fridolin
11.06.2003, 15:13 |
Staatsverschuldung bei Minizinsen unproblematisch? Thread gesperrt |
-->Hallo,
mir kommt da so eine Frage zur Problematik der Staatsverschuldung in den Sinn. Vielleicht die typische dumme Frage, vielleicht auch nicht.
Wie schon hinlänglich hier diskutiert, denkt der Staat nicht an die Tilgung der von ihm aufgenommenen Schulden. Es wird allenfalls in Teilen getilgt, der Rest wird hochgebucht, also mit neuen Schulden finanziert. Damit fallen mehr und mehr Zinsen an, die einen immer größeren Teil des Staatshaushaltes beanspruchen und dem Staat eines Tage jeden Handlungsspielraum nehmen. Rechnerisch spätestens dann, wenn die Zinsen so groß sind wie die Steuereinnahmen.
Einmal so etwas wie die japanische Situation unterstellt: der Staat ist hochverschuldet, hingegen sind die Zinsen lächerlich gering (0,5 % für 10jährige Staatsanleihen). Wo lauert bei dieser Zinsbelastung die Gefahr für den Staatshaushalt? Bei derart niedrigen Zinssätzen kann es der Staat sich zwar nicht unendlich, aber doch ziemlich lange leisten, einfach nur Schulden hochzubuchen und vor sich herzuschieben.
Einzige Voraussetzung: der Staat muß seine Gläubiger davon überzeugen, daß er nach wie vor kreditwürdig ist und sich die Anlage in diesen niedrigstverzinslichen Anleihen"lohnt". Wieso die Japaner nach wie vor trotz Minizinsen ihr Geld in japanische Anleihen investieren und nicht im Ausland, ist mir schleierhaft (politischer Einfluß auf Kapitalsammelstellen in Japan?). Gelingt das jedoch dem Staat, wird ihm also praktisch unbeschränkt vom Publikum Kredit gewährt, droht doch eigentlich für lange Zeit keine Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit durch Zahlungsunfähigkeit.
Oder wo liegt hier das eigentliche Problem? Gar nicht beim Staatshaushalt bzw. öffentlichen Zins- und Schuldenlast, sondern in den Auswirkungen eines Fast-Null-Zinses auf die Realwirtschaft?
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dr.seidel
11.06.2003, 16:24
@ fridolin
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Re: Minizinsen eben NUR bei Staatsschulden jeder andere... |
-->muß je nach Bonität bis zu 11%zB.Deutsche Bank für Konsumentenkredite zahlen.
Die schlechteste Bonität hat logischerweise das Ende der Nahrungskette also der Verbraucher.Zu 0% bekommt man zwar Autos aber eben kein Bargeld.Ergo: Nur ganz dumme Bauern schlachten die Kuh, von der sie jeden Morgen Milch erwarten.Die dümmsten Bauern tragen Nadelstreifen.
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dottore
11.06.2003, 17:22
@ fridolin
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Re: Minirenditen sind nicht Minizinsen, sorry |
-->Hi,
>Einmal so etwas wie die japanische Situation unterstellt: der Staat ist hochverschuldet, hingegen sind die Zinsen lächerlich gering (0,5 % für 10jährige Staatsanleihen). Wo lauert bei dieser Zinsbelastung die Gefahr für den Staatshaushalt?
Das Problem liegt darin, dass die 10-Jahres-Titel, die vor 9 Jahren begeben wurden (also noch ein Jahr lang bedient werden müssen mit einem ca. 4,5 %-Coupon ausgestattet sind (die 20jährigen mit ca. 5-%-Coupon).
Die 4,5 % bzw. 5 % muss der Staat natürlich latzen. Die BoJ wollte ja das maximale Geld in die Wirtschaft pumpen und das ging (außer übers Diskontfenster usw.) eben nur durch Ankauf von alten Titeln. Und dies so lange bis sie alle (auch die"uralten", die noch höhere Coupons tragen) auf den Kurs getrieben hatte, bei dem die Rendite (!) Null ist. Weshalb auch alle Staatspapiere mit kleinen Abweichungen mit Nullrendite notieren.
