EUKLID
22.10.2000, 18:31 |
Augenzeuge von drei Inflationen Thread gesperrt |
Ich habe mir am Wochenende das Buch mit o.g. Titel von Volkmar Muthesius durchgelesen (2. Auflage, Oktober 1973). Besorgt habe ich mir dies aus dem Antiquariat. Folgende Angaben versetzten mich in Staunen:
1. Der Postbote kam 1912 täglich vier mal. Was für ein Service! Heute freuen wir uns, wenn es überhaupt noch eine Postfiliale in unserer Gemeinde gibt.
2. Man legte sich zehn Zentner Kartoffeln in den Keller. Das ist überhaupt nicht dumm, denn zumindest hat man damit ein halbes Jahr was zu beißen. Aber in unserer Minimalgesellschaft wird ja jetzt oft der Keller eingespart. Braucht man angeblich nicht mehr im Zeitalter des Atomstroms, der Zentralheizungen und der Erdgasversorgung. Frieren und nichts zu Beißen ist vermutlich eine Todeskombination.
3. Spätsommer 1922: Mit einem Dollar je Person konnte man eine Woche im Spessart unterwegs mit Mann und Frau sämtliche Kosten abdecken. Das äquivalent betrug 575 DM = 1 Dollar. Schlechtes Geld ist das größte Unglück das ein Volk treffen kann. Dieser Spruch wird scheinbar momentan beim Euro gerade in die Tat umgesetzt.
4. Das Wort Staatsbankrott wollte ein Notenbankfachmann überhaupt nicht hören. Er sagte immer"ei was! Der Staat macht nicht bankrott, er läßt seine Gläubiger bankrott gehen!"
5. Zum Thema Konvertibilität: Im Jahre 1911 beschlossen fünf Abiturienten des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar nach der Abgangsfeier nicht nach Hause zu gehen sondern stande pede direkt zum Bahnhof und nach Paris zu reisen. Sie sandten vor der Abfahrt einen Boten zu ihren Eltern und ließen ihnen ausrichten, sie möchten sich bitte gedulden, nach drei Tagen würden sie wieder heimkehren. Dies wurde nicht geglaubt. Man bekam zu hören Pässe, Visa, Reisedevisen. Antwort: Einen Pass brauchte man vor dem ersten Weltkrieg nur zur Reise nach Rußland. Die gesamte übrige Welt stand jedem offen. Devisen gab es nicht. Man zahlte in Paris mit deutschen Goldstücken wie andernorts auch oder man wechselte das Goldstück in Francs ein in jeder Wechselstube, auf jeder Bank ohne Formalitäten. Hier gab es noch Freizügigkeit des Menschen und des Geldes.
6. Inflation
a) Inflation muß nicht unbedingt am Preis festgemacht werden und ist auch gegeben wenn die Qualität sinkt da dies kaum quantifizierbar ist.
b) Wenn die Maße und Gewichte mißhandelt werden. Bei manchen Bäckern müßte heute tatsächlich wieder die Bäckertaufe eingeführt werden.
c) Bei gleichbleibenden Preisen die Packungen nicht mehr soviel enthalten. Beispiele: In den fünfziger Jahren gab es noch massenweise 0,7-Liter Gläser (großes Bier). Danach gab es nur noch 0,5-Liter Gläser (kleines Bier). Inzwischen ist das große Cola oder sogar Bier schon im 0,4-Liter Glas. Weiteres Beispiel für ständige Verteuerung: Zigaretten (weniger Inhalt oder bevor nichts mehr in der Schachtel ist Verteuerung der Schachtel und dann wieder von vorne)
d) Der Service läßt nach. Haben wir überhaupt noch einen?
e) Die Arbeitsmoral sinkt
f) Ohne das an den Preisen manipuliert wird sind oben genannte Fakten der Beginn und sicheres Symptom für den Geldwertverfall.
g) Preisstop durch den Gesetzgeber deuten auf alle Fälle massiveren Beginn an. Dies blüht vielleicht partiell bald bei den Mieten. Dann sorgt die sozialistische Regierung dafür, daß garantiert keine Wohnungen mehr gebaut werden.
h) Für den Baldur den Ketzer: Ketzer sind Leute, die solange verfolgt werden, bis man ihnen folgt (H. de Montherlan)
Euklid (ehemals RL)
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Bart
22.10.2000, 19:17
@ EUKLID
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und was ist mit den gütern im warenkorb |
deren Qualität steigt? Die qualitativen Verbesserungen des Warenkorbes verfälschen den Index um bis zu 4 %. Die EZB nimmt 2 % an, deshalb spricht man bei 2 % von Preisstabilität.
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dottore
22.10.2000, 19:21
@ EUKLID
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Re: Augenzeuge von drei Inflationen - Dr. Muthesius war ein Großer! Alles stimmt |
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JüKü
22.10.2000, 20:34
@ EUKLID
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Re: Augenzeuge von drei Inflationen / WUNDERBAR! |
Vielen Dank für den tollen Beitrag!
Wir brauchen alle mehr Verständnis dafür, was die eigentliche schleichenden Entwicklungen, mit größerem Abstand betrachtet, angerichtet haben.
