nationale
Sicherheitsberater Robert McFarlane mit gefälschten irischen
Pässen im Mai 1986 geheim in den Iran reisten, um Waffen zu
verkaufen. Das Geld aus diesen Verkäufen wurde wiederum
benutzt, um Waffen für die von den USA unterstützten Contras
in Nicaragua zu erwerben.
Nir war ein Mann, der viele Kontakte hat te und eine Menge
Insiderinformationen besaß. Er hatte 1985 eine wichtige Rolle
bei der Gefangennahme der Entführer des Kreuzfahrtschiffes
Achille Lauro gespielt, und er erstattete dem US-Vizepräsiden-ten
(und früheren CIA-Direktor) George Bush über die
Waffenverhandlungen mit dem Iran Bericht.
Nir hat nachweislich gesagt, daß er und North 1985 und
1986 mehrere Anti-Terror-Operationen überwachten, die durch
ein Geheimabkommen zwischen Israel und den USA
abgesegnet worden waren. Im November 1985 habe Nir - nach
North' Aussage - die Idee gehabt, die aus den
Waffenverkäufen an den Iran resultierenden Gewinne für
andere verdeckte Operationen zu verwenden.
Nirs Rolle in diesem Zusammenhang wird noch dubioser
aufgrund seiner Beziehung zu einem undurchsichtigen im Iran
ansässigen Geschäftsmann namens Manucher Ghorbanifar. Der
CIA-Chef Bill Casey warnte North ausdrücklich davor, daß
Ghorbanifar mit ziemlicher Sicherhei t ein Agent des
israelischen Geheimdienstes sei. Jedenfalls haben Ghorbanifar
und Nir im Sommer 1986 für die Freilassung von Reverend
Lawrence Jenco, einer von libanesischen Extremisten
festgehaltenen amerikanischen Geisel, mit Erfolg die
Unterstützung des Iran erreicht. Wenige Tage nach der
Freilassung von Jenco erklärte Nir George Bush, daß nun als
notwendige Gegenleistung Waffenlieferungen an den Iran zu
folgen hätten.
Ghorbanifar war seit 1974 eine CIA-Quelle, er war der
Mann, der 1981 das Gerücht verbreitete, daß libysche
Killerkommandos in die Vereinigten Staaten geschickt worden
seien, um Reagan zu töten. Zwei Jahre später, nachdem man
festgestellt hatte, daß es sich um ein bewußt fabriziertes
Gerücht gehandelt hatte, brach der CIA seine Beziehung zu
ihm ab und formulierte 1984 sogar eine »Burn Notice«
(»Verbrennungspapier«), die die Warnung erhielt, Ghorbanifar
sei ein »begabter Gerüchteproduzent«.
Gleichwohl war es Ghorbanifar, der bei dem saudi-arabischen
Milliardär Adnan Kashoggi ein 5-Millionen-Dollar-Überbrückungsdarlehen
besorgte, um aufkeimendes Mißtrauen
zwischen dem Iran und Israel bei dem Waffengeschäft zu
beseitigen. Kashoggi selbst war schon Jahre zuvor vom
Mossad als Agent geworben worden. Sogar sein berühmter
Privat-Jet, über den schon soviel geschrieben wurde, ist in
Israel ausgerüstet worden. Kashoggi erhielt nicht wie die
anderen Agenten ein monatliches Grundgehalt vom Mossad,
sondern er verwendete für viele seiner Unternehmungen
einfach das Geld des Mossad. Er erhiel t Darlehen, wann immer
er Geld zur Zwischenfinanzierung brauchte, und der Mossad
konzentrierte große Summen in Kashoggis Unternehmen, von
denen viele von Ovadia Gaon stammten, einem in Frankreich
ansässigen jüdischen Multi-Millionär marokkanischer
Abstammung, auf den man oft zurückgriff, wenn man große
Geldsummen brauchte.
Wie auch immer: Der Iran wol lte in der damaligen Situation
nicht bezahlen, bevor er nicht die Waffen in Händen hielt, und
Israel wollte die zugesagten 508 TOW-Raketen nicht schicken,
bevor es nicht das Geld hatte. Deshalb spielte der
Überbrückungskredit von Kashoggi bei der Durchführung
dieser Transaktion eine so wichtige Rolle. Kurz nach diesem
Geschäft wurde eine weitere amerikanische Geisel, der
Reverend Benjamin Weir, freigelassen. Das überzeugte die
Amerikaner erneut davon, daß Ghorbanifar, trotz seiner
Talente als Lügner, über seine Kontakte zum Iran Geiseln frei
bekommen konnte. Gleichzeitig verkaufte Israel auf geheimen
Kanälen Waffen im Wert von 500 Millionen Dollar an
Khomeini. Es kann also kaum ein Zweifel daran bestehen, daß
Ghorbanifar und sein Kumpan Nir dieses Mittel benutzten, um
Vereinbarungen über die amerikanischen Geiseln zu treffen.