Die neuen Schulden werden dadurch zwar - Rendite entscheidet über Ausgabe-Coupon - ebenfalls zu (Beinahe-)Nullprozentern, aber damit ist genau eingetreten, was eintreten musste: die bekannte Liquiditätsfalle.
Und jetzt nimmt - per saldo - die Liqudität auch langsam ab. Und demnächst haben Nippon fertig. Im Endzustand:
Alle Titel die BoJ-fähig sind liegen bei ihr. Die maximal mögliche Liqui ist im Publikum. Rendite aller Titel: Null. Publikum hat jetzt"heute" aus diesen Titeln so viel zu erwarten wie"später". Und die nebenbei noch existierenden [b]privaten Schulden werden langsam auch zurück gefahren - Liqui nimmt ergo ab. Und Kältetod.[/b]
Ginge eben nur zu"drehen", wenn BoJ (was sie auch auch jetzt vorhat) alles Mögliche andere ankaufen will (z.B. Private Papiere, Aktien). Aber dann passiert das: Die Titel laufen auch mehr und mehr aus (siehe eben) und bei den Aktien wird niemand mehr auf Gewinn etc. achten müssen. Denn wozu Gewinn an die BoJ als Eigentümerin abführen, das wäre ja wie eine 100-%-Gewinnsteuer.
Die japanische Wirtschaft käme nur wieder in die Spur, wenn zusätzliche, private Verschuldung Statt fände (für investive oder konsumtive Zwecke) - aber wie? Und vor allem: Wozu (aus der Sicht der potenziellen Schuldner)?
>Bei derart niedrigen Zinssätzen kann es der Staat sich zwar nicht unendlich, aber doch ziemlich lange leisten, einfach nur Schulden hochzubuchen und vor sich herzuschieben.
Ja, mit dem bekannten Effekt. Null plus Null = Null.
>Einzige Voraussetzung: der Staat muß seine Gläubiger davon überzeugen, daß er nach wie vor kreditwürdig ist und sich die Anlage in diesen niedrigstverzinslichen Anleihen"lohnt".
Kann sich eine Anleihe bei Nullprozent (Resultat des Obigen, kommend aus der Nullrendite) lohnen? Dann behalte ich doch gleich mein Geld.
>Wieso die Japaner nach wie vor trotz Minizinsen ihr Geld in japanische Anleihen investieren und nicht im Ausland, ist mir schleierhaft (politischer Einfluß auf Kapitalsammelstellen in Japan?).
Tja, bei 0,1 oder max. 1,xxx % wird auch der Schuft bescheiden. Mehr geht halt nicht.
>Gelingt das jedoch dem Staat, wird ihm also praktisch unbeschränkt vom Publikum Kredit gewährt, droht doch eigentlich für lange Zeit keine Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit durch Zahlungsunfähigkeit.
Richtig. Illiquide wird er nicht, aber die Insolvenz steigt immer stärker an. Zum Schluss werden die Leute, die vom Staat 100 Yen zu kriegen haben, ihm die 100 Yen geben müssen, damit sie diese 100 Yen zurück bekommen. Immer wieder hin und her. Um wieviel hat sich der Cash-Bestand der Leute erhöht? Der Staat kann sich mit einen Bürgern um einen runden Tisch setzen, und die schieben die 100 Yen immer schneller in der Runde rum.
>Oder wo liegt hier das eigentliche Problem? Gar nicht beim Staatshaushalt bzw. öffentlichen Zins- und Schuldenlast, sondern in den Auswirkungen eines Fast-Null-Zinses auf die Realwirtschaft?
Es liegt im fehlenden Kredit (der bekanntlich nicht zinsbar sein muss, sondern einfache Verbindlichkeit - was übrigens die Zins-Aufheuler nie kapieren werden).
Gruß!
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MikeFFM
11.06.2003, 17:36
@ dottore
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@dottore: Ausweg? |
-->Hallo,
was bleibt als Ausweg? Konjunkturprogramme haben nicht geholfen? Warum eigentlich nicht?