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Diogenes
22.10.2000, 21:24
@ Bart
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Re: und was ist mit den gütern im warenkorb |
>deren Qualität steigt? Die qualitativen Verbesserungen des Warenkorbes verfälschen den Index um bis zu 4 %. Die EZB nimmt 2 % an, deshalb spricht man bei 2 % von Preisstabilität.
Hallo Bart,
Das wird in den US praktiziert und nennt sich"hedonischer Preisdeflator".
Zusätzlich kann man auch noch annehmen, daß die Leute von teuereren auf billigere Waren umseigen, falls dies möglich ist - so kann man teurer gewordene Waren im Warenkorb untergewichten - very useful.
Dann kann man auch noch annehmen, daß bessere Computer zu mehr Produktivität führen (Stichwort"Chained dollars" zu dt. Phantomdollars), damit steigt auf dem Papier das BIP, was ebenfalls die Infla kaschiert.
Resultat: Boomende Wirtschaft, blühende Aktienmärkte, niedrige Infla,....New Economy!!
Wers nicht glauben will, der frage das Bureau of Labour and Statistics (BLS) und Alan Greenspan - da werden Statistiken frisiert bis die Schwarte kracht.
Wir sollten Duisenberg über den großen Teich in die Lehre schicken, dann wird auch er zum Experten im"frisieren", was nicht nur den Statistiken gut täte:-))
Wem das Reale nicht gefällt,
rechne sich eine Wunderwelt.
Gruß
Diogenes
P.S: Wenn die EZB 2% annimmt und die Inflationsrate mittlerweile offiziell bei 3% liegt, dann haben wir schon 5 % Inflation. Wie war das noch vonwegen"nicht mehr als 2% Inflation" und"Euro wird so stabil wie die DM"?
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Baldur der Ketzer
22.10.2000, 21:29
@ EUKLID
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Re: SUPER Beitrag - danke! |
Hallo, EUKLID und alle,
>2. Man legte sich zehn Zentner Kartoffeln in den Keller. Das ist überhaupt nicht dumm, denn zumindest hat man damit ein halbes Jahr was zu beißen. Aber in unserer Minimalgesellschaft wird ja jetzt oft der Keller eingespart. Braucht man angeblich nicht mehr im Zeitalter des Atomstroms, der Zentralheizungen und der Erdgasversorgung. Frieren und nichts zu Beißen ist vermutlich eine Todeskombination.
so ist es, wer hat denn heute noch irgendwelchen Vorrat?
Nur Oldy, denke ich mal, und der Baldur natürlich, mein Mindestbestand sind 500kg Dosenbrot und ca. ebensoviel Dosenkuchen.
Unser neues Haus ist eigentlich ein Nullenergiehaus mit Solarstrom und Photovoltaik, Wärmepumpe usw., aber dennoch hats 12000 Liter Heizöl im Tank und einen Zweitbrenner für Feststoffe (Kohlen dazu hats auch im Vorrat - hoffentlich brauchen wir die nie).
Kachelofen (Grundofen)? na klar, auch.
Und einen Kanonenofen für alle Fälle, für 250 DM aus dem Baumarkt.
Stromausfall? Na und, 6KW Dieselaggregat, das auch mit Billigpflanzenöl aus der Metro läuft.
Demnächst versuche ich noch ein Benzinaggregat auf betrieb mit Schnaps oder Holzgas umzubauen, müßte machbar sein.
Und im Garten wachsen keine Ziersträucher, sondern Obst- und Nußbäume, Gemüse und Kartoffeln.
Fragt nicht, wie man mich als durchgeknallt ansieht.
Na, was solls, ist mir wurscht, aber für den Fall, daß ich mal Recht behalten sollte, sind auch meine Fenster durchbruchsicher und aus unkaputtbarem Holz (Delignit).
>Schlechtes Geld ist das größte Unglück das ein Volk treffen kann. Dieser Spruch wird scheinbar momentan beim Euro gerade in die Tat umgesetzt.
Analog würde Walter Ulbricht heute sagen: NIEMAND HAT DIE ABSICHT, EUCH DIE ERSPARNISSE ABZUNEHMEN................
>5. Zum Thema Konvertibilität: Im Jahre 1911 beschlossen fünf Abiturienten des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar nach der Abgangsfeier nicht nach Hause zu gehen sondern stande pede direkt zum Bahnhof und nach Paris zu reisen. Sie sandten vor der Abfahrt einen Boten zu ihren Eltern und ließen ihnen ausrichten, sie möchten sich bitte gedulden, nach drei Tagen würden sie wieder heimkehren. Dies wurde nicht geglaubt. Man bekam zu hören Pässe, Visa, Reisedevisen. Antwort: Einen Pass brauchte man vor dem ersten Weltkrieg nur zur Reise nach Rußland. Die gesamte übrige Welt stand jedem offen. Devisen gab es nicht. Man zahlte in Paris mit deutschen Goldstücken wie andernorts auch oder man wechselte das Goldstück in Francs ein in jeder Wechselstube, auf jeder Bank ohne Formalitäten. Hier gab es noch Freizügigkeit des Menschen und des Geldes.
