kizkalesi
25.06.2003, 08:26 |
Traurig: '' Mit Rollstuhl? Ausgeschlossen!'' Thread gesperrt |
--><font size="5">"Mit Rollstuhl? Ausgeschlossen!"</font>
In der Wirtschaftskrise finden Schwerbehinderte kaum einen Job
von Sebastian Jost
Köln - Das Telefonat lief perfekt. Die beiden Frauen plauderten und flachsten."Sie müssen noch mal vorbeikommen, nur eine Formsache", sagte die freundliche Personalchefin des Callcenters."Die Stelle bei uns haben Sie praktisch schon." Wally Kohlen freute sich und fragte:"Ich komm doch bei Ihnen mit dem Rollstuhl rein, oder?" Keine Antwort. Dann ein Stottern:"Rollstuhl? Nein, ausgeschlossen. Wir haben eine Stufe am Eingang." Dann legte die Dame auf.
"Das war eine faule Ausrede", meint Kohlen. Die 43-Jährige aus Hückelhoven im Rheinland hat schon viele Ausreden gehört: Seit fast sechs Jahren sucht die Querschnittsgelähmte einen Arbeitsplatz. Wie 172 000 andere Schwerbehinderte. Die Arbeitslosenquote unter ihnen betrug dieses Frühjahr 16,6 Prozent - 5,5 Prozentpunkte mehr als auf dem gesamten Arbeitsmarkt.
Bis letzten Herbst war die Jobbilanz für Schwerbehinderte eine der besten Nachrichten aus den Arbeitsämtern: Innerhalb von drei Jahren war die Zahl der gehandicapten Arbeitslosen von 190 000 auf 144 000 gesunken - obwohl insgesamt immer mehr Menschen einen Job suchten. Dafür pumpten die Arbeitsämter nach eigenen Angaben von 1999 bis 2002 rund 547 Mio. Euro in die Vermittlung und in Lohnzuschüsse für Arbeitgeber, die Behinderte einstellten.
Doch der Aufschwung ist vorbei: Im April dieses Jahres waren 27 000 Behinderte mehr arbeitslos als im Oktober 2002."Das liegt an der Konjunktur", sagt Günter Weinzierl von der Bundesanstalt für Arbeit. Zudem können viele Arbeitsämter den Unternehmen heute weniger Geld bieten als zuvor. Denn die Arbeitsvermittler haben in den letzten Jahren so viel Mittel in Behinderten-Stellen investiert - Mittel, die zum Teil jahrelang fließen -, dass nun vielerorts das Geld für neue Zuschüsse fehlt.
Das Sozialministerium will das Steuer wieder herumreißen: Es sucht derzeit nach neuen Konzepten, zusammen mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Behindertenverbänden. Die sind sich jedoch nicht einig: Die Wirtschaft setzt auf mehr Freiheiten für die Unternehmen - die Gewerkschaften auf mehr Pflichten.
Strikter Kündigungsschutz etwa ist für Gewerkschafter eine Lösung, für die Arbeitgeber dagegen Teil des Problems. Wenn ein Betrieb einen Behinderten entlassen will, muss zuvor das örtliche Integrationsamt zustimmen. Das schrecke Unternehmer davon ab, überhaupt Behinderte einzustellen, sagt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft:"Wenn Sie einen Behinderten einstellen, werden Sie ihn nicht mehr los." Die Zahlen der Integrationsämter widersprechen dieser Einschätzung: Die Behörden winken nach eigenen Angaben über 80 Prozent der Kündigungen durch. Viel zu viel, meint Werner Feldes, Leiter des Ressorts Behindertenpolitik bei der IG Metall. Bei den derzeitigen Entlassungswellen drohten Behinderte zuerst über Bord zu gehen - nur mit noch stärkerem Kündigungsschutz könnten sie bleiben. Aber nach dem Willen des Arbeitsministeriums müssen die Integrationsämter weiter alle Kündigungen genehmigen.
