-->Irak? Nö
Russland? Wieder daneben
Hier die Auflösung:
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Kanada und seine riesigen Ã-lreserven
Die unbekannte Nummer zwei
Angesichts hoher Rohstoffpreise wird die Ausbeutung der Teersande immer rentabler - Pipelines in die benachbarten USA gibt es schon
Von Bernadette Calonego
Fort McMurray - In Fort McMurray heißt die wildeste Kneipe „Ã-lkanne“, aber die Empfangsdame des Mittelklass-Hotels rät von einem Besuch ab, „weil es da oft Radau gibt“. Der Ã-lboom im Norden der kanadischen Provinz Alberta hat Abenteurer und Gelegenheitsarbeiter nach Fort McMurray gelockt. Aber sie sind längst in der Minderzahl: Ingenieure, Minenarbeiterinnen, Schweißer und andere Fachkräfte haben sich in Scharen in der Minenstadt niedergelassen, angelockt von den höchsten Löhnen im Land. Mittlerweile kosten die Häuser mehr als in der 450 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Edmonton.
Wer immer der „Ã-lkanne“ den Namen verliehen hat, brauchte nicht viel Fantasie. Die Gegend um den Athabasca-Fluss schwimmt im Ã-l - oder vielmehr klebt sie daran. Das Erdöl steckt in den Teersanden im Boden, manchmal ganz nahe der Oberfläche, manchmal mehr als 50 Meter tief, unter einer Schicht aus Lehm, Schlamm und Kies. Rund 40 Autominuten außerhalb von Fort McMurray wähnt man sich auf einem anderen Planeten: eine Kulisse zwischen Mondlandschaft und Industriezone, mit dampfenden Schloten, gigantischen Silos und schwarzgrauen Kratern, in denen große Seen Platz fänden. Riesige Bagger mit Reifen, die fast vier Meter hoch sind und pro Stück 20000 Euro kosten, graben die Teersande aus dem Untergrund.
Asphalt unter der Erde
In diesen „tar sands“ sollen nach kanadischen Schätzungen 1,7 bis 2,5 Billionen Fass Bitumen verborgen sein, ein dickflüssiges, asphaltartiges Ã-l, und Schweröl. Allerdings lassen sich nur etwa 10 bis 20 Prozent davon ausbeuten: Albertas Behörden sagen, dass mit den heutigen Förderverfahren 300 Milliarden Fass Erdöl aus Teersanden gewonnen werden könnten, die eine Fläche von der Größe der Schweiz bedecken.
Reichtum hat viele Gesichter, aber in Fort McMurray sieht er aus wie schmierige, feinkörnige, schwarze Gartenerde - eben Teersand. Der Teer kann mit unterschiedlichen Methoden, meist mit heißem Wasserdampf und Natron, aus den Sandkörnern herausgelöst werden. Das zurückbleibende Bitumen wird dann aufbereitet und gelangt als synthetisches Rohöl zu den Abnehmern. Alle großen Erdölkonzerne sind in den Minen von Fort McMurray vertreten, darunter auch US- Firmen wie Exxon-Mobil Corp., Royal Dutch/Shell Group und Devon Energy Corp., auch die kanadische EnCana Corp., Husky Energy und Nexen Canada. In den Teersanden gibt es derzeit 61 geplante oder bereits tätige Fördervorhaben von 23 Erdöl-Gesellschaften. In den kommenden zehn Jahren sollen hier insgesamt etwa 30 Milliarden Euro investiert werden.
Lange habe es gedauert, bis die Welt das ungeheure Potenzial der Teersande erkannte, sagt Jim Carter, Geschäftsführer von Syncrude, einem Konsortium, an dem mehrere Konzerne beteiligt sind. „Gründe waren sicher, dass es eine so unkonventionelle Quelle von Erdöl ist und die Teersande so weit oben im Norden liegen“, erklärt Carter. Doch dann wurde von Mitte der neunziger Jahre an der Produktionsprozess zuverlässiger, die Herstellungskosten sanken, das Geld in die Erschließung der Ã-lsande floss leichter und reichlich.
In internationalen Statistiken, die ausschließlich solche Erdöl- Reserven berücksichtigen, die sich auch wirtschaftlich fördern lassen, rückte Kanada kürzlich auf Platz zwei. Albertas Teersande enthalten nach Angaben der US-Fachzeitschrift Oil and Gas Journal 177 Milliarden Fass Erdölreserven oder 15 Prozent der Weltvorräte - mehr als der Irak, der „nur“ über 112 Milliarden Fass (ein Fass entspricht 159 Litern) verfügt. Saudi- Arabien führt die Liste mit 261 Milliarden Fass Reserven an.
Jim Carter sieht in den USA für Erdöl aus Kanadas Teersanden eine große Zukunft: „Die amerikanischen Reserven werden rascher aufgebraucht als dass sie ersetzt werden“, sagt er. „Wir möchten, dass unser Erdöl der logische Ersatz für die schwindenden Reserven von konventionellem Erdöl in Nordamerika wird.“
Den in den Teersanden tätigen Konzernen ist es gelungen, die Produktionskosten dank neuer Technologien stark zu senken. So stellte die kanadische Suncor Energy Inc. 1967 noch ein Fass Ã-l für 21 Euro her. Heute betragen die Produktionskosten pro Fass etwas mehr als sieben Euro. Suncors Ziel sind fünfeinhalb Euro. Das Ã-l aus Albertas Teersanden muss zwar aufbereitet werden, aber es braucht keine Explorationskosten: Die Ã-lsande sind einfach da, sie müssen nicht gesucht werden.
In Saudi-Arabien wird das Erdöl für etwa zwei US-Dollar produziert, aber der Transport in Tankern bis New York kann 45 Tage dauern und ist teuer. Kanada dagegen ist mit den USA durch Pipelines verbunden. Um den US-Markt konkurriert Kanada vor allem mit Venezuela und Mexiko. Die Länge des Transportweges ist dabei entscheidend: „Bis St. Louis ist Erdöl aus Mexiko und Venezuela gleich teuer wie aus Kanada“, sagt Mario DeCrescentis, Vizepräsident des Minen-Bereiches von Suncor. Er zieht auf der Karte eine horizontale Linie durch die USA: St. Louis liegt etwa auf der Höhe von Kansas City.
Kürzlich erklärte der Botschafter der USA in Kanada, Paul Cellucci: „Wir brauchen unbedingt verlässliche Energiequellen und verlässliche Energietransporte in Nordamerika, damit wir nicht von Venezuela und Nahost abhängen.“ Angesichts der Konflikte im Nahen Osten und der Turbulenzen in Südamerika bietet Kanada Sicherheit. Das Land im Norden ist bereits seit 1999 der wichtigste Energielieferant der USA. Die Teersande in Alberta sind Gewähr dafür, dass sich daran nichts ändert.
<ul> ~ Die unbekannte Nummer zwei </ul>
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