Kaum zu glauben - man erinnere sich, daß vor dem ersten Weltkrieg im Deutschen Reich keine Einkommensteuer existierte - und da will man uns immer vorsülzen, was wir doch heute für eine tolle Staatsform haben - einen Scheiss haben wir, mit Verlaub.
>h) Für den Baldur den Ketzer: Ketzer sind Leute, die solange verfolgt werden, bis man ihnen folgt (H. de Montherlan)
Danke, aber als Dissident im Exil läßt es sich ertragen, schließlich ist man nicht mittendrin, sondern nur am Zaun dabei
Beste Grüße vom Baldur
P.S.: vielleicht sollte man noch auf einen grundlegenden Wertewandel eingehen:
früher konnte man davon ausgehen, daß in der Wohnbevölkerung zu ca. 98 % (lt. Uni-Lehrstuhl öff.Recht) homogene Wertevorstellungen und Unrechtsbewußtsein vorherrschten.
Auch der Dieb, der ertrappt wurde, wußte, daß er zu Recht zu verurteilen war.
Heute wird er frech und bedroht Richter und Bestohlenen, streitet alles ab, und lacht noch darüber.
Im Ernst, als eine bekannte Lehrerin mal einen Pimpf ermahnte, er solle nicht mit Schneebällen auf die Fenster gegenüber schmeißen, sagte er ihr WAS WILLST"DU" (!), wenn DIR (!) was nicht paßt, kommt mein Vati und bringt den Rechtsanwalt mit, Du hast mir gar nix zu sagen.
usw.
jedenfalls stelle ich fest, daß das Unrechtsbewußtsein abhanden kommt, klar, denn als ethisch motivierter Normalo ist man heute hoffnungslos der Depp.
Je frecher, desto erfolgreicher. Und irgendwann wird die Haut bei jedem so dünn, daß man endlich an den Fakten lernt, statt weiter den Deppen abzugeben.
Wobei wir wieder bei der Moral wären, aber bei solchen Vorbildern in der Politik (gell, Mister Kanther Sheriff) geht es doch vergleichsweise selbst in der Gosse noch ehrenhaft zu.
Damit ich nicht falsch verstanden werde, ich denke, daß manche Ausländergruppen ethisch anspruchsvoller erziehen als so manche deutsche Durchschnittsfamilie.
Das Niveau sinkt überall, mancherorten drastischer als anderswo, aber es ist trotzdem in Bewegung - nach unten.
Mein Opa war Polizist, und es ist kein Vergleich von den Bubenstücken von damals zur heutigen Gewaltkriminalität.
Also, Oldy, ich denke, Deine Pazifistenumgebung hält nur so lange, bis der erste kommt, der die Friedlichkeit ausnützt und sich gegen alle durchsetzt.
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Oldy
22.10.2000, 23:22
@ Baldur der Ketzer
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Re: SUPER Beitrag - danke! |
Also, Oldy, ich denke, Deine Pazifistenumgebung hält nur so lange, bis der erste
kommt, der die Friedlichkeit ausnützt und sich gegen alle durchsetzt.
Lieber Survivalist
Du kennst meine Pazifisten nicht! Die haben Schulen und
Lichtmasten gesprengt und bevor sie Steuern zahlten ihre
eigenen Häuser verbrannt. Ich meinte es so, daß ich vor
meinen eigenen Nachbarn keine Angst zu haben brauche und deshalb auch keine kugelsicheren Fenster brauche.
Jetzt wirklich den bösesten Fall angenommen, daß bewaffnete
Banden im Land heumziehen sollten, denke ich, daß sie sich
schon selber dezimiert hätten und schwerlich ohne Sprit
aus den Ballungszentren bis zu uns her kommen würden.
Sollte es dennoch so weit kommen und ich möchte überhaupt
in so einer Welt weiter leben; ich bin ja kein Pazifist
und die Wälder sind weit und wenn mir da so ein
Bandenmitglied in die Nähe käme, obwohl ich keinen Grund
sehe, warum er mir in einem ihm unbekannten Wald
nachlaufen würde, bekommt er ganz leise einen Armbrustbolzen
in den Rücken.
Aber jetzt hast du mich auf eine Idee gebracht. Ich werde
mir so ein Infrarotzielgerät zulegen. Das würde auch für
Wild brauchbar sein, falls ich für meine Ernährung darauf
angewiesen wäre.
Hast du die Beiträge 29 und 30 auf Seite German gelesen.
www.sunshinecable.com/~eisehan
Ich sehe keinen Grund dafür, sie abzuändern. Y2K oder
anderer Grund eines Zusammenbruchs sind für mich dasselbe.
Es wäre für andere Leser hier wahrscheinlich auch von Nutzen,
denn ich beschreibe ja nicht nur meine eigene Situation.
Wer für das Schlimmste vorbereitet ist, hat mehr Chancen zu
überleben und wenn das Schlimmste nicht eintritt, hat es ihm auch nicht geschadet etwas über die Sterblichkeit der Maikäfer
nachzudenken, meint der Oldy
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