Sozialverbände wie zum Beispiel der Deutsche Behinderten-Rat fordern zudem eine höhere"Ausgleichsabgabe". Diese Abgabe müssen alle Betriebe zahlen, in denen nicht mindestens fünf Prozent der Beschäftigten gehandicapt sind. Für jede fehlende Pflichtstelle müssen Firmen zurzeit monatlich zwischen 105 und 260 Euro berappen - je deutlicher man unter der Quote liegt, desto teurer wird es. Mit dem Geld bezahlen die Integrationsämter anderen Betrieben beispielsweise Aufzüge für Rollstuhlfahrer oder behindertengerechte Büromöbel.
Das Sozialministerium denkt derweil über eine zweite Pflichtquote nach - diesmal für Lehrlinge mit Handicap."Das ist der völlig falsche Weg", sagt Alexandra Hörder von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände."Man findet gar nicht genug schwerbehinderte Jugendliche, um so eine Quote zu erfüllen." Selbst die IG Metall und der Sozialverband VdK winken ab: Das Problem sei nicht die Ausbildung, sondern die Arbeitslosigkeit danach.
Das weiß auch Wally Kohlen. Der Rollstuhlfahrerin ist es egal, was die Ministerien beschließen: Sie glaubt nicht mehr daran, die Vorurteile gegenüber Behinderten durchbrechen zu können."Ich habe keine Kraft mehr, einen Arbeitsplatz zu suchen."
<ul> ~ Original ´: hier clicken</ul>
|
Tempranillo
25.06.2003, 10:14
@ kizkalesi
|
Re: D-Land heute: einen Extra-Tritt für den Schwächeren |
-->Hallo kizkalesi,
wer noch Zweifel hat, daß es bei uns üblich ist, dem Schwächeren noch einen Extra-Tritt zu verpassen, sollte sich mal den Beitrag zu Gemüte führen, sofern ein solches überhaupt vorhanden ist.
Selbst wenn man es gerade noch verstehen kann, daß ein Unternehmen wenig Neigung hat, Mitarbeiter zu beschäftigen, von denen es sich im Ernstfall nicht mehr trennen kann, hat dieses Thema einen Aspekt, von dem ich nicht verstehe, daß er nicht längst zu einer Welle der Empörung geführt hat:
Wenn ich richtig informiert bin, sind nicht einmal Bund, Länder und Gemeinden bereit, die Behindertenquote zu erfüllen, und entrichten lieber die entsprechenden"Strafgebühren".
Die deutsche Schande hat viele Gesichter.
Tempranillo
|
fridolin
25.06.2003, 10:25
@ Tempranillo
|
Re: D-Land heute: einen Extra-Tritt für den Schwächeren |
-->Wenn ich richtig informiert bin, sind nicht einmal Bund, Länder und Gemeinden bereit, die Behindertenquote zu erfüllen, und entrichten lieber die entsprechenden"Strafgebühren".
Die Ã-ffentlichen Arbeitgeber erfüllen knapp die Schwerbehindertenquote von 5%, liegen aber auch nicht wesentlich darüber. Die privaten liegen hingegen so um die 3%. Das muß man zur Ehrenrettung der öffentlichen Arbeitgeber schon sagen.
Was willst Du auch von Firmen erwarten, die am liebsten 20jährige mit 10 Jahren Berufserfahrung haben wollen? Heutzutage gehört man doch schon ab Mitte 40 zum"alten Eisen", wenn es nicht gerade um ausgesprochene Führungs- oder Spezialistenpositionen geht. Es stimmt hier so manches nicht im Arbeitsleben. So mancher Personalchef pflegt hier lediglich seine Vorurteile hinsichtlich"mangelnder Leistungsfähigkeit".
Adenauer hat übrigens mit 73 Jahren als Bundeskanzler erst angefangen und dann bis 87 weitergemacht... ;-)
|
Euklid
25.06.2003, 10:59
@ fridolin
|
Dabei sind Behinderte oft ganz zähe und bissige Mitarbeiter |
-->Wie verblödet das Management ist kann man doch auch hier ganz klar sehen.