Am 29. Juli 1986 traf sich Nir mit George Bush im King
David-Hotel in Jerusalem. Die Details dieses Treffens wurden
in einem streng geheimen Drei-Seiten-Memo festgehalten, das
Craig Füller verfaßte, der Stabschef von Bush. Nir wird mit
den folgenden Worten zitiert, in denen er Bush vom
Engagement Israels erzählt haben soll: »Wir verhandeln mit
den radikalsten Elementen im Iran, weil wir mitbekommen
haben, daß sie liefern können, die Gemäßigten aber nicht.«
Reagan hatte ständig behauptet, daß er beim Waffentransfer in
den Iran mit den »Gemäßigten« verhandle. Nir sagte Bush, daß
die Israelis »diese Schiene aktiviert haben. Wir haben für die
Operation eine Fassade und Organisation aufgebaut, eine
physische Basis geliefert, Flugzeuge bereitgestell t.«
Nir war 1989 im Prozeß gegen North wegen des Iran-Contra-
Skandals eigentlich als einer der Hauptzeugen
vorgesehen, vor allem auch deshalb, weil er behauptet hatte,
daß Ant i-Terror-Akt ivitäten, die er und North 1985 und 1986
überwacht hatten, durch ein geheimes amerikanisch-israelisches
Abkommen gedeckt gewesen seien. Seine Aussage
hätte für einige Leute höchst unbequem sein können, nicht nur
für die Reagan-Administration, sondern auch für die Israelis
mit ihrer bedeutsamen Rolle, die sie in der ganzen Affäre
gespielt haben.
Am 30. November 1988 jedoch, als Nir in einer Cessna T2io
eine Farm 180 Kilometer westlich von Mexico City überflog,
kam er zusammen mit dem Piloten beim Absturz der Maschine
ums Leben. Unter den drei anderen Passagieren, die leicht
verletzt überlebten, befand sich auch die 25jährige Kanadierin
Adriana Stanton aus Toronto, die behauptete, in keiner
Verbindung zu Nir zu stehen. Die Mexikaner beschrieben sie
jedoch als seine »Sekretärin« und »Guide«, und sie arbeitete
in einer Firma, zu der Nir Beziehungen unterhielt. Sie
verweigerte jede weitere Aussage.
Nir hatte sich in Mexiko aufgehalten, um die Vermarktungs-möglichkeiten
von Avocados zu prüfen. Am 29. November
hatte er im mexikanischen Staat Michoacän einen
Verpackungsbetrieb für Avocados besucht, an dem er in
größerem Umfang finanziell beteiligt war. Er charterte unter
dem Decknamen Pat Weber am folgenden Tag für einen Flug
nach Mexico City eine kleine Maschine und wurde
veröffentl ichten Angaben zufolge beim Absturz getötet. Seine
»Leiche« wurde jedoch von einem mysteriösen Argentinier
namens Pedro Cruchet identifiziert, der für Nir arbeitete und
sich illegal in Mexiko aufhielt. Er erzählte der Polizei, er habe
seinen Ausweis beim Besuch eines Stierkampfs verloren,
erreichte aber dennoch, daß man ihm die Sachen von Nir
übergab.
Außerdem haben Originalberichte aus dem Büro des
Generalstaatsanwalts bestätigt, daß sowohl Nir als auch
Stanton unter falschen Namen reisten, obwohl sie doch
angeblich auf einer ganz normalen Geschäftsreise waren. Das
wurde später von einem Inspektor des Flughafens, auf dem sie
gestartet waren, bestritten; der Widerspruch wurde jedoch nie
erklärt.
Mehr als 1000 Leute kamen zu Nirs Begräbnis in Israel, und
Verteidigungsminister Jitzak Rabin sprach von »seiner
Mission für bisher noch nicht bekanntgemachte Aufgaben in
geheimem Auftrag und für geheime Dinge, die er in seinem
Herzen verschlossen hielt«.