Bleibt also nur noch der Staatsbankrott? Währungsschnitt? Alle fangen geldmäßig wieder bei null an?
Oder wie kann es sonst noch laufen?
Gruß
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dottore
11.06.2003, 18:28
@ MikeFFM
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Re: @dottore: Ausweg? |
-->>Hallo,
>was bleibt als Ausweg?
Na ja, was heißt"Ausweg"? Es serbelt halt so langsam immer weiter runter. Niemand geht mehr pleite (wird alles"aufgefangen", außer den üblichen Verdächtigen, den Kleinen oder"Mittelstand") und so langsam dreht es ab in Richtung Staatssozialismus. Darin lässts sich auch leben, zumal der dann keine"Ideologie" hat - es ist halt der tiefste Punkt, zu dem hin bekanntlich alles Wasser strömt.
>Konjunkturprogramme haben nicht geholfen? Warum eigentlich nicht?
Was heitß"geholfen". Die Aufträge wurden erteilt, abgewickelt und bezahlt (mit Schulden).
>Bleibt also nur noch der Staatsbankrott?
Das Um-den-Tisch-Schieben des immer selben Scheins, siehe vorhin.
>Währungsschnitt?
Nein. Wogegen denn?
>Alle fangen geldmäßig wieder bei null an?
Nein. Vielelicht werden einige rasiert, die Gläubiger waren. Ansonsten schmilzt das alles so lange ab, bis alle nichts bzw. keiner etwas hat.
Gruß!
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Josef
11.06.2003, 18:40
@ dottore
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@dottore: Ausweg? Deine Erklaerung scheint mir doch etwas duerftig. Was passiert |
-->denn mit den bestehenden Betrieben und den bestehenden Immobilien?
Der Export z.B. Toyota oder Toshiba usw. laeuft doch weiter und wird von den
Belieferten im Ausland mit Dollar bezahlt d.h.die Produktion laeuft weiter und
viele Japaner haben Arbeit und damit Einkommen d.h.die Wirtschaft laeuft weiter, keiner verhungert. Viele haben ihre Schulden abbezahlt.
Blickst du da durch? Ich jedenfalls nicht.
Danke fuer Aufklaerung
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mguder
11.06.2003, 18:48
@ dottore
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Re: @dottore: Ausweg? |
-->>>Hallo,
>>was bleibt als Ausweg?
>Na ja, was heißt"Ausweg"? Es serbelt halt so langsam immer weiter runter. Niemand geht mehr pleite (wird alles"aufgefangen", außer den üblichen Verdächtigen, den Kleinen oder"Mittelstand") und so langsam dreht es ab in Richtung Staatssozialismus. Darin lässts sich auch leben, zumal der dann keine"Ideologie" hat - es ist halt der tiefste Punkt, zu dem hin bekanntlich alles Wasser strömt.
>>Konjunkturprogramme haben nicht geholfen? Warum eigentlich nicht?
>Was heitß"geholfen". Die Aufträge wurden erteilt, abgewickelt und bezahlt (mit Schulden).
>>Bleibt also nur noch der Staatsbankrott?
>Das Um-den-Tisch-Schieben des immer selben Scheins, siehe vorhin.
>>Währungsschnitt?
>Nein. Wogegen denn?
>>Alle fangen geldmäßig wieder bei null an?
>Nein. Vielelicht werden einige rasiert, die Gläubiger waren. Ansonsten schmilzt das alles so lange ab, bis alle nichts bzw. keiner etwas hat.
>Gruß!
Hallo Dottore,
wie wäre es mit dem sog."kleinen" Staatsbankrott (Staat erhebt 100% Quellensteuer auf die Coupons seiner eigenen Anleihen,d.h. er zahlt keine Zinsen mehr)?. Ich erinnere mich dunkel an das Thema in der"Krisenschaukel". Wäre das ein Ausweg?
Gruß
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dottore
11.06.2003, 19:12
@ Josef
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Re: @dottore: Ausweg? Deine Erklaerung scheint mir doch etwas duerftig. Was passiert |
-->>denn mit den bestehenden Betrieben und den bestehenden Immobilien?