Viele Behinderte bringen doch großartige Leistungen wie sie immer wieder beweisen.Auf der Sportolympiade kann man Leistungen von einbeinigen Hochspringern sehen die ein nichtbehinderter Fettwanst niemals bringen könnte.
Ein Beispiel ist auch der englische Wissenschaftler der sich mit der Entstehung des Universums befaßt hat.Leider ist mir der Name entfallen aber ihr wißt doch sicher wen ich meine.
Das ist doch das gleiche wie die Abschiebepraxis von älteren Mitarbeitern die zwar Sehhilfen brauchen aber oft auch ohne Brille im Dunkeln mehr sehen als die Youngsters.
Daß manche Firmen dafür teuer zahlen kommt in keiner Statistik vor.Das Lehrgeld für die Youngsters ist eben dann neu zu entrichten.
Gruß EUKLID
|
t-aktie
25.06.2003, 11:34
@ Euklid
|
der englische wiessenschaftler... |
-->steven hawking ;-)
das universum in der nussschale.
|
t-aktie
25.06.2003, 11:35
@ kizkalesi
|
Re: Traurig: '' Mit Rollstuhl? Ausgeschlossen!'' |
-->immer wenn ich so was lese werd ich mir wieder bewusst wie gut es einem geht wenn man nicht behindert ist...leider wissen das die meisten nicht (mehr) zu schätzen.
|
Euklid
25.06.2003, 11:51
@ t-aktie
|
Herzlichen Dank für die Instandsetzung des Taktgenerators;-)) |
-->>steven hawking ;-)
>das universum in der nussschale.
Jawohl gegen Gedächtnisverlust ist auch eine Suchmaschine überfordert;-))
Danke für die Erinnerung.
Ob ich das jetzt aufgrund fortschreitendem Alter vielleicht 50 mal laut aufsagen soll;-))
Gruß EUKLID
|
wheely
25.06.2003, 12:35
@ t-aktie
|
Na na na...Klischee ick hör dir trapsen... |
-->>immer wenn ich so was lese werd ich mir wieder bewusst wie gut es einem geht wenn man nicht behindert ist...
Anmerkung dazu:
Dein Satz impliziert den Umkehrschluß, wer"behindert" ist, dem geht es nicht gut!?
Was ist"Behinderung", wer ist"behindert", mal provokant gefragt, kannst du mir das definieren? Trägst du z.B. eine Brille? Hast du ein paar Pfund zuviel drauf und schnaufst nach drei Stufen? Wo ziehst du eine Grenze, schon mal ernsthaft drüber nachgedacht?
Jeder hat sein Handicap zu tragen, ein bewußter Umgang damit und Selbsterkenntnis gehören dazu.
Klischees verbreiten ist dabei nicht hilfreich.
Gruß
wheely
|
Kaddii
25.06.2003, 15:11
@ kizkalesi
|
Ich bin Rollstuhlfahrer... |
-->Hi Kitzkalesi
Ich bin Rolli und kann nur aus Dresden berichten. Hi ist es wie überall, nur wenn der Behinderte den Mund aufmacht wird er wahrgenommen. Macht er nix passiert auch nix. Hier gibt es eine sehr gute und interessante Rolligesellschaft mit vielen Aktivitäten. Und die Behörden sind zwar nicht komplett an der"Quote" dran, aber echt bemüht. Viel schlimmer sind die bürokratischen Hürden in den Ämtern und welcher AG läßt sich eine verschlafene Hilfestellung seitens der Behörden schon gefallen.
Aber jammern gilt nicht, es gibt viel schlimmeres
Gruß
Koonii
Dresden, schön und sonnig
|
LenzHannover
25.06.2003, 21:04
@ kizkalesi
|
So ein Schwachsinn, im gegensatz zum 20 jährigen hippen Single gibt es Menschen |
-->die richtig intensiv ihrem Arbeitsplatz verwachsen.
Es gibt eine Probezeit und in der schaut man halt, ob es klappt.
Call Center hört sich für mich nach geringen Lohn an, mich täten die wohl sofort nehmen und ich wüßte: bald bin ich hier wieder weg, wenn es wo mehr Geld gibt
|