Zur Zeit von Nirs Unfall wurde im Toronto Star ein nicht
namentlich genannter Geheimdienstler zitiert, der Nirs Tod
bezweifelte. Eher habe der sich, so sagte er, sein Gesicht in
Genf von einem plastischen Chirurgen verändern lassen, dort,
»wo die Kliniken sehr gut, sehr privat und sehr diskret sind«.
Was immer mit Nir geschehen ist, wir können nur darüber
spekulieren, welchen Schaden seine Aussage für die Reagan-Administration
und die israelische Regierung in den Prozessen
und den Iran-Contra-Hearings bedeutet hätte.
Aber im Juli 1987 tauchte bei den Untersuchungen des
Senatsausschusses ein Memo auf, das North am 15. September
1986 für den früheren nationalen Sicherheitsberater,
Vizeadmiral John Poindexter, geschrieben hatte - das aus
Sicherheitsgründen zensiert war -, in dem er empfahl, daß
Poindexter den Waffendeal zuerst mit Casey diskutiere und
dann Präsident Reagan Bericht erstatte.
Poindexter war der einzige von sieben Leuten, der für
schuldig befunden und ins Gefängnis gesteckt wurde. Am n.
Juni 1990 erhielt er eine Haftstrafe von sechs Monaten und
einen strengen Verweis vom Bezirksrichter Harold Greene, der
meinte, daß Poindexter die Haft verdiene als »der
entscheidungsbefugte Kopf der Iran-Contra-Operation«.
Am 3. März 1989 wurde Robert McFarlane zu 20000 Dollar
Geldstrafe und zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wegen
des Vorenthaltens von Informationen gegenüber dem Kongreß
in vier Fäl len. Am 6. Juli 1989 wurde Oliver North nach einem
spektakulären Prozeß in Washington zu 150000 Dollar Geld-strafe
und 1200 Stunden Sozialarbeit verurteilt. Er war von der
Jury in drei von zwölf Punkten für schuldig befunden worden.
Obendrein erhielt er eine dreijährige - ausgesetzte -
Gefängnisstrafe und zwei Jahre Bewährung.
North' Memo an Poindexter betont Nirs Rolle in diesem
Skandal im folgenden Abschni t t: »Amiram Nir, der Sonderbe-auftragte
von Premierminister (Shimon) Peres für Terrorismus-bekämpfung
hat angedeutet, daß Peres in dem 15minütigen Pri-vatgespräch
mit dem Präsidenten wohl mehrere heikle Themen
anschneiden werde.«
Zu jenem Zeitpunkt waren drei amerikanische Geiseln in
Verbindung mit den Waffengeschäften freigelassen worden:
Jenco, Weir und David Jacobsen.
Unter der Überschrift »Geiseln« steht in dem Memo: »Vor
mehreren Wochen verlieh Peres seiner Besorgnis Ausdruck,
daß die Vereinigten Staaten die Beendigung der gegenwärtigen
Bemühungen im Iran erwägen. Die Israelis sehen die Geisel-Angelegenheit
als eine Hürde, die auf dem Weg zu einer
erweiterten strategischen Beziehung zur iranischen Regierung
genommen werden müsse.
Es ist wahrscheinlich, daß Peres Zusicherungen möchte, daß
die Vereinigten Staaten in der gegenwärtigen gemeinsamen
Anstrengung fortfahren, bei der ohne israelische Hilfe heute
weder Jenco noch Weir frei wären... es wäre hilfreich, wenn
der Präsident sich einfach bei Peres für die diskrete Hilfe
bedanken würde.«
Das hat Reagan offenbar getan. Und es ist sehr wahrschein-lich,
daß Peres den Dank zumindest teilweise erwiderte, indem
er Nirs rechtzeit igen »Tod« arrangieren ließ, damit der nicht
öffentlich aussagen mußte.
Es ist sehr schwierig, hier Verläßliches auszusagen, aber
berücksichtigt man die seltsamen Umstände des Absturzes
sowie die Tatsache, daß damals israelische Waffenhändler den
kolumbianischen Drogenkönigen über karibische Länder
Waffen und Ausbildung zukommen ließen ist es
unwahrscheinlich, daß Nir tot ist.
Vielleicht werden wir es nie genau erfahren. Aber wir
wissen, daß die ganze Iran-Contra-Affäre vielleicht niemals
passiert wäre, wenn der Mossad seine Kenntnisse über die
amerikanischen und andere westliche Geiseln weitergegeben
hätte.
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