Die bleiben so stehen wie sie stehen - außer es kommt ein Erdbeben.
>Der Export z.B. Toyota oder Toshiba usw. laeuft doch weiter
Hoffentlich, sofern es nicht weltweit greift. Dahin geht es freilich, leider.
>und wird von den
>Belieferten im Ausland mit Dollar bezahlt
Davon haben die ja nix. Es muss dann schon in Yen gewechselt werden.
>d.h.die Produktion laeuft weiter
Ja, die der Exportbetriebe solange noch Exporte (= Käufe auf Kredit durch das Ausland) Statt finden.
>und
>viele Japaner haben Arbeit und damit Einkommen
Ja hoffentlich.
>d.h.die Wirtschaft laeuft weiter, keiner verhungert.
Warum verhungern? Die Einkommen werden nur immer weiter sinken, vor allem bei den alten Leuten (die Preise fallen hoffentlich genau so), und zum Schluss haben sie wieder den Selbstanbau von Reis.
>Viele haben ihre Schulden abbezahlt.
Privatleute vielleicht. Aber denk mal an die gigantischen Uneinbringlichkeiten, die auf den Aktivseiten der Banken und Versicherungen stehen. Darum geht es, diese Schulden würgen alles ab.
>Blickst du da durch? Ich jedenfalls nicht.
Machen wir es"sachlich" (denn Geld zum Nullzins ist letztlich nur noch eine Sache): Du leihst Dir von mir ein Auto und wenn ich es zurück haben will, sagst Du: Leih mir ein Auto, dann kann ich Dir Dein Auto zurückgeben und so immer weiter (Autos 2 und 3 sind / werden nicht gefahren).
Besser so?
Gruß!
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dottore
11.06.2003, 19:14
@ mguder
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Re: Ja. Das geht. Dann bleibt nur noch die Rück"gabe" des Kapitals (ginge dito) (owT) |
-->
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mguder
11.06.2003, 19:47
@ dottore
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Re: Ja. Das geht. Dann bleibt nur noch die Rück"gabe" des Kapitals (ginge dito) (owT) |
-->Wenn es ginge, warum wird es nicht gemacht? Oder anders herum, wer verhindert die Umsetzung dieser Rettungsaktion, bei der alles noch mehr oder weniger glimpflich ablaufen könnte?
Gruß
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dottore
11.06.2003, 21:10
@ mguder
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Re: Liefe auf eine 70/85-%-Streichung der Sparguthaben, Versicherungen usw. raus (owT) |
-->
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LenzHannover
11.06.2003, 21:32
@ mguder
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Woher das Geld nehmen und das AAA bei Moodys wär weg, was gut wär, denn damit |
-->wär Ende mit dem Schuldenweg, da es dann argentinische Zinssätze gäbe [img][/img]
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dottore
11.06.2003, 21:39
@ LenzHannover
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Re: Just das! Thx! Alles easy, alles einfach... (owT) |
-->
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mguder
11.06.2003, 21:52
@ dottore
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Wäre doch eigentlich akzeptabel |
-->vor allem, wenn man die Alternativen betrachtet.
Besten Dank und Gruß
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dottore
11.06.2003, 22:19
@ mguder
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Re: Okay, dann sag's den Leuten! Wer traut sich der Katze die Schelle umzuhängen |
-->Denn so oder so: Die 75/80 sind wech - entweder schnell oder gaaaanz langsam.
Der Unterschied zwischen Schrecken ohne Ende und Schrecken mit Ende.
Bekannt.. und Gruß!
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Euklid
11.06.2003, 22:59
@ dottore
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Re: Okay, dann sag's den Leuten! Wer traut sich der Katze die Schelle umzuhängen |
-->>Denn so oder so: Die 75/80 sind wech - entweder schnell oder gaaaanz langsam.
>Der Unterschied zwischen Schrecken ohne Ende und Schrecken mit Ende.
>Bekannt.. und Gruß!
Für die Überbringer von schlechten Nachrichten hatte die Geschichte immer etwas besonderes parat.
Und das war meistens überhaupt nichts Gutes;-))
Gruß EUKLID
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